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Nummer 32
Fernruf 179
Samstag, den 2. März 1929
Fernruf 179
64. Jahrgang
Entlarvt!
Roman von Otto Elster.
Copyright by Gretner L To.» Berlin NW S.
(Nachdruck verboten.)
ü. Fortsetzung.
.Urplötzlich horchte sie auf. Leise Töne klangen zu ihr herauf, zitternd, klagend, weinend — es waren dieselben Töne der Geige, die sie heute abend so tief ergriffen hatten. Hetzt klangen sie in der Stille der Nacht nur noch zauberischer, noch süßer, noch weicher, lockend und klagend zugleich . . . Erika wußte, daß diese Töne ihr galten, und sie legte die Stirn auf den Arm, der auf dem Fenstersims ruhte. Sie dachte immer wieder daran, daß sie sich heute mit Fritz Born gezankt hatte, und brach in heftiges Schluchzen auS.
Stanislaus verfolgte seinen Zweck mit qropem Geschick. Bet den Damen war er der empfindsame, etwas schwermütige Künstler, an dem ein geheimer Schmerz zu nagen schien, bei den Herren, namentlich dem Gutsherrn gegen- über, zeigte er großes Interesse für die Landwirtschaft und spielte sich als Pferdelenner und tüchtiger Reiter auf. Trotzdem er bei dem Besteigen des Pferdes stets ein Gefühl der Furcht empfand, so unterdrückte er dieses doch mit aller Gewalt, und wenn er auch nicht der flotte, kecke Reiter war wie Fritz Born, und nicht die Schulung des Gutsherrn in der Reitkunst besah, so machte er doch im Sattel dank seiner schlanken Gestalt eine ganz gute AMr und wußte schlau etwaige Schwierigkeiten zu umgehen. Der Gutsherr, der an seinen guten Willen glaubte, entschuldigte seine Ungeschicklichkeiten und anfängliche Zaghaftigkeit, er gab ihm ein Pferd, das tadellos zugeritten und dabet fromm wie ein Lamm war und alles von selbst ohne große Hilfe seitens des Reiters machte, so daß Stanis- laus nach einiger Zeit eine gewisse Sicherheit gewann und sich selbst für einen tüchtigen Reiter hielt.
Auch seinen Abscheu gegen die landwirtschaftlichen Ar- beiten wußte er gut zu verbergen; er hatte sich ein bequemes und elegantes Jagdkostüm mit hohen Stiefeln machen lassen, in dem er nun stolz und hochmütig gegen jedermann, mit Ausnahme des Gutsherrn und seiner Familie und des Jnsvektors Grnve sowie dessen Frau und Tochter, auf den Wiesen umherstolziert«.
So erreichte er seinen Zweck. Die Damen waren von ihm entzückt. Fräulein Tine Grube vergötterte ihn sogar, was sie durch schmachtende Augenaufschläge und auf- fallende Toiletten ausdrückte, und Herr Hambach selbst meinte, daß aus dem jungen Manne noch einmal ein tüchtiger Landwirt werden könnte. Selbst der alte Inspektor Gruve ließ sich täuschen und behandelte den neuen Volontär mit großer Höfljchksit. da ihm seine Frau und seine Tochter andeuteten, daß Herr von Prokowsky gegen Fräulein Tina von ausgesuchtester Artigkeit sei und man nicht wissen könne, was sich noch einmal daraus entwickelte.
Der gute, ehrliche Inspektor war eine zu gerade Natur, als daß er an dem guten Willen und an der Aufrichtigkeit eines Menschen, der ihm freundlich entgegenkam, zweifeln konnte.
Nur einer auf dem ganzen Hofe vermochte mit Stanislaus keine Freundschaft zu schließen: Fritz Born, der seit dem Erscheinen des neuen Volontärs ganz umgewandelt schien. Er war mißmutig und übellaunig.
„Sie gönnen ihm wohl nicht, daß er fetzt mit Fräulein Erika spazieren reitet?" spottete der alte Inspektor, worauf Fritz Born heftig auffuhr uno sragre, ov der Herr Inspektor ihn für verrückt halt«.
„TaS gerade nicht," entgegnete dieser lakonisch. ..Abe für gewissermaßen sutterneidisch, wie man das bei Pferde nennt. Ja, wenn Sie auch so schön Violine spiele könnten wie der Herr Stanislaus! Aber Sie können j kaum 'ne Violine von einer Wagenrunge unterscheiden.
Fritz Born brummte etwas, was gerade nicht wie ein Schmeichelei für den alten Inspektor klang, und wandt sich ab. um im Dorfwirtshaus mit dem Revierförster un dem Schulmeister einen Skat zu spielen.
„Da haben wirs," sagte Grupe mit einem kleinen, bos haften Lachen. „Er ist verliebt in unser Fräulein ge wesen und jetzt ist er eifersüchtig und sitzt jeden Aden im Wirtshaus. Das kommt davon."
„Ja, daS kommt davon," bemerkte Fräulein Tin Aupe „wenn man immer höher hinaus will
6/bührt. Hochmut kommt vor dem Fall. Unser Gesellschaft paßt ihm ja natürlich nicht."
Inspektor, „das kann ich ihm nm ^ür^thn""^ ^*wnken. Du bist doch ein bißchen zu al
« "^halb mußt du immer auf mein Mter anspieleu N ^"un--n m-ch. H-r
Ami ia, jeder hat seinen eigenen Geschmack," brummt ^ Und'Ercka?^ ^ ^ suH gleichmütig eine neue Pfeife
^r seltsamen Stimmung, das A sA selbst kaum wiedererkannte. Nachdem sie Pro Celanogehört, klangen ihr die weichen Tön NttmH und erfüllten ihr Herz mit einer un
bestimmten Wehmut, die sie sich selbst nicht zu erkläre,
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wußte. Und jeden Abend, jede Nacht ertönte die Geige von neuem und jede Nacht saß sie an dem offenen Fenster und lauschte diesen weichen Tönen, die sich tn ihr Herz schmeichelten und Gedanken und Stimmungen in ihrer Seele lösten, die doch nickt dem Geigenspieler galten.
Mtt Gewalt wollte sie sich dem Zauber dieser Töne entreißen und ritt hinaus auf das Feld. Sie sah Fritz Born von weitem. Sie fühlte sich ihm gegenüber schuldig, hatte sie ihn doch jüngst so hochmütig behandelt. Sie wollte zu ihm reiten und ihm ein freundliches Wort sagen; sie hatten sich ja auch früher schon gezankt und wieder vertragen.
Aber als sie ihm gegenüber hielt und er in der Erinnerung an die jüngste Abweisung in förmlich ehrerbietiger Weise grüßte, da vermochte sie das freundliche Wort, das alle Mißverständnisse beseitigt haben würde, nicht zu finden, und steif und förmlich fragte sie:
„Sind Sie jetzt mit der Heuernte zu Ende, Herr Born?"
„Jawohl, gnädiges Fräulein," entgegnete er ebenso steif.
„Und fangen nun recht bald mit dem Roggenmähen an'?"
„Ja — nächste Woche . .
Sie sahen sich beide so feindlich-trotzig an» als ob sie die bittersten Worte gewechselt hätten. Keiner konnte das rechte Wort finden und jeder wartete auf da- Bersöh- nungswort des andern.
Als daS Schweigen zu lange dauerte, ntckte Erika steif mit dem Kopfe und sagte nur:
..Adieu. Herr Born . . ."
vis schönsten stieickee
ru billigsten Pretzen
ststüSW LV0ikk. Pferchen
Und er sägte auch nur:
„Adieu, gnädiges Fräulein . . ."
Und dann ritt Erika langsam fort und Fritz Born setzte seinem Rappen die Hacken tn die Flanken» daß dieser erschreckt in die Höhe stieg und dann tn wildem Galopp davonsauste.
Das Versöhnungswerk war gescheitert, und wie daS gewöhnlich so geht, wenn zwei, die sich gern haben, daS erste Wort nicht finden können, so erweiterte sich die Kluft immer mehr zwischen ihnen und Erika litt immer mehr unter den Träumereien, die die Melodien der Geige in ihrer Seele geweckt hatten, während Fritz Born tn daS Wirtshaus zum weißen Roß ging, um mit dem Revier- förster und dem Schullehrer Skat zu spielen.
Noch einmal kamen sie sich nahe. Das war an ErikaS achtzehnten Geburtstag, der festlich begangen wurde. Verschiedene Gutsbesitzerfamilieu aus der Nachbarschaft waren eingeladen, die mit ihren Töchtern gekommen waren. Auch Inspektor Grupe mit Frau und Tochter waren geladen, und Fritz Born und natürlich Stanislaus, der jetzt schon eine bevorzugte Stellung in dem Hause des Gutsbesitzers Hambach einnahm.
Es wurde musiziert und Stanislaus spielte wieder zum Entzücken aller alten und jungen Damen. Alle fanden ihn äußerst interessant und sehr vornehm in seinem modernen Smoking aussehend.
„Gar nicht wie ein Landwirt, sondern wie ein Künstler," flüsterte Irene Hartstein Erika zu. „Ich mutz immer an einen Violinvirtuosen denken, den ich einmal tn Berlin habe spielen hören. Nur daß Herr von ProkowSky weit f iger und hübscher ist."
Stanislaus sah in der Tat auch gut aus. Sein blasses Gesicht hatte bei dem Aufenthalt aus dem Lande eine frischere Farbe erhalten, wenn es auch bet weitem noch nicht jene blühende Gesundheit zeigte, die das hübsche Gesicht Fritz Borns auszeichnete. Seine schlanke Gestalt sah in dem schwarzen Smoking ordentlich vornehm auS und unterschied sich vorteilhaft von den Gestalten einiger dicken Landjunker.
Als man zu tanzen begonnen hatte, schlich sich ein Gefühl des Mitleids mit dem armen Fritz tn Erikas Herz. Wie verlassen stand er da tn der Fensternische. Und wie finster er in das gesellschaftliche Treiben blickte, an dem er doch sonst bei allen Gutsbesitzern der Umgegend gern gesehen und beliebt, mochten sie nun einen adligen Namen führen oder dem einfachen Bürgerstande angehören.
Aber heute drängte sich ja alles um den schönen Stanislaus, mit Ausnahme einiger jüngeren Herren, die in einem Nebenzimmer sich um eine Erdbeerbowle gruppiert hatten.
Sollte sie zu ihm gehen und ihm ein guter Wor sagen'? Bet früheren Gelegenheiten hatte er sie sieb schon am Tage vorher um diesen oder jenen Tanz ge beten — und er war ein flotter, guter Tänzer — Eriki lächelte sogar in der Erinnerung an diese früheren früh Uchen Stunden harmloser Lustigkeit.
Sie sah zu ihm hinüber — sein Blick begegnete ihren AsM 77' etwas wie eine stumme Bitte in seinen
Blick, sie lächelte, da leuchtete es tn seinem Auge auf und schon wollte sie an feine Seite eilen, um ihm lachen! zu sagen: „Nun sind wir doch wieder gute Freunde — und ich habe Ihnen einen Tanz ausgehoben ..all ihre Mutter zu ihr trat und sagte:
„Liebes Krnd, man bittet dich, mit Herrn von Prokowsky daS Chopinsche Notturno zu spielen, was ihr ic schon einige Male zusammen gespielt habt."
Sie schrak förmlich zusammen. Sie versuchte Ein wände zu erheben, aber gegen den Willen der Muttei war nicht aufzukommen.
Wie ein Schlachtopfer ließ sich Erika zu dem Flügel fuhren, an dem schon Stanislaus mit seiner Geige stand
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Da begegnete sie einem seiner traurigen Blick« aus
seinen dunklen Augen, und sie erschauerte wie das Vöglein unter dem Blick der Schlangenaugen.
„Mut, Fräulein Erika," sagte er leise. „Sie spielen bas Notturno vorzüglich, und Sie werden sich doch nicht vor diesen Leuten fürchten, die von Musik so gut wie nichts verstehen'? Spielen Sie, als wenn wir ganz allein auf der Welt wären."
Nach einer kleinen Pause der Sammlung begannen sie das Notturno. Erika war keine Meisterin im Sviel, aber das Spiel des schönen Stanislaus riß sie mit fort, sie fühlte sein dunkles Auge auf sich ruhen.
Jede Aengstlichkeit wich von ihr; sie wußte, baß sie noch nie so gut gespielt hatte als in dieser Stunde, und sie empfand einigen Stolz, als Stanislaus ihr in einer Pause zuflüsterte:
„Bravo, teure Erika — Sie spielen meisterhaft . . ."
Rauschender Applaus belohnte die Spieler. Eine ältere Dame umarmte und küßte Erika, und die Herren umdrängten sie, um ihre Komplimente zu sagen.
Und das alles hatte sie dem schönen Stanislaus zu danken, der wie ein Sieger dastand, mit einem seltsamim Lächeln auf dem Antlitz und einem Leuchten in den dunklen Augen. daS sie fast erschreckte, vor dem sie sich fürchtete und von dem sie sich doch wie durch eine magische Gewalt angezogen fühlte.
Er küßte ihr die Hand und flüstert« ihr einige zärtliche Worte zu.
Da schrak sie zusammen und trat einen Schritt von chm zurück. Noch nie hatte er solche Worte zu ihr zu sprechen gewaat. Eine namenlose Angst krampste ihr Herz zusammen, hilfesuchend blickte sie sich um: wenn sie doch jemand hätte, mit dem sie wieder lachen und scherzen könnte wie früher mit Fritz Born . . . und mit einem Male sah sie den treuen, lieben, guten Blick seiner Augen wieder vor sich, sah sein liebes, lachende?, übermütiges Gefickt — und nnwillkürlich wandten sich ihre Augen nach der Fensternische, in der vorhin Fritz gestanden.
Aber die Nische war leer. Fritz hatte den Saal verlassen und lick der Gruvve der jungen Herren zngesellt, die um die Erdbeerbowle saßen.
Traurig wandte sich Erika ab. Sie wußte, sie hatte einen treuen Freund verloren.
6. Kapitel.
Fritz Born kämpfte mit sich einen schweren Kamps. Früher war ihm der Gedanke, daß er die Tochter de» Gutsbesitzers Hambach leidenschaftlich lieben könne, überhaupt nicht in den Sinn gekommen. Wohl war er sich bewußt, daß er Erika gern hatte und mit niemandem lieber plauderte, lachte und scherzte, aber an eine ernsthafte Leidenschaft hatte er nicht glauben können und wollen. Der gesellschaftliche Abstand zwischen ihm und Erika erschien ihm zu groß, als daß er kühne Hoffnung hätte hegen können, ErikaS Liebe zu gewinnen, und er war zu verständig. als daß er sich wieder einer hoffnungslosen Leidenschaft hingeben wollte.
Aber alle seine kühnen Ueberlegnngen und BerstandeS- gründe hatten ihm nichts genützt. Als er sah. daß ein anderer Mann, den er nicht einmal Hochschäften und achten konnte, sich Erika näherte und das Interesse des jungen Mädchens zu wecken schien, so daß sie ihm, dem früheren Freund, kalt und gleichgültig gegenübertrat, da flammte seine Leidenschaft in Hellen Gluten empor, da wuchs seine Liebe von Tag zu Tag, bis sie alle seine Gedanken, all seine Träume erfüllte. ,
Wer war der bessere Mann — er oder Stanislaus von Prokowsky? so fragte sein Stolz und seine Eigenliebe. War jener nicht ein Schmeichler, ein Kriecher, ein Heuchler, ein Lügner? Fritz war wohl der einzige, der mit dem durch Eifersucht geschärften Blick den wahren Charakter des schönen Stanislaus erkannte, zumal er ihn ja auch in der verfänglichen Gesellschaft der rotblonden Dame tn Altheide gesehen, das Gespräch der beiden gehört hatte und darauf auf das Verhältnis Prokowskys zu der blonden Schonen schließen konnte. j
Und nun wagte es dieser Lebemann, seine Augen ,« Erika, dem Inbegriff jungfräulicher, säst noch kindlicher Reinheit, zu erheben?
Des jungen ehrlichen Mannes Blick kochte, wenn er die Heuchelei sah, mit der Stanislaus alle zu umgarnen! wußte — selbst den Gutsherrn und den alten Inspektor.
Sollte er diesen wenigstens die Augen über den wahren Charakter Prokowskys öffnen? Sollte er ihnen jagen, tn welcher vertraulichen Situation er ihn mit der Dame in Althetde getroffen? !
War es nicht seine Pflicht, Erika vor diesem Betrüger; zu warnen? ^
Aber dann sträubte sich wieder ein Gefühl in ihm dagegen, den Angeber zu machen, vielleicht als Spion, al- Verleumder zu erscheinen. !
Was, konnte er denn auch sagen? — Daß er Stanislaus mit einer Dame auf der Kurhausterrasse in Altheide gesehen — weiter nichts. Genügte das, um seine ehrenhafte Gesinnung zu verdächtigen? i
Gewiß nicht.
Wie leicht würde es Prokowsky werden, den Vorgang ganz harmlos darzustellen. Und tn welchem Lichte würde dann er selbst erscheinen?
Nein, er mußte schweigend zusehen, wie sich der schön« Stanislaus von Tag zu Tag mehr in die Gunst der Familie einschlich und von Taa zu Taa in ein vertraulicheres
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