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Nummer 22 Fernrufes
Samstag, den 26 Januar 1929
Fernruf 179
64. Jahrgang
Linum vsm L^iieir
Romain von -»k
Lop/,Igkt Novl-»!m<i-V«rl«>g - 6»1>n
12. Fortsetzung.
Sie hatte Magva aufriwtig gern. Tie harre wovt gemerkt, daß Magda sie in vielem bewunderte. Das ichmei- chelte ihr und ließ sie eine höhere Meinung von sich selbst bekommen. Befriedigt lächelte sie vor sich hm. Ja, dieie Heirat sollte mit ihrer Hilfe zustande kommen. Warten Sie. Frau am Ende, dachte sie, wir wollen doch mal sehen, wer mehr Macht hat, ich oder Sie! ,
Sie öffnete danach die Türen des Zimmers wieder, die sie während des Gesvrächs fest geschlossen hatte, trat durch das Eßzimmer, in dem der angerichtete Eßtisch wartete, klatschte ausgelassen in die Hände und rief mit singendem Ton durch das Fenster zu den Eltern und Magda hi»' '?:
»Zum Essen! . . . Zum Essen!"
X.
Generation gegen Generation.
Als Frau Elisabeth an dem Morgen nach Magdas Abreise an dem Frühst,ickstisch erschien und von ihrem Schwager die Abreise erfuhr, stand sie einen Augenblick bestürzt. Sie sammelte sich jedoch und setzte sich nieder, dann nahm sie das Messer zur Hand und eine Scheibe Brot aus der Schale. In dem Augenblick betrat Berta mit der duftenden Kaffeekanne das Zimmer. Da flimmerte es vor FraZ Elisabeths Augen und ihr Herz stockte.
»Laß, Berta," wehrte sie ab, als das Mädchen ihr die Tasse füllen wollte. „Mir ist nicht ganz gut. Ich trinke nachher."
Mühsam erhob sie sich und verließ das Zimmer.
Adoli am Ende trank ein paar Schluck von dem heißen Kaffee, dann hatte auch er keinen Appetit mehr. Aergerlich faltete er die Serviette zusammen. Aber als er gerade das Zimmer verlassen wollte, kam Hermann zum Frühstück Er hielt den Onkel auf und erfuhr nun von der Wirkung, die Magdas Reise auf die Mutter ausgeübt habe.
„Aber Onkel," sagte er, „daß es einen Kampf geben wird, darauf bin ich gefaßt. Mutter bat bis jetzt in allem ihren Willen gehabt, nie wollte bislang einer von uns anders als sie. Aber jetzt steht Magda und auch ich an der Lebenswende. Mehr und mehr stellt unser Leben Forderungen an uns."
. „Bestehst du denn auch jetzt noch auf deinen Plan, nach Berlin zu gehen?" . ....
„Ja, Onkel, mehr denn je. Schon allein vom mevizini- fchen Standpunkt aus. Aber auch sonst lockt mich diese Stadt. Es muß wohl etwas Wahres daran sein, daß wir, deren Vorfahren Generationen hindurch auf dem Lande gesessen, das Land beackert und fruchtbar gemacht haben, baß wir plötzlich in uns geradezu einen Ruf nach der Großstadt verspüren. Mir geht es so. Und, ich glaube, Magda auch. Dieses bunte, jagende Treiben dort, das wie das schlagende Herz allen Lebens anmutet, all die Bildungsmöglichkeiten, die Erscheinungen auf allen Geistesgebieten . . . Alles das lockt mit gewaltiger Macht . . ."
„Ja " sagte der Onkel, „entschuldige, daß ich dich unterbreche. Verstehen kann ich dich wohl. Aber wir müssen jetzt auf deine Mutter Rücksicht nehmen. Und die Mutter, deren ganzer Sinn, deren Lebensfähigkeit in Land und Leuten ihrer Heimat wurzelt, würde es nicht ertragen, ihre beiden ältesten Kinder gleichzeitig hingeben zu müssen. Sie geht in ihrer Ansicht über die Großstadt zu weit, sie hörte und las immer nur Häßliches von ihr: ihre Abneigung ist wie ein Haß. Das alles ist wahr, aber . "
„Ich werde sie überzeugen, daß sie Unrecht hat."
»Das wirst du nicht können. Sie wird begreifen, daß sich alle Heimat- und besitzlosen Menschen dorthin drängen: aber sie wird nie fassen, daß du dich von einem angestammten Grundbesitz lossagen kannst. Darin wird sie nur rebellischen Geist und Le.chtsinn erblicken, und das wird ihr Schmerz und Kummer geben. Die Vergnügungen der Großstadt verabscheut sie: die armen Menschen in ihr, beklagt sie und hält sie kür bedauernswerte Wesen. Die Reichen sind ihr nur Genußlinge. Kla^e Gedanken macht sie sich in ihrem Haß wohl kaum. Es ist ein peinzipieiler Abscheu in ihrem Herzen gegen diese Großstadt, die größeren Städte überhaupt, das Leben in ihnen erscheint ihr ungesund und häßlich, weil sie durch und durch die Erde und die freie Natur liebt . . ."
„Onkel, es handest sich hier aber um meine Zukunft. Viel zu lange war ich in Freiburg. Meine Entwicklung als Mensch, als Individualität, braucht mehr als die wunderschöne und beschauliche Umgebung einer Studentenstadt."
Hermann am Ende hatte sich heiß geredet. Auch sein Frühstück war noch unberührt. Mit einem Mal wurde er sich seines Hungers bewußt, und als er sah, daß auch der Onkel keinen Bissen ungerührt hatte, läutete er nach Berta, die frischen Kaffee bringen sollte. Als dies geschehen war, nötigte er auch den Onkel zum Essen.
»Verliere nur die Ruhe nicht, Onkel," sagte er, „ich will nachher zur Mutter gehen und alles aufbieten, um sie zu beruhigen."
, Bekümmert sah Adolf am Ende, nachdem Hermann das Zimmer verlassen hatte, durch das Fenster in das üppige reife Grün der Baume, er nickte und erhob sich dann uw ,einer Arbeit nachzugehen. —
uralte Standuhr surrte, als ob sie ein asthma- tijches Herz hätte: sonor war ihr Schlag: sie klang wie eine abgetönte, sprechende St'mme durchs Haus. Acht schwerfällige Schlage. Da öffnete Eva die Tür zum Frühstücks- zimmer. Sinter ihr betrat ihr Bruder Heinz dkn Raum Die beiden Jüngsten frühstückten allein. Sonst freilich war
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Heinz stürzte sich mit dem Hunger eines aroßen vierzehn- iähr.gen Jungen auf die frischen Semmeln Eva setzte sich gebeten hatt^"'*E bi», nachdem sie Berta um Kakao
schla^en^Ei^sntkick/'wn//^ Frühstück. Er batte der-
Un und d'e oete^en w" 7 " ganz zeitig bei dem Fischer sein und V'E gelegten Reusen mit herausnehmen helfen.
„Du bist doch herzlos," sagte Eva, als sie eine Weile stumm mit dem Bruder zusammengesefsen hatte. „Kein Wort sagst du, daß Magda fort ist."
„Magda . . . ?" Heinz schluckte hastig ein Stück Kuchen herunter. „Aber die ist doch glücklich, daß sie fort ist", meinte er dann. Er war mit dem Frühstücken fertig, und da ihm die Fischangelegenheit immer brennender erschien, sagte er, indes er sich die Taschen mit Brot vollstopfte, um für all« sein« Tierlieblinge eine Leckerei zu haben: „Ich- weiß zwar nicht, wo es schöner sein kann als hier bei uns. Aber ihr Mt ja immer irr der Welt brrumkutMerM"
Er blinzelte Eva an, und der Schein eines Lachens lag auf seinem hübschen, frischen Gesicht. Er neckte sich viel mit der Schwester, die sein Liebling war. Meistens amüsierte es Eva: aber heute war sie empfindlich. ,
„Du bist ein dummer Junge," gab sie ihm zur Antwort. „Ich sage ja, du hast kein Herz." Und sie wandte beleidigt ihr Gesicht ab.
Aber Heinz wollte die Schwester nicht kränken, besonders da er jetzt erst bemerkte, wie blaß und übernächtigt sie aussah.
„Ich gehe jetzt zu den Fischen ... und nachher will ich dir Beeren pflücken helfen, wenn du willst . . . Ja?" sagte er versöhnlich. „ ...
Aber Eva gab keine Antwort. Da schwenkte er ferne Schülermütze und lief pfeifend zur Tür hinaus.
Gewöhnlich kam Frau Elisabeth n-d setzte sich nochmals zu ihren K ndern an den Frühstückstisch Eva wartete heute lange auf sie, da sie nicht kam, fühlte >ie sich Plötzlich ganz fremd und verlassen in dem stillen Zimmer. Die alte Uhr räusperte sich und zeigte an, daß sie gleich ein halb neun ansagen würde. Da ging Eva, um die Mutter zu suchen.
Aber auch unten in den Küchen war die Mutter nicht, und auch Mine war nicht da.
Als Eva, die vergeblich Garten, Hof und Ställe nach der Mutter abgesucht hatte, zum zweiten Male in die Küche zurückkehrte, war es zehn Uhr geworden und nun hörte sie die Mutter in der Vorratskammer reden. Schnell lief sie auf die Tür zu, öffnete sie und sah, wie die Mutter über Reisfässer gebeugt war, in denen sich die Vorräte für die Hofgänger befanden. Die Mutter hatte die rechte Hand ganz mit diesen weißen kristallenen Körnern voll, hielt sie etwas hoch und ließ sie dann langsam von der gespreizten Hand in ein Faß zurückregnen.
„Muttelchen, was machst du da Schönes?" fragte Eva.
Die Körner fielen plötzlich alle von der erschrockenen Hand: Frau Elisabeth richtete sich auf und blickte, noch immer
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von Kummer verwirrt, in Evas liebliches Gesicht. Und wie ängstlich schaute Eva die Mutter an, sie hatte plötzlich die Empfindung, als müsse sie etwas gutmachsn. Sie kam näher, und als Frau Elisabeth einen feuchten Glanz in Evas Augen sab, zog sie sie an sich und streichelte gerührt und zärtlich ihr Gesicht.
„Du wirst immer bei mir bleiben, Evchen? Du wirst deine Mutter nicht allein lassen? Du hast keine Sehnsucht nach der Großstadt, nicht wahr?"
Der feine Leib Evas zitterte leicht bei den Fragen der Mutter, und ihre Augen wurden groß und gingen ins Weite: aber sie schloß ihre Arme fester um die Mutter und schüttelte sanft den Kopf.
„Mutter," sagte sie dann aber mit einem. Mal, und es war, als ob eine fremde Kraft ihren zarten Körper erfüllte: sie richtete sich hoch und fuhr fort:
„Wenn ich aber nun fort müßte . . . Wenn ich einmal heiratete und mein Mann ganz wo anders lebte, Mutter?"
Frau Elisabeth sah Eva in fassungslosem Entsetzen und dann immer aufmerksamer an. Aber sie vermochte nichts Besonderes an ihr zu entdecken. Was fabelte das Kind? Fort müssen? Sie. die kleine zarte Eva? Ihre Jüngste?!
Etwas Gewaltsames ging in Frau Elisabeth vor. Sie fühlte, daß sie dies zarte Kind niemals der Fremde würde geben können. Niemals. Einem Pfarrer, der nicht ^rllzu weit von hier wohnen dürfte, auch einem Oberförster oder Landwirt wohl. Weiter hinaus kamen diese ihre Zukunftsgedanken nicht, alles andere ging über ihre Lebenskraft.
Sie fühlte es heiß und stark.
„Evchen," sagte sie und umschlang ihr Kind fester, „Evchen, du bleibst immer bei mir, nicht wahr, versprich mir das? Sieh mal, deine Schwester ist heute heimlich von mir gegangen. Weißt du, was das bedeutet? Es bedeutet, daß sie sich von mir und ihrer Heimat lossagt . . . Hermann will auch nach Berlin . . . Meine beiden ältesten Kinder kündigen mir Liebe und Gehorsam . . . Und ich bin doch nie strenge mit euch gewesen. Oder bin ich keine rechte Mutter gewesen, Evchen. weil du auch von mir gehen willst?" Tränen
rannen über Frau Elisabeths Gesicht, sie schluchzte willens- verlassen auf und lehnte vom Weinen bebend an der Wand.
„Muttchen, was tust du?" Evchen hing an der Mutter Hals und streichelte ihre Wangen.
„Komm," sagte sie, „komm in den Garten. Magda ist nicht hier, ich bin so allein. Komm, geh du mit mir, Muttchen."
Mine kam ans einer der Vorratskammern und tat, als sähe sie die Tränen der Frau am Ende nicht. Sie sagte laut und sachlich: ^
„Es stimmt genau, gnädige Frau. Bis Weihnachten reicht das Hauptdeputat für die Leute. Heringe, Reis und Speck.
Für besondere Fälle ist Seife und Margarine ebenfalls genügend vorhanden. Wir müssen nun an die Neubestellung denken."
Mit zögernder, matter Stimme erwiderte nach kurzer Pause Frau Elisabeth:
„Dann können wir abschlietzen . . . Und du gibst immer ^ nur soviel heraus, als für eine Woche nötig ist. Guste geht ^ ja gut damit um und ist ehrlich. Den Schlüssel zu dem Wochstworrat kann sie also ruhig behalten."
Etm bängte sich bei der Mutter ein und ging nicht von ihrer Seite. Frau Elisabeth war dann auch soweit beruhigt, daß sie mit ihr gehen konnte.
*
Nach dem letzten Gespräch mit dem Onkel hatte Hermann am Ende sich üorgenommen, der Mutter zuliebe seine Wünsche.einstweilen noch zurückzudrängen. Je näher aber die Zeit seiner Abreise kam, desto schwerer wurde es ihm, nicht hoch noch einmal mit der Mutter über seine Zukunfts- Pläne'zu sprechen. Schließlich sah er auch garnicht mehr den Zweck seines Opfers ein. Die Mutter batte sich über Magdas selbständiges Handeln beruhigt, sie würde auch über seine Pläne hinweakommen. Lange beschäftigte er sich mit diesen Gedanken.
Seine letzte Ferienwoche ging dem Ende zu. Eines Tages saß er noch über seine Bücher gebeugt und arbeitete. Da kam die Mutter zu ihm. Hermann freute sich. Eine bessere Stunde zu einer Aussprache würde sich ja nie bieten, dachte er sogleich.
„Junge, wie wird denn das nun mit dir? Hast du noch nicht an deine nahe Abreise gedacht?" Sie stand bei ihm und strich wie von ungefähr über sein volles, etwas gewelltes Haar.
Hermann freute sich über die Worte der Mutter. Er antwortet«: .
„Doch, Mutter, gerade in letzter Zeit habe ich es an^, dauernd getan, nur konnte ich noch nicht schlüssig werden."
Sie setzte sich in einen Sessel, der am Fenster stand und sah ihn fragend an. In ihren Augen war so viel mütterliche Güte und Liebe, daß ihm ganz eigen ums Herz wurde.
„Mutter," sagte er, „wie.stellt du dich jetzt zu Magdalena? Andres ist in Baden-Baden. Lies den Brief, den sie mir geschrieben hat." Da er sab, wie sie unwillig den Kops schüttelte, strich er über ihre Hand und beschwichtigte: „Andree scheint wirklich ein ganz besonders tüchtiger Mensch zu sein . . . Magda paßt nicht aufs Land. Gib darum Anittee doch wenigstens Gelegenheit, sich dir zu zeigen, Wi« er ist! Du müßtest ihm doch etwas entgegenkommen."
„Nein, rechne nicht damit, mich herumzukriegen! Lieber . . ."
„Aber Mutter, wohin verirrst du dich bloß? Andree ist ein tüchtiger, ehrlicher Mann, überzeuge dich doch davon."
„Wer meine Tochter dazu verleitet, gegen den Willen der Mutter aus dem Hause zu gehen, ist kein solider und ehrlicher Mann . . ."
„Er hat sie doch aber gar nicht dazu verleitet . . ."
„Ganz gleich, es ist doch jedenfalls seinetwegen geschehen."
„Nein, du verkennst das auch wieder. MagdaS Natur drängte zu diesem Schritt."
Ueber das Gesicht Frau ElisäbLkh» flog ein Schein von fragender Angst. Unsicher ging der Blick ihrer Busen. Hermann, der die Mutter sein Leben lang nur stolz und sicher gekannt batte, erschütterte dieser Anflug von Hilfs- losigkcit. Eine Ahnung überkam ihm plötzlich, daß es nicht in der Macht seiner Mutter lag, seine und der Schwester innerste Wünsche zu verstehen. Die Mutter war mit dsm Land und seinen einfachen Sitten so vollständig verwachsen, daß sie wahrscheinlich zu Grunde geben würde, wenn man ihr das nehmen wollte. Ihm wurde schwer zu Sinne. WaS sollte geschehen? Hier stand Geschlecht gegen Geschlecht! Jugend gegen das Alter. Generation gegen Generation! Kinder gegen die eigene geliebte Mutter! Es war wohl nichts anderes zu machen, als den Dingen seinen Lauf zu lassen. Er fand bei diesen Gedanken nun ^ plötzli ch doch nichr mehr den Mut. seinetwegen mit der MutterzMrtzchten.
Sah er doch, wie sie litt. Er brach das Gespräch ab, zwang sich zu einem leichteren Ton und sagte: tz
„In sechs Tagen reise ich also wieder." Schnell, als ob er einer plötzlichen Eingebung folgte, fügte er hinzrk: „Professor Körner zieht mich jetzt doch wieder nach Freiburg zurück. Ein halbes Jahr will ich noch daran geben. Vielleicht schaffe ich den Doktor bis dahin."
Frau Elisabeth ließ sich täuschen. Ihre Augen blickten wieder glücklicher.
„Na. ja, mein Junge, du wirst das ja wohl am besten w„sen,' sagte sie, und ein Seufzer der Erleichterung hob ihre Brust. Sie stand auf, und im Vo*übergehen strich sie wieder über sein Haar. Dann lächelte sie ihm in Ihrer guten Art zu. ehe sie die Tür schloß.
Bis ins Innerste tras Hermann diese mütterliche Berührung, dieser warme, treue Blick. Ganz benommen war ihm ums Herz. Warum denn dieser Kampf, wo es doch sonst so schön sein könnte? fragte er sich.
XI.
Ein Wiedersehen in Baden-Baden.
Lidvs Telephongespräch hatte auf Andree den aller- großten Eindruck gemacht. Er liebte Magda am Ende mit allen Sinnen. Daß er trotz der Aussprache mit ihr auf lenem Sommerfcst noch um keinen Schritt vorwärts gekommen war, quälte ihn maßlos und machte ihn seelisch leidend. Täglich hatte er auf eine Nachricht von ihr gewartet. Da aber keine Mitteilung kam, so waren die unruhigsten Gedanken in ihm wach geworden. Leidenschaft quälte sein Herz Tag und Nacht.-
Ml: fiebernder Eile betrieb er die Reise nach Baden- Baven. Sern Auto tagte ihn überall bin, wo es noch wichtige geschäftliche Dinge zu erledigen galt. Sein Diener bekam den telephonischen Auftrag, zu packen. Senalsky. der nicht ahnte, warum sein Kompagnon plötzlich diese Eile hatte, wurde ärgerlich und weigerte sich, die Abreise in diesem Sturmtempo mitzumachen. Aber Andree l'eß nicht locker, und, da er der bedeutend energischere war. bekam er Senaisky trotz allen Sttäubens pünktlich zum Zug.
Am nächsten Vormittag um einbalb zehn Uhr läutete das Telephon auf Lidvs Nachttisch. Sie nahm eifrig den Hörer.
„Hier Andree. Guten Morgen, gnädige Frau. Da bin ich also!"
--Guten Morgen. Andree . . . Gut, daß Sie gekommen Die Herren hier verschlingen Magda mit den Augen!"
„Nun bin ich hier, was soll weiter geschehen?"
Lidv verbiß sich ein lustiges Auflachen.
„Also hö-en Sie. Andree. Ich Hab' verschlafen. Die Eltern und Magda sind längst am Brunnen gewesen und nachher sonstwohin spaziert. UebrigenS . . . Mein Mann :st doch auch hier, nicht?"
„Ja, natürlich, ich erwarte ihn soeben zum Frühstück."
„Also hören Sie, Andree . . . wir können uns auf der Promenade treffen. Aber verbieten Sie meinem Mann ein Mort darüber zu sagen, daß ich Sie herrief, und warum Sie hier sind."
„Er weiß ja den Grund auch garnicht... Wann wollen wir uns treffen?"
„Warten Sie. . . Sagen wir um elf Uhr vor dem Kurhaus! Um diese Zeit ist da kein Mensch."
„Tja, dann wird es wohl das beste sein . . . Aber wird- denn auch klappen, ich meine. Sie haben doch Ihre Eltern ? und Fräulein Magda noch gar nicht .. . ."
„Verlassen Sie sich nur ganz auf mich, lieber Andree". Sie lachte hell ins Telephon hinein. „Nun Schluß. Ich bin ja «och nicht angekleidet und das dauert . . . Na, ich beeme mich schon: also es bleibt bei elf Uhr. Auf Wiedersehen!" —
Herr Blöm war in Baden-Baden ein' passionierter Angler geworden. Die rotgepunkten Forellen in der sachtrieselnden Oos hatten ihn gar zu sehr gelockt. Es war für ihn ein großer Genuß, mit der Angelrute in der Hand am Ufer des Flusses zu sitzen, sich von den alten, hohen Bäumen umrauschen und von der Sonne erwärmen zu lassen.
Bis jetzt hatte er seiner Leidenschaft für diesen Sport zwar Zügel anlegen müssen. Denn er batte seiner Frau Gesellschaft zu leisten, wett Lidy bis in den Vormittag hinein schlief und meist erst gegen Mittag erschien.
Magda wurde, da sie bereits um sieben Nhr im Garten promenierte, von dem Blömschen Ehepaar mit grober Freude begrüßt, als es kurz nach sieben Uhr aus dem Hause trat, um sich zur Trinkhalle zu begeben. Als Magda Hörle, wohin es gehen sollte, holte sie schnell ihren Hut und einen duftigen Sonnenschirm und schloß sich dem alten Ehepaar an.
(Fortsetzung folgt.)
Senkt an die hungernden Vögel!