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Nummer 54

Fernruf 17S

Dienstag den 5. März 1S2S

Fernruf 179

64. Jahrgang.

Lamm M Lesteiienmg -er «fsruklichen Hand?

Bei der öffentlichen Diskufsion über die Hilferding - scheu Steuerpläne begegnet man recht häufig dem Einspruch: Warum wird die öffentliche Hand nicht be­steuert? Immer lauter drängt sich die Frage hervor, beson­ders auch aus den Kreisen der Wirtschaft. So berechnet derRheinisch-Westfälische Wirt­schaft s d i e n st" vom 6. Dez. 1928 in einem Artikel über Verminderung des Fehlbetrages des Neichshaushalts durch Beseitigung von Steuerprivilegien", daß dadurch allein von den Elektrizitätswerken der öffentlichen Hand dem Reiche mehr als 100 Mill. Mark jährlich zufließen würden. Zu demselben Ergebnis kommt in derDeutschen Wirt­schaft s z e i l u n g" Nr. 52 (1928) Dr. Cremer, M. d. R>, in einem ArtikelZur Bereinigung des Reichsdefizits". Er meint, daß mit Besteuerung der kommunalen Gas-, Wasser» und Verkehrsgewerbe weitere 100 Millionen Steuereinnah­men für das Reich erzielt werden könnten:Damit ist aber das Defizit zu seinem größeren Teile hereingebracht, ohne daß überhaupt eine neue Steuerart geschaffen, sondern nur dadurch, daß ein altes Unrecht beseitigt wird." Bei dieser Steuerfreiheit handelt es sich um die Reichsvermögenssteusr, die Körperschaftssteuer und die Umsatzsteuer, für Reichs­betriebe außerdem noch um die Gewerbesteuer.

Wiederholt ist darauf hingewiesen worden, wie zum Schaden der Wirtschaft immer mehrverstaatlicht" und kommunalisiert" wird. So erzeugt die öffentliche Hand in der Reichskohlenförderung über 10 Prozent (1913: 6,93), in der Steinsalz- und Kaliproduktion über 40,7 Prozent <1923: 20,97), in der Elektrizitätsversorgung gar 69 Prozent des Ertrags.

Bleiben wir einmal bei der letzteren stehen. Landrat a. D, v. Wilmo ws k y - Marienthal (Vorsitzender des Wirtschaftsverbands Mitteldeutschland e. V )- berechnet, daß die kommunalen Elektrizitätsbetriebe an Steuern etwa 1 2 Prozent (nach derBerliner Börsen-Zeitung" Nr. 569 sogar 14 Prozent) des Umsatzes, d. h, der gesamten Betriebs­einnahmen aus der reinen Stromlieferung ersparen, so daß diese Betriebe an sich den Strom enindestens um 12 Prozent billiger abgeben müßten. Sie könnten dies um so leichter, als mindestens zwei Drittel von ihnen großstädtischen und städtischen Charakter haben, somit weniger Hochspannungs­und. Niederspannungsleitungen brauchen als die rein priva­ten und gemeinwirtschaftlichen Unternehmungen. Bei die­sen wobnen auf je 1 Gsviertkilometer des versorgten Ge­biets 76, bei den kommunalen Werken aber etwa 1000 Ein­wohner. Trotzdem sind die Strompreise der kommu- naldu Betriebe, wenigstens durchj-^nittlich. höher als bei den vrivaten Werken (in Preußen für Lichistrom S S Proz., für Kraftstrom 21,7 Proz. höher!). Ein Beweis, daß bei kommunalen Werken in vielen Fällen acht mit der nötigen Sparsamkeit gewirtschaftet wird. Müßten diese Werke die­selben Steuern zahlen, wie die privaten Konkurrenzwerke, so würden auch sie gezwungen sein, spa sanier und na­mentlich in den mittleren und kleineren Gemeinden ratio­neller zu wirtschaften. Dazu kommt noch, daß die privaten Werke mit der K r e d i t s ch a f f u n g mel schwerer tun als die kommunalen Werke, die d k der hinter ihnen stehenden Steuerkraft leichter und günstigere An ru-en erhalten. Eine Ungerechtigkeit at'r ist es, daß ei> aige Mehrbeträge, die die kommunalen Werke Herausschaf, m, nicht c wa dem gan­zen Nutznießbetrieb, sondern nur der Gemeinde, der das Werk gehört, zufließen. Bei einer gerechten Besteuerung abem hatten an einem Steueraufkommen der öffentlichen Hand alle ihren Schlüsselanteil: Reich, Länder und Ge­meinden.

v. Wilmowsky schließt deshalb seine Betrachtungen mit dem recht beachtensrverten Vorschlag:Cs erscheint mir um sc mehr notwendig, die Oeffentlichkeit auf diesen Punkt Hinzuwelsen, damit bei den jetzigen Beratungen des Reichs­etats und der Steuervereinheitlichungsgesetze die Steuer- stre^eit der öffentlichen Hand beseitigt

i-Analyse

dl- N-?onlm«A"treter der 14 Staaten, die den Vorzug und w ^den ^sst-^ haben, gegenwärtig den Völkerbundsrat ^ k" .Genf zusammentraten, dann wird in

dem Widerhall, den wir Journalisten ihren Gesprächen, Aus­einandersetzungen und Einigungsoersuchen draußen in der Heimat verschaffen, manches Mal die Frage abgewandelt werden: Was ist dieser Völkerbund? Was für Aufgaben hat er? Was kann und wird er sertigbringen? Was können wir Deutsche in Genf tun?

Man wird der Organisation, die wir Deutsche Völker­bund genannt haben, nicht gerecht, man trübt sich den Blick für ihre politische Auswirkbarkeit, wenn man versucht, sie in eine einzige Formel zu zwingen, den einen Schlüssel zu finden, der den Zutritt zum Wesen des Völkerbundes und auf seinen Weg vermitteln soll. Dieser Völkerbund ist wie ein Gebräu, das aus einem langen Wettmischen von Me- Miunännerfl Übriggebsieben ist«.. G- UijhW^ UmMtstzH

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Wie aus parlamentarischen Kreisen verlautet, soll Reichs­finanzminister Hilferding in den nächsten Tagen mii der Deutschen Volkspartei Fühlung nehmen, um sich über deren Wünsche zur Deckung des Etatsfehl- betrages zu vergewissern, vor allem über die Streichung der Ausgaben für die produktive Erwerbslosensürsorge sowie um Verkürzung der Länderüberweisungen.

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Bel der Verhaftung des angeblichen Fälschers des bel­gisch-französischen Geheimabkommens handelt es sich um einen gewissen Frank-Heine. Seine Aussagen sind äußerst verworren. Man weiß noch nicht, ob es sich nicht um eine bestellte Arbeit handelt.

Rach weiteren Meldungen aus Reuyork herrscht in Mexiko sieberhakte Erregung. An verschiedenen Stellen ist es bereits zu Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Aufständischen gekommen. Die Häfen von Veracruz und Sogakes sind geschlossen worden, um die Einfuhr von Waf­fen zu verhindern.

irdische und keuflische Elixiere, und der Fremdling, ver jicy mit einer Kostprobe davon begnügt, taumelt leicht in die Irre. Um in die Sprache der Nüchternheit und der Politik zurückzukehren: Der Völkerbund, dessen politisches Willens­organ der Rat ist. vereinigt in sich d r e i H a u p t b e st a n d- teile: er bildet eine Garantie des Status quo der europäi­schen Friedensverträge; er bietet die Gelegenheit zu regel­mäßigen Konferenzen der Vertreter einer Anzahl Staaten; er ist eine ständige Erörterung?- und Spruchinstanz für einen Teil der internationalen Streitfälle.

Die Frage der Minderheiten, die der bevorstehen­den Tagung das Kennzeichen und die S hwere gibt, unter­liegt der vertraglichen besonderen Zuständigkeit des Dölker- bundrats. Sie gehört zu den sehr wenigen Fragen dieser Zuständigkeit, die nicht einseitig das Freiheitskonts der besiegten Staaten belasten, sondern auch eine Reihe von Bundesgenossen führender Mächte unter die Ausnahmegerichtsbarkeit des Völkerbunds stellen. Solche Fragen werden in Genf nicht gern auf der Tagesordnung gesehen, und sie gelten in der Völkerbundsprache immer als besonders schwer, wenn sich zeigt, daß die verbündeten Rats- Mitglieder nicht alle übrigen oder die erforderliche Anzahl von diesen zu überzeugen vermögen. Es ist die Regel, daß in solchen Fällen, wie zum Beispiel im ungarisch-rumäni­schen Opiantenstreit, der Völker bundrat am Ende bedauert, von seiner Zuständigkeit keinen entscheidenden Gebrauch machen zu können, d. h daß der besitzende Staat der immer der Bundesgenosse ist als Sieger abzieht. Die Vor­gänge der nächsten Woche werden in diesem Sinne eine ver­läßliche Probe aufs Exempel geben, eine Gelegenheit für uns kriiisirende Sprecher der öffentlichen Meinung, den Völ­kerbundrat in eine Analyse auf seine Unparteilichkeit und Friedensberoertung zu setzen, und für die Mitglieder des Völkerbunds selbst zu erkennen zu geben, wieweit di« Ana- lyse, die Selbstauslösung des Bölkerbundrats als ein Faktor von politischer Widerstandsfähigkeit, fortge­schritten ist. Es ist schwierig, gute Vorzeichen zu finden.

Die Vorgänge dieser Woche werden einem Stück Zeit, geschichte den Spiegel halten: sie werden zeigen, ob es rich­tig ist, wenn gesagt wird, die Staaten, die vor zehn Jahren Kriegsverbündete waren, haben damals Satzungen und Ver­sprechen abgelegt, deren Erfüllung sie als Mitglied des Völ­kerbundrats heute verhindern. Die Vorgänge dieser Woche werden zeigen, ob es richtig ist, wenn gesagt wird, daß feit den Friedensschlüssen die internationale Organisationsarbeit zugenommen, die Achtung vor dem internationalen Recht aber, vor dem Recht der Schwachen, und der Glaube an die guten Geister wie die von Locarno zu einer Phrase gewor­den sei. Die Aufgabe, die der deutschen Vertretung harrt, ist, wie immer, wenn es sich um unsere eigenen Angelegen­heiten handelt, überaus schwer. Wer den Genfer Ver- bältnissen persönlich nähersteht, weiß, daß die Frag« des Wirkens Deutschlands im Völkerbund, daß die Frage emer aktiven deutschen Völkerbundpolitik im entscheidenden Grund eine Frage der deutschen Vertretung, des deutschen Ver­treters, ist, und er vermag es vielleicht, gereckter als mancker draußen im Reich und in der Vartei, zu schätzen, was es für uyser aller Sache bedeutet, daß dieser Vertreter, der. gewiß nicht unfehlbar, doch der Mann ist, der bald sechs Jahre für die deutsche Außenpolitik verantwortlich zeichnet.

Ratstagung in Genf

Keine deutsche Denkschrift über die Minderheitenfrage

Genf, 4. März. Das deutsche Ratsmitglied Dr. Strsse- mann ist in Begleitung von Staatssekretär v. Schubert, Ministerialrat Gaus. Geh. Legationsrat von Weiszäcker, Legationsrat Dr. Kaufmann und anderen Sachberatern in Genf emgetroffen. Mit dem gleichen Zug traf das spanische Ratsmitglied, Außenminister Prokope, in Genf ein. Auch der künftige Präsident des Wkerbsind-rytes. her itglienisch.

Deiegierte'Sci äloja, befindet sich bereits in Genf und ist mit der Borbereitung der Ratsverhandlungen, vor allem der Minderheitendiskussion, beschäftigt. Brian d, Chamber­lai n und die übrigen Ratsmitglieder trafen im Laufe des Sonntag ein.

Von gut unterrichteter Seite wird bekannt, daß die ur­sprüngliche Absicht der deutschen Völkerbundsabordnung, dem Völkerbund noch vor Beginn der offiziellen Eröffnung der Ratsverhandlungen eine eingehende Denkschrift- über die Minderheitenfrage einzureichen, vorläufig aufgegeben ist. In den an der Minder­heitenfrage interessierten Kreisen wird dem Bedauern dar­über Ausdruck gegeben, daß von der Einreichung der deut­schen Denkschrift scheinbar Abstand genommen worden ist. Man weist darauf hin, daß es für die weitere Behandlung der Minderheitenfragen durch den Rat von größtem Wert gewesen wäre, wenn der deutsche Standpunkt zu den ge­samten jetzt im Rat zur Erörterung gelangenden Minder­heitenfragen bereits vor der Eröffnung der offiziellen Ver­handlungen bekannt gegeben und damit vor der gesamten internationalen Oeffentlichkeit die Gründe dargelegt worden wären, die eine grundsätzliche Revision der bisherigen Stel­lung des Völkerbundes in der Minderheitenfrage erforderlich machen.

Geheimsitzung über die Minderheitenfrage

Gens, 4. März. Die Tagung des Völkerbundsrates be­gann am Montag vormittag unter Vorsitz des italienischen Vertreters Scialoja mit einer Geheimtagung, in der der Rat zuerst zu dem Antrag der litauischen Regierung aus Hinzuziehung zu den Minderheitenverhandlungen im Rat Stellung nehmen wird. Der Rat hat in seiner ersten Ge­heimsitzung zu dem Antrag der litauischen Regierung auf Hinzuziehung zu den Minderheitsverhandlungen des Rates beschlossen, einen Juristenausschuß einzusetzen, der die grundsätzliche Frage der Hinzuziehung der an den Minder­heitenfragen interessierten Staaten zu den kommenden Ratsverhandlungen prüfen soll. Nach der Geheimsihung trat der Rat zur öffentlichen Sitzung zusammen. Di« Verhandlung begann mit der Verlesung eines Schrei­bens der ungarischen und rumänischen Regierung, die beide im Hinblick auf die laufenden Verhandlungen im ungarisch- rumänischen Optantenstreit Vertagung der Frage auf die nächste Ratstagung beantragten. Der Rat beschloß die Vertagung. '

Dann empfahl Dr. Stresemann in einem kurzen Bericht dem Rat die Einberufung des beratenden Wiri­sch a s t s a u s s ch u s s e s des Völkerbunds zum 6. Mai d. I. und verlas einen Bericht über die internationale statistische Konferenz, die im Herbst vorigen Jahres in Gens getagt hatte. Zum Schluß berichtete der italienisch« Senator Scialoja über die Ratifikationen der Abkommen, die unter der Aufsicht des Völkerbundes geschlossen worden sind.

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Aushebung der politischen Mscherzenkrale

Berlin. 4. März. Zur Fälschung politischer Urkunden in Berlin stellt eine Berliner Korrespondenz fest, daß bei der Haussuchung in der Berliner Wohnung 3 große Kisten russischer Dokumente beschlagnahmt wurden. Außerdem fand man ganze Garnituren von Gummi- und Metall- stempeln von Sowjetbehörden, ein vollständiges chemi­sches Laboratorium, in dem wahrscheinlich Schrift- und Druckzeichen aut chemischem Wege entfernt wurden, ferner Briefpapier uno Formulare der kommunistischen Inter­nationale und von Sowjetbchörden und eine Kartothek mit den Lichtbildern und genauen Biographien aller bekannten Sowjetpolitiker und der ihnen besonders nahestehenden kom­munistischen Führer der verschiedenen Länder. ^

Wie Severing die innenpolitische Lage fleht

Essen, 4. März. Auf der Gründungsfeier des Reichs­banners in Essen sprach Reichsminister Severing. Er ging zunächst aus die Frage ein, ob in Deutschland eine dauernde Diktatur möglich sei, und verneinte dies nach jeder Richtung. In bezug aus die parlamentarische Lage :m Reich sagte er, daß der gegenwärtige Zustand nicht mehr lange anhalten würde. Wenn die Reichsregierung mit wich­tigen Vorlagen. Etat und Steuergesetzen usw. an den Reists- tag herantrete, müßten die Parteien Farbe bekennen, und wenn das nichts nütze, müsse an das Bolk appelliert werden. In diesem Zusammenhang« kam Reichsminister Severing auch auf den Hansabund zu sprechen und sagte, daß der Hansabund heute die Phalanx für die Steuerscheuen sei. Di« Tätigkeit des Hansabundes sei in bezug auf die Steuer­vorlagen der Reichsregierung und im Hinblick aus die schwie­rigen Verhandlungen der deutschen Vertreter in Paris von außerordentlichem Schaden für das ganze Land.

Die russischen Eisbrecher vor Warnemünde

Kiel, 4. März. Das Reichskanalamt teilt mit: Di« rus­sischen Eisbrecher standen heute früh 8 Uhr mit den bis­her. dLr- dss Eij aefitb.rjen. D«mpsM.,Vvn -«nen Hz