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Nummer 3Ü2 Fernruf 17S

Montag den 24. Dezember 1928

Fernruf 179 63. Jahrgang

Sie afghanische LeformWs

England im Spiel

Die Unruhen in Afghanistan, über die der britische Presseapparat so ängstigende Dinge zu berichten weiß, kom­men. nicht überraschend. Wir haben derartige Erschüt­terungen in der Geschichte des öfteren erlebt. Zuletzt in der Türkei gegenüber dem zivilisatorischen Radikalismus Kemal Paschas; das klassische Beispiel waren die Reformen Peters des Großen, der ganz ähnlich wie Kemal und Aman Üllah sein dahindämmerndes Volk von heute auf morgen zur geistigen Wachheit des übrigen Europa aufrütteln wollte.

Das innere Kennzeichen dieser Erschütterungen von Peter bis Aman Ullah ist, daß sich hier das Volk keineswegs gegen denTyrannen" als solchen erhebt; es geht im Ruß­land Peters wie in der Türkei und in Afghanistan immer im Zeichen religiöser und sozialethischer Empörung gegen die Reformen des Herrschers, nicht gegen seine Person. And diese Kämpfe gehen immer gleich aus: Der Fortschritt siegt entweder in der Person des Reformators, wie er in Peter und Kemal und in Japan gesiegt hat, oder er siegt in der Form der Unterjochung, Ausbeutung durch den über­legenen Kulturkreis, wie es beinahe das Geschick Chinas ge­wesen wäre.

In dieses geschichtliche Schema fügt sich die Reformkrisis Afghanistans zwanglos ein- Ein wildes Gebirgsland, als solches schon keine Pflanzstätte für eine bodenständige Kul­tur. In dieses Land wirft Aman Ullah seine Reformen hinein. Sie wirken wie Bombenwürfe; sie sind Revolution. Er ist kein Taktiker der Reformen, dieser Aman Ullah, er ist radikal. Wie Peter der Große mit dem Bartscheren be­gann und China mit dem Zopsabschneiden, so ist ihm, wie auch Kemal, die europäische Kleidung wichtig. Fez und Schleier fallen. Das Tempo seiner Reformen kennt kein Maß. Er schafft den Schleier ab, verbietet die Vielweiberei, gestattet Mischehen mit Europäern, er ordnet gemeinsame Erziehung von Knaben und Mädchen usw. Er stört die Machtstellung des Priestertums, schafft die religiösen Schulen ab, entzieht der Geistlichkeit die Gerichtsbarkeit, entzieht ihnen das Recht selbständiger Abgabenerhebung, er beför­dert die Großen im Lande aus ihren Stellungen als Steuer­einnehmer hinaus und betraut staatliche Beamte mit dieser Aufgabe, er führt ein geordnete Rechnungswesen ein, baut Manufakturen, Straßen und tastet sogar die geheiligte Fron­arbeit an. Die herrschenden Schichten sind in ihrer Gel­tung und in ihrer wirtschaftlichen Grundlage bedroht. Mit einem Wort, der Aufstand einiger Familien, darunter offen­bar nahe Blutsverwandte Amans, bedarf keiner weit-ren Erklärung.

- So klar dies alles ist, so schwierig ist es, die tatsächlichen Macl^verhältnifse abzuschätzen. Gewiß ist nur, es ist kein Auf tand des Volks, sondern nur eine Revolte der Clans, der Notabeln. der ersten Familien des Landes. Man kann höchstens aus der Tatsache, daß alle Berichte über Afghanistan durch englische Vermittlung laufen, schlie­ßen, daß die Gefahren des Aufstandes in übertrie­bener Weise dargestellt worden sind. England hat kein Interesse daran, daß die Reformen Amans gelingen. Es hat im Gegenteil Anlaß, den alten Zustand, in dem es die Schutzherrschaft über Afgha­nistan hatte, wieder herzustellen. Dies um so meher, als Aman Ullah und altpersische Kreise sehr lebhaft auf eine Vereinigung Persiens mit Afghanistan hin­arbeiten. Was ein europäisiertes großpersisches Reich für Englands Herrschaft in Indien bedeuten würde, wird man !m englischen Außenamt richtig einfchätzen; England hat also ein ganz gewaltiges Interesse an den Vorgängen in Kabul, und diese Tatsache und die Wahrscheinlichkeit rus­sischer Gegenwirkung macht jede Voraussage über den Ausgang der afghanischen Reformkrisis unstatthaft.

Aber jedenfalls: Das Dasein Afghanistans als ein aus primitiver Kulturstufe dahindämmerndes Bergland geht zu Ende. Sein Reichtum an hochwertigen Bodenschätzen, seine Lage am Schnittpunkt des russischen und britischen Im­perialismus zwingen zu historischem Umsturz. Afghanistan kann dem Schicksal, durch die westliche Zivilisation aus­gesogen zu werden, nicht entgehen. Die Frage ist die, ob es die westliche Zivilisation in der Form der Kolonisierung durch England oder Rußland erleiden muß oder ob es mit Aman Ullah seine Verwestlichung als eigenes Schicksal will; ein Darumherumkommen gibt es nicht mehr.

Daß England auch bei diesem Aufstand wieder seine Hand im Spiel hat, ist gar kein Zweifel mehr, nachdem durch ein englisches Flugzeug über Kabul Flugblätter aus- gestreut worden sind, die scheinheilig dasafghanische Volk" versichern, daß es sich (im Kampf gegen Aman Ullah)auf das englische Volk verlassen" könne, dasgroße Freundschaft für Afghanistan" hege. Der Agent Englands soll wieder der berüchtigte Trebitsch Lincoln sein, der eigentlich aus Ungarn stammt und der seit mindestens 20 Jahren seine Finger fast in allen aufständischen und kriegerischen Verwicklungen der Welt gehabt hak. Trebitsch hat nachweislich seinerzeit den Kapp - Putfch zusammen-

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und ohne Zweifel hat er auch den Hitlerputsch ein­gefädelt, von dessen Losbrechen man sowohl in Berlin als in Paris und in bestimmten Kreisen zum voraus genau un­terrichtet war.

Eine Meldung derTimes" aus Peschawar bestätigt, daß sich immer mehr Afghanen um König Aman Ullah sammeln. Es scheine, daß er wieder Herr der Lage werde.

Wie Frankreich denDawestribut verwendet

Bei der Beratung des französischen Staatshaushaltplans im Senat gab der Berichterstatter der Finanzkommission Dumont, eine ausführliche Darstellung über die erst­malige Verwendung der deutschenReparations­zahl u n g e n". Der Haushaltplan, so führte er aus, sehe für die Verwendung dieser Leistung eine doppelte Form vor: 1. in den Haushaltplan sei unter Einnahmen eine Milliarde Franken (rund 160 Millionen Mark) in Bar­geld für laufende Staatsausgaben eingestellt; 2. für öf­fentliche Arbeiten seien a>'- ^en Daweszahlungen 1200 Millionen Franken (rund 1 llionen Mark) vor­gesehen. Der volle Anteil Frank. an der nunmehrigen Normalzahlung Deutschlands betrage 7800 Will. Franken (rund 1290 Mill. Mark). Von dieser Summe entfallen:

1. 2250 Millionen aus den Unterhalt der Truppen im Rheinland;

2. 2650 Millionen auf Naturalleistungen, besonders Kohle, Holz, Zucker, Maschinen usw.;

3. 1 Milliarde in bar für die Staatskasse;

4. 100 Mill. für die Wiederherstellung des Straßen­netzes;

5. 100 Millionen für arme und durch besondere Kata­strophen heimgesuchte Kolonien;

6. 1700 Millionen für reiche Kolonien, die dieses Dar­lehen gegen einen Zins von 3 Prozent und eine Rückzahlung in 15 bis 20 Jahren erhalten.

Diese Gelder finden außerdem Verwendung für Fa­briken, Bergwerke, Häfen. Die Mehrzahl der Naturalleistun­gen, so erklärt Dumont weiter, werde in Maschinen und Werkzeugen geliefert. Außerdem ermöglichen die deutschen Zahlungen Vorschüsse, die der Staat für seine Wiederauf­baukosten in den zerstörten Gebieten gemacht habe, wieder zurückzuzahlen.

Neueste Nachrichten

Dr. Simons beim Reichspräsidenten

Rücktritt am 1. April

Berlin, 23. Dez. Reichsgerichtspräsident Dr. Simons ist gestern früh in Berlin eingetroffen. Im Lauf des Vor­mittags begab er sich zum Herrn Reichspräsidenten zu der gestern angekündigten Besprechung über den Streitfall zwischen der Neichsregierung und dem Staatsgerichtshof und über sein Rücktrittsgesuch.

An der Besprechung, die über eine Stunde dauerte, nah­men auch der Reichskanzler, der Aeichsjustizminister Koch, sowie Staatssekretär Dr. Meißner teil. Am Schluß der Aussprache erklärte Reichsgerichtspräsidenk Dr. Simons, wenn auch keine Absicht der Mißachtung deS Staaksgerichtshofs und seiner Entscheidung seitens d?r Reichsregierung Vorgelegen habe, müsse er dennoch mit Rücksicht auf die von ihm von Anfang an eingenommene grundsätzliche Stellung­nahme auf seinem Abschiedsgesuch beharren. Auf Wunsch des Reichspräsidenten und im Hinblick auf die Geschäftslage des Reichsgerichts erklärte er sich bereit, sein Amt bis zum April n. 3s. weiter zu führen.

Der Streit wegen der Besetzung des Berwaltungsrats der Reichs^ hn

Karlsruhe, 23. Dez. Das badische Staatsministerium hat nochmals den Versuch gemacht, zu erfahren, ob wegen der Besetzung des Berwaltungsrats der Reichsbahngesell- schast eine vergleichsmäßige Verständigung möglich sei. Die Antwort des Reichskanzlers lautete ver­neinend. Hierauf hat die badische Regierung ein Tele­gramm an den Reichskanzler abgesandt, in dem es u. a. heißt: Die badische Regierung legt gegen die wiederholte Uebergehung der Vertrags, rechte Badens Verwahrung ein. Desgleichen er­hebt sie gegen die etwaige Absicht, Vertragsrechte der Län­der durch Reichsgeseh einseitig zu ändern, ebenso nachdrück­lich Widerspruch, wie gegen die Auffassung, als ob die Der- tragsrechte eines Landes umso weniger zu beachten seien, wenn das Land klein ist.

Dresden. 23. Dez. Der sächsische Ministerpräsident hat in einem Schreiben an den Reichskanzler gegen das Ver­halten der Reichsregierung namens der sächsischen Regie­rung den schärfsten Einspruch erhoben, und zwar sowohl gegen das formell wie gegen das materiell von der Reichs- regierML in dn Angelegenheit einaelcklagene Verfahren.

Sachsen werden sein durch Staatsvertrag verbürgtes Recht rnik allen verfassungsmäßigen Mitteln weiter verfolgen. Die Reichsregierung wird aufgefordsrt, sich zu äußern, wie das so schwer erschütterte Vertrauensver­hältnis wieder hergestellt und eine Gewähr dafür qe- schasisn werden könne, daß die sächsischen Belange in Hu-' kunst in angemessener Weise Berücksichtigung finden.

München. 23. Dez. D->Münchn. N. Nachr." schreiben im Sinn der bayerischen Regierung: Die Reichsregierung bat es sichtlich darauf abgesehen, ihrer Nichtachtung der Rechte kleinerer Länder Ausdruck zu geben. Es handelt sich um die für das ganze Reichsgefüge grundlegende Rechts­sicherheit, die in dem Bestehen eines unparteiischen Staatsgerichtshofs ihren Ausdruck findet. Diese Rechts­sicherheit ist durch das Kabinett Müller aufs schwerste ver­letzt worden.

Stresemann ist befriedigt

Basel» 23. Dez. Der Berkreker desResto des Carlino* in Bologna hatte in Basel während der Durchfahtt Dr. Stresemanns mit diesem eine kurze Unterredung. Strese­mann erklärte, er sei von der Tagung in Lugano befrie­dig t, da es ihm gelungen sei, Chamberlain und Briand zu überzeugen, daß die Rheinlandräumung nicht mit den Reparationen verquickt werden könne, und weil auf seine Veranlassung der Schutz der völkischen Minder­heiten auf die Tagesordnung der nächsten Genfer Rats­tagung gesetzt werde. Zaleski habe die allgemeine Befrle- dtgung über den Ausgang der Verhandlungen in Lugano durch das Ausweisen einer nicht auf der Tagesordnung stehenden Frsge gestört. Auf der nächsten Ratssitzung werd« er, Stresemann, den Ausführungen-AalLskirwttt gründlichen Beweisen entgegentreten. <

Der Schiedsspruch Severings

Essen, 23. Dezember. Aus Kreisen der nordwestdeukschen Eisenindustrie wird der Deutschen Allg. Zeitung geschrieben: Der Inhalt des Schiedsurteils bedeutet eine schwere Be­lastung für das Eisengewerbe, die sich für die großen Konzerne rechnungsmäßig auf einige Millio-en Mark im Jahre beläuft. Die Werksleitungen sind da­bei, die Wirkungen der komplizierten Einzelheiten des Spruches auf die Selbstkosten der Erzeugnisse zu über­rechnen. Das Ergebnis dieser Untersuchung wird zu Be­ratungen darüber führen, ob es angängig ist, durch Preis­korrekturen nach oben die Folgen des Schiedsspruches für die Werke etwas zu mildern. Der Spruch Severings sei weitgehend von politischen Rücksichten beeinflußt.

Reue Verhaftung in Mainz

Koblenz, 83. Dez. Die berüchtigte französischeSicher­heitspolizei" verhaftete hier abermals einen deutschen Be­amten der Reichsvermögensverwaltung.

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Anschlag gegen Fachot

Paris, 23. Dezember. Aus den Rat im Pariser Kassa­tionsgerichtshof, Fachot, gab gestern, als er sich von seiner Wohnung im Borort Aukeuil nach dem Amt begeben wollte, ein unbekannter Mann drei Schüsse ab. Fachot wurde schwer verwundet.

Der Täter stellte sich abends freiwillig der Polizei. Er soll Georg Benoik heißen und aus Walburg im Elsaß ge­bürtig sein.

Fachot ist seinen schweren Verletzungen erlegen.

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Fachot war früher Staatsanwalt in Kotmar im Elsaß. Er hatte damals unter anderem dieAblösung des deutschen Privatbesitzes an Kaliwerken, Industrieanlagen usw. durch­zuführen und beging dabei die haarsträubendsten Betrü­gereien zu ungunsten der deutschen Eigentümer, die um viele Millionen geschädigt wurden. Zu diesem Zweck scheute er sich nicht, Urkunden und Akten zu fälschen oder zu ver­nichten. Alle Beschwerden der deutschen Geschädigten blieben nutzlos, Poineurö aber beförderte Fachot zum Oberstaats­anwalt. Als solcher hatte er in diesem Jahr den Prozeß gegen die elsässischen Aukonomisten zu führen, ein Prozeß, der an schändlicher Rechtsverdrehung und Vergewaltigung seinesgleichen in der Geschichte des Gerichtswesens sucht. Wegen der Empörung der Elsässer mußte Fachot nach Paris versetzt werden, zugleich wurde er wiederum hinaus­befördert.

Amerika will unabhängige Sachverständige

Washington, 23. Dez. In einer Besprechung zwischen Coolidge und Staatssekretär Kellogg wurde fest­gelegt, daß die Regelung der Reparationen zwar eine europäische Angelegenheit sei, daß die Vereinigten Staaten aber dennoch Sachverständige zu entsenden bereit seien unter der Voraussetzung, daß in jeder Beziehung klar- gestellt werde, daß sämtliche Sachverständige ihr eigenes Urteil gebrauchen können und daß ihnen nicht im voraus Instruktionen oder einschrän-