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Nummer 46
Fernruf 179
Samstag, den 23 Februar 1929
Fernruf 179
64. Jahrgang
Entlarvt!
Tie Jntriguen des lieben Nächsten können auch dem Friedlichsten die Ruhe rauben. Vollends aber kann die ganze Existenz eines Menschen gefährdet werden, wenn er in die Nachbarschaft eines Verleumders gerat. Tann werden Freunde irre aneinander, liebende werden entzweit und überall ist Streit undKampf. In unserem neuen Roman ..Entlarvt!« v. Otto Elster zeigt der bekannte Erzähler, wie in den stillen Umkreis eines groben Gutes ein unsauberer Charakter als Störenfried gerät Seine Jntriguen und Quertreibereien ziehen immer weitere Kreise. Besonders umkämpft ist das Schiasal Erikas der jungen Gutstochter. Ohne Zweifel werden unsere' Leser von der ersten Fortsetzung an dem Aus- gang der Geschehnisse mit dem größten Interesse ent« gegenseyen.
Entlarvt!
Roman von Otto Elster, lapyright by Greiner öd To., Berlin NM ü.
(Nachdruck verboten.)
1. Kapitel.
„Also es bleibt dabei, wir lassen den jungen Mann kommen," sagte Frau Hambach in entschiedenem Ton und legte den Brief, den sie eben gelesen, mit einer energischen Bewegung auf den Frühstiickstisch zurück.
„Ja — aber liebes Kind," wagte der Gutsbesitzer Hambach cinzuwerfen, „eigentlich weiß Ich nicht recht, waS ich mit dem jungen Menschen anfangen soll. In der Wirtschaft habe ich ihn wirklich nicht nötig, die besorgen der alte Inspektor und der Verwalter allein sehr gut. Und hier im Hause wird er uns nur genieren."
„Ich weiß nicht, Erich, wie es kommt, daß du mir in letzter Zeit immer widersprichst,"
„Aber Schatz."
„Nun ja — und mir jede kleine Freude mißgönnst..
^ „Aber das tu' ich gar nicht. Adelheit! Sei doch gerecht. Wenn es dir wirklich Freude macht, den jungen Prokowski — verteufelter Name — aufzunehmen, so habe ich nichts dagegen. Ich meinte nur. daß dein junger Schützling sich hier entsetzlich langweilen dürfte."
„Tu vergißt, daß er in der Landwirtschastt Angeführt werden soll."
„Hm . . "
„Es macht mir allerdings Freude, meiner Jugendfreundin einen Dienst leisten zu können, jetzt, wo sie unverschuldet in das Unglück geraten ist."
„Hm . . ."
„Oder zweifelst du daran, daß das Unglück unverschuldet über sie hereingebrochen ist? — Julie Haltern, mit der mich in der Pension die engste Freundschaft verband. verheiratete sich sehr jung an Arthur von Prokowski, der zuerst Rennstallbesitzer und dann Gutsbesitzer in der Provinz Westpreußen war. Tu erinnerst dich doch, daß ich sie einmal aus ihrem Gut besucht habe..."
„Ja — vor fünfzehn Jahren. Seitdem haben wir nichts mehr von deiner Freundin gehört, bis auf die jetzige Korrespondenz, die uns meldet, daß das Gut des Herrn von Prokowski seit zehn Jahren verkauft ist, daß die Prokowskis nach Berlin gezogen sind, baß Herr von Pro- kowSki sein Vermögen verloren hat und dann gestorben ist. seine Witwe mit einem Sohn und einer Tochter in de- drängten Verhältnissen zurücklassend. Ist's nicht jo?"
„Allerdings — und daß der Sohn StaUislauS ein schwächlicher, reizbarer junger Mann von fünfundzwanzig Jahren ist. für den meine Freundin einen gesunden Aufenthalt auf dem Lande sucht, wo er sich zugleich in der Landwirtschaft ausbilden kann. Da Julie aber nicht in der Lage ist, für ihren Sohn eine Pension zu zahlen, so..."
„So bittet sie uns, ihn als Volontär aufzunehmen. Nun, meinetwegen, lieber Schatz! Ich bin einverstanden. Man kann es ja mit dem jungen Mann versuchen, man ist joi nicht mit ihm verheiratet."
Dabei lachte Erich Hambach gemütlich auf, schlürfte seine Tasse Kaffee und zündete sich eine Zigarre an.
„Ich danke dir, Erich," entgegnete die Gutsbesitzerin würdevoll. „Du bist doch immer noch der gute, gefällige Mann."
„Na, na." lachte der also Angeredete. „Bor kurze gönnte ich dir keine Freude mehr."
„Leg' die Worte nicht auf die Wagschale. Wir sind do immer, noch gut miteinander ausgekommen."
„Ja. wenn ich nachgab." schmunzelte der Gutsbesiö mit ironischem Lächeln. „Doch genug. Addt — schrei nur an deine Julie, und laß den Herrn Stanislaus v, Prokowski kommen. Wir werden ja sehen, was nur a, ihm machen können. — Aber wo zum Kuckuck steckt der Erika'? — Das Mädel treibt sich wohl schon im Pa draußen umher?" ^
„Wahrscheinlich — da höre ich eben Bella — I kann Erika nicht weit sein."
In dem Park, der sich vor der Verandatrevve m seinen Blumenbeeten, großen Rasenplätzen, Buschwerk ui hundertjährigen Bäumen ausbreitete, erscholl ein laute lustiges Gebell und dann ries eine fröhliche Mädchenstimm E^rher. Bella! Willst du wohl die Schwäne in Ru
. ^ ^ mit Bella am Teich —," sagte der HauS-
'üchklnd. „TaS Blitzmädel weiß doch, dag ich sie gern am Frühstiickstisch sehe! Und nun streift sie tm Garten umher. Na. warte, du kleiner Zigeuner!"
„Ta ist sie!" ries die Mama. „Mein Gott, wie da- Mädchen aussreht?'
Den schattigen Hauptweg entlang, der gerade aus dir Veranda des Schlosses zuführte, kam eine fugendlich schlanke Mädchengestalt gelaufen, begleitet von einem großen, schönen, langhaarigen, braun- und weitzgefleckten Jagdhunde, der bellend an ihr emporsprang.
Da- junge Mädchen trug ein einfaches, weißes Som- - MM-kd twn Waschstoff: bse Gchffserbliise mit dem blanen
Kragen ließ den schlanken Hals frei. Sehr sauber und gesteift war das Kleid auch nicht mehr, es zeigte vielmehr deutliche Spuren des Herumstreisens in dem vom Tau noch nassen Garten.
Lichtbraunes Haar, das in der Sonne wie flüssiges Gold glänzte .umwallte in aufgelösten Locken das zierliche Köpfchen.
Das reizende Gcsichtchen mit den lustigen blauci: Augen und den lachenden roten Lippen war von der Sonne gebräunt und zeigte eine so gesunde Färbung, daß der Gedanke an Bleichsucht und Blutarmut — diese Attribute junger Damen von 17 bis 18 Jahren — gar nicht auf kommen konnte.
In den Händen hielt Erika — denn niemand anders war es, als das Töchterlein des Gutsbesitzers Erich Ham Vach — eine Fülle von Rosen, die es lachend dem Herrn Papa über den Kopf schüttete.
„Aber. Erika!" — zürnte die strenge Mama.
Aber der Papa schüttelte lachend die Rosen ab. ergriff dann sein Töchterchen, das rasch entfliehen wollte, beim Ohrläppchen und zog sie mit sanfter Gewalt zum Frühstückstisch.
„Hier geblieben, du Keiner Zigeuner!" rief er.
„Aber, Papa, du tust mir ja weh," schmollte Erika. „Bella, leid' es nicht."
Bella sah zweifelnd zu seinem Herrn auf. aber da er eS doch nicht wagte, angreisend gegen diesen vorzugehen, fing er an laut zu bellen.
„Mein Gott, welch ein Lärm," sagte die Mutter „Wann werdet ihr endlich vernünftig werden'?"
Der Papa ließ sein Töchterchen los und dieses umarmte die Mama, sie ans beide runde Wangen küssend.
„Es ist gut," wehrte diese ab. „Nun setze dich und frühstücke. Wo warst du denn'?'
„Ja, wo warst du Zigeuner?" fragte der Hausherr sich wieder in seinen Sessel setzend und die Zigarre von neuem anzündend.
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„Mein Gott, wo ich war?" entgegnete Erika achselzuckend, eine dicke Weißbrotscheibe mit Butter streichend und herzhaft hineinbeißend. „Im Garten — auf dem Hof — auf der Wiese — ihr steht ja so furchtbar spät auf, daß ihr euer halbes Leben verschläft."
„Nanu." sagte der Vater belustigt. „Seit einer Stunde sitzen wir hier und warten auf dich. Es ist doch erst halb neun Uhr."
„Ja. und ich bin um 6 Uhr aufgestanden und bin auf der Wiese hinter dem Park gewesen, wo Heu gemäht wird. Das duftet herrlich! Und Herr Born sagte, daß es dieses Jahr eine brillante Heu-Ernte geben würde."
„Unterhältst du dich mit Herrn Born öfter über landwirtschaftliche Verhältnisse?" fragte der Papa lachend.
„Ich interessiere mich doch nun einmal furchtbar für die Landwirtschaft," entgegnete Erika und trank ein großes GlaS Milch aus.
„Das Ist ja sehr schön," meinte der Gutsbesitzer, die Asche seiner Zigarre aufmerksam betrachtend, „aber du kannst dir deine landwirtschaftlichen Belehrungen lieber von dem alten Inspektor Grupe etnholen, als von dem jungen Verwalter Fritz Born."
„Weshalb, Papa? — Der Inspektor ist so langweilig und seine Ansichten sind doch sehr veraltet, sagt Herr Born."
„So — sagt bas Herr Born? — Nun, dann wiU ich Herrn Fritz Born einmal meine Ansichten sagen, vielleicht sindet er die moderner."
„Deine Ansichten, Papa? — Aber du verstehst ja nichts von der Landwirtschaft. Wenigstens meint Herr Born, ein alter Diplomat, der bis zu seinem vierzigsten Jahre tm Staatsdienst gestanden hat, könne kein guter Landwirt mehr werden."
„Da soll doch gleich . .
„Lassen wir jetzt diese Kindereien," nahm die Herrin d«S Hauses das Wort. „Ich möchte dich aber auch ersuchen, Erika, deinen Verkehr mit Herrn Fritz Born etwas einzuschränken. Du bist kein Kind mehr, und Herr Born ist ein junger Mann von fünfundzwanzig Jahren . .
„Bitte, Mama, erst vterundzwanztg und ein halbes Jahr."
„Nun, daS ist einerlei. Wenn du nicht verständiger werden willst, dann müssen wrr dich noch einmal in eine Pension schicken."
„Bitte, bitte — nur das nicht. Ich will ja auch ganz vernünftig sein, wenn ich nur wüßte, wie ich es anfangen soll?"
„Nichte dich nur nach dem, was dir Miß Bayley sagt."
„Ach die! Tie weiß ja nicht einmal den Unterschied zwischen Heu und Grummet!"
Ter Papa lachte laut aur. Aber die Miene der Gutsbesitzerin wurde noch ernster.
„Darauf kommt es der einer jungen Dame auch nicht an. Aber jetzt habe ich dir etwas anderes mitzuteilen. Wir werden demnächst einen neuen Hausgenossen erhalten — den Sohn meiner Jugendfreundin, der Krau von Pro- kowskt."
„Welch drolliger Name, Mama! — Prokowski — da- klingt, als wenn man niest."
„Mach keine dummen Späße. Ter junge Stanislaus Prokowski ist etwas leidend, er soll sich hier erholen und zugleich die Landwirtschaft erlernen. Er wird natürlich nicht der uns tm Schlosse wohnen, sondern drüben tm Jnspektorbaus, wo früher der Hauslehrer von Adalbert gewohnt hat. Aber er wird an unseren Mahlzeiten teil- nehmen und, nicht wie Herr Born, bet dem Inspektor esse«; da- siitd wir seiner Mutter, di« meine best« Freundin w»?. fcholdi». Ich hoff,, du wirst ihm so segenüber-
treten, wie es sich für eine junge Dame paßt, und wirst Rücksicht auf seinen leidenden Zustand nehmen."
„Kranke Menschen mag ich nicht leiden. Der Herr von Prokowski kann sicher vor mir sein."
„Welcher Ausdruck!"
„Ich möchte dich auch ersuchen," sagte der Gutsbesitzer mit kaum unterdrücktem Lachen, „mit dem jungen Mann keine deiner beliebten Eulenspiegeleien zu treiben. Man muß die Menschen zuerst jennenlernen, ehe mau Scherz mit ihnen treibt."
„Tu kannst ganz ruhig sein, Papa. Der schöne Stanislaus ist mir jetzt schon so zuwider."
„Woher weißt du denn, daß er schön ist?'
„Nun — alle Polen sollen ja schön sein."
„Herr von Prokowski ist kein Pole. Seine Mutter Ist eine gute Deutsche, sein Vater und sein Großvater waren deutsche Staatsangehörige."
„Üm so besser."
„Und was ich noch sagen wollte," fuhr die Guts- besitzerin fort, „der junge Mann soll ausgezeichnet Klavier und Geige spielen. Da könnt ihr öfter zusammen spielen — natürlich nur in meiner oder Miß Bayleys Gegen» wart. Es tut dir ganz gut, wenn du etwas fleißige« übst." . . >
„AVer doch jetzt nicht, Mama?" - ^ !
„Weshalb jetzt nicht'?" '
„Mitten in der Heuernte? — Und bann kommt dtl Roggenernte."
,Lör aus, WaS geht dich die Ernte an? — Ich verbitte mir ein für allemal solche Dummheiten. Und nun geh zu Miß Bayley zu deiner Musikstunde."
Tie Worte klangen so energisch, daß Erika keinen Widerspruch wagte. Mit leicht schmollender Miene erhob sie sich und entfernte sich schweigend, die Ohren hängen lassend, wie Bella, die ihr nachschlich, als habe ein Teil der Schelte ihr gegolten.
Eine Weile herrschte Schweigen zwischen den Ehegatte«. Der Vater rauchte seine Zigarre und die Herrin des Hauses las noch einmal den Brief ihrer Freundin.
Plötzlich hob sie den Kops und sagte:
„Ich würde in deiner Stelle den jungen Fritz Dorn sortschicken."
Hambach fuhr auf.
„Weshalb denn? — Born ist ein tüchtiger Landwirt, ein braver Mensch und dabet aus gebildeter Familie; — ich denke, ich will mir ihn als Inspektor heranziehen, wenn der alte Grupe mal abgängig wird."
„Aber Erika?'
„Ach du meinst, da sei eine Gefahr? — Das sind ja Kindereien, Adelheid. Ich werde mir Fritz Born einmal etwas ernst vornehmen — damit ist die Sache erledigt. Erika ist ja vollständig harmlos — man darf nicht Dingen einen Wert beilegen, den sie nicht besitzen. Den Herrn Born überlaß nur mir — sorge du nur, daß mit dem „schönen Stanislaus" kein Unglück geschieht."
„Aber Erich!"
„Na, man hat schon Exempel von Beispielen gehabt... und solche schwarzlockige Polenjünglinge, zumal wenn sie noch Geige spielen, üben oft einen großen Einfluß aus junge, unerfahrene Mädchen aus. Also Hab acht."
„Ich werde schon acht haben, darauf kannst du dich verlassen. Ader ein großes Unglück wäre es ja nich^ wenn . .
Der Gutsbesitzer erhob sich so heftig, baß seine Gattin erschreckt schwieg.
„Wenn du etwa solche Pläne hegst, Adelheid," sagte er sehr ernst, „dann kann sich dein Schützling nur gleich nach einem andern Zufluchtsort umjeyen. v^r dulde ich ihn nicht."
„Wie du gleich heftig wirst! Wer denkt denn an solche Pläne? Ich gewiß nicht."
„Das rate ich dir auch. So gutmütig ich bin, in einem Punkt hört aber die Gutmütigkeit auf — merke dir das, Adelheid."
Er setzte mit einer energischen Bewegung den grünen Jagdhut auf und ging in das Haus, seine Gattin in größtem Erstaunen über seine Heftigkeit zurücklassend.
2. Kapitel.
„Herr Born, Sie können mit dem Jagdwagen heute nachmittag zur Bahn fahren, um den neuen Volontär, Herrn von Prokowski, abzuholen," sagte einige Tage darauf Gutsbesitzer Hambach zu dem jungen Verwalter, der bestaubt und erhitzt von dem Heumachen heimkehrte.
Fritz Born nahm die Hacken zusammen und machte eine leichte Verbeugung, während er höflich sagte:
„Sehr wohl, Herr Hambach."
Der Gutsbesitzer sah den jungen Mann mit wohlgefälligem Lächeln an. Seine höfliche und zuvorkommende Art gefiel ihm. Er dachte daran, daß Fritz Born nicht nur im landwirtschaftlichen Beruf seinen Mann stellen, sondern auch tm geselligen Kreis stets eine gute Figur machen werde. Laut aber sagte er:
„Uebrigens, lieber Born, Sie sind doch nun auch lang genug hier, so daß Sie mit der Gesellschaft der Gegend in Beziehung treten könnten. Ich habe schon mit Kreisdirektor Waldau gesprochen, dem Vorsitzenden des KastnoS. Zum Herbst sollen Sie ins Kasino gewählt werden. DaS ist Ihnen doch recht, lieber Born?'
„Sehr liebenswürdig, Herr Hambach, sich so für mich elnzusetzen." Fritz Born begleitete seine Worte abermals mit einer höflichen kleinen Verbeugung.
Sie geben, lieber Born, wenn Sie jede Woche tanz müssen. Na. noch ist es eine kleine Weile bis dahin. Machen Sie sich nun rechtzeitig auf den Weg zur Bc. Nehmen Sie die beiden Füchse zu dem Jagdwagen." „Gewiß, Herr Hambach."
Der Gutsbesitzer grüßte freundlich und begab sich daS Herrenhaus, während Fritz Born seiner Stube tm ^ spektorhause zusteuerte, um sich zu der Fahrt nach d Hahnhof umzukletden.
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