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Nummer 305 Fernrufes
HkuMutz möglich?
In letzter Zeit ist die Frage lebhaft besprochen worden, ob ein Schutz gegen feindliche Luftangriffe möglich sei. Die letzten Luftflottenmanöver in England haben bekanntlich ergeben, daß z. B. die derzeitigen Abwehrmöglichkeiten London vor einer Katastrophe nicht hätten bewahren können. Auch darüber wird man sich klar sein müssen, daß es einen vollkommenen Schutz gegen Luftangriffe niemals geben wird, es handelt sich vielmehr nur darum, ob der Schutz wesentlich und wirksam ausgebaut werden kann. Diese Frage glaubt der frühere Reichsverkehrsminister Dr. Krohne bejahen zu können. Er führt in den L. N. N. u. a. aus:
Die Wirkung von Luftangriffen kann zurzeit beim Fehlen jeder Gegenwirkung tatsächlich deswegen verheerend sein, weil die anzugreifenden Objekte besonders hochgradig empfindlich sind: Die deutschen Großstädte z. V. sind dicht gedrängt auf engem Raum gebaut, aber nicht infolge unabänderlicher Naturbedingungen, sondern aus historisch erklärlichen, technisch-wirtschaftlichen, jedenfalls nicht unabänderlichen Gründen. Ausländische Großstädte sind wesentlich weiträumiger und flacher gebaut: Einige Zahlen: In Berlin kamen im Jahr 1910 durchschnittlich etwa 75, in Leipzig mehr als 27, dagegen in der Riesenstadt London noch nicht 8, in der Dreiviertelmillionenstadt Manchester noch nicht 5 Bewohner auf ein bewohntes Grundstück. Berlin hat eine Gesamtgrundfläche von 87 000 Hektar. Davon sind „bebaut" nur 23 000 Hektar. Der von Gebäuden tatsächlich überdeckte Boden ist wiederum nur ein Bruchteil, etwa ein Viertel dieser Fläche. Da aber die Gefährdung einer Stadt proportional zur Dichte der Bebauung und zur Höhe der Häuser wächst, ist bereits durch Auflockerung der Bauweise eine wirksame Minderung der Gefahr möglich. Riesenbomben gegen weiträumige, flachgebaute Siedlungen wären zwecklos, da ihre Wirkung zum größten Teil verpuffte. - Gegen kleinere Sprengbomben aber kann die Widerstandsfähigkeit der Häuser ohne untragbar teuere Maßnahmen wesentlich gesteigert werden. — Die Gasgefahr ist nach übereinstimmender Ansicht der chemischen und medizinischen Sachverständigen trotz gelegentlicher phantastischer Alarmrufe nicht unüberwindlich.
Auch wenn sich die Leistungen der Flugtechnik noch weiter erhöhen, braucht die Wirkung der Luftwaffe nicht in gleichem Maß zu steigen. Cs ist im Gegenteil durchaus wahrscheinlich, daß das Risiko für den Angreifer selbst mit dem Ausbau der Abwehr und des Luftschutzes rascher wächst als die Wirkung der Angriffe. Wir haben hierzu aus dem Weltkrieg lehrreiche Zahlen, die auch noch für heutige Verhältnisse gelten.
Nach englischen und deutschen Nachrichten wurden auf England 1915—1918 insgesamt 51 Fluazeuggeschwader- angriffe vom nahen Flandern aus und 52 Luftschiffangriffe ausgeführt. Insgesamt wurden 115 000 Kg. Bomben, darunter einige im Gewicht von 1000 Kg., abgeworfen. Durch die Luftangriffe wurden in England in den vier Kriegsjahren 1483 Personen getötet. Im Verhältnis zu den in England alljährlich,iu beklagenden Verkehrsuniällen, die sich in den ersten vier Friedensjahrcn auf etwa 12 000 beliefen, ist dieser Belüft nicht als verheerend zu bezeichnen. (In Deutschland schwankt die Zahl der jährlich Verunglückten von 1921 bis 1921 zwischen 5200—5600, also in vier Jahren rund 22 0001 D'? Verluste der Angreifer waren 21 abgeschossens und 39 zu Bruch gegangene Flugzeuge mit insgesamt 137 Toten. Non den Luftschiffen sollen 17 durch feindliches Feuer und 28 diw 0 M'terungskatastrophen vernichtet worden sein Es ist daher kaum übertrieben, wenn man dis Mannschaftsverluste der Angreifer auf 1200—1100 annimmt, d. h. fast jedem gefallenen Gegner entsprach ein ge- ovferter Angreifer. Ob die wirtschaftlichen Schäden finanziell die Kosten der eigenen Verluste an Material wesentlich überstiegen, ist ungewiß. Jedenfalls war der Schaden nicht so gewaltig, daß er vernichtende Wirkung gehabt hätte. In welchem Verhältnis die wirtschaftlichen Schäden zu den Aufwendungen und Verlusten an Material auf seiten des Angreifers stehen, ist ungew'ß. Bestimmte Anhaltspunkte dafür sind schwer zu gewinnen.
Wie stark aber die Wirkung der Luftangriffe mit dem Ausbau der Abwehr- und Schutzmaßnahmen abnimmt, zeigen, einige Ziffern auf deutscher Seite: 1916 wurde das deutsche Heimatgebiet 96 mal aus der Luft angegriffen. Etwa 150 Tote und 1350 Verwundete fielen den abgeworfenen 1800 Bomben zum Opfer. Im Jahr 1918 stieg die Zahl der Angriffe auf 353. Etwa 8000 Bomben wurden geworfen. Die Zahl der Toten und Verwundeten sank aber auf 210 bezw. 960. Demnach waren, auf 100 Bomben umgerechnet, 1916 25 Tote und 75 Verwundete, 1918 hingegen 3 Tote und 12 Verwundete zu verzeichnen. Diese Zahlen zeigen, daß trotz der gewaltigen Vervollkommnung und Verstärkung der Angriffsmittel ihre Wirkung infolge der verhältnismäßig primitiven und sporadischen militäriscken Abwehrmittel in Verbindung mit der Aufklärung der Be- völkerung und den behelfsmäßigen Schutzmitteln auf ein Achtel sank. Wenn auch seitdem die Flug- und Sprengtechnik weitere Fortschritte gemacht hat, so dürfte doch dis Technik der Abwehrmittel sich gegen 1918 noch viel
Samstag den 29. Dezember 1928
lagesspiegel
Der Vorsitzende des berühmten Vorbseeikrmgsansschnsseg für die Arbeiten der Abrüslungskommisston. der holländische Minister London, wird den Ausschuß aus 15. April n. I. einberufen. Ursprünglich soll der 1. April in Aussicht genommen gewesen sein.
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3m Befinden des Königs von England ist wieder eine Verschlimmerung eingelreten.
Die chinesische Regierung ließ in Schanghai 52 chinesische Arbeiter (Kulis) verhaften, die unter Führung eines bolschewistischen russischen Agenten an Bord eines Dampfers aus Rußland nach China zurückkehrten. Auch in anderen Küsten- siädten wurden zahlreiche Chinesen, die aus Rußland kamen, verhaftet. Die Sendlings sollen den Auftrag haben, eine kommunistische Revolution anzuzetteln. 5n zwei Särgen, die auf einem Dampfer ankamen, fand man statt der Töten Aufrufe zur Revolution und Pistolen und Handgranaten.
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Die chinesische Regierung in Nanking wird einen Hilferuf an Amerika und den Präsidenten Hoover richten um Beistand in der Hungersnot in Nordchina. Als Begleiterscheinung der hnngersnol ist die Pest ausgetreten, der in den Provinzen Schensi und Schansi 1000 Menschen zum Opfer gefallen sein sollen.
mehr vervollkommnet haben, insbesondere, wenn man i« Betracht zieht, daß zivile Schutzmaßnahmen, die für die Zu- unfk möglich sind, im Weltkrieg erst eine ganz unter- wrdnete Rolle spielten.
Die Luftgefahr ist wirklich verhängnisvoll nur dort, wo 's auf eine völlig unvorbereitete Bevölkerung trifft, und w man untätig die Hände in den Schoß legt, gleichgültig, nis welcher Begründung heraus: aus träger Hoffnung auf ein Wunder technischer und volitischer Art — etwa auf das Wunder Völkerbund oder Paneuropa —, aus Hoffnungslosigkeit oder aus Gleichgültigkeit. Diese Untätigkeit fördern. heißt erst die wirkliche Todesgefahr heraufbeschwörrn. Bei völligem Unvorbereitetsein können vor allem die psychologischen Wirkungen auf ein sich schutzlos preisgegeben fühlendes Volk tatsächlich vernichtend sein. Diese Folgen mühen durch rechtzeitige Aufklärung gebannt werden.
Das sozialdemokratische Wehrprogramm
Die Sozialdemokratische Partei hat vor einiger Zeit, als der Kampf für und wider den Panzerkreuzer ging, einen Parteiausschuß zur Prüfung der Wehrfragen eingesetzt. Dieser Ausschuß hat für die Partei ein Wehrprogramm ausgearbeitet, das nunmehr veröffentlicht wird und das dem am 10. März stattfindenden Parteitag vorgelegt werden soll- Die Hauptpunkte des Programms lauten:
Die Sozialdemokratisch« Partei Deutschlands verwirft den Krieg als Mittel der Politik.
Als Mitglied der sozialistischen Arbeiterinternationale kämpft die Sozialdemokratische Partei Deutschlands für vollständige Abrüstung durch internationale Abkommen. Die Abrüstung wird nur dann dem Frieden dienen, wenn sie nicht nur eine einseitige Verpflichtung ist, wie sie den Besiegten des Weltkriegs durch die Sieger auferlegt wurde.
Eine Verpflichtung der deutschen Republik, die ihr auferlegten Rüstungsbestimmungen ohne Rücksicht auf ihre politische und militärische Zweckmäßigkeit auszuschöpfen, erkennt die Sozialdemokratische Partei Deutschlands nicht an.
Die Wehrmacht kann ihre Aufgaben nur erfüllen, wenn sie in ihrem Denken und Fühlen mit Sem Volk verbunden ist und sich als dienendes Glied in die demokratische Republik einordnet.
Um die Reichswehr in diesem Sinn umzugesta 1- t e n, stellt die Sozialdemokratische Partei insbesondere folgende Forderungen:
Kontrolle des Reichstags über alle Verträge der Heeresverwaltung.
Keine Beihilfe an Privatfirmen, die mittelbar oder unmittelbar ungesetzlichen Rüstungen dient.
Verbot der Bestrafung von Veröffentlichungen über ungesetzliche Rüstungen.
Gesetzliche Bestimmungen zur Sicherung einer unparteiischen Rekrutierung.
Beseitigung des Bildungsvorrechts für das Offizierskorps,
Sicherung der staatsbürgerlichen Recht« der Soldaten.
Schutz der Rechte der Soldate^n durch eine von ihnen gewählte Personalvertretung.
Demokratisierung des Disziplinarrechts und des Milüär- strafrechts.
Republikanische Lehrkräfte und Lehrbücher beim Unterricht.
, Verbot der Verwendung militärischer Kräfte bei Konflikten zwischen Kapital und Arbeit,
Fernruf 17S
63. Jahrgang
neueste Nachrichten
Dr. Held beim Reichspräsidenten
Brrsin, 28. Dez. Reichspräsident von Hindenburg empfing heute den bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Held.
Zur Sachverständigenkonferenz
Berlin, 28. Dez. Wie aus Paris gemeldet wird, verlangen die rumänische und die südslawische Regierung, daß sie ebenfalls Sachverständige zur Reparakionskonferenz entsenden dürfen. Soviel bekannt ist, wird die Reichsregierung jede Erweiterung der Konferenz über den Rahmen der sechs Zkaaken und Amerikas hinaus ablehnen.
Der Reichsbahnprozeß gehl weiter
Dresden, 28. Dez. Die sächsische Regierung wird gemeinsam mit den süddeutschen Staaten in den nächsten Tagen beim Staatsgerichtshof die schleunigste Ansetzung des Verhandlungstermins in dem Prozeß um die Verwaltungsratsstellen der Reichsbahn beantragen.
Der Treuhänder (Vertreter der Verbandsstaaten in der Oberaufsicht über die Reichsbahn) in Paris hat die von ihm zu ernennenden Mitglieder des Verwaltungsrats der Reichsbahn erst am 26. Dezember gewählt, und zwar wiederum Margot und Mance, und an Stelle des ausscheidenden Habich den Kommerzienrat Dr. Silo erb'erg.
Warum die Reichsregierung es mit ihren Ernennungen am 15. Dezember so eilig gehabt hat, ist nun erst recht nicht erfindlich.
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Landraub in Lüdlirol
Innsbruck, 28. Dez. Wie den „Innsbrucker Nachrichten" nus Bozen gemeldet wird, werden durch eine Entscheidung -des italienischen Ministerrates unter dem Titel von „Meliorationen" 1200 Hektar der sogenannten Etsch Aue. die sich von Siegmundskron bei Bozen bis in die Nähe von Meran hinzieht, den gegenwärtigen Besitzern, ungefähr 2000, fast durchweg deutsche Kleinbauern, abgenommen und Mitgliedern des faszistischen Kriegsteilnehmer-Bundes zu Siedlungszwecken zugeteilt. Die Abfindungssummen für die bisherigen Besitzer sollen nicht einmal 50 v. H. des Grundverkehrspreises betragen. Sollte der für Meliorationen enteignet? Grund zur Sicherheit der wirtschaftlichen Existenz der neuen Siedler nickt ausreichen, so kann nach dem bezüglichen Dekret guter Kulturgrund benachbar- t e r Güter im Enteignungswege herangezogen werden.
Rücktritt Poincarös?
Paris, 28. Dez. Zwischen Poincare und dem Finanz- . minister Cheron ist es wegen der geplanten Erhöhung der Bezüge der Abgeordneten zu einer ernsten Auseinandersetzung gekommen. Da die Erhöhung der Bezüge in der Oeffentlichkeit übel ausgenommen worden ist, möchte Poincare den Gesetzentwurf am liebsten ganz fallen lassen, während Cheron sich dafür im Namen der Regierung einsetzt. Im Ministerrat trat die Mehrheit dem Standpunkt Cherons bei. Poincare hat im Kreis von Vertrauten bereits die Absicht des Rücktritts zu erkennen gegeben, wozu ihn namentlich auch die fatale Tatsache veranlaßt, daß demnächst die 100 Millionen Dollar fällig sind, die Frankreich für den Ankauf des amerikanischen Heeresmaterials (1918) durch den zurzeit im Untersuchungsgefängnis sitzenden früheren Finanzminister Klotz zu zahlen hat. Poincare scheut sich, für diesen Handel eine Vorlage in der Kammer einzubringen, und ob die Reparationsregelung mit Deutschland, durch die er zunächst die nötigen Barmittel für die fällige Zahlung zu erhalten hoffte, ganz nach seinem Wunsch ausfallen wird, ist noch ungewiß.
Ein syrischer König von Frankreichs Gnaden
.London, 28. Dez. „Daily Expreß" meldet aus Paris, vorbehältlich der Zustimmung der Mandatskommission des Völkerbunds werde die syrische Verfassung vielleicht geändert und das französische Mandatsgebiet Syrien in eine Monarchie umgemandelt werden. Die Wahl für den syrischen Thron werde wahrscheinlich auf Prinz Adel Ben Ayad fallen, dessen Kandidatur setzt in einflußreichen Kreisen in Paris erörtert werde. Adel Ben Ayad soll ein Nachkomme der Omaijadenkalifen sein. Seine. Frau ist eine Nichte des Königs Fuad von Aegypten. Er selbst ist fran- zösischer Bürger, lebt in Passy und steht im Alter von 15 Jahren.
Wahabiken-Einfall in Transjordanien
London. 28. Dez. Aus Jerusalem wird gemeldet, eine große Schar gutbewaffneter Wahabiten habe einen Teil des Beduinenstamms Ataih, der sein Lager auf den Weidegründen Wadi Sirchan aufgeschlagen hatte, überfallen, das ganze Lager niedergemetzelt und die Herden geraubtz De^