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Nummer 235 Fernrufes

Montag, den 7. Oktober 1929 Fernruf i?s 64. Jahrgang.

M englisch-ruUche Verständigung

Das Abkommen von Lewes

Das Bündnis zwischen England und Rußland in der Entente" war ein Zweckgebilde zur Einkreisung Deutsch­lands. Seine Unnatürlichkeit war niemals zu verdecken, denn Ihre Ausdehungsinteressen kreuzten sich, wo immer man sie erblickte. Das Bündnis zerbrach, weil Rußland äußerlich zerbrach, aber die Gegensätze wurden womöglich noch schär­fer, und England wurde aus der Rolle eines ebenbürtigen Gegners in die des Verteidigers gedrängt. Nicht so sehr galt es einen Verteidigungskampf um Landbesitz, als einen Ver­teidigungskampf gegen das Vordringen der bolschewistischen Idee unter den Kolonialvölkern Englands, vornehmlich in Asien. Die konservativen Regierungen Englands glaubten, ihn militärisch führen zu müssen, und bemühten sich, einen rußlandfeindlichen Block zu schaffen, der in einem Krieg Rußland und seine neue Staatsidee niederringen sollte. Dis Blockbildung mißlang, und sie mußte mißlingen, weil die wirtschaftlichen Interessen fast aller Länder gegen solch eine Dienstbarkeit sprachen. In England kamen auch konservative Kreise, vor allem jene, die der Wirtschaft nahestehen, bald zu der Erkenntnis, daß diese Blockpolitik falsch sei und aufgegeben werden müsse. Für Chmaberlain war es eine schwierige Aufgabe, den Weg nach Moskau wie­derzufinden- Auch wenn die Konservativen am Ruder ge­blieben wären, hätte er ihn gehen müssen, denn die wach­sende Arbeitslosigkeit zwang dazu. Die Arbeiterpartei hatte vor der Wahl die Beseitigung der Arbeitslosigkeit als die wichtigste Aufgabe bezeichnet, der sie sich widmen würde, wenn sie zur Regierung käme, und als zwangsläufige Folge daraus hatte sie die Wiederanknüpfung der Beziehungen zu Rußland zugesagt. Die Russen waren in der günstigeren Lage, und die Räteregierung hatte gelegentlich des Besuchs der Abordnung englischer Industrieller in Moskau im März und April dieses Jahres ausdrücklich erklären lassen, daß dem Ausbau des Wirtschaftsverkehrs die Regelung der di­plomatischen Beziehungen vorangehen müsse.

MacDonald und Henderson kehren sich entschlos­sen von der Einkreisungspolitik gegenüber Räterußland ab. Die Idee des rußlandfeindlichen Blocks ist begraben. In den Verhandlungen in Lewes bei London haben Mac Donald und Henderson glatt nachgegeben was ihnen von konservativer Seite scharfe Angriffe eintrug indem sie sich ohne weiteres bereit erklärten, die amtlichen Beziehungen zu Sowetrußland wieder aufzunehmen, was von Moskau als die Vorbedingung für weitere wirtschaftliche Verhand­lungen gefordert worden war. Und dennoch haben die bei­den Staatsmänner der Arbeiterregierung der englischen Wirtschaft einen bedeutsamen Dienst erwiesen, von dem auch die Konservativen profitieren, zunächst wirtschaftlich, wenn nun größere Aufträge aus Rußland nach England kommen sollten. Dann aber später einmal vielleicht auch politisch, wenn sich eine Erleichterung der Arbeits­losigkeit Herausstellen sollte, denn die Arbeitslosigkeit war mit ein Grund zur Unzufriedenheit mit der konserva­tiven Regierung. Die Beschaffung von Arbeit durch russische Aufträge kann diese Unzufriedenheit und damit eine der Ur­sachen der konservativen Wahlniederlage beseitigen und ihnen wieder den Weg zur Regierung ebnen. Es wäre kein schlechter Treppenwitz der Weltgeschichte, wenn so das neue Abkommen von Lewes zum Anfang vom Ende der Herr­schaft der Arbeiterpartei würde, deren Führer das politische Wagnis der Verständigung mit Sowjetrußland aus sich ge­nommen haben.

- Die erhofften russischen Bestellungen sind aber an gewisse Bedingungen gebunden. Auch die englischen Arbeiter- fuhrer verlangen bestimmte Bürgschaften, daß die kom- munist Ischen Umtriebe in England und im ganzen britischen Weltreich aufhören. Auch soll Rußland die alten Schulden an England sowie die Verluste, die britische Staats­angehörige bei der Revolution in Rußland erlitten haben anerkennen und ersetzen. Die Russen hinwiederum können die Jndustrieaufträge nur erteilen, wenn Großbritannien ihnen einen Pump größeren Formats gibt, um den Moskau bisher vergeblich bei den Staaten der Alten und Neuen Welt angeklopft hat. Diese Dinge sind natürlich viel wichtiger als der Austausch von Botschaftern. Näheres ist darüber aber noch nicht bekannt, die Vereinbarungen über diese Punkte dürften auch bis jetzt nur in Umrissen entworfen sein. Das­jenige über die Schuldenfrage bedeutet vermutlich einen g r u n d s ä tz l i ch e n W e ch s el i n d e r S ch u l d e li­po! itik Rußlands überhaupt. Bisher hat Sowjet­rußland die Anerkennung aller Schulden der vorangehenden Regierungen abgelehnt. Wenn es jetzt diejenigen an Eng­land anerkennt, wird es wohl auch die noch größeren an Frankreich anerkennen müssen.

Deutschland kann durch die englisch-russische Verstän­digung insofern nachteilg betroffen werden, als die ohnehin schon seit längerer Zeit einschrumpfenden Bestellungen Mos­kaus dem bevorzugten britischen Wettbewerb hintangesetzt werden. Auch eine gewisse Tragik, denn Deutschland war das erste und längere Zeit das einzige große Land, das die Sowejetregierung im Rapallo-Vertrag anerkannte und ihm den Zutritt zur europäischen Staatengesellschaft vorbereitete.

Zer Marek-Skandal

Die Untersuchung fördert täglich neue überraschende Tat­sachen zutage. Es wurde nun festgestellt, daß die Sklareks mit einer ganzen Anzahl von Stadträten, Stadtverordneten und städtischen Beamten ingeschäftlichen Beziehungen" gestanden und daß sie an dieseZahlungen", d. h. Be­st echungsgelder ausgefolgt haben, die in einigen Fällen 10 000 Mark erheblich übersteigen. Der Berliner Magistrat hat nun beschlossen,von den Sklarek-Verträgen zurückzutreten". Die Sklareks behaupten, die Fälschung der Lieferscheine sei stets im stillschweigenden Einverständnis mit den betreffenden städtischen Aemtern erfolgt, was ja nach den neuesten Entdeckungen nicht ganz unmöglich wäre. Auf der Liste der Personen, die die bekannten 400-Mark- Anzüge für 80 Mark erhielten, stehen die Namen von hoch- gest eilten städtischen Beamten; sie haben je­weils gleich mehrere Anzüge auf einmalerworben" und auch, wenn sie damit nicht zufrieden waren, um ebenso billigen Spottpreis sich kostbare Pelze zulegen können.

Gegen die drei Direktoren der Berliner Stadtbank Schmitt, Hoffmann und Schröder ist ein Dienst­strafverfahren eingeleitet.

Die Ausgaben der Wohlfahrtsämter in Berlin betrugen für Kleidungsstücke, Wolldecken usw. rund 60 Millionen Mark im Jahr. Dieser Betrag floß fast ganz den Sklareks zu, die eine Monopolvertretung mit der Stadt von 1926 bis 1935 hatten. Wenn die Stadtverwaltung behauptet, sie habe durch den Sklarekbetrug einen Schaden von zehn Millionen erlitten, so ist das irreführend; der Schaden beträgt das Mehrfache. Die Sklareks sollen einen jährlichenReingewinnvon25Mil- lionen gehabt haben. Das Geld kann trotz der Bestechun­gen und der wahnsinnigen Verschwendungen nicht ver­braucht, vielmehr müssen viele Millionen ins Ausland verschoben worden sein.

Die Sklareks kamen nach der Revolution als vermögens­lose Reisende aus Galizien nach Berlin, wo sie in der Barmat- und Kukiskerzeit bald Verbindungen mit hoch­stehenden und einflußreichen Personen anknüpsen konnten.

Ein weiterer Berliner Skandal

DieProvisionen" des Amtsrats

^ Mittelbar hängt mit dem Sklarek-Skandal ein weiteres Skandälchen zusammen, der in der Lichtstadt Berlin jetzt eben­falls bekannt geworden ist. Dem Reichsverband der Karne­val-, Festartikel- und Feuerwerkskörperhändler, deren Mit­glieder auch die Lokterielose für Vereinsfeiern lieferten, war es ausgefallen, daß seit drei Jahren durch Beschluß des Ber­liner Magistrats die Losröllchen allein von der Firma B a - janzu. Studer gekauft werden mußten. Sie wurden mit über 4 Mark bezahlt, während sie im freien Handel 150 bis 2.50 Mark das Tausend kosten. Es wurde nun festgestellt, daß der Amksrat Schur, der Vorstand der städtischen Ver­gnügungssteuerabteilung, der mit einem Teilhaber der Firma Bajanz u. Studer eng befreundet ist, seine freie Zeit, die sehr reichlich zu sein scheint, dazu benützte, mit dem^Auto seines Freunds in der Provinz herumzureisen und für die Losröll- chen der Firma, die allein von der Stadt Berlin schon längst mit bestem Erfolg verwendet werden, Stimmung zu machen. Schur hat zugegeben, daß er für seine Werbearbeit Provi­sionen erhalten habe, die in die Tausende gehen.

Neue Nachrichten

Die Neubesetzung des Auhenministeriums

Berlin, 6. Oktober. Die Betrauung des Reichswirt­schaftsministers Dr. Curtius von der Deutschen Volks­partei mit der vorläufigen Führung der Geschäfte des Aus­wärtigen Amts hat vielfach überrascht. Es ist zwar bekannt, daß Curtius zu dem engsten Kreis der Vertrauten Strese- manns gehörte und in seine Politik vollständig eingeweiht war, aber es wird auch als auffällig bezeichnet, daß es mit der Neubesetzung so große Eile hatte. Es scheint, daß man Parteiumtriebe, die bei derartigen Anlässen so oft eine Rolle

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ist die, ob Curkius, der früher Staatsanwalt in Heidelbe war, das Amt auch dauernd behalten solle. Der Deutsch! Volkspartei scheint daran nicht viel zu liegen, da das Auße Ministerium, wenn der Poungplan einmal angenomim sein würde, nicht mehr von allzu großer Bedeutung i Kabinett wäre. Man glaubt, daß die Partei das Reich si n a n z m i n i st e r i u m, bei dem es über kurz oder lar doch einen Wechsel geben müsse, vorziehen würde. Voran setzung wäre allerdings, daß die gegenwärtige Ko> lition aufr e ch terhalten werden kann, was vc manchen Seiten in Zweifel gezogen wird, da es fragli er,cheine, ob sich in der Deutschen Volkspartei ein Parte sichrer finden werde, der wie Stresemann die miderstrebei een Richtungen mit gleicher Beherrschung Zusammenhalte könne. Die Probe wird erst zu machen sein, wenn im kon wenden Winter die Reichssinanzreform die inne

politischen Fragen aufrührt. Bis dahin dürste tn auen Regierungsparteien der Wunsch vorherrschend sein, die Koa­lition am Leben zu erhalten.

Curtius in Paris genehm

Paris, 6. Oktober. Die Blätter verzeichnen die vor­läufige Berufung des Dr. Curtius zum Leiter des Aus­wärtigen Amts mit Befriedigung. Als vertrauter Freund Stresemanns biete er die Gewähr, daß die auswärtige Politik Deutschlands in den bisherigen Bahnen geführt werde. Für die endgültige Besetzung wäre in Frankreich vor allem der Pariser Botschafter v. Hoesch willkommen, der sich bisher als getreuer Gehilfe Stresemanns erwiesen habe.

Der Reichskanzler am Sarg Stresemanns

Berlin, 6. Okt. Der offene Sarg, in dem Reichsaußen­minister Dr. Stresemann ruht, steht im Wintergarten der Villa, umringt von Kränzen und Blumenspenden, die schon in großer Zahl niedergelegt werden. Die Wand hinter dem Sarg ist schwarz bespannt. Vom schwarzen Tuch hebt sich ein silbernes Kreuz ab, das von zwei silbernen Leuchtern mit brennenden Lichtern flankiert ist. Das Gesicht ist fried­lich, nicht vom Schmerz eines letzten Kampfes zerquält, der dem in Bewußtlosigkeit Dahingeschiedenen erspart ge­blieben ist.

Am Freitag gegen 12 Uhr erschien Reichskanzler Her­mann Müller im Trauerhaus, wa er längere Zeit bei dem ältesten Sohn Dr. Stresemanns, Wolfgang Stresemann, verweilte. Dann ging der Reichskanzler, begleitet von den beiden Söhnen, zum Sarg, um Abschied von dem Verstor­benen zu nehmen.

Von der Menge der Kranzspenden und Ausschmückungen für Dr. Stresemann kann man sich einen Begriff machen, wenn gemeldet wird, daß am Samstag morgen in Berlin kein Lorbeer für Kränze usw. mehr aufzutreiben war.

Verminderung der französischen Truppen vom Kehler Brückenkopf

Kehl, 6. Okt. Nachdem schon vor einiger Zeit die im Kehler Brückenkopfgelände liegende Kavallerieabteilung ab­gerückt war, sind am Sonntag auch 6 .Offiziere und 100 Mann des in Kehl liegenden 170- französischen Infanterie­regiments nach Remiremont (Vogesen) abbefördert worden. Ein weiterer Teil des Regiments soll Kehl am 11. Oktober verlassen.

Erleichterung des Reiseverkehrs im befehlen Gebiet

Koblenz, 6. Okt. Die verbändlerische Rheinlandkommis- sion hat durch eine Verordnung bestimmt, daß ein amtlicher Personalausweis von den Kontrollstellen nicht mehr ge- fordert wird. Jeder schriftliche Ausweis, der die Identität seines Inhabers feskzustellen geeignet ist, hat Gültigkeit. Eine besondere Genehmigung der Rheinlandkommisston für Reisen von Gesellschaften ist von nun ab nicht mehr erforderlich.

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Abschaffung der Wehrpflicht In Dänemark

Kopenhagen, 6. Okt. Der dänische Verteidigungsminister legte dem Reichstag einen Eesetzesvorschlag vor iber die Umbildung von Heer und Flotte in ein Wacht korps, bestehend aus Fliegerkorps, Infanterie, Artillerie und einer Staatsmarine. Die Wehrpflicht soll abgeschafft werden. Das Wachtkorps soll auf Kriegsfuß etwa 8000 Mann ausmachen. In außergewöhnlichen Fällen soll es auf eine Stärke von 15 000 Mann gebracht werden. Zur Staatsmarine sollen drei Wachtschiffe von je ungefähr 1800 Tonnen ge­hören, ferner dreiFischerei-Jnspektionsschiffe von je 1000 Tonnen und18Bewachungsfahrzeuge, sowie 12 Flugboote. Die jährlichen Kosten von Wacht­korps und Staatsmarine werden auf 17,9 Millionen Kronen veranschlagt, 7,2 Millionen für das Wachtkorps und 10,7 Millionen für die Marine.

Bruch zwischen Woldemaras und seiner Parkei

Korvno, 6. Okt. Auf eine neuere Erklärung des früheren litauischen Erskministers, daß er entgegen seiner früheren Er- Klärung doch wieder an der Politik sich beteiligen wolle, hat. seine Partei den Bruch mit ihm vollzogen, nur ein kleinerer Kreis von Anhängern ist ihm treu geblieben. Als solche in voriger Woche eine nicht genehmigte Versammlung abhielken, wurden sie verhaftet. Woldemaras hat seine Diktakorrolle vorerst ausgespielt.

Mac Donald ln Washington ^

Washington, 6. Oktober. Mac Donald, den Staats­sekretär Stimson in Neuyork vom Schiff abgeholt hatte, traf mit seiner Tochter und Gefolge in Washington ein. Am Bahnhof erwiesen eine Kompagnie Seesoldaten und eine Abteilung Kavallerie die Ehrenbezeugungen. Abends emp­fing Mac Donald in der britischen Botschaft die Presse. Er komme nicht als Parteiführer, sondern als Vertreter der öffentlichen Meinung Großbritanniens. Er komme nicht, um ein Bündnis zu schließen, denn erstens brauche Amerika keinen Verbündeten und zweitens sei die Idee der, Bünd-