lyre Hand aus des ivradchens Scyuner legenv; unv als Florence, wie von einem Krampf geschüttelt, zusammen- znckte, ließ sie sich aus den breiten Arm des Sessels nieder, legte den Arm um das zitternde Mädchen, und flüsterte zärtlich: „Sei deiner alten Freundin nicht mehr böse, mein armes, kleines Mädchen! Sieh, es war so schwer, dies alles nicht zu glauben — und ehe ich zu der klaren Ueberlegung gelangte, da "war's geschehen, da hatte ich dein armes, liebes Herz so tief verletzt! Nie werde ich mir das selbst vergeben, und wenn du mir kein Wort der Verzeihung sagen kannst, Florence, dann werde ich sehr unglücklich sein. Sei wieder gut! Vergiß, was geschehen, vergib mir. meine liebe, liebe Florence!"
Frau von Leblange fing bitterlich zu weinen an. Jetzt konnte Florence ihre Fassung auch nicht mehr länger bewahren. Auch sie brach in herzbrechendes Schluchzen aus. Leise tastete sie nach der Hand der alten Freundin, die aus ihrem Nacken ruhte, und drückte sie sanft. Von den freundlichen Worten ganz fortgerissen, vertraute Florence der alten Freundin rückhaltlos alles an, was sie in diesem Augenblick so schwer bedrückte. Daß sie Felix mit aller Leidenschaft, deren sic fähig sei, liebe - und daß sie nun in ihrer Verzweiflung zugrunde gehen werde. „Ich war wahnsinnig, daß ich an ihm zweifeln konnte! Wie tief habe ich mich dadurch unter ihn gestellt, und wie hart ist die Strafe dafür — denn ich habe ihn verloren — für ewig verloren —, das weiß ich."
„Fasse dich, Florence", tröstete die Freundin. „Er liebt dich viel zu sehr, als daß er dir nicht vergeben sollte. Wie herrlich Hai er dich bei mir verteidigt, mit welcher Begeisterung sprach er von deiner Reinheit, deinem Stolz und deiner Wahrhaftigkeit. Er hat mich zur Bewunderung hingerissen, und ich habe in diesem Augenblick erst wirklich erkannt, daß du ein Edelstein bist. Aber auch er ist ein Mann, ein ganzer Mann, der an sich selber glaubt und immer zweifellos das Rechte tut. Dir blühi an seiner Seite ein beneidenswertes Los. Florence!"
„Nein, nein, du kennst ihn nicht", fiel Florence in leidenschaftlichem Widerspruch ein. „So stolz und so gut er ist, so hart ist er auch in seiner Gerechtigkeit. Nie kann er mir das vergeben-"
„Florence, glaubst du wirklich, daß er einer warmen Bitte um Verzeihung von deinen Lippen widerstehen könnte? Glaubst du das? —"
Als Nehab das Palais verlassen, hatte er eine Droschke bestiegen, und war nach einem Weinhaus in der Rue Richelieu gefahren. Er schien dort ein oft gesehener Gast zu sein, denn kaum war er eingetreten und hatte einen musternden Rundblick durch das Lokal gleiten lassen, da näherte sich ihm ein Kellner. „Der Herr Vicomte erwartet Sie bereits im reservierten Zimmer." Herr von Nehab nickte und ging dann auf einen Vorhang zu, der eine Tür bedeckte, hinter der er verschwand.
Ein älterer, unscheinbar gekleideter Herr, der fast gleichzeitig mit ihm in einer Droschke vorgefahren war, erhob sich aus der dunklen Ecke am Eingang, wo er einen Augenblick Platz genommen hatte, und ging unauffällig mit schlenderndem Schritt auf den Vorhang zu, und da er die Tür unverschlossen fand, betrat er den reservierten Raum. Es waren nur zwei Insassen darin, die er flüchtig musterte, und die von ihm keine Notiz nahmen, sondern *ruhig und vertieft weiter plauderten. Nach einem zweiten prüfenden Blick zog sich dieser Eindringling wieder zurück. An der Tür stieß er aus den Kellner, der ihm anscheinend nachgegangen war.
„Dies Zimmer ist reserviert, »rein Herr", bemerkte er höflich. „Suchen Sie jemanden?"
„Jawohl, ich erwarte jemanden, sollte vielmehr von jemanden hier erwartet werden. Ich glaubte, ihn dort drinnen zu treffen, und weiß nicht, ob es nicht einer von den beiden Herren vielleicht ist, den ich suche. Es handelt sich um eine geschäftliche Besprechung mit einem Herrn, mit dem ich persönlich noch nicht zusammen war."
„Die beiden Herren sind der Vicomte de Vinauts und Herr von Nehab."
„Nein, dann ist es keiner, den ich erwartete. Bringen Sie mir bitte einen Absinth, ich werde hier warten oder nach einer Weile wiederkommen —"
Der Herr leerte das Glas rasch, zahlte, und verließ dann das Lokal ebenso unauffällig, wie er gekommen war.
Unterdessen saßen die beiden im Kabinett einander gegenüber, in lebhafte Unterhaltung vertieft, die kein unberufener Eindringling mehr störte. „Das haben Sie gut gemacht, Nehab!" rief der Vicomte, offenbar in bester Laune, und füllte die Gläser aufs neue. „Und die kleine Florette, die übrigens eine Krabbe zum Küssen ist, hat ihre Rolle auch brillant gespielt."
Der andere schien von den Worten unangenehm berührt zu sein. Er stützte das Haupt in die Hände, und saß nachdenklich und verstimmt da.
„Trinken Sie, Nehab, und nun lustig und munter, die Sache wird sich famos machen! Hahaha, mein Kusinchen wird Augen machen!"
„Lassen Sie diese Sprache, Vicomte. Sie wissen, daß ich über die Sache jetzt ganz anders denke. Es reut mich, meine Hand zu solchem Spiel gereicht zu haben."
„Ich sagte Ihnen gleich, daß sie verteufelt hübsch ist. Nun haben Sie sich verliebt, und der Spaß macht Ihnen anscheinend kein Vergnügen mehr. Wo bleibt aber die Logik, mein Lieber? Sie gingen bereitwillig auf den Plan ein, sich die Hand der Erbin auf diese Weise zu erringen, und nun, da es das Glück will, daß Sie sich auch noch in sie verlieben — —"
„Darum eben erscheint mir das Werk jetzt in einem anderen Licht. Es ist kein toller, übermütiger Streich — es ist eine Infamie!"
„Werden Sie nicht sentimental, mein Lieber!" Der Vicomte hob sein Glas und sah sein Gegenüber spöttisch an „Nach den mancherlei Fahrten, die wir mit Frau Aventure gemacht haben, finde ich diese lyrische Anwandlung etwas abgeschmackt."
„Spotten Sie nicht. - Als wir zwei uns zum ersten Male trafen, war ich noch nicht gesunken — war ich noch
frei von Schuld-und Sie wissen, daß mich nur die
außerordentlich großen Verluste der letzten Monate verleitet haben, diese Rolle in Ihrer Betrugskomödie zu spielen", entgegnete Nehab scharf. . .
„Also ändern Sie die Situation! Greifen Ste m das Rad der Ereignisse ein — geben Sie zu ihr -- werfen
Sie sich zerknirscht vor ihr nieder-demonstrieren Sie
Ihre Reue und Ihr Leid, vielleicht sinkt sie Ihnen, von
dieser Wahrhaftigkeit gerührt, in die Arme --bezahlt
Ihre Schulden-"
„Sie sind unausstehlich mit Ihrem faden Spott. Lassen Sie uns abbrechen."
„Ja, lassen Sic uns besser jetzt eingehend beraten, wie wir die Sache weiter geschickt in Szene setzen. Dieser Herr Felix von Renaud scheint also abgetan, das ist ein großer Fortschritt für uns. Florences Wort haben Sie bereits, und auch ihre Einwilligung in eine rasche Vermählung. Unsere Aktien stehen also glänzend. Sorgen Sie jetzt nur vafür, daß Florence Paris sosort verläßt. Denn wenn sie auch zu stolz ist, ihrem ehemaligen Seladon den vermeintlichen Verrat vorzuhalten — es wäre doch immer möglich, daß die Täuschung aus irgendwelche andere Weise 'ans Licht kommt. Dann aber bräche unser Kartenhaus zusammen. Also bringen Sie das Mädchen schleunigst nach Villier."
„Das soll geschehen. Da ich eine unbegreifliche Leidenschaft für sie gefaßt habe, liegt ja darin die beste Garantie für Sie. daß ich alles tun werde, Ihren scheußlichen Betrug zu fördern."
„Wollen Sie sich nicht etwas höflicherer Worte bedienen, lieber Nehab? Als künftiger Gatte der Dame sind Sie doch schließlich an den Vorteilen des Geschäfts noch ganz anders beteiligt als ich, der ich ja nur einen Teil von dem zurückgewinnen will, was ich bereits als mein Eigentum ansehen durste, und was ich mir wahrhaftig teuer genug erkauft hatte. — Die nichtswürdige Laun» dieses Mädchens hat mir den Lohn entrissen. — Sie. mein Lieber, möchten nun die Millionen so in die Tasche stecken, und möchten dabei auch tadellos aus der Affäre hervorgehen — nein, mein Freund, da heißt es nun schon für Sie. mit den Wölfen zu heulen. Doch verbittern wir uns das schöne Geschäft nicht. — Es bleibt also dabei, Florence muß sich im Heiratskontrakt verpflichten, Ihre Schulden zu bezahlen."
^Nein. so geht es nicht! Ich habe mir das, nachdem ich^re kennengelernt habe, überlegt. Ich werde Ihnen einen Schuldschein ausstellen, der mich verpflichtet, Ihnen die ausbedungene Summe in einem bestimmten Zeitraum auszuzahlen. Als ruinierter Spieler will ich ihr nicht entgegentreten, denn ich habe den redlichen Willen, sie glücklich zu machen, und selbst ein anderer Mensch zu werden. Darum muß ich doch vor allem darauf bedacht sein, mir ihre Achtung zu erhalten. Sie darf es nie erfahren, auf welche Weise und bis zu welchem Grade ich ruiniert war, als ich um ste warb. Sobald ich verheiratet bin, gehe ich mit ihr fort, weit fort, wo uns kein Klatsch erreicht, bis über all diese alten Geschichten Elras gewachsen ist. Dann, wenn wir später zurückkommen, hoffe ich mir ihr Herz und ihre Achtung so fest erobert zu haben, ihr so viele Beweise meines redlichen Willens, sie glücklich zu machen, gegeben zu haben, daß sie mir auch die Vergangenheit verzeihen wird, wenn ihr dann wirklich noch etwas zu Ohren kommt."
„Schwärmer! Seien Sie nur erst über das erste Kapitel Ihres Romans glücklich hinweg. Ich wünsche, Sie säßen mit Ihrer Gemahlin bereits in Villier, und ich hätte meine Millionen in der Tasche." Er schellte, und befahl eine neue Flasche, Nehabs Protest ablehnend. „Stoßen wir noch einmal auf gutes Gelingen an! Für» wahr, Nehab, ich bin überrascht, daß alles bis jetzt so glatt verlief! Ich hatte erwartet, das Mädchen würde alles von sich abschütteln, und in ihrem Stolz die Kraft finden, den Hieb zu überwinden. Der Brief aber und Frederic, der das Feuerchen schürte, haben unseren Plan so gut unterstützt, daß ich dem Kommenden nun sehr vertrauensvoll entgegensehe. Es war ein wenig viel, was auf sie eindrang! Der Zorn über die beleidigte Ehre und der Schmerz um den Geliebten — das störte ihr Gleichgewicht, und so rannte sie in die Falle. Haha, ich habe sie für stärker und klüger gehalten, und hatte dies ganze Manöver mir zuerst eigentlich mehr als ein apartes Mittel gewählt, mich an ihr zu rächen! Um so besser nun für uns, wenn wir dabei noch einen so guten Schnitt machen!"
„Wir sind noch nicht am Ziele", seufzte Neh-tb, „und ich kann das Gelingen eines so teuflischen Planes noch gar nicht für möglich halten. Nur die Aussicht, daß sie Paris verläßt, gibt mir den Mut, die Intrige weiterzuspinnen."
„Es war wirklich ein glücklicher Zufall, daß Renaud gerade in dem Augenblick zu ihr kam, als Sie mit aller Glut um sie warben. Das aufflammende Rachegefühl hat sie in die Falle getrieben. Wir können der kleinen Florette gar nicht dankbar genug sein, daß sie die Fährte für uns fand. Die fein eingesädelte Intrige hätte sonst wie ein Fastnachtsscherz geendet! Florence würde sich mit einem tiefen Knix für Ihre Ritterlichkeit bedankt und sich dann schleunigst an Renauds Brust in sicheren Schutz geflüchtet haben, wenn wir diesen kleinen Trick nicht eingeschaltet hätten! Daß sie nach solchem gefährlichen Abenteuer nach dem Schutz eines Gatten verlangen würde, hatten wir ja vorausgesehen." Der Vicomte sah nach der Uhr. „Es ist Zeit für Sie, Nehab. Sie müssen jetzt zu ihr, damit Sie noch Zeit finden, einem möglichen Aufschub der Reise vorzubeugen." Er füllte den Rest in die Gläser. „Hier, das letzte Glas! Fortuna sei uns ferner gnädig!"
„Fortuna?" Nehab lachte bitter auf. „Ich wünschte, es wäre kein schlimmerer Genius, der uns leitet! Brr, es ist doch ein eigenes Gefühl um diesen ersten Schritt auf schiefer Ebene-"
„Lassen Sie doch diese kindischen Betrachtungen. Ihr guter Genius hätte Sie besser schützen sollen! Schieben Sie nur getrost alles Madame Fortuna in die Schuhe! Hätte sie uns anders bedient, dann würden wir ihre Hilfe hier nicht gebraucht haben. Sehen Sie, mein Lieber, das ist bequem und macht keine Kopfschmerzen. Ich litt früher auch an dieser Ueberempfindlichkeit. Als ich aber die erste, etwas gepfefferte Handlung, mein Glück zu korrigieren,
hinter mir hatte" — er seufzte schwer auf-„es war
eine sehr unangenehme Sache —, da hatte ich den Mut gesunden, meinen bösen Genius, wie Sie das eiserne Muß der Verzweiflung nennen, ins Antlitz zu schauen! — Jetzt kann mich so leicht nichts mehr schrecken oder nervös machen. Die Not duldet keine Nerven! Unsere Sache hier ist in ihrer komplizierten Konstruktion zwar ein Kunstwerk — sonst aber doch eine Bagatellel"
„Sie sind schrecklich, Vicomte!"
Die beiden Edlen trennten sich.
Als Nehab sich bei Florence melden ließ, empfing sie ihn zwar, denn sie wollte Renauds Wunsch und Rat beachten, aber so weit reichte ihre Kraft doch nicht, ihn darüber zu täuschen, daß in ihrem Innern sich inzwischen eine Wandlung vollzogen hatte. Mit dem Instinkt der Liebe fühlte er, daß die warmherzige Hingabe, die sie ihm am Vormittag entgegengebracht hatte, erloschen war und einer erzwungenen Freundlichkeit Platz gemacht hatte. Eine schreckliche Mutlosigkeit packte ihn, und als sie ihm nun gar noch mitteilte, daß ste die Reise hinausgeschoben habe, und sie auf seine hervorgestotterten Einwürfe kühl und bestimmt bei ihrer Absicht verharrte, da faßte die kalte Hand der Verzweiflung nach seinem Herzen, in dem Liebe, Reue, Begehren und Angst durcheinander wühlten. Sie las in seinem Antlitz, seinen erloschenen Blicken, was in ihm vorging, und erkannte mit dem feinen Instinkt der Frauenseele, daß dieser Mann sie liebe, dennoch liebe, mochte er sonst auch ein zweifelhafter Charakter sein und seine Hand zu einer unwürdigen Komödie hergegeben haben. — Das echte Weib wird aber immer, wo ihr echt« Liebe entgegentritt, dieser Liebe teilnehmend begegnen, wenn sie auch keinerlei Widerhall in ihrem Herzen erweckt. Darum versuchte sie es jetzt, ihm sanfter und rücksichtsvoller zu begegnen, als es sonst ihre Geradheit vermocht hätte/ Sie sah. daß er wie gelähmt vor ihr saß und nach Worten rang. Mitleid beschlich ihr Herz. Aber ihre Bemühung, ein unbefangenes Gespräch zu führen, scheiterte an seiner wachsenden Verwirrung und Unsicherheit, so daß ste es wie eine Erlösung begrüßte, als er sich endlich mit der Bitte empfahl, seinen Besuch am nächsten Tage wiederholen zu dürfen.
Florence seufzte tief auf, als er gegangen war. Würde sie diese unwürdige Komödie weitersptelen können? Mußte sie das? War das Opser nicht zu groß? Was erreichte sie schließlich damit, wenn das Jntrigengewebe entwirrt wurde? Sie war ja dann immer noch aus demselben Fleck, und die Frage würde ihr immer noch schwere Skrupel bereiten, ob sie richtig handelte, wenn sie ihre Verfolger zur Rechenschaft zog und den Sensationslustigen unter ihren Bekannten damit einen pikanten Stoff zur Unterhaltung bot. An der Seite eines Gatten hätte sie das wohl wagen können, so aber mußte sie die Schwierigkeiten, denen sie dann schutzlos gegenüberstand, fürchten.
Oh, wenn sie mit Renaud über diese Sache hätte sprechen können! Vielleicht kam er doch bald einmal zu ihr, wenn es auch nur geschah, um sich über die weiteren Schritte mit ihr zu verständigen. Dann wollte ste ihn anflehen, sie von diesem Versprechen zu entbinden, dessen Tragweite sie gar nicht bedacht hatte, als Frau von Leblange ihr in seinem Aufträge das Wort abgenommen hatte, nichts zu tun, was ihre Feinde warnen konnte.
Aber Renaud ließ sich nicht sehen, und die Tage zogen wie ein schwerer Traum an ihr vorüber. Der einzige Besucher war Nehab, der täglich mit schrecklicher Pünktlich-, keil erschien. Es waren zwar kurze und immer kürzer werdende Minuten, die er bei ihr weilte, aber ihr verursachten sie eine unsägliche Pein. Sie sah, wie er litt, und sich quälte, saß er innerlich mit dem Entschluß rang, seine Verworfenheit zu bekennen und ihre Verzeihung zu erflehen, und sie mußte es doch geschickt verhindern, daß er sein Gewissen vor ihr erleichterte. Das war so qualvoll für sie, erschien ihr so unedel und niedrig! Denn wenn sie jetzt auch keinen Zweifel mehr hegt«, daß er mit ihren Feinden in Verbindung stand - zu deutlich sprach das Gewissen aus ihm —, so fühlte sie doch immer mehr und mehr, wie sehr er sie liebte, mit reiner, heiliger Glut liebte, und daß er in dem Kampfe mit seiner Reue und dem Verlangen nach ihrem Besitz Höllenqualen erduldete.
Ja, es waren Höllenqualen, die er litt. Mit der Zerknirschung eines Verdammten erkannte er, daß er des Glücks, sie zu besitzen, unwürdig war — er fühlte, daß es nur ihre Güte und Geduld war, die ihm vergönnten, in ihr schönes, ruhiges Antlitz zu blicken, daß sie innerlich völlig frei war, sich freigemacht hatte. Daß daneben auch noch etwas anderes in ihr lebte, irgend etwas Unklares, das nicht zu ihrem Wesen paßte, fühlte er wohl, aber er forschte nicht danach. Wozu auch? Daß diese bittere Seligkeit, ihre Nähe für kurze Augenblicke zu genießen, bald für ihn versinken würde, das wußte er, und was dann kam, wie es dann würde — das war ihm gleichgültig. Wenn er nur diese kurze Frist noch ausnutzen dürfte! Ach, wenn er sich hätte vor ihr niederwerfen und ihr alles gestehen dürfen, das hätte doch wenigstens einen verklärenden Schimmer auf seine Schlechtigkeit geworfen — aber die Rücksicht auf den fürchterlichen Genossen, der dann dem Verderben preisgegeben war, hielt ihn zurück.
Auch Florence sah sich bald am Ende ihrer Kraft. Hatte sie im stillen gehofft, Renaud würde trotz allem, was geschehen war, ihre Nähe bald wieder suchen, würde mit starker Hand alle Schranken niederreißen und ihnen eine gemeinsame, selige Zukunft aufbauen, so sah sie sich nun bitter enttäuscht. Sie sah und hörte nichts von ihm, und das beständige Sehnen schuf ihr nicht allein Qualen, es fachte auch die stille Glut zur flammenden Leidenschaft an. so daß ihr Warten oft das Maß des Erträglichen überstieg, und an Verzweiflung grenzte, wenn sie daran dachte, daß ste vor der Pforte des Paradieses gestanden, und daß sie sich selbst mit eigener Hand davon zurückgestoßen hatte.
Hatte er sie denn ganz vergessen? Wollte er ste wirklich dem Schicksal preisgeben, die Gattin dieses Mannes zu werden, den ste doch nie geliebt, ja, den sie manchmal verabscheuen zu wähnen meinte, wenn das Mitleid sie nicht milder gestimmt hätte. Aber wenn er darin eine unedle Rache an ihr ausüben wollte, dann sollte er sich getäuscht sehen! So gebrochen und so haltlos war ste noch nicht, daß sie nicht imstande war, die unheimliche Kette mit eigener starker Hand zu zerreißen. Selbst wenn es sich herausstellte, daß Nehab weniger schuld war, als er, Felix, es voraussetzte - ja. wenn Nehab ganz frei von Schuld wäre, und der Verdacht haltlos war, der jetzt gegen ihn vorlag, seine Gattin würde sie dennoch niemals werden. Aber wie sie die Fesseln lösen sollte, wenn ihr von außen keine Unterstützung kam — das wußte sie noch nickt, nur. daß es bald aescheben mußte, das war ihr klar.
(Fortsetzung folgt.)