Von Ken ersten Ergebnissen ist die Ermittlung des Durchschnittseinkommens der Kaufmannsgehilfen von besonderer Wichtigkeit. Dieses betrug im Monat Januar d. I. ohne Sonderzuwendungen 235 RM. einschließlich der Leistungs-, Sozialzulagen und sonstigen monatlichen Zuwendungen 259 RM. und zuzüglich der auf den Monat umgerechneten einmaligen jährlichen Bezüge (Gratifikationen, Gewinnanteile und Feriengelder) 268 RM. Bei einer Wertung dieser Zahl ist zu beachten, daß es sich nur um männliche Kaufmannsgehilfen handelt, da der DHV. keine weiblichen Angestellten organisiert. Der durchschnittliche Monatsbetrag der über die Tarifgehälter hinaus gezahlten sogenannten Leistungszulagen beträgt 11.74 RM.. während die S o z i a l z u- lage sich auf 5.44 RM. beläuft. Die aus den Monat umgerechneten Bezüge — Gratifikationen, Gewinnanteile und Feriengelder — betragen 9,02 RM. Wie hoch diese Son- derezuwendungen, deren Umfang bis heute noch niemals statistisch festgestellt wurde, für die Einzelnen sind, wird erst eine spätere Aufteilung des Materials in die von Tarifverträgen erfaßten und die nicht unter Tarifverträge fallenden Personen ergeben.
Starke Unterschiede ergeben sich übrigens bei einer Aufgliederung nach Gewerbezweigen. Während das Durchschnittsgehalt (einschließlich Leistungs- und Sozial,zulägen) für das Versicherungsgewerbe 278 RM.. für die Industrie fast 278 RM. und für das Bankgewerbe 265 RM. beträgt, zahlt der Großhandel seinen Kaufmannsgehilfen nur 245 RM, der Kleinhandel 206 RM. im Durchschnitt. Außerordentlich tief lagen innerhalb der letztgenannten Gruppe der Eisenkleinhandel, der Lebensmittelkleinhandel mit 187 RM. bezw. 164 RM. Durchschnittsgehalt.
In den nächsten Wochen wird das anfallende Zahlenmaterial dieser großen Umfrage laufend veröffentlicht werden. Es sei noch erwähnt, daß auch sehr wichtiges Material über die tatsächliche Arbeitszeit und die U e b e r- arbeit vorliegt. Das Statistische Reichsamt wird gut tun, die beim Deutschnationalen Handlungsgehilfenverband in diesem wichtigen Spezialzweig der Statistik gemachten Erfahrungen durchzuprüfen und sich zu überlegen, ob sich eine Einkommenstatistik für weitere Teile unseres Volkes verwirklichen ließe.
Mrlleniberg
Skuttgark, 7 Oktober.
Das Volksbegehren „Freihelksgeseh". Das Innenministerium veröffentlicht einen Erlaß an die Wahlbshörden über das Volksbegehren „Freiheitsgesetz". Der Erlaß enthalt außer d m Gesetzentwurf selbst Vorschriften über die Eintragung, üe Eintragungsfrist beginnt am 16. Oktober und endigt am 29. Oktober- Zur Eintragung ist berechtigt, wer am Tag der Eintragung zum Reichstag wählen kann.
Zur Sozialfürsorge. Der Reichsarbeitsminister hat unterm 14. August 1929 an die für die Durchführung der Fürsorgeverordnung zuständigen Ministerien der Länder folgenden Erlaß gerichtet: Im Hinblick auf das am 1. Oktober 1929 in Kraft tretende Gesetz über Leistungen in der Invalidenversicherung vom 12. Juli 1929, aus dem sich eine Erhöhung der Renten aus der Invalidenversicherung ergibt, bringe ich mein Rundschreiben vom 21. Juni 1928 in Erinnerung. Ich wiederhole die darin ausgesprochene Bitte, durch entsprechende Anordnungen darauf hinwirken zu wollen, daß die Fürsorgeverbände die Rentenerhöhungen nicht zum Anlaß nehmen, ihre Leistungen allgemein um den Betrag der sich ergebenden Rentenerhöhung zu kürzen, sondern daß sie ihre Maßnahmen davon abhängig machen, ob und in welchem Umfang die Lage des einzelnen Falls unter den gegenwärtigen Teuerungsverhältnissen eine Kürzung der Fürsorgeleistungen zuläßt.
Vach dem Geschäftsbericht des Reichsversicherungsamkes für das Jahr 1928 ist ein erhebliches Anwachsen der Geschäfte zu verzeichnen. Die beschäftigten höheren Beamten sind von 54 auf 60 gestiegen. Aus den statistischen Angaben ist folgendes zu entnehmen: a) Unfallversicherung: Versicherte Betriebe 5,5 Millionen mit 25,4 Millionen versicherten Personen, zu denen noch fast 1 Million in den Reichs-, Staats- und Kommunalbetrieben Versicherte kommen: so daß rund 26 Millionen Personen im Jahr 1928
gegen Unfall versichert waren. Der Gesamtaufwand' für die Unfallversicherung belief sich auf 372 Millionen RM, die Zahl der gemeldeten Unfälle auf 1,4 Millionen. Die erstmalig entschädigten Unfälle erhöhten sich ebenfalls von 136 000 auf 157 000. Fülle von gewerblicher Berufskrankheit wurden angezeigt 4343 und davon 404 entschädigt, b) Invalidenversicherung: Renten wurden bewilligt 1928 etwa 400 000. Am 1. Januar 1929 liefen 1,8 Millionen Invalidenrenten, 21 000 Krankenrenten, 58 000 Altersrenten, 389 000 Witwenrenten, 2400 Witwenkrankenrenten und 735 000 Waisenrenten, im ganzen also über drei Millionen Renten. An Rentenleistungen wurden 1928 verausgabt rund 923 Millionen RM. Die Beitragseinnahmen betrugen rund 1 Milliarde RM. Das Vermögen der Bersicherungs- träger wird vermutlich Ende des Jahres 1928 360 Millionen RM. betragen haben. In der Rechtsprechung wurden in der Unfallversicherung 6845, in der Invalidenversicherung 8676 Revisionen erledigt.
Stuttgart. 7. Okt. Lage des Arbeits Marktes. Der Stgnd an unterstützten Arbeitslosen war am 2. Oktober folgender: In der versicherungsmähigen Arbeitslosenunterstützung 36 744 Personen, in der Krisenunterstützung 8 306 Personen. Die Gesamtzahl der Unterstützten stieg um 718 oder 1,6 v. H. von 44 332 Personen (33 493 Männer, 10 839 Frauen) auf 45 050 Personen (34 246 Männer. 10 804 Frauen). Davon kamen auf Württemberg 15191 gegen 14 913 und auf Baden 29 859 gegen 29 419 am 25. September. Im Gesamtbezirk des Lcmdes- arbeitsamtes Südwestdeutschland kamen am 2. Oktober 1929 auf 1000 Einwohner 8,9 Hautpunterstützungsempfänger gegen 8,8 in der Vorwoche und 5,8 in der gleichen Zeit des Vorjahres.
Im Straßenbahnwagen gestorben. Während der Straßenbahnfahrt erlitt eine 60 Jahre alte Frau in der Neckarstraße einen Herzschlag.
Die afrikanische Forschungsreise der Technischen Hochschule. Seit fast zwei Monaten flattert der schwarzgelbs Wimpel der Technischen Hochschule Stuttgart in der afrikanischen Wüste. Eine von der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, der Vereinigung von Freunden der Technischen Hochschule, der Württ. Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft, sowie andern Stellen unterstützte Expedition des Botanischen Instituts hat ihr Standquartier in der Oase Beni Unis an der algerisch-marokkanischen Grenze errichtet und untersucht die Physiologie der Pflanzen der Sahara- Von einer Anzahl Feldstationen werden täglich mit Tragtieren Materialien ins Hauptquartier gebracht und dort in einem in 31 Frachtlisten aus Deutschland mitgeführten Laboratorium chemisch analysiert. Zurzeit befindet sich die Expedition auf dem Marsch nach der in einem völlig unbesiedelten Gebiet gelegenen großen Sandwüste El Erg. Die Rückkehr nach Deutschland wird voraussichtlich Anfang November erfolgen.
Eröffnung der „Ausstellung für Ernährung und Körperpflege". In Gegenwart zahlreicher Gäste würde am Samstag im großen Stadtgartensaale die Ausstellung für Ernährung und Körperpflege Stuttgart 1929 feierlich eröffnet. Die Veranstalter der Ausstellung sind das deutsche Hygienemuseum Dresden, der württ. Landesausschuß für hygienische Volksbelehrung, die ärztlichen Organisationen, vor allem aber auch sämtliche Hausfrauenorganisationen des Landes. Die Ausstellung dauert drei Wochen.
Die Tarifverhandlungen im Groß- und Einzelhandel für
Groß-Stuttgart, Heilbronn, Eßlingen, Ludwigsburg und Zuffenhausen sind, wie der Deutschnationale Handlungsgehilfenverband mitteilt, ergebnislos verlaufen. Es wird jetzt der Schlichtungsausschuß angerufen.
Vertreterlag des Bundes der kinderreichen. Am 5. und 6. Oktober hielt der Landesverband der Kinderreichen hier seinen Vertretertag ab. Der Landesverband fordert in einer Kundgebung, den Schutz und die Förderung der kinderreichen Familien Württembergs mit allen Mitteln in Angriff zu nehmen.
Neuerung im Paulinenbad. Im Paulinenbad wurde heute das Elektro-Heil-Jnstitut eröffnet. Neben Radium- und Hochfrequenz-Strahlen stehen noch Apparate zur Verfügung, die es ermöglichen, mit Ultrarot- und Ultraviolettstrahlungen die Heilwirkungen zu ermöglichen. Die Leitung der Abteilung und die Untersuchung aller Patienten vor der Bestrahlung liegt in den Händen eines Arztes.
Aestgenommene reisende Taschendiebe. Dieser Tage sind von der Kriminalpolizei im Hauptbahnhof zwei zugereiste Taschendiebe tschechischer Staatsangehörigkeit ergriffen worden, die in letzter Zeit nicht nur im Hauptbahnhof, sondern auch auf Straßenbahnwagen und an Haltestellen ihr unsauberes Handwerk mit gutem Erfolg betrieben haben.
Aus dem Lande
Zuffenhausen OA. Ludwigsburg, 7. Oktober. Todesfall. Stadtpsleger a. D. Friedrich Ege ist im Alter von 56 Jahren gestorben.
Die Angehörigen des hiesigen Feinkosthauses Weckerle wollten eine Tagesfahrt im Auto machen und verunglückten in der Schwieberdinger Gegend schwer. Das Auto fuhr in den Bach. Die Ehefrau Weckerle erlitt einen Bruch beider Beine neben anderen inneren Verletzungen. Der Mann wurde wie die übrigen Insassen ebenfalls schwer verletzt, so daß alle Verunglückten in ein Stuttgarter Krankenhaus verbracht werden mußten. Das Auto war schwer beschädigt, und wurde abgeschleppt.
Ludwigsburg. 7. Okt. Tödlicher Autounfall. Der 46 Jahre alte Handelsgärtner Adolf Locher jung stieß in der Nacht zum Sonntag beim Sieglebuckel (Kornwest- heim) mit seinem Personenauto auf einen auf der rechten Seite der Staatsstraße stehenden beleuchteten Kraftwagen auf. Die Schutzscheibe wurde zertrümmert und Glassplitter drangen Locher in die Hirnschale ein. Er war sofort tot. Das Auto selbst wies auffallenderweise sonst keine Beschädigungen- auf.
Heilbronn, 7. Oktober. Tödlicher Unfall. In der Nacht zum 6. Oktober wurde in der Neckarsulmerstraße ein 46 Jahre alter Maschinenformer von einem Motorradfahrer angefahren und zu Boden geworfen. Er trug innere Verletzungen davon und starb im städtischen Krankenhaus. Der Motorradfahrer selbst wurde nur leicht verletzt.
Nachts geriet in einer Wirtschaft ein 26 Jahre alter Schlosser mit der Dirne Maria Wiedmann von hier, die stark betrunken war, in einen Wortwechsel. Nach Verlassen der Wirtschaft verfolgte ihn die Wiedmann und brachte ihm in der unteren Neckarstraße einen Messerstich in die rechte Brustseite bei.
Kornkcrl, 7. Oktober. Todesfall. Hier starb die älteste Einwohnerin unserer Gemeinde, die 89jährige Rosine Ergezinger, gebürtig aus Renningen. Sie war seit 1865 ununterbrochen tn Korntal und diente bis vor wenigen Jahren über 50 Jahre lang efner einzigen Herrschaft.
Großheppach OA, Waiblingen, 7. Oktober. Ein- weihungdergrößtenKelterWürttembergs. Am Samstag und Sonntag wurde die neue größte Gemeindekelter Württembergs feierlich eingeweiht. Am Samstag fand die Schlüsselübergabe und anschließend im Hauptgang ein Festessen statt. Am Sonntag war allgemeines Weihefest mit Festzug, Rede des Ortsvorstehers Schultheiß Wolf und Konzert. Der Besuch von-nah und fern wak sehr stark. Großheppach prangte in reichem Festschmuck.
Gmünd, 7. Okt. Todesfall. Samstag mittag gegen 2 Uhr ist an den Folgen einer Blutvergiftung Eugen Hel'erich, der Direktor der staatlichen Taubstummenanstalt, gestorben.
Blögglingen OA. Gmünd, 7. Oktober. Brand. Samstag mittag war neben dem Anwesen des Bauern Johannes Abele in Oberdorf die Dreschmaschine tätig. Aus noch nicht aufgeklärter Ursache fing etwas Stroh plötzlich Feuer und dieses breitete sich bei dem herrschenden Wind so rasch aus, daß in kurzer Zeit die Scheuer in Hellen Flammen stand, die bald auch auf das Wohngebäude Übergriffen. Das ganze Anwesen Abeles ist verloren. Das Vieh und ein großer Teil des Mobiliars konnten geborgen werden.
Rottenburg, 7. Okt. Eröffnung des Landwirtschaft s f e ste s. Am Samstag vormittag wurde das Landwirtschaftliche Bezirks- und Gaufest in Gegenwart des Wirtschaftsministers Dr. Beyerle, des Präsidenten von Sting, sowie der Spitzen der Behörden feierlich eröffnet.
Böchingen AO. Oberndorf, 7. Oktober. Brand. Am Freitag abend brach im Ortsteil Halde in dem landwirtschaftlichen Doppelanwesen der Landwirte August Vach Md Aabnenarad Feuer aus. Die Bescher waren bei Aus-
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Roman von Cläre Bekker. Lopprigkt dp Oreiner L Lo-, kerlin tlVV 6.
SS. Fortsetzung. Nachdruckverboten.
La plötzlich erklang aus der Tiefe des dunklen Gangs her, der durch einen Saal direkt zur Bühne führte, ein kurzer Schrei. Aus dem dunklen Hintergründe aber stürzte, Frau Solls Arm, den sie gefaßt hielt, loslassend, Ingrid und warf sich um den Hals ihres Onkels.
Ste küßte und herzte ihn und wußte sich vor Freude kaum zu lassen.
„Nun erst, da du gekommen bist, lieber Onkel, weiß ich, daß du mir nicht mehr zürnst . . . Nun wird mir meine Nolle noch einmal so viel Freude machen, denn nun ist mein Herz von dem drückendsten Gefühl dir gegenüber wieder frei," sagte sie.
Ter Pfarrer liebkoste ihr die Wangen, die noch vom Spiel auf der Bühne erhitzt waren.
„Auch ich bin sehr froh, daß ich da bin," fagts er. „Nun ist wieder alles, alles gut zwischen uns, nicht wahr?"
Ingrid schmiegte seine Hand an ihre Wange. Ein« Liebkosung, die sie ihm nur immer tn den allerinntg- sten Augenblicken hatte angedethen lassen.
Frau Soll wurde nun ebenfalls von Pfarrer Römer begrüßt. Lange hielt er ihre Hand tn der seinen.
„Ich danke Ihnen. Ja, ich danke Ihnen, wie ich Ihnen schon so zahllose Male tn meinem Leben zu danken hatte . . ." sagte er zu ihr mit bewegter Stimme, aber frohen Augen.
„Du stehst so wunderbar verjüngt aus, Onkel . . rief Ingrid, die nach seiner freien Hand haschte.
„Ja, ich bin auch verjüngt. . . Und das alles hast - du Zemacht..."
„Ja, du, durch deine kühne Tat, durch die Flucht von mir . . ."
„Ach Onkel, redest du im Ernst so? . .
„Im vollen Ernst . . ."
Da legte Ingrid ihre feinen schmalen Hände kreuzweise über ihr Herz und sagte mit tiefem Atemzug:
„Ach, Onkel, jetzt ist es hier drinnen mit einem Male besser. . . Jetzt Hab' ich nur noch — einen einzigen großen, großen Kummer . . ."
„Auch der wird noch heilen . . . Vertraue deinem Glauben und deiner Liebe nur weiter, mein Kind . . . Es geschehen schon noch Wunder auf Erden," jagte der Pfarrer schnell und mit kurzem Atem.
Der Goldpunkt in Ingrids Augen wurde bei diesen Worten ganz hell und sah aus wie von innen erleuchtet.
„Meinst du wirklich, Onkel, daß ich Mutter noch einmal finde? . . . Wirklich, meinst du? . . fragte sie mit leicht zitternden Lippen.
Aus Götz, der leise den Raum verlassen hatte, als Ingrid an ihm vorbei und aus den Onkel zugeeilt war, hatte im Augenblick niemand geachtet. Plötzlich erfüllten fremde Menschen, fremde Stimmen den Raum.
Frau und Herr Vogelfang und der Theaterdirektor Doktor Lindenberg umringten den Pfarrer, als ob er ihnen gar kein Fremder sei. Ja, es hätte nicht allzu viel gefehlt und Frau Sana Vogelfang wäre dem Pfarrer um den Hals gefallen. Auch ihr Mann gebärdete sich vor Freude, ihn kennenzulernen, wie ein Kind.
„Das wird der schönste Tag meines Lebens, diese Aufführung und — Sie, lieber Meister, dazul . . ." rief er.
„Er will ja nicht bis zur Aufführung bleiben . . ." warf Götz ein.
„Was? . . . Aber das ist ja nicht möglich! Freilich müssen Sie bleiben. Hören Sie, verehrter Meister, Sie werden nämlich — ein Wunder, ein direktes Wunder an dem Tag erleben . . . Und da wollen Ste fort? . . . Unmöglich!..." ,
„Fa/'' sagte der Pfarrer mit einem Lächeln, „ich sehe ein, ich werde es möglich machen müssen zu bleiben..."
Auch Doktor Ltndenberg, der lächelnd dabeigestanden, sagte nun, daß der Tag der Ausführung viel Ueberraschen- des bringen und ein ganz großer, seltener Theaterabend zu werden verspräche... Da müsse er doch wohl bleiben. Das sei er nicht nur seiner Nichte, diesem neuen, ausgehenden Stern tn der Kunstwelt, schuldig, sondern auch all seinen Verehrerinnen und Verehrern . . ."
Pfarrer Römer verbeugte sich höflich. Im stillen nahm er sich jedoch hpr, bestimmt allen etwaigen Ehrungen seiner Person aus dem Wege zu gehen. —
Es war ganz wunderbar zu erleben, wie in diesen Tagen, da Pfarrer Römer in Berlin weilte, fern Aufenthalt wie ein Lauffeuer sich verbreitete und von Mund zu Mund weitergetragen wurde. Die Zettungsredaktionen waren voll von Neuigkeiten. Auch über eine wunderbar schöne, hochbegabte junge Schauspielerin, einer Nichte des berühmten Dirgni, die direkt von einer einsamen Insel komme, wo sie die längste Zeit ihres Lebens zu- gebracht habe, wurde dies und noch manches andere be- richtet. Einmal wurde Götz, dann wieder Frau Sana Vogelfang, oder auch Direktor Lindenberg als ihr Ent- decker genannt.
Berlins Premierengesellfchaft fieberte denn auch, durch aN diese sensationellen Nachrichten in Stimmung versetzt, der Erstaufführung des Dramas „Ketten" entgegen. Alle Welt glaubte bereits, daß dieser Theaterabend Ungewöhnliches in jeder Beziehung bringen würde. Auch über das Bühnenwerk des Dichters Vogelfang wurde allerlei ge- munkelt. Auf jeden Fall aber würde es ein Abend von ungewöhnlichem, gesellschaftlichen Reiz sein, das stand fest. Neue Abendroben wurden dafür angeschafft, Fracke vorbereitet. Es hieß, daß alle Spitzen höchster Regterungs- stellen ebenfalls zu diesem Theaterabend erscheinen würden.
Fortsetzung folgt.