vom rage. In einem Haus der Poststraße in Berg hat sich ein 58 Jahre alter Mann erhängt.

Aus dem Lande

Fellbach, 12. Juni. Wiedereinführung der Wohnungszwangswirtfchaft. Die hiesige Ge- meinde ist laut Erlaß des Oberamts Waiblingen wieder als Gemeinde mit Wohnungsmangel erklärt worden.

Pfauhausen. OA. Eßlingen. 12. Juni. Tödlicher Sturz. Montag früh wollte die etwa 22 I. a. Spinnsrei- arbeiterin Anna Baumann, ein sehr braves, fleißiges Mädchen, die Milch aus dem Keller heraufholen; als sie nicht sofort wiederkam, suchte die Mutter nach ihr und fand sie auf dem Kellerboden tot liegend. Allem Anschein nach ist sie ausgerutscht, die Kellertreppe hinabgefallen und hat dabei das Genick gebrochen.

Ludwigsbnrg. 12. Juni. Auf der Suche nach einer neue »Heilquelle. Im Mathildenhof wurde nach einer neuen Heilquelle bis auf eine Tiefe von 80 Me­ter gebohrt, ohne daß man auf Wasser gestoßen ist.

Neckarsulm, 12. Juni. Ausdem Gemein dera t. In feiner heutigen Sitzung wählte der Gemeinderat den bis­herigen Ratschreiber Rechnungsrat Mühlieh zum Stadt­pfleger, den bisherigen Stadtkassier Schweizer zum Ratschreiber und den bisherigen Verwaltungsobersekretar

E h r e n f r i e d zum Stadtkassier.

Schorndorf. 12. Juni. Ein bösartiger Rehbock. Stadtakziser a. D. W. u. Portier V. von hier wurden nach­mittags bei der Holzbergklinge von einem starken Rehbock angefallen und geforkelt. W., dem der Daumenballen mit dem Gehörn durchstoßen wurde, mußte sich in ärztliche Be- Handlung begeben. V. erhielt mehrere Stöße in die Knie­gegend.

Neubronn O.A. Mergentheim, 12. Juni. Vom Baum gestürzt. Der etwa 25 Jahre alte Sohn des Polizeidie­ners Wagner stieg auf eine Fichte, um ein Rabennest auszunehmen. Hierbei brach ein Ast und er fiel so unglücklich zu Baden, daß ein Bein an der Hüfte aus dem Gelenk ge­rissen und ein Arm gebrochen wurde.

Uhingen. OA. Göppingen, 12. Juni. Tödlicher Un­fall. In der Nacht auf Dienstag verunglückte der Knecht Robert Schunter, der zurzeit im Dienst bei Wilhelm Wenzel­burger in Ebingen steht. Er war mit zwei beladenen Heu­wagen unterwegs und wurde von einem Auto und Fuhr- auto auf der Landstraße liegend aufgefunden. Das Auto verbrachte ihn in das Plochinger Krankenhaus. Der Ver­unglückte ist gestern morgen seinen schweren Verletzungen erlegen. Nach Feststellung der Verletzungen dürfte Schunter unter sein eigenes Fuhrwerk geraten und überfahren wor­den sein.

Laupheim, 12. Juni. Am Starrkrampf gestor­ben ist das 4 I. a. Kind des Anton Braun, Bierbrauer, dem vor etwa 8 Tagen ein Holzklotz auf den Fuß gefallen war.

Rottum, OA. Biberach, 12. Juni. Hasendiebstahl. Hier stahlen zwei Diebe ein halbes Dutzend Hasen aus dem Haus des Rechenmachers Kloos und gingen mit ihrem Wägelchen in Richtung des Krummbachs davon.

Waldsee, 12. Juni. Brand. Gestern früh etwa um 3 Uhr brach in einem an der Biberacherstraße gelegenen, von mehreren Familien bewohnten Haus im Vühnenraum des Landpostboten Graf Feuer aus, das an dem dort gelagerten Brennholz reiche Nahrung fand. Der Dachstuhl wurde zerstört.

Rom Bezirk Waldsee, 12. Juni. Wachswetter. Die Bauern sind sehr zufrieden mit dem derzeitigen Witte­rungswechsel, begünstigt er doch das Setzen der Kohlraben- und Runkelrübenpflanzen usw. in höchstem Maß. Auch der Graswuchs konnte sich vortrefflich entwickeln, säst wäre man versucht, mit der Heuernte zu beginnen, doch ist es jetzt in der Zeit vor Johanni, wo es heißt8 Tage vor und 8 Tage nach Johanni müssen die Bäche überlaufen, will man ein gutes Erntejahr", sehr gewagt. Alte Leute sind immer noch der Ansicht, vor Peter- und Paulstag überhaupt nicht zu heuen. Lieber ein gutes Hereinbekommen von trockenem Futter älteren Datums, als ein wohl jüngeres, kräftigeres, aber infolge Verregnens verdorbenes, oftmals zu Streue heruntergewürdigtes Futter.

Friedrichshas.n, 12. Juni. Besuch von König Fu ad? König Fund, der zurzeit in Deutschland weilt, wird, nach einer Meldung der Oberschwäbischm Volkszei­tung, voraussichtlich auch nach Friedrichshafen kommen und Graf Zeppelin" besichtigen.

Von der bayrischen Grenze. H a g e ls ch l a g B r.a n d

-Löslich uversahren. nn der ll gebung von Jller- tissen und Babenhausen hat Hagelschlag in Gärten, Aeckein

und an den Obstbäumen großen Schaden angerichtet. In Kettershausen wurden von großen Hagelschlossen eine An­zahl Fensterscheiben zertrümmert. Das Anwesen des Landwirts Peter Kraus in Dinkelscherben ist mit dem großen Stadel abgebrannt. Der 24jährige Maschinen­schlosser Hans Göttsch, der sich bei Nacht auf dem Heim­weg nach Ay befand, wurde auf der Landstraße zwischen Neu-Ulm und dem Vorort Ludwigsseld von einem Motor­radfahrer überfahren. Er kam so unglücklich zu Fall, daß er einen tödlichen Schädelbruch erlitt und verschied.

Nördlingen, 12. Juni. E i n e n g e s ä h r l i ch e n Spa­ziergang unternahm auf der Brüstung des oberen Kreu­zes der St. Georgskirche ein Eisenbahnarbeiter, der aus Verzweiflung über wiederholte Arbeitslosigkeit sich vom Turm Herabstürzen wollte, aber im entscheidenden Augen­blick nicht den Mut dazu fand.

Vom bayer. Allgäu. 12. Juni. Schwere Zusam- menstö ß et Vom Blitz getötet. Zwischen Aich- stetten und Ferthofen fuhr ein von Genf kommendes Auto gegen eine Telegraphenstange. Das Auto wurde stark be­schädigt; die Insassen erlitten erhebliche Verletzungen, dar­unter eine Dame einen Schlüsselbeinbruch. Auf der von Sonntagstouristen stark belebten Buxheimer Straße stieß ein Motorradfahrer, der mit einer zu hohen Geschwindig­keit fuhr, mit einem Radfahrer zusammen. Dem Radfahrer wurde der linke Oberschenkel vollständig aufgerissen, i^r Motorradfahrer, ein Autounternehmer aus Memmingen, blieb bewußtlos liegen, während ein auf dem Soziussitz sitzendes Fräulein mehrere Zähne verlor. Bei dem über Wohringen, VA. Memmingen, niedergegangensn Gewitter schlug der Blitz zweimal in ein und dasselbe Anwesen und tötete jedesmal ein Pferd.

Vöckingen, 12. Juni. Schwerer Straßenbahn­unfall. Gestern früh wollte eine 16 Jahre alt« Schülerin, die Tochter des Gottlob Zey, beim Eisenbahnübergang der Weststraße einen wieder in Gang gesetzten Straßenbahn­wagen besteigen. Das Mädchen glitt dabei aus und wurde so unglücklich zu Boden geschleudert, daß es sofort "in das Hellbrauner Krankenhaus übergesührt werden mußte. Das Mädchen soll sehr bedenkliche innere Verletzungen davon­getragen haben.

Pforzheim, 12. Juni. Schwerer Motoradun- fall. Ein Toter, drei Verletzte. Auf der Kreis- straße bei Niefern verlor gestern abend der verh. Schlosser­meister Wilhelm Barth die Herrschaft über fein Motor- rad mit Beiwagen, sodaß dieses in eine Schar heimkehren­der Arbeiter und Arbeiterinnen geriet und dann gegen einen Telephonmast prallte. Barth flog im Bogen ins Feld und blieb bewußtlos liegen. Er hat schwere Verletzungen am Kopf und an den Armen davongetragen. Drei Mädchen wurden verletzt. Die Verletzten wurden nach Pforzheim ins Krankenhaus gebracht» wo Barth bald hernach starb.

Rücktritt von Generaldirektor Dr. Colsmann

Ariebrichshcfen, 12. Juni. Generaldirektor Dr. Ing. e h. Alfred Colsmann tritt ab 1. Juli in freundschaftlichen. Einvernehmen mit den Gesellschaftern vom Amt des Gene­raldirektors des Zeppelinkonzerns zurück. Direktor Cols­mann entstammt einer westfälischen Jndustriellenfamilie, Alfred Colsmann wurde am 7. Mai 1873 in Werdohl (West­falen) geboren. Im Herbst 1908, nach der Volksspende, wurde er von Graf Zeppelin zur Leitung des mit 3 Millio­nen Mark, später um 4 Millionen Mark erhöhten Kapitals gegründeten Luftschiffbau Zeppelin G. m. b. H- berufen. Ge­neraldirektor Colsmann wurde Mitbegründer des großen Zeppelinkonzerns und aller seiner Tochtergesellschaften (Maybach-Motorenbau, Zahnradfabrik, Dornier-Metallbau- ten). Als die Aufträge der Heeresleitung ausblieben, grün­dete Colsmann am 16. November 1909 die Deutsche Luft­schiffahrtsgesellschaft (Delag). Das Gründungskapital betrug 3 Millionen Mark Die Delag bestellte beim Luftschiffbau Zeppelin das PassagierluftschiffL. Z. 7" und erbaute in Boden-Oos und in Frankfurt a. M. Luftschiffhallen. Cols­mann sah sein Ziel darin, den Luftverkehr mit Luftschiffen und Flugzeugen wirtschaftlich zu gestalten. Diesem Zweck dient auch eine dieser Tage erschienene Schrift Colsmanns Probleme der Wirtschaftlichkeit des Luftverkehrs". Früh­zeitig, schon während des Krieges, setzte sich Kommerzienrat Colsmann für die Anerkennung der Großflugzeuge ein. Er huldigte dem Grundsätze, der Gemeingut des ganzen Zep- pelinkonzerns ist:Nicht Luftschiffbau oder Flug­zeug, sondern Luftschiffbau und Flugzeug." Um für Beamte und Arbeiter Wohnungen zu schaffen, rief Graf Zeppelin durch seinen Generaldirektor Colsmann im Jahr 1913 die Wohlfahrt G. m b. H. Friedrichshafen ins Leben. Es entstand die SiedlungZeppelindorf". Die Stadt

Friedrichshafen ernannte Direktor Colsmann wessen seiner Verdienste zum Ehrenbürger. Für seine verdienstvolle Tätig­keit im Zeppelinkonzern, die mehr als 20 Jahre wahrte, wurde Generaldirektor Colsmann mit verschiedenen Ehrun­gen bedacht. Der König von Württemberg ernannte ihn zum Kommerzienrat, und erst kürzlich verlieh ihm die Technisch-' Hochschule Stuttgart den Titel eines Ehrendoktors.

L2. Tagung des Wurtt. Schmiedehandwerls

Göppingen, 12. Juni. Die diesjährige Tagung de Äürtt. Schmiedehandwerks fand hier vom 7.10. Juni statt. .

Len Hauptgegenstand der Verhandlungen, neben Er­ledigung des üblichen Rechenschaftsberichts und über die Tätigkeit des Verbands, bildeten die Berichte über den Reichsverband des Deutschen Schmiedehandwerks und den ihm angegliederten Reichswirtschaftsverband, die Forde­rung nach Verstaatlichung der bestehenden Lehrschmieden. Ein darauf durch Abstimmung her­beigeführter Beschluß führte zu dem Ergebnis, daß 43 In­nungen für die Verstaatlichung der Lehrschmieden und 4 gegen diese gestimmt haben, demzufolge die Verbands­leitung beauftragt wurde, trotz der erstmaligen Ablehnung der Forderung seitens der Regierung, weitere Schritte hierzu in die Wege zu leiten; insbesondere auch Erhebungen dar­über anzustellen, ob sich nicht die Angliederung einer staatlichen Lehrschmiede an das Landesgestüt Mar­bach, OA. Münsingen, ermöglichen lasse.

Bei der Neuwahl des Gesamtvorstands ergab sich keine wesentliche Aenderung. S"s nächster Tagungsort im Handwerkskammerbezirk Reutlingen wurde Rottweil bestimmt.

Vom Lan-esausschlch zur Bekämpfung sittlicher Not

ep. In einer anfangs der Woche in Stuttgart abgehal­tenen Sitzung befaßte sich der Landesausschuß zur Bekämp­fung sittlicher Not, der unter dem Vorsitz von Präsident Dr. Aichele Vertreter von über 20 Verbänden der Wohl­fahrtspflege, der öffentlichen und freien Fürsorge sowie der Volksbildung umfaßt, mit wichtigen Fragen der Volkswohl­fahrt.

Nach einem Bericht von Reg.-Rat Dr. Fuchs liegen die Wohnungsverhältnisse in Württemberg im gan­zen günstiger als in den anderen Ländern. Bedauert wur­den die Hemmungen für den Wohnungsbau, die in dem hohen Zinsfuß von 11 Prozent liegen. Ferner gilt es, das durch wirtschaftliche Not verursachte Wohnungselend auf dem Weg der Fürsorge zu bekämpfen. Bei dem engen Zusammenhang zwischen Wohnungsnot und sittlicher Not setzt sich der Landesausschuß für möglichste Förderung des Wohnungsbaus ein.

Zur Kinofrage wurde eine Eingabe an den Reichs­innenminister beschlossen, worin die beschleunigte Vorlage der Novelle zum Lichtspielgesetz gefordert wird, um den mit einem Teil des Kinowesens noch immer verbundenen volks­schädigenden Wirkungen besser entgegentreten zu können. Auch die häufigere Vornahme von Stichvroben in den Kinos wegen des Besuchs von Jugendlichen in jugendverbotenen Filmen und der sonstigen Durchführung der polizeilichen Vorschriften wurde für notwendig erklärt. Für die Kin o- reformarbeit der Schwäbischen Bilder­bühne, die ein dringendes Kulturbedürfnis ist, will der Landesausschuß öffentlich eintreten.

Endlich kamen Miß stände auf dem Cannstat­ts r Volksfest zur Sprache, die eine genauere Prüfung der Vergnügungsbstriebe vor der Vergebung der Plätze und eine verstärkte Kontrolle während der Vorführungen erfor­dern. In dieser Richtung sollen Schritte bei den zuständigen Behörden geschehen.

Württernberglsche Erfolge auf der DLT.

Der württ. Zerdbuchverein für das w e i ß e v e r e d e I k e La n d schw ein hakte auf der 35. Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft in München vom 4. bis 9. Juni 5 Eber und 9 Sauen ausgestellt. Die Mehr­zahl der ausgestellten Tiere stammte aus Westfalen, Han­nover und der Provinz Sachsen. Es war für Württemberg nicht leicht, mit diesen alten, seit Jahrzehnten auf den DLG.- Schauen sieggewohnten Züchtern in Wettbewerb zu treten. Ilm so erfreulicher ist das Ergebnis. Württemberg erhielt vier erste, einen zweiten, zwei dritte Preise sowie sechs An- erkennungen. Einschließlich der Sammlungspreise fallen auf die ausgestellten 14 Tiere zusammen 16 Preise. Das schwäbisch-höllische Schwein, das zum erstenmal

Theater und Mustk.

Kursaal Wildbad. 10. Juni 1929. Sinfonischer Tanzabend von Lina Gerzer, Stuttgart. Wieder sind wir um ein Ereignis reicher. Die Balletmeisterin vom Wllrtt. Landestheaier Lina Gerzer war mit ihrer Tanzgruppe wieder da. Ein volles Haus gab's diesmal nicht, aber umso stärker war der Beifall, den die Tanzgruppe erntete. Die ganze Art der Aufmachung, die Kostüme, die Farben üben unwillkürlich einen Reiz auf den Zuschauer aus. Die moderne Tanzkultur kam in den Darbietungen der einzelnen Tänzerinnen und Tänzer mehr zum Ausdruck als in den Gruppentänzen. Doch bildete das Frühlings­bild einen stimmungsvollen Auftakt. DasScherzo" war inhaltlich wie tanztechnisch eine Meisterleistung. Noch mehr bewundert man diePagoden", nach Form und Inhalt wohl die schönste Leistung des 1. Teils. Wir sehen wie Hella Heim und Angelo de Grimani immer mehr als Talente aus der Gruppe herauswachsen. Einen ganz hübschenGirltanz" boten die Jüngsten der Gruppe. Im r' ..hatte der Zuschauer keine leichte Aufgabe. Einer- jens hätte ex gern die interessanten Tanzbilder genossen, übermoderne Musik des Toch lenkte mehr als (Dielleicht gibt es ein andermal Gelegenheit, über die ^Ästhetik" dieser atonalen Musik zu reden). Unter den dieser Suite heben sich vor allem derWirbel- '^»Grauen" undGroteske" hervor.Grauen" war M me Höchstleistung des Tages. Die Tänze aus der sz.g "^r-Euite ygn Tschaikowsky fand ich für die Dar- Idee günstiger, da an der Hand dieser Musik die schwer i r^ffer herausgearbeitet werden konnte. Es ist zu wem von den Darstellern die Palme

gebührt, ob dem Tänzer des charakteristischen Marsches oder der graziösen Zauberfee oder den grotesken Russen und Chinesen. Das Publikum brachte mit dem stürmischen, sich immer wiederholenden Beifall zum Ausdruck, daß es hochbefriedigt war. Das Orchester hatte diesmal den musikalischen Teil übernommen und auch die Pausen mit ent­sprechender Musik ausgefüllt. Bei der Suite von Toch habe ich unsere Künstler bedauert. Ob solche Mustkdes Schweißes der Edlen" wert ist? Wie erquickend war da­gegen dieCzardas", die packende Musik von Großmann. Ebenso freute man sich an der schönen Mustk der Nußknacker- Suite von Tschaikowsky. Einen Teil des Erfolgs am Abend darf darum auch das Orchester mit seinem Diri­genten Eschrich für sich buchen. X.

Kurtheater Wildbad. 11. Juni 1929. Der Prozeß Mary Dugan. Das Theater ein amerikanischer Ge­richtssaal l Gerade so gut könnte es ein deutscher sein. Oder haben wir in den Gegenwartsprozessen nicht auch genug Beispiele, die uns überzeugen von der Reformbe­dürftigkeit unseres Iustizwesens? Ist es nicht auch so, daß einer von vornherein überwiesen ist, wenn er durch seinen Lebenswandel dazu disponiert erscheint. Geht das Kreuz- und Querfragen nicht oft darauf aus, eben nur die An­sicht des hohen Staatsgerichtshofs zu bestätigen; alles andere, das nicht zu der Beweisführung des Staatsan- walts paßt, wird abgewiesen. Und was wird nicht alles beschworen? Gäbe es nicht auch bei uns viele, die be­kennen müßten, daß sie an den Gott nicht glauben, auf den sie schwören? Und wenn heute einem das Unglück begegnet, in die Hand der Justiz zu kommen (wer ist sicher davor?), der weiß, wie es ihm geht; entweder wird er verurteilt oder nicht. Es sei denn, daß, wie in diesem

Prozeß, es einem raffinierten Verteidiger gelingt, den eigentlichen Verbrecher zu entlarven. Daß wir den Verlauf eines solchen Prozesses mit Spannung verfolgen, ist klar. Die Spannung war oft so, daß atemlose Stille herrschte. Wie kommt es, daß wir bis zum letzten Mo­ment immer die Frage auf den Lippen haben: Wer ist der Mörder? Es ist nicht nur die Geschichte; dann könn­ten wir sie ebensogut lesen. Nein, es ist die Kunst der Schauspieler, die Personen vor uns so lebendig werden zu lassen, daß wir Anteil an ihnen nehmen, sie hassen oder bemitleiden, je nachdem. Wie wußte Marliz die Ironie und Herzlosigkeit des Staatsanwalts zu charakte­risieren! Wie verstand Plankemann mit kaltblütiger Ruhe seine Schuld zu verdecken I Herzlichen Anteil nimmt das Publikum an dem Bruder der Dugan, dem zähen Ver­teidiger, der in seiner scharfen Beweisführung nicht locker läßt. Eine ganz hervorragende Leistung des jugendlichen Theo Speck-Friedrich. Auch die Frauenrollen waren lebenswahr gespielt. So war Erika Hansen in der Titel­rolle meisterhaft im Gebärdenspiel, Käthe Zimmermann als Frau Rice in der Verstellungskunst, ebenso Lotte Eis- ner als Wirtschafterin bei Frau Rice. Ueberhaupt war alles, was zu der großen Besetzung gehört, gut an seinem Platze. Der ganze Prozeß verlief glatt und in gutem Tempo. Man muß dem Spielleiter Herrn Plankemann das Zeugnis ausstellen, daß er sein Handwerk gründlich versteht. Der Erfolg war noch durchschlagender als beim Hexer". Für einen großen Teil des Publikums wird der ProzeßMary Dugan" eineSensation" des Sommers bleiben. X.