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Nr. 273
Amt«, und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.
93. Jahrgang.
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Mittwoch, den 21. November 1323.
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1r5 Milliard-n Likk. ohne Brstrllgeid. — Schluß der Nnzeiarnannadme v Utzr v-rmlnag-.
Neueste Nachrichten.
Im Reichstag sollt« gestern eine Erklärung des Reichskanzler» erfolge»». Der Kommunist Remmrle aber protestiert« in «»parlamentarischer Weise gegen die Anwesenheit von Schutzpolizisten, weshalb her Reichstagspräsident di« Sitzung aus Do«» »erstag vertagte.
Da die Sozialdemokraten wie die Deutschnationalen gegen das Kabinett Stresemann find, ist. wir schon gestern angedcutet, «ine Regierung»- bezw. Rcichstagskrisis in ernst« Nähe gerückt.
Dir deutschcu Sachverständige«, die am Freitag vor der Lle- parationstommisston die Erklärungen über di« deutsche Finanz- und Wirtschaftslage abgeben sollen, find gestern abend «ach Paris gereist.
*
Die Separatisten in der Pfalz dehn«» ihre Gewaltherrschaft ans; di« Besetzung von Ludwigshafen wurde angekündigt. Dagegen haben st« im Siebengebirg« eine fürchterliche Abfuhr erlitten, wobei sie über hundert Tote verloren.
Di« Botschafterkonferenz der Entente ist wiederum vertagt worden, da der englische Vertreter sich noch endgültige Instruktionen bezüglich der Haltung seiner Regierung r» de« Frage« der Militärdiktatur und der Einreise des ehemaligen Kronprinzen nach Deutschland einholen muß. Ein Kompromiß zwischen der englischen und französischen Auftastung ist jedoch z« erwarte».
Reichsbankpräfidrnt Havenstei» ist an einem Herzschlag gestorben.
Reichstag.
Beginn der politischen Aussprache. — Kommunistische Ungebühr — deshalb kurze Vertagung.
Berlin, 2ü. Noo. Der Reichstag, der heute wieder zusammentrat, genehmigte bei schwacher Besetzung des Hauses zunächst Verträge mit der Schweiz, Portugal und Polen über steuerliche und wirtschaftliche Fragen. Vor Eintritt in die politische Aussprache wurde ein von den Kommunisten gestellter Vertagungsantrag abgelchnt. Als erster Redner bedauert Abgeordneter Wels (Soz.), daß die Regierung, die nach dem Austritt der Sozialdemokraten doch anders gerichtet sei, nicht mit einer programmatischen Erklärung aufwärts. Er stellt als Ziel der Sozialdemokratie die Vereinigung der europäischen Staaten und eine einheitliche deutsche Republik fest und wendet sich dabei gegen eine Politik der bürgerlichen Sonderinteresten, die mit einer vorübergehenden Preisgabe der besetzten Gebiete spiele. Der jetzige Belagerungszustand sei eine Schande für Deutschland. Einer Regierung, die die Entwickelung dieser Dinge nicht verantworten könne, bringe seine Partei kein Vertrauen entgegen. Seine Partei wolle gegen die Reichsverderber kämpfen, ebenso für ein einheitliches und freies Deutschland. Der deutschnationale Dr. Hergt bedauert ebenfalls das Fehlen einer Erklärung des Reichskanzlers zu Beginn der Aussprache. Sein Kabinett habe nur Mißerfolge geschaffen und der Reichskanzler müsse daraus seine Konsequenzen ziehen. Gleich den Sozialdemokraten können auch seine Freunde dieser Regierung kein Vertrauen entgegenbringen. Ein völliger Kurswechsel sei erforderlich im Verein mit der Beseitigung des Marxismus. In die neue Währungsbewegung könne er keine großen Hoffnungen zu einer Besserung setzen, da Dr. Schacht ein ausgesprochener Feind der neuen Rentenmark sei. Seine Partei sei für Verhandlungen mit den Alliierten, nicht aber mit den Franzosen allein. Vom Reichskanzler verlangte er eine unzweideutige Erklärung über die geplante Politik im besetzten Gebiet«. Eine Lösung aus all den gegenwärtigen Schwierigkeiten erhofft Redner durch die Bildung einer Rechtsregierung, die auch die Interessen der Arbeiterschaft wahrnehmen werde. Man dürfe von dieser Regierung inicht ohne Weiteres ein« Diktatur erwarten, denn sie werde Parlament und Parteien nicht ganz ansscheiden. Männern wie Kahr würde Redner di« Lenkung der Geschick« bei der neu zu bildenden Rechtsregierung anvertrauen. — Nach diese« Reben war geplant, Dr. Stresemann das Wort zu geben. Die» scheitert« «der an dem ungebührlichen Benehmen de» kommunistischen
Abgeordneten Nemmele, der sich über die Anwesenheit von KriminalpoUMen im Sitzungs'aal in seiner Sicherheit bedroht fühlte. Das rabiate Verhalten des kommunistischen Abgeordneten Remmele veranloßte den Pr-.stdenten Loebe zur Hinausweisung des kommunistischen Abgeordneten. Da dieser der Aufforderung zunächst kein- Folg« leistete, wurde di« Sitzung aus eine Stunde unterbrochen und, als Nemmele bei der Wiedereröffnung der Sitzung auf seiner Weigerung, den Saal zu verlassen, beharrte, vertagt« man das Haus lurzerhand auf Donnerstag mittag 1 Uhr.
Der sachliche Grnnd der Vertagung.
Berlin, 21. New. In einer Unterredung mit einem Ns- daktionsmitglied des „Berliner Tageblatts" erklärt der Neichstsgspräsident Loebe über seine Haltung gegenüber dem renitenten kommunistischen Abgeordneten Nemmele, er habe von dem ihm zustehenden Recht, die ge- waltsame Entsernung eines Abgeordneten durchzuführen, keinen Gebrauch gemacht, weil er damit gerechnet habe, daß nach der Entfernung des Abgeordneten Nemmele die übrigen Kommunisten ähnlich« Ekandalszenen Hervorrufen würden, was weiter gewaltsame Entfernung von Abgeordneten und die Verzögerung der Sitzung auf Stunden zur Folge gehabt hätte. Es sei ihm unzweckmäßig erschienen, der Rede des Reichskanzlers im gegenwärtigen Moment einen derartigen Hintergrund zu geben. Vor der Vertagung des Reichstags auf Donnerstag habe er sich mit dem Reichskanzler in Verbindung gesetzt, der gegen eine solche Vertagung keinen Widerspruch geltend gemacht habe. — Wie die „Vossische Zeitung" miteilt. wurde in einer Ve. sprechung zwischen dem Reichstagspräfldenten und den Führern der Parteien nach der Vertagung des Reichstags anerkannt, daß das Verhalten des Präsidenten durchaus der Geschäftsordnung entsprach.
Die neue Krisis sUr die ReschskSFiernng.
Berlin, 20. Noo. Vor der heutigen Rcichstagsfitzung fanden, den Blättern zufolge, noch einige Beratungen der Fraltionen und eine Sitzung des Aellestenrates statt. Es herrschte der Eindruck vor, daß der Reichskanzler den Wunsch habe, möglichst rasch eine klare Entscheidung herbeizufiihren. Man einigte sich dahin, die Debatte am Donnerstag zu Ende zu bringen, an welchem Tage dann auch die Entscheidung über die drei Mißtrauensvoten fallen werde. Das Zentrum, die Deutsche Volkspartei und die Demokraten beschlossen, gegen sämtlich« Mißtrauensanträge zu stimmen. Sie bringen aber ihrerseits keinen Vertrauensantrag ein. da er ke'ne Aussicht auf Annahme hat. Wie die Blätter hören, will sich aber der Reichskanzler mit einem Indirekten Vertrauensvotum, das durch Ablehnung der drei Mißtrauens- anträg« gegeben wäre, nicht begnügen.
Am Ruhr und Rhein.
Der Reichslnnenminisier Uber die Politik gegenüber dem Rheinland.
Berlin, 20. Nov. In einer Unterredung mit einem Ver- treter des „Berliner Tageblattes" erklärte der Neichs- minister des Innern, daß er bei jeder Gelegenheit sich gegen alle separatistischen und Loslösungsbestrebungen im Rheinland gewandt habe. Die Demokraten, die Deutsche Volkspartei und die Deutschnationalen bildeten am Rhein eine Arbeitsgemeinschaft zur Bekämpfung aller Ablösungsbestrebungen, auch solcher, die sich auf eine etwaige Los- lösung von Preußen richteten. Die gegenwärtigen unerträglichen Verhältnisse in der Nheinprooinz machten jedoch ein« erweiterte Selbstverwaltung der Rheinlands auf wirtschaftlichem und finanziellem Gebiete unumgänglich notwendig, um aus den fürchterlichen Schwierigkeiten der Okkupation herauszukommen. — Entgegen anders lautenden Mitteilungen find die gestrigen Besprechungen mit den Vertretern de» besetzten Gebiets nicht ergebnislos abgebro- chen worden, sonder» -ade» vielmehr -» eine, Klärung geführt. "
Erwerbslosenfilrsorge im besetzten Gebiet.
Berlin» 20. Nov. In der Presse ^wurde die Frage aufgeworfen, ob sich nicht statt der Auszahlung von Papier- mar! au di- Erw.rbslosrn die Lieferung von Lcbensmit. toln empfiehlt, um die Entwertung der Leistungen möglichst zu vermeiden. Hierzu wird darauf hingcwiesen. daß im Neichsarbcitsministerium bereits in der vorigen Woche ein solcher Plan mit den beteiligten Stellen besprochen wurde. In einer weiseren Sitzung am Montag wurde grundsätzliche Uebereinstimmung mit den beteiligten Stellen, den Regierungen der Länder, den Regierungspräsidenten und den Kommunalverwaltungen, erzielt. Die Gemeinden des besetzten Gebietes werden demgemäß die Möglichkeit erhalten, die Erwerbslosenunterstützung je nach Lage der Versorgung ganz oder teilweise in Lebensmit-' teln zur Auszahlung zu bringen. Dieses Verfahren verspricht eine bessere Auswertung der zur Verfügung stehen- den Geldmittel für einen längeren Zeitraum und wird auch in Verbindung mit der privaten Hilfstätigkeit des In- und Auslandes die Ernährung der besetzten Gebiete erleichtern. '.
Abreise der deutschen Delegierten nach Par s.
Berlin, 20. Nov. Die deutschen Delegierten, die am Freitag vor der Reparationskommission in Paris die Finanz- und Wirtschaftslage Deutschlands darlegcn sollen, reisen laut „Vossischer Zeitung" heute abend von Berlin ab. Die Delegation steht unter dem Vorsitzenden der Krlegslastcnkommlssion, Staatssekretär Fischer.
Gegen englische Derlenmdnngen.
Berlin, 20. Nov. Der politische Beobachter des „Daily Telegraph" behauptet. General von Seekt habe aus Rußland alle deutschen Offiziere zurückberufen, die in Sonder. Missionen bei der Noten Armee, wie in Munitionsfabrik n beschäftigt seien. Die an die Sowjets gegebene amtliche S^k'.ärung habe gelautet, daß die Reichswehr alle ihre Offiziere benötige. — Die Meldung ist, wie von amtlicher Seit- sestgestellt wird, in vollem Umfang frei erfunden. Die Reichswehr hat Offiziere ans Rußland nicht zurück- bc'knfen können, weil niemals solche in Sondermissionen bei der Noten Armee oder in russischen Munitionsfabriken beschäftigt gewesen sind.
Französische MiUtsirinspektion im besetzte» Gebiete.
Paris, 20. Nov. Nach einer Havasmeldung aus Düsseldorf ist Marschall Petain heute vormittag unerwartet zu einer Inspektionsreise dort eingetroffen.
Zur Vertagung der Dotfchafterkonferenz.
Paris, 2l. Nov. Die Agence Havas berichtet, daß in französischen Kreisen die nochmalige Vertagung der Sitzung der Votschafterkonferenz keineswegs als der Beweis für das Auftreten neuer Schwierigkeiten betrachtet werde. Man berücksichtige, daß die englischen Minister durch die Wahlkampagne stark beschäftigt seien. Außerdem sei Lord Curzon augenblicklich unpäßlich. Schließlich handele es sich, wie man wisse, darum, den Text der an die deutsche Regierung zu richtenden Noten festzulegen und für gewisse Fassaden eine Wahl unter den verschiedenen von den Botschaft lern vorgeschlagenen Formeln zu treffen. Trotz der Vertagung bleibe die Möglichkeit eines Ausgleiches zwischen dem französischen und dem englischen Standpunkt vollkommen bestehen.
Die Auseinandersetzungen innerhalb der Entente.
U« di« Militärkoutrollr und di« Kroupriuzrufragr.
Pari», 20. Nov. Arber die Kompromißformrl, die dl« Dot» schasterkonferenz gesunden und den alliierten Regierungen zur Annahme empfohlen hat. berichtet das »Echo de Paris" unter Bestätigung dessen, was das W T.B. bereits gestern abend bericht«» kaust«: Da» «ugttsche Kabine» hat geftrru vormittag
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