Nr. 291

Amt», und Anzeigeblatt für den OberamtsbezirL Calw.

98. Jahrgang.

TrfihLinunsrweise: Sm«l »vchentlick. Anzeigrupreit: Die Felle 10 Eoldpsennige, Za«ilie»- «nze.ze» 8 G.-Pf^ Nekt«men SO Auf Gum«eL«nzeißen k»m«t «tu Fuschltg 100*/^

Mittwoch, den 12. Dezember 1923.

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Neueste Nachrichten.

Das Reichslaüinett hat gestern über die Rheinlandfrage be­raten. Aus den dabei gefaßten Beschlüsse« ist hervorzuhebeu» daß die Renteumark im besetzten Gebiet amtlich nicht ringe» führt wird, um der Erfahr der Beschlagnahme zu entgehen, Laß ein wertbeständiges Notgeld für das besetzte Gebiet um­gehend aesckassen werden soll, vaß die Erwerbslosenfürsorge wie im unbesetzten Deutschland behandelt werbe« soll, daß aber die Ki-rzarbeiterfürsorge abgebant werde, und daß Er­werbslose die ihnen zugewiesene Arbeit annrhmen müssen. Gegen Ausschreitungen des Kartellwesens soll vorgegange« «:rden Tlaatsrechiliche Veränderungen werden nur aus rer» sassunzsmäßigcm Wege im Rahmen des Reichs und d« Län­der zugelassen. Schließlich wird betanntgcgeben, daß di« Rrichs- regicrnug zur Lösung aller Fragen des besetzten Gebiets möglichst bald unmittelbare Verhandlungen mit den Be- setzungsmächte» «ustrebt.

Die Franzosen lassen durch di«Separatisten" die Bürgermeister der Gemeinden in der Pfalz unter schwersten Drohungen Er­klärungen abgeben, daß sie die separatistische Bewegung an­erkennen. Auf diese Weis, will man die AbtrennnngsplSne dann dem Ausland gegenüber rechtfertigen.

vorläufig bleibt das konservative Kabinett Baldwi« i« Eng­land am Ruder. Es scheint, daß die Oppositionsparteien vor­erst nicht die Absicht habe«, die Regierung z« stürze«.

Ass Amerika kommen wiederum Meldungen über die Teilnahme privater Persönlichkeiten an dem geplanten Sachverständigen­ausschuß.

vorbehaltlich der Genehmigung der beiderseitigen Volksvertre­tungen wurde ein Handelsvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Nordamerika abgeschlossen.

Um Ruhr und Rhein.

Neue französische Abtrennungsmethoden in der Pfalz.

Mannheim, 11. Dez. Die Separatisten versuchen in der letzten Zeit, von den Landbürgermeistern Loyalitätserklärungen für die neue Separatistenregierung zu erzwingen, teilweise mit vorge­haltener Pistole und unter Androhung der Freiheitsberaubung. So wurden gestern in den Bezirken Bergzabern und Ludwigs­hafen die Landbürgermeister vorgeladen und ihnen unter den schwersten Drohungen Erklärungen erpreßt. Diese Loyale täts- crklörungen sind nicht so sehr für die Separatisten bestimmt als für die Franzosen. Es besteht Grund zu der Annahme, daß die Erklärungen an die Interalliierte Nheinlandkommission nach Koblenz weitergeleitet werden. Von Paris aus würden diese Ergebnisse nach England gemeldet und bei den Engländern und ollen anderen Ländern Propaganda gemacht, als wenn die ganze Bevölkerung hinter den Separatisten stände. Das bedeutet ein« Neuauflage des Saarschwindels und die Vergewaltigung der Pfalz. Die französische Politik will sich für ihr künftiges Vor­gehen in der Pfalz jetzt schon die moralischen Argumente sichern. Die Ausweisungen gehen bereits rn die Dutzende. Die Mit­wirkung des französischen Dezirksdelegierten bei diesen Loyali- tätserpressungen ist offenkundig. Verschiedene Landbürgermeister wurden bei den Delegierten vorstellig, um ihren Standpunkt in der Angelegenheit darzulegen. Teilweise stieß der Delegierte dabei Drohungen aus.

Das Komödienspiel um die Sachverständige««,isschüsse.

Washington, 12. Dez. Vom Weihen Haus wird mitge- teilt, daß die Regierung die Teilnahme amerikanischer Sachverständiger an den llnersuchungsausschüssen der Re­parationskommission günstig ansehe. Es wird betont, dah während die Regieung selbst nicht in der Lage sei, offiziell an den Ausschüssen teilzunehmen, oder offizielle Vertreter dazu zu entsenden, die Teilnahme amerikanischer Wirt, fchasissachverstiindiger oder privater Einzelpersonen gebil­ligt werden würde. Die Tatsache, dah die Einladung an Amerika zur Teilnahme von allen alliierten Regierungen und ebenso von Deutschland unterstützt wird, wird als be­

deutungsvoll betrachtet, da man stets auf der Einstimmig- kei der europäischen Mächte als Voraussetzung für die Si­cherung wirksamer amerikanischer Hilfe bestanden habe. Das amerikanische Interesse an der Untersuchung wird hier vornehmlich auf die Tatsache zurückgeführt, dah die ameri- kaltische Regierung eine HauptglLubigeriu Deutschlauds (!) sei.

Belgische Anmaßung.

Brüssel. 12. Dez. (Agence Belge.) Auf den Protest der deutschen Regierung gegen die von dey belgischen Behörde anläßlich der Weigerung des Deutschen Reichs, eine Ent- schädigungszahlung wegen der Ermordung des Leutnants Eraff zu. leisten, in Duisburg und Hamborn vorgenomme­nen Beschlagnahmungen hat die belgische Regierung ge­antwortet, sie fei überrascht, dah di« deutsche Regierung eine Handlung, an der sie allein die Schuld trage, als Mißbrauch der Gewalt bezeichne. Die belgische Regierung erinnert an die Schritte, die sie sofort nach der Ermordung unternahm, um eine gerechte Wiedergutmachung zu er­langen. Die Note des Ministers Jaspar weist auf alles hin, was die belgische Negierung getan habe, um Zwangs­maßnahmen zu verhindern, vor allem darauf» daß sie das Urteil der zweiten Instanz abwartete, das die Schuld der Mörder bestätigte. Ob sich die Belgier früher auch solche Frechheiten erlaubt hätten?!

Zur auswärtigen Lage.

Die Grundlinie« des deutsch-amerikanischen Handelsvertrags.

Berlin, 11. Dez. Ueber die Grundlinien des am 8. 12. in Washington Unterzeichneten Handelsvertrages zwischen den Ver­einigten Staaten und Deutschland erfahren wir folgendes: Di« Grundlage des Vertrages bildet die Gewährung der beidersei­tigen Meistbegünstigung. Der Vertrag geht über das rein wirt-, schaftlich« Gebiet weit hinaus und greift auch auf rechtliche, kul­turell« und andere Fragen über. Zn dem Vertrag finden u. a. folgende Punkte ihre Regelung: Einreise, Niederlassung. Er­werb und Uebertrogung von beweglichem und unbeweglichem Eigentum, Ausübung des Handels- und Gewerbebetriebes, Zu­lassung und Gründung von Gesellschaften, die Beteiligung an ihnen und ihre Besteuerung, die Aus-, Ein- und Durchfuhrsrage und die der Handelsreisenden und des Musterverkehrs. Den in­tegrierenden Bestandteil des Vertrages bildet ein eingehendes Konsularabkommen. Die Geltungsdauer beträgt 10 Jahre vom Tag« der Ratifikation ab. Nach Ablauf dieser Zeit gilt einjäh­rige Kini-Ngungsfrist.

Um die amerikanische Lebensmittelanleihe.

Washington, 12. Dez. Zm Anschluß an die gestrige Ver­öffentlichung eines Privatbrieses Hoovers, in dem sich die­ser für die Auflegung einer deutschen Lebensmittelanleihe im Betrag von 70 Millionen Dollar ausspricht, verlautet daß die amerikanische Regierung die Hoffnung hege, daß die Anleiheverhandlungen Erfolg haben möchten. Präsi­dent Eoolidge sei indessen der Ansicht, daß die Tätigkeit der privaten Hilfeleistung für die Bevölkerung Deutschlands fortgesetzt werden solle. Es wird angenommen, daß etwa die Hälfte des Betrages der geplanten Anleihe für Lebens­mittelkäufe in den Vereinigten Staaten verwendet wer­den soll.

Der amerikanische Staatshaushalt.

Washington, 11. Dez. In den Anträgen für das 12- monatige Budget, das gestern dem Kongreß zugestellt wurde, schlägt Präsident Eoolidge die Herabsetzung der Be­steuerung um 300 Millionen Dollar vor und erhebt Ein­wendungen gegen den Plan der Eeldverwendung an die vormaligen Soldaten. Der Marinesekretär empfiehlt in seinem Jahresbericht an den Kongreß für dieses Jahr die Ausgabe von 30 Millionen Dollar fütz die Umgestaltung der amerikanischen Flotte und dem Bau von 8 Kreuzern» 3 U-Bootskreuzern und 6 Kanonenboten, sowie einer wei­

teren Summe für die Verbesserung der Marinestützpunkte und die Entwicklung des Marineflugdienstes.

Die Regierung Baldwi» bleibt vorläufig.

London, 11. Dez. Dem Reuterschen Büro zufolge verlautet, daß Baldwin im Amte bleiben werde, da er seitens seiner Mi­nisterkollegen und der Konservativen Partei das Versprechen der Unterstützung erhalten habe. Wie Reuter weiter meldet, trat das Kabinett heute vormittag seit den Wahlen erstmalig zu­sammen. Alle Minister waren anwesend. Nach Beendigung der Sitzung bewahrten die Minister strengstes Stillschweigen, dach wird die Veröffentlichung des Lommuniquäs erwartet. Das konservative Hauptquartier meldet, das Kabinett werde am Ruder bleiben, bis es zum Rücktritt gezwungen werde. Man glaube, daß binnen einem halben Jahre Neuwahlen notwendig würden. In Arbeiterkreisen werde erklärt, die Partei werde wahrscheinlich nicht di« erste Gelegenheit benützen, um die Re­gierung bei der Adreßdebatte zu stürzen, sondern warten, bis die Regierung einen Antrag einbringe, gegen den die Arbeiter­partei aus Ueberzeugung stimmen könne.

Einberufung des englischen Parlaments.

London, 12. Dez. Amtlich wird gemeldet: Das Kabinett hat einstimmig entschieden, daß es nach der Verfassung seine Pflicht sei, das Parlament so bald wie möglich einzuberufen. Das Par­lament tritt daher, wie festgesetzt, am 8. Januar zusammen.

Republikanische Bewegung in Persien.

Paris, 10. Dez. Nach einer Havasmeldung aus Kon­stantinopel soll die republikanische Bewegung in Persien an Ausdehnung zugenommen haben. Die Meldung be­stätigt sich, daß der ehemalige Schah, der sich lange in Kon. ftantinopel aufgehalten habe, nach Paris gereist sei, um mit dem derzeitigen Schah die Lage zu besprechen.

Deutschland.

Das Rcichskabinett und die Beamiengehälter.

Berlin, 11. Dez. Das Reichskabinett hat sich heute er­neut mit der Frage der Beamtenbesoldung befaßt und trotz der Niederschrift der Staatssekretäre die Regelung der Beamiengehälter gutgeheitzen. Dabei wird ausdrücklich be­merkt, daß bei einer allgemeinen Steigerung der Mieten durch eine Aenderung der Gesetzgebung unmittelbar oder mittelbar eine Erhöhung der Wohnungsgelder in Aus­sicht genommen ist. Ferner ist selbstverständlich, daß die Ge­hälter eine Besserung erfahren müssen, sobald die öffent­lichen Finanzen wieder einigermaßen in Ordnung sind. Gerade die jetzige äußerste Einschränkung ist aber eine Vor­aussetzung dafür, daß eine solche Besserung überhaupt er­zielt werden kann.

Protest der Beamten des Auswärtigen Amtes gegen l i:

Gehaltsverminderung. *

Berlin, 11. Dez. Die Blätter veröffentlichen einen Brief des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt v. M a lt- zahn, worin daraufhingewiesen wird, daß die neuen Eoldgehälter der Beamten den schärfsten Protest der Be­amten des Auswärtigen Amtes hervorgerufen hätten und auch nach seiner Ansicht nicht tragbar seien. Gehälter, die bei einer Verteuerung des Lebensunterhaltes auf das Dop­pelte noch nicht die Hälfte des Friedensgehaltes betrügen, würden das gesamte Beamtentum völlig zugrund? . i .n. Ein Versagen der Beamtenschaft gerade in der tigen politisch schwer gespannten, vielleicht aber ni.!,-: g.'.nz aussichtslosen Lage würde außenpolitisch verhängnisvoll sein. Für das Auswärtige Amt müsse er jede Verantwor- tung für die Folgen einer solchen Politik ablehnen. Wie dieDeutsche Tageszeitung" erfährt, lief als Antwort auf den Brief des Staatssekretärs von Maltzahn ein Schreiben des Reichsfinanzministers ein. Als unmittelbare Folge die­ses Schreibens hat, wie verlautet, Maltzahn ein Difzipli- narversahren gegen sich selbst beantragt.