System des Ganzen eindringcn. Wir sind allein auf den großen Zufall angewiesen und man hätte besser getan, uns gleich im Schloß unterzubringen."

Das wäre aber zu sehr ausgefallen, wenn nach dem Abgang der Kriminalbeamten, die offiziell hier gearbeitet haben, drei fremde Gestalten hier in den Kreis getreten wären. Man hätte uns mißtraut und unsere Maske bald durchschaut. Wenn jetzt, bei dem bevorstehenden Personal­wechsel die ganze Dienerschaft will ja den unheimlichen Ort verlassen, sich ein paar von den unseren unter die neuen Leute gesellen, wird das keinen Verdacht erregen? So, nun sind wir am Ziel. Es bleibt also bei dem ver­abredeten Zeichen. Wenn du etwas Verdächtiges bemerkst, gibst du Wind, dann kommen wir auf deine Seite. Andernfalls eilst du zu unserer Unterstützung herbei. Aber es wird wohl wieder ein vergeblicher Versuch sein. Wer weiß, wo der Schuft jetzt sitzt und auf neues Unheil sinnt!"

Aus der Ferne hörte man jetzt eilige Tritte durch die Nacht herüberschallen. Alle drei lauschten auf. Auf eine wortlose Verständigung traten sie in den Schatten der Bäume zurück, die das Parkgitter begrenzten. Regungs­los lauschten sie mit angehaltenem Atem. Die Schritte kamen näher. Die Beamten machten ihre Revolver schuß­bereit und verharrten dann weiter in lautloser Rnhe.

Eine dunkle Gestalt tauchte in kurzer Enlfernuug auf. Auch sie blieb lauschend und wie überlegend steh-n, dann eilte sie wieder vorwärts, aus das Parkgittcr zu, in dessen unmittelbarer Nähe die Männer Posten gekotzt hatten.

Im Begriff, an ihnen vorbeizueilen, wurde er v»n den sechs bereiten Händen erfaßt und mit nberraschrzcher Ge­schwindigkeit niedergeworfen und gefesselt.

Laßt mich los, ihr Halunken! Euer Plan ist entdeckt, und wenn euch euer Leben lieb ist, dann flieht! Ich bin nicht der einzige, der euch auf der Fährte ist!" Er stöhnte gequält auf. Die auf seiner Brust lastenden Knien seiner Bewältiger beklemmten ihm den Atem.

Was schwatzt der Kerl für Unsinn? Jetzt nützt all« Schlauheit nichts mehr, mein Bürschchen. Vorläufig kommst du nicht aus unseren Fingern, bis du nachgewiesen hast, daß deine Hände blank sind."

Und was deine nächtliche Fahrt hier durch den Pari zu bedeuten hat", sagte der andere Angreifer.

Ich soll euch Erklärungen geben, ihr Schufte?"

Ja, du uns. Wir sind nämlich Kriminalbeamte, und du hast wohl nicht erwartet, uns hier zu deinem Empfang bereit zu finden?"

Kriminalbeamte seid ihr? Redet ihr auch die Wahr­heit? Dann täuschen wir uns ja gegenseitig! Macht mich schnell frei. Ich bitte Sie, meine Herren, machen Sie mich rasch frei und Helsen Sie mir! Ich bin Felix von Renaud, und komme direkt von Paris, wo ich erfahren habe, daß heute wieder ein Verbrechen hier verübt werden soll. Diesmal ist es auf die Schloßherrin abgesehen. Zögern wir nicht, ich beschwöre Siel Vielleicht geschieht schon in diesem Augenblick Furchtbares!"

Können Sie sich legitimieren?"

In meiner Brusttasche finden Sie meine Visitenkarten und einen Brief des Fräuleins von Villier. Ueberzeugen Sie sich rasch, sonst kommen wir zu spät!"

Der eine Beamte holte eine Blendlaterne hervor, wäh­rend der zweite die Papiere aus der Tasche des Gefessel­ten herauszog. Nach einer flüchtigen Prüfung machten sie den Gefangenen frei.

Renaud sprang auf.Nun vorwärts, meine Herren. Helfen Sie mir, wir müssen eilen! Wissen Sie hier Be­scheid?"

-Ja."

Dann schnell zum Schloß. Oder besser noch", rief er nach kurzer Ueberlegung,zwei von Ihnen bleiben im Park, während einer der Herren mich begleitet. Man will das Fräulein in verbrecherischer Absicht entführen. Wir zwei wollen das Fräulein im Schloß zu erreichen suchen; Sie, meine Herren, durchstreifen inzwischen den Park. Wenn die Halunken ihr Werk noch nicht vollbracht haben, dann werden sie in der nächsten Nähe hier ein Gefährt wartend antreffen. In diesem Karren will man das Fräu­lein fortschassen. So, nun vorwärts!"

Renaud stürzte mit seinem Begleiter davon, während die Zurückbleibenden sich mit vorsichtiger Eile auf die Suche begaben. Sie waren kaum zweihundert Schritte gegangen, da hörten sie ein Stampfen und Schnaufen, und erblickten einen Wagen, der vor einer der Pforten des Parkgitters stand. Schnell untersuchten sie das Ge­fährt es war leer. Rasch zog der eine ein Messer her­vor und durchschnitt die Riemen und Stränge.So, nun können sie mit dem Karren nicht vorwärts und müssen uns in die Hände fallen. Jetzt Mut, Umsicht und Vorsicht! Wir treffen sie gerade bei der Arbeit, oder sie begegnen uns mit der Beute. In der Richtung hierher müssen sie auf uns stoßen." Der Sprecher faßte seinen Begleiter am Aermel und deutete schweigend in das Dunkel hinein. Zwei Schatten glitten dort in der Ent­fernung von etwa hundert Schritten eilig dahin.

Während sich all diese unheimlichen Vorgänge in ihrer Umgebung abspielten, lag Florence schlummernd in ihren Kissen. Unruhige Träume quälten sie. Schon zweimal war sie, in Schweiß gebadet, aus dem furchtbaren Traum emporgesahren, daß eine Schlange an ihrem Lager empor­glitt und mit scheußlichem Zischen nach ihrer Kehle fuhr. Ihr Herz schlug, und das Blut pochte in ihren Adern, als sie mit angsterfüllten Augen jetzt in dem dunklen Zimmer umherblickte.

Eine nie gekannte Beklemmung schnürte ihr den Atem ein. Was war das für ein Zustand? dachte sie verzweifelt. Waren es die Nachwehen all der schrecklichen Erlebnisse, die hinter ihr lagen, die jetzt so furchtbare Phantasie­gebilde in ihr schufen, oder war sie krank? Sie tastete nach dem Klingelzug, der an dem Kopfende ihres Lagers hing Margot sollte kommen. Wenn es hell um sie wurde, wenn sie nicht mehr allein war, würde die Angst sicher von ihr Weichen. Da hörte sie leise Tritte. Sie ließ die Hand wieder sinken und atmete erleichtert aus. Margot schien noch wach zu sein, vielleicht war sie noch mit ihrer Garderobe in dem danebenliegenden Toiletten­zimmer beschäftigt. Ihre Besonnenheit kehrte zurück. Margot!" ries sie laut.Margot!" Jetzt wurde die Tür «usgestoßen, ein Schatten stürmte herein, auf ihr Lager zu;

. ,,e suyne sich von zwer rrasngen Armen gepackt, zurück­geworfen, und ehe sie so viel Fassung fand, einen Schrcckensrus oder einen Hilfeschrei auszustoßen, wurde ein feuchtes Tuch, das einen starken, eigentümlichen Duft ausströmte, auf ihren Mund gedrückt. Eine seltsame Ruhe kam jetzt über sie ein wohliges Behagen, das sich weich und schmeichelnd um ihre Sinne legte.

Als der Angreifer sich überzeugt hatte, daß sein Opfer wehrlos war, goß er noch von der Flüssigkeit aus einem Fläschchen auf das Tuch, und verknüpfte dann dessen Enden am Hinterkops der Belaubten. Dann zog er unter seinem weiten Mantel eine Decke hervor, die er um seine» Leib geschnallt hatte, breitete sie auf dem Teppich aus, legte die regungslose Gestalt darauf nieder, und wickelte sie fest darin ein. Bei dieser Beschäftigung wurde er aber durch einen eigentümlichen, lauten Schrei, der aus den, Park heraufschallte, aufgestört.Teufel!" murmelte er, sprang auf und eilte an das Fenster, durch einen Spalt der zusammensallenden Vorhänge spähend. Aus der breiten, vom Mondlicht schwach beleuchteten Terrasse erblickte er zwei kämpfende Paare. Seine Helfershelfer waren angegriffen worden der Plan entdeckt vereitelt! Jetzt galt es, an die eigene Rettuna zu denken!

Ohne sich weiter um sein Opfer zu kümmern, lief er in das Nebenzimmer zurück und schlüpfte durch eine Tapetentür auf einen kleinen Gang hinaus. Den durch­schritt er bis an eine Wendeltreppe, die er rasch hinunter­eilte, um von dem unteren dunklen Gang aus sich bis zu einer Tür zu tasten, die in einen Wirtschaftsraum mün­dete. Eine entgegengesetzte Tür aufstoßend, die er vorhin bei seinem Eindringen vorsichtigerweise nur angelehnt hatte, stürzte er ins Freie, durch den Küchengarten, und setzte über das Gitter, das den Park von diesem Garten trennte. Wie ein Schatten, glitt er dann an der Schloß­mauer entlang. Wenn er seinen Häschern jetzt nicht in die Hände fallen wollte, die sich seiner Genossen sicher schon bemächtigt hatten, mußte er seine Flucht auf einem ande­ren Wege, als beabsichtigt, fortsetzen. Zu kurzer Ueber­legung in seinem eiligen Lauf innehaltend, glaubte er da plötzlich einen Körper sich aus dem Schatten des Gemäuers erheben zu sehen. Die unheimliche Gestalt schien aus dem Boden herausgewachsen zu sein. War das ein Schreck­gebilde seiner aufgeregten Phantasie, oder lauerte dort auch schon ein Häscher auf ihn? Da kein Zweifel, der Schatten regte sich jetzt.

(Fortsetzung folgt.)

Somtkagsgedinkeu

Herbst

Trübe Nebel spinnen

Um mich fern und nah:

Immer muß ich sinnen,

Dich der Herbst schon da.

Zn den Duft verloren

Dehnt sich hin die Flur:

Alles scheint geboren.

Um zu sterben nur.

M. Greif.

Der Mensch mutz sich in die Natur schicken lernen; aber er will, datz sie sich in ihn schicken soll.

Strebe nach Ruhe» aber durch das Gleichgewicht, nicht durch den Stillstand deiner Tätigkeit. Schiller.

Hochzeitsglocken

Wenn Hochzeitsglocken erklingen, so erregen sie in Dorf und Stadt, wo irgend noch Menschen sich als Gemeinde fühlen, ein besonders aufmerksames Aufhorchen. Ein alt- russisches Sprichwort sagt:Wer übers Meer fährt, soll ein Vaterunser beten, wer in den Krieg zieht zwei, und wer in die Ehe tritt drei." Die Volksseele fühlt es tief, daß die Ehe unter allen Umständen ein Wagnis ist. Und daß dieses Wagnis den heutigen Menschen besonders oft miß­glückt, beweist die erschreckende Zunahme der Eheschei­dungen. Man sollte vielmehr wieder die Mahnung unseres großen schwäbischen Dichters beherzigen: ^

Drum prüfe, wer sich ewig bindet, H ob sich das Herz zum Herzen findet; der Wahn ist, kurz, die Reu ist lang."

Man muß sich übrigens nicht nur vor der Ehe, sondern auch in der Ehe, immer wieder die Frage vorlegen, wie denn zwei Menschen, von denen jeder seine eigene Art und seinen eigenen Willen hat, sich zu lebenslanger innigster Gemein­schaft zusammenfinden können. Man wird immer wieder auf die Antwort stoßen, die ein ganz moderner Dichter in die Verse gekleidet hat:

Aus dem Urgrund strömt die Kraft, die uns beide bindet.

Gott allein hat Vaterschaft» wo der Mensch empfindet.

Und so sind wir durch das Band, das uns fest umwunden, mit dem Schöpfer urverwandt, ewiglich verbunden.

Das ist das eine, was die Hochzeitsglncksn jedesmal ver­künden. Und das andere ist: wenn zwei Menschen den mutigen, heiligen Schritt tun, miteinander in die Ehe zu treten, dann tun sie das nicht nur für sich; sie leisten damit der Gemeinde, dem Volk, der Kirche, ja der Menschheit und ihrer Zukunft einen der größten Dienste. Mit allem Recht begrüßt man sie darum im Rathaus und im Gotteshaus. Nicht bloß die Neugier, sondern die Liebe, die tätige Hilfs­bereitschaft aller soll sie begleiten.

Darum läuten die Hochzeitsglocken. H- Pf.

polnische Wochenschau

Die deutsch-französische Ver st ändigunas- arbeit mit den bisherigen Methoden ist zu Ende" (Dr. Fritz Klein). Darüber sind sich wohl alle einig, die Gegner der Locarno-Politik so gut wie ihre Anhänger. Ja, man hat den Eindruck, daß die letzteren über die Vorgänge in Genf, ganz besonders über die Briandsche Rede, noch mehr ent­täuscht und empört sind, als jene, die von Anfang an vor dem Gang nach Locarno und Genf gewarnt hatten.

Was nun? Etwa sich an England anlehnen? An di« dprji gen Liberalen und di» Arbeiterpartei? An Lloyd

George und Mac Donald? Das englische Volk steht vor neuen Wahlen. Es ist sicher, daß im Wahlkampf Cham- berlains Außenpolitik eine entscheidende Rolle spielen wird, vielleicht mehr als die Frage des Schutzzolls. Und schon hören wir Vorwürfe jenseits des Kanals: Hättet ihr Deutsche besser zu uns gehalten und nicht fortgesetzt um fran­zösische Verständigung gebuhlt, dann wäre die schwere Nie­derlage in Genf euch erspart geblieben.

Wir kennen diese Stimmen. Wie war's vor den franzö­sischen Wahlen? Auch da hoffte man auf eine große Wen­dung. Es ist nichts daraus geworden. W i r waren die Bla­mierten. Und so könnte es uns auch hinsichtlich der eng­lischen Wahlen gehen, selbst für den nicht unwahrscheinlichen Fall, daß die Arbeiterpartei und die Liberalen ans Ruder kämen oder wenigstens Chamberlain ausgeschifft würde. Wahlausfälle haben keinen allzugroßen Einfluß auf die Außenpolitik, jedenfalls nicht in Frankreich und auch nicht in England. Es ist nun einmal englische Politik, sich um jeden Preis mit dem gefürchteten Frankreich gut zu stellen, wenn die jetzige Opposition auch gerade kein Bündnis mit Frankreich will. Deutschland kann darüber immerhin ge­opfert werden.

da ist nichts zu machen. Gibt's aber einen andern A^8?"Der wackre Schwabe focht sich nit, ging seines Weges Schritt für Schritt." Gestehen wir es uns ganz offen: Wir haben uns in den letzten Jahren, trotz unseres erstaunlichen wirtschaftlichen Aufstiegs, viel zu viel gefallen lassen. Daher war es möglich, daß die englische Politik sich an den Ge­danken gewöhnte, Deutschland habe sich mit Versailles ab- gefunden.Hie und da rüttle es wohl an dem Käfig, aber solche müden Kraftanstrengungen unleidlicher Gesellen brauchten nicht ernst genommen zu werden." Wir erinnern nur an die schlappe Behandlung der Kriegsschuldlüge durch Deutschland. Wir erinnern an Brüssel, wo britische Arbeiter- Vertreter energischer für Deutschlands Räumung sich singe- setzt hatten, als ihre deutschen Genossen.

Das war eine große Unterlassung, die sich übel gerächt hat. So was darf nicht wiederholt werden. Namentlich nicht letzt, wo man sich zu einer Aenderung desDawes- Es ist zweifellos ein großes und gefähr­liches Abenteuer, vor dem wir stehen. Handelt es sich doch ganz abgesehen von der moralischen Bedeutung dieser Angelegenheit um das größte Finanzgeschäft, das seit Menschengedenksn in Angriff genommen wird. Und kaum hat r ^ ^ öort das Wort zu der Sache genommen, so Hort man von Paris geradezu wahnsinnigeVerständi- Zungsvorschlage . so den allerneuesten, Deutschland müsse

-, lang (also genau so lange wie England und Frank­reich Amerika gegenüber) 2,5 Milliarden Goldmark leisten! Der Darvesplan sieht 37jähr!ge Tilgung der deutschen Eisen- bahn- und Industrie-Schuldverschreibungen vor. Nun sagt Seydoux:Wenn die Schuldverschreibungen in 37 Jah­ren getilgt sind, dann müssen neue mit Laufzeit big 1987 herausgebracht werden, sofern das Reich es nicht vorzieht, die Jahreszahlungen von 2,5 Milliarden Goldmark als fest- stehende Ausgaben in den Reichshaushaltplan jährlich auf­zunehmen."

Da hört sich doch alles auf. Aber so sehen in Wirklichkeit die französischenZugeständnisse" aus! Frankreich will auf keinen Fall die Versailler Ketten lockern. Es will und wird auch nie und nimmer auf seine europäische Vormachtstellung, wie sie im Versailler Diktat verankert ist, freiwillig ver­zichten. Wer anders glaubt, ist ein beneidenswertes poli­tisches Kind.

Ja, aber wohin sollen wir uns denn sonst Umsehen? Da ist schwer zu raten. Bekanntlich hat das englisch-französische Abkommen in Rom böses Blut gemacht. Aber der Fafzis- mus ist nun eben einmal auf dasdemokratische Deutschland, nicht gut zu sprechen, auch nicht auf das Deutschtum, das mit unglaublichen Schikanen in Südtirol verfolgt wird, etwa so wie die Deutschen und die deutschen Schulen in Polen drangsaliert werden. Uebrigens will auch Italien von einer Seeabrüstung nichts wissen, so lange nicht die andern mit gutem Beispiel vorangehen. Und da kann man lange warten.

Am besten stehen wir mit Amerika.Es darf als ein erfreuliches Ergebnis der oft so bösen Ereignisse der letzten Jahre verzeichnet werden, daß sich das deutsch-amerikanische fast wie zwangsläufig immer mehr besserte. Wenn man nur an die neuesten Fahrten desG r a fen Z ep p eli n" denkt! Während man in Frankreich sich grün darüber geärgert hat, daß das herrliche Luftschiff über einen kleinen Streifen be­setzten Gebietes geflogen ist, freut sich Amerika herzlich auf den angekündigten Besuch und bereitet sich festlich darauf vor. Möge das ist aller Deutschen sehnlichster Wunsch die gefahrvolle Fahrt unter Gottes Schutz gut gelingen!

In Deutschland gibt's wieder allerlei Unterhaltungen und Aufregungen. Viel Aufsehen erregte der kommunistische Rundfunküberfall in Berlin am Samstag abend. Da sollte der Vorwärtsredakteur Schwarz überFriedens, sicherung" sprechen. Er wird nach Wildwest-Manier regel­recht entführt. An seiner Stelle hält der kommunistische Land- tagsabgeordnete Schulz einen Vortrag an das ganz« deutsche Volk für das Panzerkreuzer-Volksbegehren. Nach­her versteckte sich der Mann, bis die kritischen 2-1 Stunden vorbei waren, in denen die Polizei ihn fassen darf. Darauf trat er in den Schutz derImmunität". Seine Prügel hat er trotzdem bekommen. Ob Moskau auch diesen Streich billigt? Es hat ja den Hamburger Führer der Kommunisten, Thälmann, wieder in alle seine Ebren und Aemter zurück- berufen und dabei dem deutschen Zentralkomitee einen schar­fen Verweis erteilt.

Der Tag in W i e n e r - N e u st a d t (50 Kilometer von Wien entfernt) ist ruhig verlaufen. Die Aufregung war künstlich gemacht. Was hat man nicht alles über einen et­waigen Zusammenstoß der Heimwehrkolonnen (etwa 20000 Mann) und der Sozialdemokraten (30 000 Mann) in den Zeitungen geschrieben! Aber Dr. Seipelhat mit umfassen­den Schutzmaßnahmen nachdrücklich vorgebeugk. Und so ist kein Tropfen Blut geflossen. Ja, es kam auch nicht ein ein­ziger Unfall vor. Es war wirklichein voller Sieg der öster­reichischen Staatsautorität".

Kaum hatte derStahlhelm" ein Volksbegehren (voraussichtlich am 13. November) wegen Aenderung der Reichsverfaffung (Stärkung der Rechte des Reichspräsiden­ten und Einschränkung der Straffreiheit der Abgeordneten) angekündigt, so tritt derLutherbund", d. h- derBund zur Erneuerung des Reichs" unter Führung des Reichskanzlers a. D. Dr. Luther mit einem umfassenden Programm über Aenderung der preußischen und der Reichsverfassung her­vor. Die Vorschläge bezwecken die Beseitigung des Gegen­satzes (Dualismus") von Reich und Preußen und eine Neu­gestaltung der Beziehungen zwischen dem Reich und den Ländern. Dr. Luther stellt als das einzige Ziel dieser Be­strebungen auf:Ein innerlich starkes Deutsches Reich, das uns hindurchführt durch die äußere und wirtschaftliche Not der Zeit."