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Montag, den 16. Dezember 1S2S
64. Jahrgang.
Fernruf 179
Nummer 296
Fernruf 179
Mischer Reichslag
Die Parteierklärungen — keine gemeinsame Erklärung
Berlin, 14. Dezember.
Zu Beginn der gestrigen Sitzung stellte Präsident Löbe unter großer Heiterkeit des Hauses fest, daß sich noch keine Parte! zum Wort gemeldet habe. Die Parteien waren durch die Ereignisse so in Anspruch genommen, daß sie noch keine Zeit gefunden hatten, ihre Redner zu benennen. Außer der gewöhnlichen Reihenfolge meldet sich Abg. Neubauer (Komm.) zum Wort. Er erklärt, die Kommunisten lehnen den Doung-Plan ab, weil er einen Markstein bilde in dem internationalen kapitalistischen Zusammenschluß gegen Sowjetrußland.
Abg. Straßer (Nat.-Soz.): Die Erklärung des Reichskanzlers sei die glatte Konkurserklärung des Deutschen Reichs. S ch a ch t sei der Diktator des Reichstags und die Regierung eine Gesellschaft von Volksverrätern. (Ordnungsruf.)
Abg. Dr. Brüning erklärt namens des Zentrums, eine großzügige Reform des Steuersystems sei notwendig. Die gegenwärtige Krise gebe einen Vorgeschmack, was eine Daweskrise im Sinn Hilgenbergs bedeuten würde. Der Kassenabmangel des Reichs müsse sofort beseitigt werden. Die Zentrumsfraktion habe alles getan, damit sich die Regierungsparteien gemäß der Aufforderung des Reichskanzlers geschlossen auf den Boden des Finanzprogramms stellen sollten, obgleich auch das Zentrum in Einzelheiten starke Bedenken habe. Das Zentrum werde die Reichsregierung in ihrem Willen, das Programm durchzusüh- ren, unterstützen und es hofft, daß die übrigen Regierungsparteien dasselbe tun.
Von der deutschnationalen Fraktion sind inzwischen Mißtrauensanträge gegen die Reichsminister Curtius und Hilferding eingebracht worden.
Abg. Dr. Oberfohren (deutschnat.): Wir stellen fest, daß bei dieser wichtigen Beratung die Regierung abwesendist und daß die größte Regierungspartei (Soz.) keinen Rednervorschickt. Angesichts dieses völligen Durcheinanders beantragen wir den Abbruch der Verhandlungen. — Der Antrag wird abgelehnt.
Abg. Dr. Quaatz (deutschnat.): Die jetzige katastrophale Lage beweise die Unzulänglichkeit des Systems und der leitenden Personen dieser Regierung. Noch vor einem Jahr habe Hilferding jeden, der von Staatsbankerott spricht, als „wirtschaftlichen Landesverräter" bezeichnet. Es handle sich nicht nur um ein Kassendefizit, sondern um ein organisches Defizit. Die Schätzungen des Reichskanzlers seien noch zu optimistisch, wie auch Dr. Schacht erklärte. Die Steuererträge seien im Rückgang. Die Regierung verleugne ihren eigenen Sachverständigen Dr. S ch a ch t, der ein europäisches Ansehen genieße, dessen sich nicht viele Reichsminister erfreuen können. Von Dr. Schacht hänge es ab. ob die Regierung am 1. Januar die Gehälter und den Arbeitern die Löhn? zahlen kann. Bei den Pariser Verhandlungen habe Reichskanzler Müller an Dr. Schacht geschrieben, es müsse angenommen werden, auch wenn sich daraus Schädigungen der deutschen Wirtschaft ergeben. Dr. Breitscheid sei gleichzeitig Schacht durch einen Artikel in den Rücken gefallen. Millionen sind von dem früheren Wirtschaftsminister, dem jetzigen Außenminister Dr. Curtius, an England und Belgien ausgeliefert worden. Curtius hofft auch, die Freundschaft Polens zu er- reichen durch das Abkommen, das sorgfältig geheim gehalten wird. „Was Sie, Herr Dr. Curtius, aus Liebe für Polen an dem deutschen Osten gesündigt haben, das werden noch später Geschlechter empfinden!" (Präsident Löbe erteilt Dr. Ouaatz einen Ordnungsruf.) Stresemanns Freund, der englische Botschafter d'Abernon, hat von einem System der Haltlosigkeit und Schwäche in Deutschland gesprochen. Unter diesem System haben wir seit Jahren gesitten."
Abg. von Sybel (Chr.-Nat.) spricht der Regierung das Mißtrauen seiner Freunde aus. Der Redner greift besonders die polnischen Verträge an.
Abg. Dr. Hoff (DVP.) verliest eine Erklärung seiner Fraktion, die begrüßt, daß die Regierung jetzt den Entschluß bekunde, eine durchgreifende Finanzreform durchzuführen. Die Erklärung schließt mit dem Satz: Wir sind bereit, das Programm der Reichsregierung zur Durchführung als Ganzes anzunehmen, unter der Voraussetzung, daß die übrigen Regierungsparteien die gleiche Bereitschaft bekunden.
Abg. Dr. Reinhold (Dem.): Das Programm der Reaieruna bedeute, daß die Reaieruna in dieser Schicksals
frage die"Führung übernehme.' Die Demokraten seien bereit, sich hinter dieses Programm zu stellen und auch das Sofort-Programm durchzuführen.
Abg. Dr. Breitscheid (Soz.): Es sei unerträglich, wenn der Reichsbankpräsident den Eindruck zu erwecken suche, als könne er die Richtlinien der Politik bestimmen. Die Sozialdemokratische Partei habe zur Regierung das Vertrauen, daß sie die Haager Verhandlungen zu Ende führen werde. Die Sozialdemokratie sei bereit, an einer Finanzreform mitzuwirken. Wenn sie zu den Grundzügen der Finanzreform nicht abschließen dStellung nehme, so vor allem deswegen, weil die ungünstige Entwicklung der Finanzverhältnisse des Reiches es fraglich erscheinen lasse, ob die Voraussetzungen für eine so umfangreiche Steuersenkung gegeben seien.
Abg. Leicht (Bay.VP.): Die Bayerische Volkspartei begrüße es, daß die Regierung an einer Gesundung der Finanzen arbeiten wolle. Sie sei auch bereit, sich für das sogenannte Sofortprogramm einzusetzen. Das Gesamtprogramm könne sie nicht annehmen.
Abg. v. Lindeiner-Wildau (Dt. Arbeitsgemeinschaft) begrüßt das Vorgehen des Reichsbankpräsidenten. Die Denkschrift Schachts könne nur den Sinn haben, die veränderten Grundlagen seit Paris festzu- zustellen und daraus den Anspruch der Revision des Young-Plans herzuleiten. Die Arbeitsgemeinschaft versage der Regierung das Vertrauen, weil sie nicht glaube, daß die heutigen Inhaber der Regierungsgewalt die notwendigen Forderungen für Staat und Wirtschaft erfüllen.
Reichskanzler Müller: In seinem Brief an Dr. Schacht nach Paris habe er geschrieben: „Die Reichsregierung hat unter Beteiligung sämtlicher Kabinettsmitglieder von dem neuen Vorschlag des Vorsitzenden der Pariser Konferenz (der Deutschland eine Reihe neuer Lasten auferlegte) Kenntnis genommen und ist zu der Ueberzeugung gelangt, daß seine Ablehnung das Scheitern der Konferenz zur Folge hätte. Die Reichsregierung sieht darin schwere wirtschaftliche und politische Gefahren und glaubt deshalb einstimmig, daß die Annahme des Poung-Vorschlags unvermeidbar geworden ist." Dieser Brief, fährt der Reichskanzler fort, habe die Handlungsfreiheit der deutschen Sachverständigen in keiner Weise beschränkt. (Starker Widerspruch rechts.) Die Regierung stehe auf dem Standpunkt, daß die Verhandlungen im Haag im Sinn Stresemanns weitergeführt werden müssen. Die Deutschnationalen hätten wiederholt die Politik Stresemanns gebilligt.
Der Vertrauensantraq
Die Samstag-Sitzung wurde um 11 Uhr eröffnet.
Abg. Dr. Oberfohren (Dntl.): Die gestrigen Erklärungen mehrerer Regierungsparteien bedeuten eine glatte Ablehnung des Finanzprogramms. Darin liege ein Mißtrauen, wie es stärker sachlich nicht zum Ausdruck gebracht werden könne. Insbesondere habe die größte Regierungspartei, die Sozialdemokratie, offene Revolte an- gekündigt. Praktisch sei der Zusammenbruch des Kabinetts Müller da. Selbst wenn jetzt ein kümmerlicher Ausweg gefunden werde, sei das Kabinett moralisch erledigt. Die „offene Feldschlacht", in der die Regierung siegen wollte, sei von der Regierung verloren worden. Der einzige Finanzminister, der eine vorsorgliche Finanzgebarung übte, war der deutschnationake Minister von Schlieben. Der von ihm angehäu.fte Schatz ist von seinen Nachfolgern vertan worden, vor allem durch den demokrati-i. schen Minister Reinhold. Wir haben jetzt keine Staats- führung, sondern eine Methode, die das Volk mit verbundenen Augen in den Abgrund führt. Wir haben einen unehrlichen Etat. Von einer umfassenden Finanz- und Steuerreform ist keine Rede. Die deutschnationale Reichstagsfraktion lehne die Verantwortung für jede Neubelastung der d e u t s ch e n ,W i r t s ch a f t ab. Wenn diese Regierung , die Vollmacht für die Haager Käufer e n z erhalte, so wäre das ein Verrat nationaler Interessen, für den das Volk die Quittung geben werde. (Beifall rechts, lachen links).
Abg. Drewitz (Wirtschaftsp.) gab seiner Verwunderung Ausdruck, daß die jetzige Regierung den Mut habe, noch Vertrauen von den Parteien zu fordern. Eine Voraussetzung für Steuersenkungen sei allein die H e r a b s c tz u n g derÄusgaben für Reich, Länder und Gemeinden. Bis- ber merke man davon aber noch nicht viel. Die ungedeckten Mehrausgaben für Beamte und Abgeordnete haben in den letzten 2 Jahren zu dem Kassendefizit von 1700 Millionen geführt. Der eigentliche Verantwortliche sei der Staats- serketär Popitz.
Abg. Dr. Best (Volksrechtsp.) lehnte das Regierungsprogramm ab.
Inzwischen war von der neuen Fraktion der Christlich-
Nationalen Arbeitsgemeinschaft ein Mißtrauensantrag gegen die Reichsregierung eingegangen.
Abg. Torgler (Komm.) warf den Sozialdemokraten Schaumschlägerei vor.
Der Verkrauensantrag hat folgenden Wortlaut:
„Der Reichstag billigt die vorgestrige Erklärung der Reichsregierung und vertraut darauf, daß das Finanz- reformprogramm der Regierung vorbehaltlich der endgültigen Gestaltung der Gesetze im einzelnen in Wahrung der von der Regierung bekannkgsgebenen Grundzüge durchgeführt wird. Der Reichstag spricht der Reichsregierung für ihre Gesamtpolitik das Vertrauen aus."
Reichsfina«zminister Hilferding:
Er sei einigermaßen erstaunt, daß der Kassenfehlbetrag Mn 1700 Millionen als „U e b e r r a s ch u n g" bezeichnet worden sei. Als die jetzige Regierung ihr Amt antrat, habe sie ein Kassendefizit von mehr als einer Milliarde übernehmen müssen. In den Jahren 1926 und 1927 seien (unter Aleinhold) alle früheren Ersparungen (Schliebens) aufgezehrt worden. Wenn die Zündholzanleihe eingegangen sein werde, werde der Kassenfehlbetrag am 1. April noch 900 Millionen ausmachen, denen 400 Millionen an Deckungsmitteln gegenüberstehen. Um den Fehlbetrag zu beseitigen, brauche man die schleunige Durchführung der Beitragserhöhung zur Arbeitslosenversicherung. Von einer katastrophalen Finanzlage Deutschlands könne man nicht sprechen. Er habe für den letzten Etat Steuererhöhun- gen vorgeschlagen, der Reichstag sei dagegen gewesen; er babe die Einnahmen zu hoch, die Ausgaben zu nieder angesetzt.
Damals hätte er (Hilferding) allerdings zurücktreten müssen. Bei der Aufstellung des nächsten Plans müsse man mit aller Sparsamkeit und Sorgfalt Vorgehen. Die Steuersenkung werde auch eine Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung ermöglichen. Die Beseitigung der in der Kommunalverwaltung vorhandenen Schäden müsse im Einverständnis mit den Kommunen möglich sein. Die Finanzen der Länder und des Reichs werden von unabhängigen Instanzen geprüft. Das müsse sich auch für bi« Städte erreichen lassen. Das Programm sei wirtschaftlich und finanziell tragbar.
Der Reichstag unterbrach feine Sitzung bis 3 Uhr. j Vollkommene Einigung
Zwischen 1 und 2 Uhr nachmittags am Samstag haben Reichsregierung und Fraktions- führer noch einmal eine Besprechung abgehalten. Me Sozialdemokraten hatten die Forderung der Deutschen Volks- Partei auf Einbeziehung der Senkung der Einkommensteuer in das Sofortprogramm abgelehnt, und das Zentrum hakte die Frage aufgeworfen, ob es tragbar sei, daß eine Anzahl Abgeordnete der Deutschen Volkspartei sind dann in der letzten Besprechung mit den Fraktionsführern aus der Welt geschafft worden.
Die Deutsche Volkspartei hatte in der Mittagspause den Rückzugs an trag eingebracht, daß mit dem Sofortprogramm wenigstens die Senkung der Einkommensteuer in Form eines Jnitiakiv-Antrags der Parteien verbunden werde. Zentrum und Sozialdemokraten lehnten den Vorschlag aber unbedingt ab. Die Beitragserhöhung zur Arbeitslosenversicherung, die ursprünglich bis zum Jahr 1931 geplant war, soll vorläufig bis 1. April 1930 begrenzt werden.
Die Bertrauenserttärung angenommen
Bei der Abstimmung wurde der Vertrauensantrag der Reichsregierung mit 222 gegen 156 Stimmen bei 22 Enthaltungen der Bayerischen Volkspartei angenommen. Dafür stimmten die Sozialdemokraten. Demokraten. das Zentrum und der größte Teil der Deutschen Volksvarlei.
Für und gegen die Vertcauenserklärung
Berlin» 15. Dez. Für die Dertrauenserklärung haben im Reichstag geschloffen gestimmt die Sozialdemokraten, das Zentrum und die Demokraten, sowie von der Deutschen Volksparkei 24 Mitglieder.
Dagegen haben geschlossen gestimmt die Deutschnotiona- len. die Kommunisten, die Wirlschafisparkei, die Deutsch- nationale Arbeitsgemeinschaft, die Christliche Bauernpartei, die Nationalsozialisten, von der Deutschen Volksparkei 14 Mitglieder, von den vier Mitgliedern der Deutsch-Hannoveraner drei, ferner die beiden Mitglieder der Voksrechts- partei B est und Lobe, die keiner Partei angehörigen Ab- aeordneten Brun und Frölich.
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