ohne daß das ganze Reich zusaimnenbricht. Man macht sich'in der Oeffentlichkeit noch nicht die richtige Vorstellung davon, daß wir unter einer inländischen Finanzkontrolle stehen, nämlich der der Rentenbank. Mit den Krediten, die von dieser Seite kom­men, müssen wir unbedingt auskommen. Das besetzte Gebiet braucht für 1014 Tage etwa 100 Millionen Eoldmark. Unser Kredit würde also, wenn wir auch noch wenige Wochen weiter zahlen wollten, bald erschöpft sein. Und damit wäre alles ver­loren. was wir mit der Rentenmark erreichen wollten. Zu den Vorwürfen, daß es mit der Einführung einer wertbeständigen Währung lange gedauert habe, erklärte der Kanzler: Bei einer Ausgabe während des passiven Widerstandes wäre das wert­beständige Geld in ganz kurzer Zeit verbraucht worden. Da­mals brauchten wir noch das Papiergeld. Zur Kabinettsfrage sagte der Kanzler, das gegenwärtige Kabinett müsse sich die Mehrheit suchen und wenn es die Mehrheit nicht finde, so werde die Frage akut werden, ob der Reichstag aufgelöst werden solle oder ob das Direktorium kommen solle, das sich unter Ausschal­tung der Parteien auf die wirtschaftlichen Verbände stütze. Vor diesem zweiten Wege warne er. Käme die Diktatur, so würden wir die außenpolitische Mehrbelastung, die daraus erwachse, nicht mehr tragen können. (Fortsetzung der Red« folgt.)

Eine Kundgebung des Zenlralvorstands der Deutschen Bolkspartei für Stresemann.

Berlin, 19. Nov. Der Zentralvorstand der Deutschen Volks­partei trat gestern in Berlin unter dem Vorsitz des stellvertre­tenden Vorsitzenden^ Finanzministers Dr. v. Richter, zu einer aus allen Teilen des Reiches stark besuchten Sitzung zusammen. Der Parteivorsitzende, Reichskanzler Dr. Stresemann, hielt ein zweistündiges Referat über die gesamte innen- und außen­politische Lage. Seine Ausführungen wurden von der Versamm­lung mit stürmischem Beifall ausgenommen. Die Aussprache, an der sich Vertreter aller Wahlkreise, sowie auch zahlreiche Mit­glieder der Reichstagsfraktion beteiligten, gestaltete sich zu einer überwältigenden Vertrauenskundgebung für den Parteiführer und Reichskanzler Dr. Stresemann. Das Ergebnis der Aus­sprache fand seinen Ausdruck in folgender Entschließung: Der Zentralvorstand gedenkt in Trauer und mit Stolz der tapferen Volksgenossen an Rhein und Ruhr in dieser tiefsten Not und ist mit der Reichsregierung darin einig, daß der staatsrechtliche Zu­sammenhang des besetzten Gebietes mit dem Reiche und den Ländern unverändert bleibt. Deutsch ist das besetzte Gebiet und deutsch soll es bleiben immerdar. Der Aentralvorstand spricht dem Parteiführer Dr. Stresemann sein volles Vertrauen aus. Er ist der Auffassung, daß schon mit Rücksicht auf die außenpoli­tischen Beziehungen jede Aenderung in der Führung der poli­tischen Geschäfte völlig ausgeschlossen ist. Solange die Möglich­keit nicht besteht, eine größere Basis für das Kabinett zustande- zubringen, sieht er in der Zusammenfassung der zur Zeit das Kabinett stützenden Parteien unter Führung des Reichskanzlers Dr. Stresemann die einzige parlamentarische Möglichkeit für eine gedeihliche politische Weiterarbeit. Dabei nimmt der Zcn- tralnorstand von der Erklärung des Fraktionsvorsitzenden Dr. Scholz Kenntnis, daß kein Mitglied der Reichstagsfraktion ge­willt ist, die Person des bewährten Kanzlers irgend welchen Forderungen der anderen Parteien zum Opfer zu bringen. Er erwartet von der Reichstagsfraktion und ist von ihr überzeugt, daß sie ihren Führer in seiner Politik restlos unterstützen wird. Die Entschließung wurde mit der überwältigenden Mehrheit von 200 gegen 11 Stimmen angenommen. Der Vorsitzende, Dr. v. Richter, schloß die Tagung mit einem Dankeswort an alle Be­teiligten, insonderheit an den Parteiführer Dr. Stresemann.

Poinearö wiederholt seine Absicht»

da» Ruhrgebiet nicht zu räumen.

Paris, 19. Nov. Poincarä sprach gestern bei der Ein­weihung eines Kriegerdenkmals in Neuilly bei Paris. Unter Wiederholung aller seiner bekannten Argumente er­klärte er u. a.: Die Reparationskommission wird die Deut, scheu anhören, die Sachverständigen ernennen, die sie zu ernennen bestimmt ist. Sie wird die Zahlungsfähigkeit Deutschlands heute, morgen und jedesmal dann abschätzen, wenn sie es für notwendig hält. Sie wird die Ziffern fest, setzen, die sie für richtig und billig hält unter Beibehal­tung der Pfänder, die Frankreich in der Hand hat, und die es nur gegen endgültige Bezahlung freigcben wird.

Sine Aktion der belgischen Sozialisten?

Paris. 19. Nov. Nach einer Havasmeldung aus Brüs­sel ist den Blättern zufolge der Sozialist Camille Hymans zu einer Konferenz nach Berlin abgereist, die, wie verlau­tet, eine Aktion der Sozialisten im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Lage in Deutschland vorbereiten soll.

Das englische Spiel in der Ruhrsrage.

London, 17. Nov. Ein ungenannter britischer Staats- man erklärte in einer Unterredung mit dem politischen Be­obachter derDaily Telegraph", die augenblickliche Lage in Europa sei weit kritischer, als man sich in England vor­stelle. Die Gefahren lägen nicht in einem Bruch zwischen England und Frankreich, sondern in einem Bruche zwischen Frankreich und Deutschland, wenn letzteres den Vertrag von Versailleszurückweise", was militärische Operatio­nen im Rhein bedeuten würden. England wolle verhan- deln, ohne daß Deutschland auseinandsrsalle und Mittel­europa in Unruhe stürze. Der einzige Weg, dies zu ver­hindern, sei -eine Kontrolle des französischen Vorgehens. Dadurch, dak England nicht ins Ruhrgebiet gegangen fek

hätte es ihuen gestattet, ihren Plan voll zu entwickelnd Poincarö sei ein großer Staatsmann, jedoch kein Wirb- schaftler. Er wolle nicht verstehen, daß England wirt­schaftliche Zugeständnisse brauche, für welche von Seiten Englands politische Zugeständnisse zu machen wären. Als im Juli 1920 das Garantieabkommen abgelehnt wurde, seien beide Länder auseinandergetrieben worden. Trotz, dem wisse man in England, daß die Entente für beide Teile notwendig sei.

Vertagung de» englischen Parlament».

Eine pharisäische Thronrede.

London, 16. Nov. Das Parlament ist heute geschlossen worden und zwar mit einer Thronrede, in der es u. a. heißt: Unglücklicherweise ist es nicht möglich gewesen, die Zustimmung der französischen Regierung zu den Vorschlä­gen der britischen Regierung zu erlangen, von denen ge­hofft wurde, daß sie zur Lösung des Reparationsproblems führen werden. Die Regierung betrachtet mit ernster Be­sorgnis die Fortdauer der gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnisse in Europa, die in so weitem Maße von der Lösung der Neparationssrage abhängen. Die bedenkliche Lage, die sich in Deutschland entwickelt, nimmt die Auf- merksamkeit der'Regierung sehr ernst in Anspruch.

Amerika läßt jede» französischen Gewaltstrsrch zu.

Paris, 16. Nov. Nach einer Meldung desNewyork Herald" aus Washington wird die Nachricht, daß die Fran­zosen möglicherweise Hamburg besetzen würden, von dem Staatsdepartement offiziös bestätigt. Die Vereinigten Staaten würden natürlich die Beschlagnahme des deutschen Hafens ungern sehen, da diese auf eine Behinderung ihrer Handelsbeziehungen zu Deutschland hinauslaufen würde. Da aber die Besetzung im Zusammenhang mit einer Diffe­renz auf Grund des Versailler Vertrages vor sich ginge, würden die Vereinigten Staaten nicht eingreifrn.

Amerika und die Kronprinzensrage.

. Paris, 17. Nov. Havas berichtet aus Washington: In Beantwortung einer Anfrage, in der um genaue Angabe über die am Dienstag in einem öffentlichen Communiquö zum Ausdruck gebrachte Haltung der Vereinigten Staaten hinsichtlich der Wiederherstellung der Monarchie gebeten worden sei, sei im Weißen Hause erklärt worden, die Poli­tik der Vereinigten Staaten, die seit langem speziell in der Monroe-Doktrin zum Ausdruck komme, habe stets dem re­publikanischen Regierungsgedanken zugeneigt. Das be­deute, daß nicht jedes beliebige Mitglied der Negierung oder auch nur die Regierung selbst das Recht hätte, einzu- greifen, selbst wenn das Volk eine derartige Intervention wolle. Die Gründe, die die Vereinigten Staaten zum Ein­greifen in den Krieg veranlaßt hätten, seien die Absicht gewesen, den Kaiser vom Thron zu verjagen, seine Ambi­tionen zu unterdrücken und all das zu verhindern, was die kaiserliche Regierung zu verwirklichen erstrebte. Die Un­terzeichner des Versailler Vertrages müßten genügend Autorität besitzen, um diesen Bestimmungen des Vertrags Respekt zu verschaffen.

Washington, 17. Nov. Reuter zufolge glaubt Präsident Coolidge, das amerikanische Volk werde mit jedem Schritt der Alliierten zur Verhinderung einer Wiederherstellung einer Hohenzollernnronarchie sympatifieren, wenn auch die amerikanische Regierung selbst in Uebereinstimmung mit einer seit langem bestehenden Tradition in dieser Ange- legenheit nicht handeln könne.

Die Gewalttaten des Sonderbündlergesindes».

Speyer, 17. Nov. Wie wir aus privater, zuverlässiger Quelle hören, hat die separatistische Regierung der Pfalz den führenden Persönlichkeiten im Gewerkschaftsleben die Forderung gestellt, sich für die separatistische Regierung zu erklären. Erfolgt eine zustimmende Erklärung nicht bin­nen kurzer Frist, so drohen die Separatisten mit Auswei­sung. Das Eigentum der Ausgewiesenen bleibt zurück und wird von den Separatisten versteigert.

Köln, 17. Nov. DerKölnischen Volkszeitung" zufolge mußten auf Anordnung der Rheinlandkommission die Son­derbündler aus Linz und Unkel abziehen. In Rheinbreit- bach und Linz kam es zu blutigen Zusammenstößen, in deren Verlauf die Eindringlinge das Feld räumen mutzten.

Die französischen Gewalttaten grenzenlos.

Darmstadt, 18. Nov. Die Franzosen, die schon mehrfach Personen den Zutritt zum Waldfriedhof verweigert haben, nahmen gestern 8 Personen, die sich zu einer Beerdigung begeben wollten, fest, trotzdem die Beerdigung angemsldet und genehmigt war. Die Festnahme erfolgte mit der Be­gründung, daß die Herren als Geiseln bis zur Rückliefe­rung einiger vor mehreren Tagen nach dem unbesetzten Deutschland desertierten Marokkaner festgehalten würden. Zwei Festgenommene sind inzwischen wieder freigelassen worden. Beschlagnahmt wurde gestern ein Sanitütsauto der Rettungswache, weil es beim Drehen kurz vor der

Grenze dies? um rveniA" Meter überfuhr. Die Sanitäter wurden festgenommen und erst nach 4 Stunden wieder freigelaffe«. -

Fortdauer der Unruhen l« Düsseldorf.

Düsseldorf, 17. Nov. Die Plünderungen, die in der letzten Nacht trotz der Verkehrssperre stattfanden, sind außerordentlich zahlreich. In vielen Fällen wurden auch sinnlose Zerstörungen begangen. In den Morgenstunden wurden alle Fuhrwerke, die nach Düsseldorf über die Köl­ner Landstraße wollten, in Wersten angehalten und aus­geraubt. Die Plünderer hatten dabei beiderseits der Straße Gräben ausgehoben, um die Polizei unter Feuer nehmen zu können. Gegen 2 Uhr nachts versuchte eine große Menschenmenge ein Straßenbahndepot zu stürmen, um die Einnahme des letzten Tages zu rauben. Der Ver. such mißlang. Die Menge drohte, in der nächsten Nacht wiederzukommen. In zahlreichen Fällen erhielt die Po­lizei Eewehrfeuer.

Die Einführung der Frankenwährung für die rheinischen Eisenbahnen.

Koblenz» 18. Nov.' Die Eisenbahngntschelne der Regie werden zu ihrem in französischen Franke» bezeichnelen Ausgabe- wert an allen Schaltern im Personen- und Güterverkehr an- genommen. Die Scheine lauten auf Beträge von 5 Centimes bis 100 Francs und sind an den Bahnschaltern und Bank» und Kreditanstalten zu haben.

Zur auswärtigen Lage.

Italienischer Sieg in der Fiumefrage.

Paris, 16. Nov. Wie demMatin" aus Belgrad ge­meldet wird, berichtet die offiziöseNremje", daß zwischen Italien und Südslaoien ein Abkommen in der Fiumefrage zustandegekommen sei. Die südslavischrn politischen Kreise glauben zu wissen, daß darin die Angliederung Fiumes an Italien und die Bildung einer südslavischen Freizone im Hafen von Fiume vorgesehen werde.

Das allgemeine Wahlrecht für Japan.

London» 18. Nov. Reuter meldet aus Tokio: Der Premier­minister hat gestern vor einer Konferenz der Gouverneure und Präfekten die Politik der Regierung dargelegt. Sie umsasse in der Hauptsache die Einführung des allgemeinen Wahlrechts, die Verminderung der Ausgaben und die Förderung der Land­wirtschaft und des Außenhandels. Der Premierminister betonte die Notwendigkeit strenger Sparsamkeit im öffentlichen und pri­vaten Leben.

Deutschland.

Eine Kundgebung der Katholiken Münchens.

München, 18. Nov. Das Zentralkomitee der Katholiken Münchens erläßt imBayrischen Kurier" eine Kund- gebung, in der die Ereignisse der letzten Tage aufs tiefste beklagt werden. Mit schärfster Entrüstung wird das un­verantwortliche Treiben jener zurückgewiesen, welche die tragischen Vorgänge mißbrauchten zur Entfachung eines wüsten Kampfes gegen die Kirche, die Priester und vor allem gegen Kardinal Faulhaber, der sich in schwerster Zeit mit Einsatz seiner ganzen Autorität, selbst seines Le­bens vor das bedrohte Volk und das Vaterland gestellt und sich bemüht habe, die Not der Armen zu lindern. Die Kundgebung schließt: Sollte es aber notwendig werden, sollte man uns einen neuen Kulturkampf bereiten, so wer­den wir wissen, was wir zu tun haben. Für jetzt aber ist es unsere heilige Pflicht, die dem verehrten Kardinal zu­gedachten Beschimpfungen mit schärfster Entrüstung zurück­zuweisen.

Ein Verfahren gegen Zeigner.

Dresden, 17. Nov. Der frühere Ministerpräsident Dr. Zeigner, der von einem längeren Urlaub nach Dresden zurückgekehrt ist, hat sein Landtagsmandat niedergelegt. Er wird verschiedener rechtswidriger Handlungen beschul­digt.

Berlin, 18. Nov. Die Blätter melden nach denLeip­ziger Neuesten Nachrichten", daß die Staatsanwaltschaft Leipzig gegen den früheren sächsischen Ministerpräsidenten Dr. Zeigner ein Verfahren wegen Bestechlichkeit im Sinne des § 332 des Strafgesetzbuches eingeleitet hat. Dr. Zeig­ner soll seine Stellung als Justizminister seinerzeit dazu mißbraucht haben, Leuten, die rechtskräftig zu Freiheits­strafen verurteilt waren, unter dem D-ckmantel der Be- gnadigung diese Strafen zu erlassen und zwar gegen bar und viele Geschenks. Zeigner habe die Geschenke zum Teil, in seiner Wohnung, zum Teil im Kaffeehaus, ja sogar aus der Straße in LeiMg entgegengenommen. Insbesondere habe er seine amtlichen Reisen zur Erledigung dieser Ge­schäfte benutzt. Wie dazu ergänzend aus Dresden ge» meldet wird, hat sowohl der sächsische Justizminister, wie die sozialdemokratische Partei es abgelehnt, in das Versah» ren gegen Zeigner einzugreifen.