lionen Mark zur Verfügung gestellt werden. Das Gesetz soll am 2. Dezember in Kraft treten. . ^ ^

Reichsarbeitsminister Wissell begründete die Vorlage und wies auf den Unterschied hin zwischen konjunktur­mäßiger Arbeitslosigkeit, die unregelmäßig auftrete, und be­rufsüblicher Arbeitslosigkeit, die in bestimmten Gewerbe­zweigen alljährlich wiederkehre. Der Verwaltungsrat der Reichsanstalt habe, um die finanzielle Leistungsfähigkeit der Versicherung nicht zu gefährden, die Höchstbezugsdauer der Unterstützung da eingeschränkt, wo es siiH um berufsüblichc Arbeitslosigkeit handelt. Mit Ausnahme der Landwirt­schaftlichen Saisonarbeiter, die meist gleichzeitig landwirt­schaftliche Besitzer seien, habe es sich als notwendig erwiesen, die arbeitslosen Saisonarbeiter, die den Beschränkungen durch den Verwaltungsrat unterliegen, durch eine Sondsr- fürsorge zu entschädigen. Diese Sonderfürsorge lehne sich im wesentlichen an die Einrichtungen der Krisenfürsorge an.

In der Aussprache gab es gleich eine Ueberraschung, als der Abgeordnete Müller- Lichtenberg (Soz.) erklärte, daß die sozialdemokratische Fraktion der Vorlage nicht zu­stimmen könne. Die Fraktion ließ also ihren Reichsarbeits­minister im Stich. Der Redner kündigte unter lebhafter Unruhe bei den anderen Parteien Anträge auf Beitrags­erhöhung im Ausschuß an, damit bessere Unterstützungen gegeben werden könnten.

Abg. Rädel (Komm.) behauptete, daß die Regierung Müller bisher nur sozialreaktionäre Maßnahmen produziert habe.

Würll. tandlag

Das Beamtengeseh

---> Stuttgart, 28. November.

Nachdem gestern nachmittag der Landtag nach fünf­monatiger Pause die Vollsitzungen wieder ausgenommen hatte und cmc Anzahl kleiner Anfragen erledigt waren, wobei u. a. aus Billigkeitsgründen eine von der Stadt­gemeinde Feuervach an die Amtskörperschaft L-> o n - borg für die Eingemeindung von Weilimdorf zu zahlende Entschädigung vrn 200 000 Mark genehmigt wurde, begann heute der Landtag mit der Aussprache über den Ennruri des Beamtengesetzes.

Abg. Stocs (BB.) Ehrte sich dagegen, daß aus dem Beamtcngesetz ein politisches Gesetz gemacht werde. Abg. Winker (S.) vertrat die Auffassung, daß es wün­schenswert gewesen wäre, wenn Württemberg das Reichs­beamtengesetz- abgewartet bätte. Er trat für gleiche Behand­lung rer Beamtinnen und für die 48stündige Wochendienst- zeü ein, außerdem wünschte er, daß die Beamten eidl h auf die republikanische Verfassung verpflichtet würden. Letzteres bezeichnte auch Abg. Dr. o. Hieb er (Dem.) als wün­schenswert. Im übrigen bezeichnte er den Entwurf in gsfetzestechnischer Hmsch' als eine ganz ausgezeichnete Arbeit.

Staatspräsident Dr. Bolz betonte, daß der Entwurf nur die Bedeutung einer formalen Sammlung der beamten­rechtlichen Bestimmungen Hobe und daß, abgesehen vom Dienstst.afrecht, sachliche Aenderungen nicht vorgenommen worden seien. Wenn das Reichsbeamtengesetz komme, wisse heute noch kein Mensch. Die Beamtinnen seien gleich be­handelt wie die männlichen Beamten. Die eidliche Ver­pflichtung der Beamten aus die Verfassung sei schon rn der Ntchs- und in der Landesverfassung festgesetzt.

Abg. Becker (Komm.) wünschte die Einsetzung von Beamtenräten, auskömmlichen Gehalt für die unteren Be­amten, Streichung aller oberen Gruppen sowie Koalitions­und Streikrecht für die Beamten.

Finanzminister Dr. Dehlinger erklärte, daß die Ein­führung der 48-Stundenwoche statt der jetzigen 51-Stunden- woche dem Land Württemberg eine Mehrausgabe von 1 Million und den Gemeinden einen Mehraufwand von 450 000 Mark verursachen würde.

Abg. Kling (Ehr. Volksd.) bezeichnete die Vorlage als eine sehr notwendige, aber auch gute Arbeit. Abg. Pollich (Z.) legte dar, das neue Gesetz sei notwendig geworden, weil sich im alten niemand mehr ausgekannt habe. Abg. Hartmann (DV.) begrüßte besonders, daß in dem Ent­wurf die Lehrer endlich als Vollbeamte gewertet werden.

Zu Art. 2 wurde mit den Stimmen der Rechten, des Zentrums und der Deutschen Volkspartei ein Antrag Bock (Z.) angenommen, daß nach Ablauf der ersten 2 Dienstjahre

der unständigen Beamten eine Kündigungsfrist von 1 Monat einzuhalten ist, wenn der Beamte außer Ver­wendung gesetzt werden soll

Bei Art. 8(unständi ge Lehrerinnen) wurde eine Bestimmung des Entwurfs angenommen, wonach diesen Lehrerinnen nach Ablauf von 15 Jahren die Versor­gungsberechtigung verliehen we den kann. Zu Art. 13 wurde ein Ausschußantrag angenommen, wonach die kündbaren Beamten in die Rechte der lebens­länglichen eingewiesen werden, wenn sie eine Warte­frist von 5 Jahren zurückgelegt, sich gut geführt und den Dienst zufriedenstellend versehen haben. Eine längere Aus­sprache knüpfte sich an die Vorschriften für die verhei­rateten Beamtinnen. Der Ausschuß hatte hier fol­gende Bestimmungen beschlossen: 1. Verheiratete kündbare Beamtinnen können nicht in die Rechte der lebenslänglichen Beamten eingewiesen werden. 2. Verheiraten sich Beam­tinnen, so wird ihr Dienstverhältnis kündbar. 3. Wenn eine Beamtin infolge Verheiratung Entlassung verlangt oder wenn ihr wegen ihrer Verheiratung gekündigt wird, so ist ihr auf Ansuchen eine Abfindung zu gewähren. Abg. Frau R i st (Z.) verteidigte diese Beschlüsse und erklärte, die Be­stimmung der Reichsverfassung über die Gleichberechtigung der Beamtinnen mit den Beamten sei zwar wohl gemeint, aber nicht durchführbar, denn eine Frau könne nicht Mutter, Erzieherin und Beamtin zugleich sein. Dieser Auffassung stimmte Abg. Kling (Christi. Volksd.) zu, während die Abg. Becker (Komm.), Rais (S.) und Hieber (Dem.) gegen die Ausschußanträge sprachen, weil sie mit der Reichs«« Verfassung nicht übereinstimmend seien. Die Abstimmungein wurden auf die morgige Sitzung verschoben.

MMemberg

"" Stuttgart, 28. November.

Elf Wahlvorschläge zur Gemeinderatswahl. Zur Stutt­garter Gemeinderatswahl, die bekanntlich am 9. Dezember stattsindet, sind elf Wahlvorschläge beim Städt. Wahlamt eingereicht worden, und zwar von der Deutschen Volkspartei, der Bürgerpartei, der Demokratischen Partei, dem Zentrum, der Sozialdemokratie und den Kommunisten, ferner vom Christlichen Volksdienst, der Christlich-Sozialen Partei, der Aufwertungspartei, der Wirtschaftspartei, der National­sozialistischen Arbeiterpartei. Angesichts dieser Zersplitte­rung unter den bürgerlichen Parteien soll nochmal versucht werden, eine Listenverbindung zustande zu bringen.

Ausweis über Einnahmen und Ausgaben des Skaaks. Nach dem monatlichen Ausweis über die Einnahmen und Ausgaben des Landes Württemberg in den Monaten April- Oktober des Rechnungsjahrs 1928 betrug im ordentlichen Haushalt die Mehreinnahme 775 000 RM. und im außer­ordentlichen Haushalt die Mehreinnahme 6 599 000 RM.

Hilfe für die Abgebrannten in Schwaigern. Abg. Oben­land (Bauernbund) hat anläßlich des Brandunglücks in Schwaigern folgenden Antrag beim Landtag eingebracht: Der Landtag wolle beschließen, die Staasregierung zu er­suchen, zur Linderung der Notlage der in Schwaigern OA. Brackenheim durch das Brandunglück vom 19. November dieses Jahres geschädigten Einwohner und zur Erleichte­rung des Wiederaufbaus 1. die Wohnungskreditanstalt zu entsprechenden Zuschüssen für die zu errichtenden Neu­bauten zu veranlassen, eventuell langfristige niederverzins- liche Darlehen aus Staatsmitteln zu gewähren; 2. zum Zweck der Erleichterung einer Umsiedlung der Abgebrann­ten aus den engen bisherigen Stadtteilen der Gemeinde Schwaigern Staatsbeitraäge zur nötigen Durchführung der neuen Heilbrunner Straße, zur Ablösung der Leinbach­brücke, sowie zu sonstiger^traßenverbesserung zu gewähren.

Wohnungsbau. , D^Landes-Bau-Genossenschaft württ. Verkehrs-Beamter und -Arbeiter e. G. m. b. H., Sitz Stutt­gart, hielt am 25. Nov. im großen Saal des Hauptbabuhofs Stuttgart ihre,.8? ordentliche Hauptversammlung ab. Die Versammlung 'wurde vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats, Postrat Dr. jur. Reichert, eröffnet und geleitet. Die Genossenschaft hat seit ihrer Gründung (1921) im ganzen 955 Wohnungen gebaut.

Münzfälscher. Im vergangenen Sommer wurden in Stuttgart falsche Fünfmarkstücke in Umlauf gesetzt. Es ge­lang nach einiger Zeit, die Falschmünzerbande festzustellen, die sich vor dem Schöffengericht zu verantworten hatte. Das Urteil fiel sehr milde aus. Der Anstifter, der schon 19mal

vorbestrafte 54jähr!ge Schreiner Mies Kaiser von Zuf­fenhausen, erhielt 1 Jahr Gefängnis und 3 Jahre Ehrver­lust, der ebenfalls vorbestrafte 34jährige Schreiner Eugen Jäger von Weilimdorf 8 Monate Gefängnis, der 49jähr. Graveur Karl Plappert von Stuttgart, der die Fabri­kation besorgte, und der 44jährige Maurer Albrecht Nagel von Neuhausen a. F. je 8 Monate Gefängnis und 3 Jahre Ehrverlust, die Ehefrau des Jäger 70 Mark Geldstrafe.

Vom Tage. Am Montag abend entriß ein gut geklei­deter junger Mann einer Dame in der Nähe vom Wilhelms­bau die Handtasche. Der Täter konnte eingeholt und der Polizei übergeben werden.

Gestern nachmittag spielten einige Knaben am Neckar­ufer beim Gittersteg, als plötzlich einer von ihnen durch einen unglücklichen Stoß in die hochgehenden Fluten fiel. Ein vorübergehender Herr sprang in den Kleidern nach und konnte den Jungen ans Land bringen. Die Spielkame­raden hatten sich inzwischen davongemacht.

Skukkgark, 28. Nov. Der Staatspräsident hat dem Land­tagspräsidenten a. D. Walter in Ellwangen zu seinem 70. Geburtstag ein warm gehaltenes Glückwunschschreiben übermittelt, in dem insbesondere dessen Verdienste als Präsi­dent des württ. Landtags hervorgehoben werden.

Ernennung. Der Staatspräsident hat den Landgerickfts- direktor Klöpfer in Stuttgart zum Amtsgerichtspräsi­denten bei dem Amtsgericht Stuttgart I ernannt.

Vissingen, OA. Ludwigsburg, 28. Nov. Tödlicher Unfall. Der 22 I. a. led. Arbeiter Emil Brodt ist, als er die Scheuerleiter besteigen wollte, ausgerutscht und rück­wärts auf die Tenne gefallen. Er erlitt einen schweren Schädelbruch, der den. Tod herbeiführte.

Heilbronn, 28. Nov. Verkauf des Erlolungs- Heims Frauenalb. Die Ortskrankenkasse beabsichtigt, ihr Erholungsheim in Frauenalb abzustoßen, nachdem das Oberversicherungsamt entsprechend der Reichsversicherungs­ordnung die Wetterführung der Wirtschaft in Frauenalb untersagt hat. Die Ortskrankenkasse beabsichtigt, in Her­ren alb ein kleineres Heim, das weniger Personal und ge­ringere Betriebskosten erfordert, zu erwerben.

Schwaigern, 28. Nov. Aufklärung über die Vrandfälle. In die Brandfälle von Schwaigern kommt allmählich Licht. Die 23 I. a. Frau Panline Beck hat ge­standen, den Brand am 21. Juni in der Wassergasse vor­sätzlich gelegt zu haben. Als Motiv gab sie an, da sie lungen­krank sei, habe ihr die ungesunde Wohnung nicht mehr genügt. Sie habe in einen Eimer Packpapier gelegt und darauf glühende Asche getan. Diesen Eimer habe sie dann, in der Hoffnung, daß er durchbrenne und auch der Boden Feuer fange, auf die Bühne gestellt und sei dann aufs Feld gegangen. Mit festgenommen wurde ihr 27 Jahre alter Ehemann, der Bauarbeiter Philipp Beck. Bei beiden kommt auch noch Versicherungsbetrug in Frage, da sie mehr Sachen angaben, als verbrannt waren. Der Schmied Emil Kieß, der vorsätzlich am 29. Oktober das Armenhaus angezündet und ebenso vorsätzlich den großen Brand in der Nacht vom 18. auf 19. November gelegt hat, gab als Grund Freude am Feuer an, er habe keinen Grund zur Rache gehabt, er habe aber nicht gewollt, daß der Brand solche Dimensionen an­nehme. Er sei jedesmal etwas angetrunken gewesen. Die Untersuchung geht weiter.

Sechselberg, OA. Backnang, 28. Nov. Beim Baum­fällen getötet. Karl Klink von Glaitenhof war mit einen Söhnen im Wald beim Holzfällen beschäftigt. Als ie mit einem Seil eine Eiche zu Fall brachten, blieb der Dater am Seil hängen, wurde von dem stürzenden Baum' ge' offen und an der Schlagader verletzt. Eine innere Ver- biulung führte den Tod herbei.

Dunningen OA. Rottwell, 23. Nov. Tödlicher Un- fall. Der verh. 48jährige Landwirt Alois Werner war im Wald mit Holzmachen beschäftigt. Beim Absägen eines Stamms riß er sich an einem darunterliegenden Ginster- strauch. Die kleine harmlose Wunde wurde von der K-an- kensch-wester am Abend verbunden. Andern Tags ging Wer­ne- wieder seiner Arbeit nach. Im Lauf des Nachmittag ste llen sich Schmerzen ein. T otz einer Op raticn im Kran­kenhaus starb Werner nach einigen Tugen.

Tailfingen, OA. Balingen, 28. Nov. Diamantene Hochzeit. Die Eheleute Johs. Conze.mann und Frau Rosine, aeb. Merz, durften am 22. November, beide

Ntte Schuld.

Roman von R. Kohlrausch.

Copyright by Greiner L Lo., Berlin NW 6.

35 (Nachdruck verboten.)

Sie stimmt, Herr Staatsanwalt. Als ich dort in dem Schuppen, den Herr Düringer betreten haben sollte, diese Schmtnkespur fand, fuhr es mir gleich wie ein Blitz durch die Gedanken: ein Doppelgänger!"

Sie werben sich erinnern, daß ich gelegentlich schon mit Ihnen die Frage besprach, ob nicht eine Aehnlichkeit uns irregeführt hätte. Aus den Gedanken solch einer künstlich hergestellten Aehnlichkeit bin ich allerdings nicht gekommen."

Ich auch nicht früh genug leider! Die ausfallen­den, scheinbaren und wirklichen Widersprüche in den Aus­sagen des Herrn Regierungsrats machten mich so miß­trauisch gegen ihn, daß ich allen anderen Erklärungs­versuchen von vornherein ablehnend gegenüberstand. Mein Mißerfolg auf dieser Spur war eine verdiente, aber schmerzliche Lektion für mich."

Sie werden aus ihr lernen, und somit erfüllte sie auch ihren Zweck. Run aber weiter."

Der Gedanke lag nahe genug, daß nur ein Kollege der Schauspielerin sich solch eine Verkleidung erdacht hatte. Wer von diesen Kollegen öfters bei ihr verkehrt hatte, wußten wir. Die Zahl war ja nur klein. Der alte, dicke, von einer eifersüchtigen Frau bewachte Oberregisseur Stieg- ler blieb wohl von vornherein aus dem Spiel. Der Eharakterspieler Marconi war am fraglichen Abend in einem Konzert als Deklamator ausgetreten, konnte dem­nach auch nicht rn Frage kommen. So blieb nur noch der Chargenspieler Frank. Wenn es mir möglich war, einen Zeugen zu ermitteln, der ihn an lenem Abend um die zutreffende Zeit in seinem Haus oder davor aus der Straße in der fraglichen Verkleidung erblickt hatte, dann war er überführt. Solch einen Zeugen Hab' ich gesunden; gestern abend ist es mir gelungen. Ein Bäcker, der im Rebenhause wohnt und um drei Viertel aus acht Uhr gerade in der Tür stand, hat ihn gesehen. Der wirk­liche Regierungsrat aber ist bis zehn Minuten vor acht zu Hause gewesen; es kann also nur der Schauspieler gewesen sein."

Und nun7"

Run möchte ich um einen Haftbefehl bitten, damit mir dieser Schurke nicht entwischt."

Eilig nahm der Staatsanwalt ein Formular und griff zur Feder. Hastig flog sie darüber hin.

Hier haben Sie den Befehl. Und machen Sie schnell, daß Ihrem klugen Vorgehen der Lohn nicht fehlt. Aber nehmen Sie ein paar handfeste Männer mit es ist Vielleicht nötig."

Mit eiliger, stummer Verbeugung empfahl sich der Koinmisiar.

El Ubr schlug es, als Rittner das Haus betrat, in dem t liauspieler wohnte. Sein Herz klopfte nun doch,

lud. u die Treppe Hinanstieg, aber der feste, zähe

Vorsatz, den Freund aus einer unwürdigen und quälen­den Lage zu besreieu, überwand jede Regung von Schwäche.

Daß Rittner Frank nicht mit absolut sicherem Beweis des Mordes ül>, üubren kouuie, war ihm bewußt; er hatte sich aber ni a>-r Rach! «nuen Trick ausgedacht, um ihn durch Ueberraschung zu überrumpeln. Wenn er ihm aus den Kops zusagte, daß er selbst ihn am fraglichen Abend in der Verkleidung des Regierungsrats gesehen habe, dann war sein Spiel möglicherweise gewonnen. Und er hatte sich, bevor ec ins Haus trat, noch genau dessen Umgebung betrachtet, um durch Lokalfarbe seiner Lüge Wahrscheinlichkeit geben zu können.

Die braunen Türen an dem langen Borplatze waren alle geschlossen, als Rittner ihn betrat. Er zögerte noch einen Augenblick vor dem Eingang, der Franks Visiten­karte zeigte, und schöpfte tief Atem. Dann hob er die Hand und klopfte. DasHerein!", das ihm antwortete, klang heiser und rauh.

Nun trat er ein und befand sich dem Mann gegen- über, dem in den letzten Tagen all seine Gedanken ge­golten hatten. Was er vor sich sah, war eine menschliche Ruine. Von tiefen Furchen und Schatten mar das bleiche, bartlose Gesicht erfüllt; bläuliche Ringe lagen um die geröteten Augen. Eine ganze Geschichte von Schuld, Ber- zweiflung, Trunk und Angst war abzulesen aus den ver­witterten Zügen. Als Frank aufstand, um seinen Be- sucher willkommen zu heißen, riß ein Taumel ihn seit- Wärts, und mit Anstrengung nur gewann er eine festere Haltuna. Die .ftand aber, die er »um Gruß erhoben hatte.

zitterte in der'Luft; es' war die Hand eines Trinkers, der die Hrrschaft über seine Glieder verloren hatte. Stär­ker als am Tage vorher war auch der Schnapsgeruch im Zimmer; die Flasche, die Rittner bereits kannte, stand mit einem Wasserglas daneben auf dem Schreibtische. Sie war beinahe leer.

Um die dargebotene Hand nicht ergreifen zu müssen es widerstand ihm, einen Mann, dem er als Feind gegenübertrat, so zu begrüßen ließ Rittner schnell einen Handschuh fallen und bückte sich, um ihn aufzu­heben. Auch der andere machte höflich einen Versuch, ihm behilflich zu sein, doch er taumelte wieder wie vor­hin und mußte sich am Tisch halten, der vor dem bunt­geblümten Sofa stand.

Ich war aus Irrtum gestern schon hier," sagte Ritt­ner.Sie werden meine Karte bekommen haben."

Gewiß, Frau BeBecker hat sie mir gegeben."

Ein trinkerhaftes Ausstößen hatte Frqu Beckers Namen in dem Munde des Sprechers in zwei Stücke gerissen, doch schien er sich des tierischen Lautes zu schämen. Ein leichtes Rot kam aus sein graues Gesicht, dann aber sügte er mit klarer, bühnenmäßig geschulter Stimme hin­zu:Bitte, wollen Sie nicht Platz nehmen?"

Rittner setzte sich schweigend. Er beabsichtigte, Frank die Eröffnung de» Gespräches zu überlassen. Der zupfte mit seiner zitternden Hand ein wenig an der gelblich­weißen, mit einem Rosenkranz bedruckten Tischdecke, die seine Wirtin dem erwarteten vornehmen Herrn zu Ehren aufgelegt hatte. Dann begann er mit seiner künstlich beherrschten Stimme zu sprechen.

Sie haben nur geschrieben wegen einer Wohltätig- keitsvorstellung"

Verzeihen Sie, der Ausdruck war von mir ein wenig anders gewählt. Ich schrieb von einer Wohltätigkeus- veranstaltung."

Dürste das nicht dasselbe sein?"

Doch nicht. Ich beabsichtige, keine Wohltätigkeilsvor­stellung zu arrangieren, wie Sie vielleicht geglaubt haben. Und ich bat Sie auch nicht als Schauspieler, sondern als Mensch, mir behilflich zu sein."

(Fortsetzung folgt.)