Nr. 266

Amts- und AnzeigeblaLL für den Oberamtsbezirk Lalw.

98. Jahrgang.

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Donnerstag, vx« i. November 1323.

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Neueste Nachrichten.

Nachdem nun eine neue sächsische Regierung auf verfassungs­mäßiger Grundlage gebildet worden ist, ist der Reichskommissar aübcrufen worden. Die Sozialdemokraten haben nun aber der Rcichsregierung bestimmte Forderungen unterbreitet, von deren Annahme sie ihr Verbleiben in der Koalition und damit in der Reichsrcgierung abhängig machen.

An der thüringisch-bayerischen Grenze sollen sich auf bayerischem Boden rechtsradikale Kampforganisationen gebildet haben, Lurch die sich die thüringisch« Regierung bedroht fühlt.

Me englische Regierung hat nun eine Note an die Alliierten ge­richtet, sie möchte» in einer gemeinsamen Note die Einladung an Amerika ergehen lassen, sich in dem geplanten Ausschuss zur Feststellung der deutschen Zahlungsfähigkeit vertrete« zu las­sen. Bon halbamtlicher französischer Seite wird sofort darauf aufmerkfam gemacht, dag natürlich die bekannten französischen Vorbedingungen zuerst erfüllt werden mühten. Was wir von England bei einer gewaltsamen Abtrennung des Rheinlands durch die Franzosen zu erwarte« haben» das geht aus der / weitere« Anfrage au Frankreich hervor, wie sich Frankreich < die Rechtslage denke, die entstehen würde, wenngewisse Pro­vinzen" von Deutschland losgelöst würden, da diese Provinzen den Vertrag von Versailles nicht unterschrieben hätten und ^ infolgedessen nicht unmittelbar (!) die Verpflichtungen LLer- - nommen hätten, die sich für das Reich daraus ergeben. Eng­land spielt also offen mit der Anerkennung eines sol­ch-»- französischen Gewaltstreichs und macht lediglich auf die : Folgen bezüglich der Reparationszahlungen aufmerksam.

Das Reich. Bayer« «ad Sachse«.

Abberufung des Reichskommiffars aus Dresden.

Berlin, 1. Nov. Der neue sächsische Ministerpräsident Fellisch -erklärte dem Berichterstatter derRassischen Zeitung", er habe den Reichskanzler von der Bildung des neuen Ministeriums telegraphisch verständigt und gebeten, die Abberufung Heinzes isofort zu veranlassen.

Berlin, 1. Nov. Der Reichskommissar für Sachsen, Dr. Heinz«, hat lautVosstscher Zeitung" dem Reichskanzler über die Vorgänge in Sachsen Bericht erstattet. Wie das Blatt be­merkt, dürfte zu erwarten sein, dag Dr. Heinze nicht mehr nach Dresden zurückkehrt.

Aufgabe des Geuekalstkelks in Sachse».

Berlin, 1. Nov. Wie die Blätter aus Dresden melden, richtete die sächsische Sozialdemokratie in Gemeinschaft mit den freien Gewerkschaften einen Aufruf an die streikenden Arbeiter, Angestellten und Beamten, in dem gesagt wird: Die Arbeiterschaft ist dem Rufe nach einem dreitägigen Proteststreik nachgekommen. Durch die Neubildung der ver­fassungsmäßigen Regierung mit dem Ministerpräsidenten Fellbach sind die Ursachen des Proteststreiks behoben.

Bedingungen der Sozialdemokraten für ihr Ver­bleiben in der Reichsregierung.

Berlin, i. Nov. Den Blättern zufolge werden die so­zialdemokratischen Führer heute früh dem Reichskanzler Dr. Stresemann die Bedingungen unterbreiten, unter de­nen die sozialdemokratischen Reichsminister im Kabinett perbleiben würden. Um 1 Ur nachmittags wird die so­zialdemokratische Reichstagsfraktion wieder zusammentre- 2en, um die Antwort des Reichskanzlers entgegenzuneh­men und dann ihre endgültige Entscheidung darüber spre­chen, ob die sozialdemokratischen Minister noch in der Reichsregierung bleiben können oder nicht.

Berlin» 1. Nov. Die sozialdemokratische Reichstags­fraktion faßte heute Abend folgenden Beschluß: Die Frak­tion kann in der Koalition nur verbleiben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt werden: 1. die Aufhebung des Militärischen Ausnahmezustandes, 2. die Reichsregierung gehandelt das Verhalten der bayrischen Machthaber offen »ls Verfassungsbruch und unternimmt im Einklang mit der Reichsverfassung sofort die gebotenen Schritte gegen Bayern, 3. die Ausrechterhaltung der Ruhe und Ordnung M Sachsen ist Aufgabe der Schutzpolizei,' Reichswehrhilfe M nur auf Anforderung des Inhabers der Zivilgewalt heranzuziehen. Neuerdings in die Reichswehr eingestellte Unhänger rechtsradikaler Bestrebungen sind zu entlassen. Außerdem hat die Fraktion beschlossen, daß der Fraktions-

Vorstand bei Len Besprechungen mit der Reichsregierung die wertbeständige AKHrung und Maßnahmen gegen den vom Landbund propagierten und von den Landwirten ge­übten Lieferstreik zum Gegenstand von Verhandlungen zu machen hat.

Radikale Forderungen der Berliner Sozial­demokraten an die Parteileitung.

Berlin, 31. Okt. In einer Konferenz der Berliner sozial­demokratischen Funktionäre wurde lautVorwärts" eine Ent­schließung angenommen, in der von der Reichstagsfraktion ge­fordert wird, wegen des Vorgehens der Reichsregierung gegen Sachsen den sofortigen Rücktritt der sozialistischen Minister aus der großen Koaliton zu beschließen. In einer weiteren Ent­schließung wurde von den Partei- und den Eewerkschaftsspitzen die planmäßige Zusammenfassung aller proletarischen Kräfte und die sofortige organisatorische Vorbereitung des Generalstrei­kes als wirksamstes Mittel gegen die Kontrerevolution verlangt. Schließlich wurde gegen eine starke Minderheit ein Antrag an­genommen, der nach dem Vorbild der Funktionäre in Leipzig den sofortigen Ausschluß des Reichspräsidenten Ebert aus der Partei fordert.

Die Sozialdemokraten lehnen die Einheitsfront mit den Kommunisten ab.

Berlin, 31. Okt. Einer Mitetilung desVorwärts" zu­folge wurde eine ultimativ formulierte Forderung der KPD., bis Dienstag abend 6 llhr eine Antwort auf die Frage zu erteilen, ob die Sozialdemokratische Partei bereit sei, mit ihr sofort eine Einheitsfront zu bilden, in Anbe­tracht des Verhaltens der Kommunisten in Hamburg, Sachsen und anderwärts von dem sozialdemokratischen Fraktionsvorstand abgelehnt. Zu den in dem Schreiben der KPD. aufgestellten Einzelforderungen wird die so- zialdemokr. Reichstagsfraktion sachlich Stellung nehmen. Die demokratische Reichstagsfraktion

zur sächsischen und bayrischen Frage.

Berlin, 1. Nov. Im Reichstagsgebäude trat gestern der Vorstand der demokratischen Fraktion zu einer Sitzung zusammen, um sich mit der politischen Lage zu beschäftigen. Nach eingehender Aussprache kam man zu dem Resultat, daß die sächsische Frage als gelöst zu betrachten ist, da sich die bisherige sächsische Regierung den Bedingungen des Reichskanzlers auf Niederlegung der Amtsgeschäfte gefügt habe. In der bayrischen Frage hat der Vorstand den Standpunkt eingenommen, daß die bayrische Regierung im Interesse einer schnellen Lösung des Konfliktes eine klare Stellung einnehmen müsse, und daß das Reich in seinen Forderungen nicht nachgeben dürfe. Der Vorstand wird diese Stellungnahme der Fraktion zur Kenntnis bringen, die am Freitag zu einer Sitzung Zusammentritt.

Der bayrische Gesandte beim Reichskanzler.

Berlin, 1. Nov. Der bayerische Gesandte in Berlin, Dr. von Preger, hat, demBerliner Lokalanzeiger" zufolge, gestern nach seiner Rückkehr aus München dem Reichskanzler die Auffassung des bayerischen Kabinetts über den Konflikt zwischen der baye­rischen und der Reichsregierung mitgeteilt.

Ansammlung illegaler bayrischer Organisationen an der thüringischen Grenze.

Berlin, 1. Nov. DerVorwärts" meldet aus Sonneberg in Thüringen ergänzende Einzelheiten zu den kürzlich aufgetauch­ten Gerüchten über Kampfvorbereitnngen illegaler Organisatio­nen aus bayerischem Bode« unweit der thüringischen Grenze. Nach einer Mitteilung desBerliner Lokalanzeigers" werden die Gerüchte über einen Aufmarsch militärischer Verbände an der thüringischen Grenze an Berliner zuständiger Stelle für stark übertrieben gehalten. Um Beruhigung zu schaffen, sei jedoch eine Untersuchung der den Gerüchten zugrunde liegenden Vorfälle an­geordnet worden.

Dr. Heim über die bayrischen Abtrennung«- bestrebungen.

München, 31. Okt. Zn der Aussprache der zum Partei­tag erschienenen Vertreter der bayrischen Bolkspartei kam Dr. Heim lautBayrischer Kurier" auch aus die Frage der Separation Bayerns zu sprechen. Wenn man ihn frage, erklärte Dr. Heim, ob eine Separation Bayern Vor­teile bringe, wenigstens augenblicklich, so müsse er sagen: Za, und zwar gewaltige (??). Er zweifle nicht, daß bei­spielsweise die bayrische Mark besser stehen würde als die östreichische Krone. Wollen wir nun mit dem Reiche hun­gern oder nach dem Rettungsmittel der Separation grei­

fen? Die Separation brächte uns wohl einen augenblick lichen Erfolg. Wir würden aber später um so tiefer in den Abgrund gestichen. Die augenblicklichen Vorteile wür­den Jahre der Buße bringen. Er warne seine Freunde eindringlich vor einer solchen Politik.

Nächste Vollsitzung des Reichstags am Dienstag.

Berlin, 30. Okt. Der Aeltestenrat des Reichstags hat beschlossen, für den Fall, daß die Reichsregierung nicht vor­her eine Erklärung abgeben will, die nächste Vollsitzung des Reichstags erst am nächsten Dienstag stattfinden zu lassen.

Die Ruhr- und Reparalionsfrage.

Der englische Vorschlag au die Alliierte» zur Einladung Amerikas.

London, i. Nov. Es verlautet, daß die britische Regie­rung an die alliierten Regierungen eine Aufforderung ge­richtet habe, eine gemeinsame Einladung an die amerika- nische Regierung ergehen zu lassen, sich an dem Sachvers ständigenausschuß zur Untersuchung der Zahlungsfähigkeit Deutschlands mit einem zuständigen Vertreter zu beteili­gen. Es bestehe kein Zweifel darüber, daß die amerikanische Regierung die gemeinsam an sie gerichtete Einladung an­nehmen werde, sobald mit einem Zusammentritt des Aus­schusses zu einem baldigen Zeitpunkt gerechnet werden könne. Es werde angenommen, daß der Ausschuß in Paris tagen werde, weil dort auch die Reparationskommission ihren Sitz habe und weil von Paris aus Berlin leicht zu erreichen sei, falls, wie es wahrscheinlich sein werde, einige Untersuchungen an Ort und Stelle vorgenommen werden müßten.

Havaskommentare über die englische Note und die französischen Pläne.

Paris, 1. Nov. Die Havasagentur teilt mit: Durch Vermitt­lung ihres Botschafters in Paris hat die englische Regierung gestern zwei Schritte bei der französischen Regierung unternom­men, deren Charakter unterstrichen werden muß, denn sie ent­sprechen in glücklicher Weise (!) den von der französischen Re­gierung in ihrer ersten Note bekundeten entgegenkommenden Dispositionen. Das Foreign Office hat den Quai d'Orsey auf die Rechtslage aufmerksam gemacht, die eine Loslösung gewisser Provinzen von Deutschland nach sich ziehen könnte durch den Umstand, dah st« den Vertrag von Versailles nicht unterzeichnet und infolgedessen nicht unmittelbar die Verpflichtungen > t r »ommen hätten, die sich für das Reich daraus ergäben. D i diplomatische Berichterstatter der Havasagentur glaubt zu mi ­ss«, daß die englische Mitteilung entgegen gewissen Pressemel­dungen sich auf diese Erklärung beschränkt. Sie bringen keine Kritik an den Maßnahmen vor, die die französische und die bel­gische Regierung angesichts der separatistischen Bewegung zu treffen veranlaßt worden seien, mm in ihren Besatzungszonen di« Ordnung aufrecht zu erhalten. Eine gleichlautende Mitteilung sei in Brüssel der belgischen Regierung gemacht worden. (Eng­land scheint also di« Loslösung des Rheinlands schon als etwas Selbstverständliches hinzunehmen.)

Der zweite englische Schritt habe den Zweck, der französischen Regierung den Vorschlag zu machen, eine Kollrktiveinladung Englands, Frankreich«, Italiens und Belgiens an die Bereinig­ten Staaten ergehen zu lassen, sich in dem Sachverständigen- ausjchutz vertreten zu lassen, der damit betraut werden solle, eine wirtschaftliche Enquete über die deutsche Zahlungsfähigkeit und über die Mittel vorzunehmen, über die Deutschland zur Begleichung seiner Schulden verfüge. Die vier Mächte würden Amerika den Dank für seine Mitwirkung aussprechen, um es zur Ernennung seines Delegierten durch Vermittlung des ame­rikanischen Beobachters in der Reparationskommission zu ver­anlassen. Wie man sieht, so fügt der Havasredakteur hinzu, erhebt die englische Regierung keinerlei Einwendungen. Cie verlangt von der französischen Regierung keinerlei weitere An­gabe r über ihre Absichten, wie aus London fälschlich gemeldet wurde. Poincarä hat natürlich nicht die Zeit gehabt, die bei­den englischcn Mitteilungen schon gestern zu beantworten. Der Geist freundschaftlicher Zusammenarbeit, der aus ihnen spricht, dürste in den beteiligten Kreisen gebührend gewürdigt werden. Indessen ist der französische Standpunkt in den beiden Fragen, die die Note behandelt, so entschieden klar, daß man mit aller Entschiedenheit den Sinn der Antwort des Qai d'Orsey voraus­sehen kann. Was die separatistische Bewegung im Rheinland anlangt, so gedenkt die französisch« ebenso wie die belgische Re-