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Televbou 179

Wohnung» Bismarckstratz« 68

Nummer 2V6

Fernruf 179

Montag de» 3. September 1928

Fernruf 179

63 Jahrgang

SieNormaljahke"

Rückblick und Ausblick

Artikel 231 des Versailler Vertrags lautet:Die alliier­ten und assoziierten Regierungen erklären, und Deutschland erkennt an, daß Deutschland und seine Verbündeten als Urheber des Kriegs für alle Verluste und Schäden ver­antwortlich sind, die die alliierten und assoziierten Re­gierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungenen Kriegs erlitten haben."

Man faßt sich heute an den Kopf, wie eine solch bru­tale Lügh> und Heuchelei seinerzeit von deutscher Seite unterzeichnet werden konnte, ohne daßdie Hand ver­dorrte". Item, Gewalt geht eben vor Recht. Für dergleichen Vorkommnisse unter Privatleuten hat das Strafgesetzbuch zutreffende Bezeichnungen in den Paragraphen über Straßenraub und Erpressung.

Am 5. Mai 1921 hat man uns durch das Londoner Ultimatum eine Gesamtzahlungspflicht von 132 Milliarden Goldmark aufgezwUAgen. Der Versuch, aus dem wirtschaftlich ruinierten Deutschland die entsprechenden Jahreszahlungen herauszuholen, führte bald zur Währungs­katastrophe und zum Ruhreinbruch. Höhepunkt der Krise das Jahr 1923. Dann 1924 Neigungen zur Verständigung. Erstmalig läßt man was internationale Wirtschafts­kenner wie der Brite Keynes und der Schwede Cassel schon längst forderten Sachverständige an das Zahlungsproblein heran. Eine Kommission unter dem Vor­sitz des Amerikaners D a w e s entwirft den Dawesplan; am 30. August 1924 wird er unterschrieben, am 1. Sep­tember 1924 in Kraft gesetzt.

Heute, da mit dem 1. September 1928 nach vierjähriger Atempause" das erste sogenannteNormaljahr" des Plans mit 2500 Millionen Goldmark Jahreszahlung be­ginnt, dürfen wir Rückschau und Abrechnung halten. Was hat die Praxis des Dawesplans gezeigt? Eine Kette von Versagern! Das hat der Dawesagent Parker Gilbert selbst wiederholt ganz deutlich zugegeben. Der Fluch des Dawesplanes war seine Halbheit. Die haben bereits die Auftraggeber der Sachverständigen verschuldet. Wir sollen nur fleißig zahlen, von jetzt an 2,5 Milliarden im Jahr, aber auf wie lange, das zu fragen haben wir kein Recht. Und wenn wir schon fragen, dann ertönt die Antwort: 132 Milliarden Eoldmark!

Aber sind denn die Zahlungen nicht wie am Schnürchen gegangen? Hut ab vor der Finanztechnik! Wir haben immer schön säuberlich aus Amerika genau so viel geborgt, wie wir an die Daweskasse zu zahlen hatten.

Ein paar Jahre ist das so gegangen. Jetzt ist die Grenze offenbar erreicht. WievielNormaljahre" werden wir über- baupt aushalten können? Eins, zwei, fünf, oder nicht ein­mal ein halbes? In Genf hat man freilich kein Interesse dafür. Indessen, die Dinge reifen auch ohne Genf. Und aus der schlimmen Saat des Versailler Vertrags, der Kriegs­schuldlüge, des Enlschädigungszwangs wächst nicht nur eine internationale Finanz- und Handelskrise heran, son­dern auch eine Krise des internationalen Vertrauens und des kulturellen Zusammenwirkens. Vielleicht sind wir heute Lebenden vom Krieg und den schlimmen Nachkriegsjahren noch zu ermüdet, um da die Kraft des Widerstands und des äußersten Nein zu finden. Doch wie ist's mit Men, die erst noch geboren werden sollen, um in 40, :n 50, in 60 Jahren immer noch zu zahlen, ununterbrochen, Jahr für Jahr 2,5 Milliarden?

Ein hübsches System hak man da ausgeklügelt, das die Verbandskriegsschulden bei Amerika, die deutschen Entschädigungszahlungen und das heutige Anleihen­geschäft Amerikas wunderbar unter ein Dach bringt. Aber das System hat eine Lücke; es übersieht, daß eine Volkswirtschaft keine Milchkuh ist, aus der man täg­lich so und so viele Literentnehmen" kann. Eine Volks­wirtschaft ist das wirtschaftliche Zusammenwirken von Millionen Menschen eines Staatsvolks. Diesen kann man zwar in einem schwachen Augenblick das Sklavenjoch auf­erlegen. Aber niemals werden sie ewig Knechte bleiben, niemals die Knechtschaft für ihren von der Vorsehung ge­wolltenNormalzustand" halten, niemals darüber beruhigt sein, daß ihr Lebenslauf nichts alsNormaljahre" umfaßt. Menschenwürde, Volkswürde ist die Grundlage aller Ge­sittung und Kultur der Welt. Der Versailler Vertrag vom 28. Juni 1919 hat sie mit Füßen getreten. Neun Jahre haben wir geduldet. Und seien jetzt durch dasNorman jahr" Lüge und Erpressung für mindestens ein halbes Jahrhundert sanktioniert? Heute sind wir es, die w-'k liche Wiedergutmachung verlangen.

Konferenz

Die Männer der Interparlamentarischen Union haben 25 Jahre lang geredet und an ihrem Jubiläum in Berlin tz"Lder viele und lgnüe und zum Teil recht gute Reden ge-

Reichskanzker Müller ist am Sonntag abend in Genf eingetroffen. Der PariserMatin" bemerkt zu der Reise, in Gens werde nichts Neues gesagt werden können. Poin- care habe Stresemann schon in Paris das nötige gesagt. Wenn die Deutschen die ganze Räumung wollten, so müß­ten sie einen entsprechenden Preis dafür bezahlen. Die Koblenzer Zone werde 1930 frei, die dritte Zone erst nach vier Jahren.

Achmed Zogu wurde am Samstag vom Nakionalrat zum König von Dalmatien ausgerufen. Ein Londoner Blatt läßt sich aus Angora melden. Mustapha kemal Pascha wollte sich zum König der Türkei ausrufen lassen.

halten. Auch dis Gesinnungen, die auf der nunmehr be­endeten Tagung bekundet wurden, waren fast durchweg zu loben. So, wenn man wenigstens andeutungsweise Verwah­rung einlegte gegen den betrügerischen Versuch großer Raubmächte, die die ihnen anvertrauten Kolonial­mandate nachträglich annektieren möchten, und wenn man sich für das Recht der Selbstbestimmung als das heilige Grundrecht aller Völker platonisch erwärmte. Nur wird's viel helfen? Wird's auch nur den geringsten Eindruck machen auf die Techniker der Geheimdiplomatie, die, seit Baldwin-Chamberlain und Poincare-Vriand sich zum neuen englisch-französischen Geheimabkommen fanden, ihr neues,goldenes" Zeitalter Heraufziehen sehen? Die Methoden der Interparlamentarischen Union sind doch wohl wenig dazu angetan, den Methoden der Kriegsmacher, die zehn Jahre nach dem Krieg fröhliche Urständ feiern, wirk­sam entgegenzuarbeiten.

Und da Selbsterkenntnis der erste Schritt zur Besserung sein soll, so wird man den Verhandlungen der Interparla­mentarischen Union vielleicht das meiste Gewicht beizulegen haben, die sich mit der Krise des Parlamentaris­mus beschäftigen. Es ist schon etwas, wenn die Inter­nationale des Parlamentarismus sich der Einsicht nicht länger verschließen kann, daß der Parlamentarismus aller- wärts in eine ernste Krise hineintreibt.

Berichterstatter über diesen Punkt war Reichstagsabge­ordneter Dr. Wirth. Der Bericht bekannte sich, wenn auch etwas gewunden, zu der löblichen Ansicht, daß nur baldige Reformen den Parlamentarismus retten könnten; als welche eine Aenderung des Systems der Reg! erungs- bildung und eine A e n d e r u n g des Wahlsystems ins Auge gefaßt wurden. Was uns Deutsche angeht, mögen die anderen bei sich nach dem Rechten sehen!, so ist eine Wahlreform sicher nötig, um der das Ver- sassungsleben erstickenden Vorherrschaft der Parteibureau- kratien ein Ende zu machen und dem Wähler die Freude an politischer Mitarbeit und politischer Mitverantwortung zurückzugeden.

Der andere Weg, den der Bericht ins Auge gefaßt hatte, ist die Regierungsbildung auf standfester Grundlage. Dies ist eine Reform, die sich, wie das in England durchweg der Fall zu sein pflegt, aus praktischer Notwendigkeit heraus nach und nach entwickeln könnte, ohne der Anregung durch die Parteiwirtschaft zu bedürfen.

Für uns käme da wohl nur das amerikanische Vorbild in Betracht, wonach der vom Volk auf Zeit gewählte Präsident zugleich sein eigener Ministerpräsident ist, das heißt sich sein Kabinett unabhängig von der Volksvertretung bildet, an deren Mitwirkung beim Geschäft des Regierens er gleichwohl gebunden bleibt. Denn darin darf man der Interparlamentarischen Union beipflichten: es ist nicht wün­schenswert, daß den Völkern das Recht der Mitarbeit und die Pflicht der Mitverantwortung dauernd entzogen werde. Das aber bedingt die Erhaltung des allgemeinen, gleichen Wahlrechts als einer der grundlegenden Triebkräfte der Staatspolitik. Es gibt kein Ersatzmittel, das gleich zu­verlässig in gemessenen Zeiträumen die unter ddn Völkern herrschende Stimmung festzustellen gestattete. Leute, die vom Geschäft des Regierens wirklich etwas verstehen, werden da­her so leicht nicht auf die bestimmende Mitarbeit einer Körperschaft verzichten wollen, die aus allgemeinem, gleichem Wahlrecht hervorgegangen ist. Ein Wahlrecht allerdings, das den Parteibureaukratien das Privilegium gibt, dem Wähler vorzuschreiben, wen er wählen darf und wen nicht, und wen er an erster Stelle zu wählen hak und wen an zweiter, an dritter, ein solches Wahlrecht wird man weder als gleich, noch als allgemein anerkennen können.

Und solch ein Wahlrecht frißt am deutschen Parlamen­tarismus. Es gibt im republikanischen Deutschland nur noch eine leidlich unabhängige und wahrhaft allgemeine und gleiche Form der Wahl: das ist die W a h l de s R e i ch s - Präsidenten. In seine Hand soll man für die eng um­grenzte Zeit seiner Amtstätigkeit die Bildung der Regierung legen.

Ob, wenn die Interparlamentarische Union uns wieder einmal mit ihrem Besuche beehrt, die Kunst der Selbstregie­rung in Deutschland diese bescheidenen Fortschritte gemacht haben wird? Oder ob der Versuch der Selbstregierung in chronische Selbstauslösung ausgemündet sein wird? Welchen Weg gher Mch immer die Entwicklung, einschsggen Wird, wir

brauchen nicht zu zweifeln, daß der Lebenswille des deut­schen Volks auch den deutschen Staat als Lebensform will. Dann wird er sich diesen Staat auch schaffen, wenn auch auf 'mndert Umwegen und in tausend Schmerzen!

Neusste Nachrichten

Neue Steuern?

Berlin, 2. September. Eine Korrespondenzmeldung will Wissen, daß man im Reichsfinanzministerium auf der Such* nach neuen Steuern sei und daß bereits bestimmte Vorschläge erwogen werden. So soll an eine Erhöhung der Verbrauchsabgaben, besonders der Biersteuer und der Abgaben auf Salz, Zucker, Tee usw. gedacht werden. Auch von der Erhöhung der Vermögenszuwachs- und der Erb­schaftssteuer sowie der Progression der Einkommensteuer sei gesprochen worden.

Ausländische Offiziere bei den Reichswehrwanövern

Berlin, 2. September. An den Manövern der ersten Di­vision werden von ausländischen Offiziere» auf ihren An- trag teilnehmen die beglaubigten Militärattachees von Schweden, Spanien, Italien, Ungarn, Rumänien, Tschecho- slowakei, Rußland, Litauen, den Vereinigten Staaten, Ar­gentinien, Chile, Peru und Japan, ferner Offiziere der schweizerischen, finnischen und bulgarischen Heeres.

tzindenburgs Besuch in Schlesien

Breslau, 2. September. Nach seinem Sommerurlaub in Dietramszell wird Reichspräsident v. Hindenburg Schlesien einen Besuch abstatten. Das Reichsbanner Schwarzrotgold hat für seine Mitglieder den Befehl aus­gegeben, sich nicht an dem Empfang in Breslau zu betei­ligen. Demgegenüber hat der Reichspräsident beim Ober­präsidium in Breslau den Wunsch ausgedrückt, daß die ver­schiedenen schlesischen Städte, besonders das notleidende Waldenburg, anläßlich seines Besuchs keinerlei Geldaufwen­dungen machen möchten. Etwa bereits bewilligte Mittel sollen für süziale Zwecke verwendet werden.

Die Regierungskrise in Thüringen

Weimar, 3. September. Die sozialdemokratische F. kiion des thüringischen Landtages hat erklärt, daß sie eine Große Koalition mit Einschluß des Landbundes und der Wirt­schaftspartei, die der mit der Regierungsbildung beauftragte Abgeordnete Prof. Krüger (Dem.) durchführen wollte, av- lehne. Wie verlautet, soll nun die Bildung einer Koalition von Deutscher Volksparte!, Demokraten und Sozialdemo­kraten versucht werden.

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Die Antwort Sowjelrutzlands

Moskau, 2. Sept. Die durch Frankreich vermittelte Ein­ladung zur Unterzeichnung des Kellogg-Vertrags hat die Sowjetregierung dahin beantwortet, daß Moskau schon vor Kellogg vorgeschlagen habe, die Staaten sollen sich durch zweiseitige Verträge verpflichten, auf jeden Krieg schlechthin zu verzichten. Einige Staaten wie Deutschland u. a. haben den Antrag mit Stillschweigen übergangen, einige haben ihn mit der sonderbaren Begründung abgelehnt, ein un­bedingter Verzicht auf Angriffe sei mit ihren Verpflichtun­gen gegenüber dem Völkerbund unvereinbar, was aber dieselben Mächte nicht hinderte, denPakt von Paris" zu unterzeichnen. Der Sowjetregierung sei die Möglichkeit, bei der Festsetzung des Vertrags mitzuwirken, vorenthilten worden. Sie halte nach wie vor eine allgemeine und völlige Abrüstung für das einzige wirksame Mittel zur Kriegsverhütung: die Fortsetzung der Rüstungen müsse notwendig zu neuen Kriegen führen. Die völlige Ohnmacht des Völkerbunds in Sachen der Ab­rüstung sei nachgerade erwiesen. Von Abrüstung stehe auch imPakt von Paris" nichts, vielmehr enthalte er eine Reihe von Vorbehalten, die im voraus alles be­seitigen, was einer Verpflichtung zum Frieden ähnlich sei. Trotzdem sei die Sowjetregierung bereit, den Pakt zu unterzeichnen, soweit er tatsächlich den Mächten gewisse Verpflichtungen gegenüber der öffentlichen Meinung auf­erlege und der Sowjetregierung erneut die Möglichkeit gebe, allen Teilnehmern am Vertrag, die für die Sache des Friedens wichtigste Frage vorzulegen, nämlich die'Frage der Abrüstung.

Erpressungsversuch an Stinnes?

Im Lauf seiner Vernehmung erklärte Hugo Sttnnes Sohn: Der Bankier Calmaux in Paris habe mittels eines besonderen Kuriers durch seinen Privatsekretär von Waldow ihn (Stinnes) wissen lassen, er (Calmaux) ver­bürge sich dafür, daß die U n t e r s u ch u n g gegen Stinnes durch den Reichskommissar Direktor Heinzmann nie­dergeschlagen werde, wenn er ihm (Calmaux) 50 000 Mark gehe. Stinnes erwiherte:Das ist eine gemein«