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Nummer 157 Irrmms 179

Steuersragen des neuen Reichstags

Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums Erhöhung der Umsatzsteuer

Von steuerfachmännischer Seite wird uns geschrieben:

In der Regierungserklärung des neuen Reichskabinetts wurde u. a. ein Gesetzentwurf für Erhöhung des steuerfreien E x i st e n z m i n i m u m s angekündigt, wie sie bereits von der Reichsregierung vom Jahr 1925 ge­mäß dem sozialdemokratischen Programm versprochen wor­den war. Man hört neuerdings, daß die Sozialdemokratie auf der Vorlage bestehe und daß sie bereit sei, trotz ihrer grundsächlichen Abneigung gegen indirekte Steuern, ge­gebenenfalls eine Wiedererhöhung der Umsatz- st e u e r auf 1 v. H. zuzugestehen, wenn die anderen Par­teien der Heraufsetzung des steuerfreien Exi - stenzminimums zustimmen.

Man hat seinerzeit der Senkung der Umsatzsteuer, die­sem Hauptstück der Neinholdschen Steuersenkung, in sach­verständigen Kreisen mit Recht die größten Zweifel und Bedenken entgegengesetzt. Die Herabsetzung der Umsatzsteuer um ein halbes Prozent hat zwar die Reichskasse um einige hundert Millionen Einnahmen gebracht, im Geschäfts- und täglichen Wirtschaftsverkehr blieb sie aber völlig spurlos; die Waren und die Lebenshaltung sind nicht um einen Pfen­nig billiger geworden, sondern eher teurer, dem Reich aber ehlten die Mittel für nötigste Ausgaben. Dazu ist die Um- atzsteuer eine verhältnismäßig leicht zu veranlagende und zu überprüfende Steuer, die keine große Bewertungsfragen stellt, mithin einen verhältnismäßig höhern Nettoertrag ab- mirft als alle Steuern mit Wertsestsetzungsschwierigkeiten. Trotzdem soll man vorsichtig sein. Ist erst einmal eine Steuererhöhung da, dann wird um so leichter eine andere folgen.

Die Erhebungs- und Veranlagungsschwierigkeiten, die die Einkommensteuer natürlicherweise mit sich bringen, sind nun bei uns in Deutschland durch dieFormdesLohn- abzugs bei den Arbeitseinkommen und insonderheit bei den niedrigen Arbeitseinkommen für den Staat so gut wie ausgeschkltet. Damit soll nicht gesagt sein, daß dieser Zu­stand ganz ideal ist. In der Praxis hat er dazu geführt, oaß die privaten Unternehmer ohne Entgelt einen Teil der Arbeiten der Finanzämter übernommen haben. Man wird deshalb ihre Forde­rungen nach Zubilligung eines Entgelts, das sie für die Unkosten entschädigt, immer wieder unterstützen können unter Hinweis unter anderem darauf, daß in den ersten Jahren der Reichsfinanzverwaltung die Gcmeinde- kassen noch das Steuererhebungsgeschäst ausführten und dafür mit einem Hundertsatz der Einnahmen entschädigt wurden. Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß zur­zeit die Einkommensteuererhebung und Veranlagung für niedrigere Arbeitseinkommen sich für den Steuerfiskur so­zusagen kostenlos vollzieht und damit die obenerwähnten grundsätzlichen Schwierigkeiten der Einkommensteuer nicht ins Gewicht fallen.

Für eine unmittelbare direkte Besteuerung möglichst aller Einkommen beziehenden Staatsbürger sprechen aber nicht zuletzt staatspolitische Gründe. Diese Frage muß aber auch betrachtet werden unter dem Gesichtspunkt einer endgültigen Regelung des Finanzausgleichs. Der Deutsche Städtetag hat bekanntlich die Forderung nach Wiedereinführung der Einkommensteuer­zuschläge für die Gemeinden erhoben. Schon jetzt ist in reinen Arbeitergemeinden, aber auch in ländlichen Bezirken mit bäuerlicher Bevölkerung eine weitgehende Einkommen­steuerfreiheit vorhanden, der Zustand würde sich bei wei­terer Erhöhung des Existenzministeriums verschlimmern. Wir sind zwar der Meinung, daß eine Heranziehung des steuerfreien Betrags zu den kommunalen Zuschlägen nicht zu umgehen ist, falls sich die erzieherische Wirkung dieser Besteuerungsform, die jeden Gemeindeinsassen wieder un­mittelbar an den Lasten zu beteiligen vorhat, nicht verpuf- en soll. Das ganze Zuschlagssystem hat selbstverständlich ent- prechende Herabsetzung des Reichseinkommensteuertarifs ;anz allgemein zur Vorbedingung. Eine solche gesetzliche Regelung dürfte aber nicht geringe parlamentarische Kämpfe auslösen.

Deshalb will es uns als das kleinere Nebel erscheinen, das Existenzminimum nicht ständig weiter zu erhöhen, zu­mal es im Vergleich mit den Vorkriegsverhältnissen etwa der Geldentwertung gesolgt ist. Eine Sozialpolitik soll zweifelsohne auch bei der Einkommenbesteuerung der niedrigen Einkommen getrieben werden, sie hat sich aber in einer Niedrighaltung der Steuersätze zu schilp­ten und nicht zu einer Zerstörung des Verhältnisses von Staatsbürger und Staat zu versteigern. Sozialpolitisch käme auch in Rücksicht auf eine gesunde Mittelstandspolitik ebenso sehr eine Herabsetzung der Tarife der mittleren Ein­kommen in Frage.

Sollte der Reichstag die Erhöhung des Existenzmini- "Ulms beschließen, wofür ja gewiß soziale Gesichtspunkte geltend gemacht werden können, so kommt es aber doch dar­auf an, dyß in das Gesetz die Sicherheit eingebaut wird,

Samstag den 7. Juli 1928

Die Verhandlungen über eine Regierungkoalitisn in Bayern sind bis jetzt ergebnislos geblieben.

Der Staatspräsident von Irland Cosgrave. sandle an­läßlich des Besuchs der «Bremen"-Flieger in Irland an das deutsche Volk eine Botschaft, in der er den deutschen tech­nischen Genius preist und erklärt, daß die tapferen Flieger für immer die Herzen des irischen Volkes gewonnen haben. Die deutsche Leistungsfähigkeit, Organisationskrafk und deutscher Mannesmut seien bewunderungswürdig.

Der PariserPopulaire" meldet, am 26. Juni sei in der Nähe von Vu-Amane (Marokkos eine französische Abteilung in einen Hinterhalt geraten. Ein Leutnant, 1 Unteroffizier und 18 französische SotdaMn sowie 4 sranzosenkreue Ein­geborene seien getötet worden.

daß der SteueraussaU nicht vurch Erhöhung ärmerer Steuern wobei auch an die Realsteuererhöhungen der Länder und Gemeinden zu denken ist wettgemacht wird, sondern durch entsprechende Ausgaben ab striche.

Neueste Nachrichten

Der Billigungsanlrag angenommen

Berlin, 6. Juni. In der gestrigen Reichstagssitzung wurde zum Schluß darüber abgesiimmt, ob der (nur als Probe gemeinte) nationalsozialistische Verkrauensanlrag für die Regierung oder der Billigungsankrag der Regie­rungsparteien zuerst zur Abstimmung gelangen solle. Ent­gegen der bisherigen Hebung wurde mit 266 gegen 131 Stimmen (Deukschnakionale, Nationalsozialisten und Kom­munisten) bei 24 Enthaltungen (Wirtschaftspakte:) beschlos­sen, zuerst über den Billigungsantrag abzustim­men. Dieser lautete:Der Reichstag billigt die Erklärung der Reichsregierung und geht über alle andern Anträge (z. B. einen Mifzirauensantrag der Kommunisten) zur» gesordnung über". Dieser Antrag wurde mit 261 gegen 134 Stimmen bei 28 Enthaltungen angenommen. Dagegen stimmten die Deutschnatio- len, die Christlich-nationale Bauernpartei, die National­sozialisten und die Kommunisten. Die Wirtschafksparkei und einige kleinere Gruppen enthielten sich der Stimme.

Angenommen wurde ein Antrag Dr. Fr ick (Naksoz.), die Reichsregierung zu ersuchen, die gegenwärtigen Handels­vertragsverhandlungen mit Deutschösierreich in dem Sinne und mit dem Ziel des Abschlusses einer deutschen und deutsch- österreichischen Zoll- und Mirtschastsunion zu führen.

Der Abg. Skrasser (Nat.-Soz.) erhielt einen Ord­nungsruf und wurde von der Sitzung ausgeschlossen, weil er sagte, in der Regierungserklärung hat man nichts weiter gehört, als daß sich die Regierung für Verbrecher, Mörder und Lumpen einsetzen wolle durch Aufhebung- der Todes­strafe, und daß sie das deutsche Volk heransfordern wolle, trn Tag, an dem die Barmal-Republik geboren wurde, zu feiern. Den Reichsfinanzminister Dr. Hilfer- ding nannte er einen in Ostgalizien geborenen negroiden Juden. Bei den Sozialdemokraten erhob sich ein Ent­rüstungssturm. Präsident Loebe erklärte, es handle sich um eine ungewöhnliche Beschimpfung eines Kabinetksmit- glieds, er schließe daher den Abg. Straffer von der Sitzung aus.

Die Regelung des Straferlasses

Berlin, 6. Juli. Zu der nach langen Verhandlungen er­zielten Einigung der Regierungsparte'en über die Am­nestie wird noch gemeldet: In d.n Straferlaß sollen nur politische Straftoten einbemgen werden, während vor­läufig dieaus sozialer Not" begangenen noch zurückgestellt worden sind. Bei den politischen Straftaten will man einen Strich machen unter alle Vergehen, die während der Revo- lutions- und Inflationszeit begana-n worden sind, mit einer besonderen Ausnahme für Tötungen. Bei den letztern sollen Strafherabsetzungen eintreten, und zwar, wenn auf lebenslängliches Zuchthaus entschieden worden war, auf 7)4 Jahre Gefängnis, wenn andere Strafen festgesetzt waren, auf eine Gefängnisstrafe von der Hälfte der Strafzeit. Es ist beabsichtigt, den Straferlaß ganz allgemein für Rei und Länder einzuführen: doch ist dazu die Zustimmung der Länder erforderlich, die bis zum kommenden Dienstag, dem Wiederznsammentritt des Reichstags, durch den Reichsjustiz- minister Dr. Koch eingeholt werden soll.

Das Gesetz über den Nationalfeiertag

Berlin, 6. Juli. D m Reichstag ist der vom Reichsrat bereits beschlossene Entwurf eines Gesetzes über den Nationalfeiertag zugegangen. Er steht auf der Tagesordnung der Dienstagssitzung des Reichstags. Der Entwurf hak folgenden Wortlaut: Paragraph 1: Natio­nalfeiertag des deutschen Volks ist der 11. August als Ver­

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fassungstag. Er ist Fest- und allgemeiner Feiertag im Sinn reichs- und landesrechtlicher Vorschriften. Paragraph 2: Am Nationalfeiertag sind alle öffentlichen Gebäude in den Reichsfarben zu beflaggen. In allen Schulen sind für Lehrer und Schüler verbindliche, der Bedeutung des Tages entsprechende Feiern zu veranstalten; fällt der Nationalfeiertag in die Schulferien, so finden diese Gedenk­feiern am Schluß oder Wiederbeginn des Unterrichts statt.

In der Begründung wird u. a. angeführt, daß die Stadt Berlin den Verfassungstag schon im vorigen Jahr amt­lich gefeiert habe.

Ernste Finanzlage Thüringens

Weimar, 6. Juli. Im Landtag teilte Finanzminister Tölle mit, daß der Fehlbetrag des Staatshaushalts für 1928 rund 14 Milt. Mk. betrage. Es sei aber daran zu erinnern, daß davon allein 11 Millionen auf die neue Be­soldungserhöhung entfallen. Die Landesschuld beziffere sich auf 80 Millionen: keinesfalls dürfe das Tempo der Ver­mehrung der Schuld beibehalten werden. Andererseits betrage der staatliche forst- und landwirtschaftliche Besitz Thüringens 375 Millionen, aus dem staatlichen Hausbesitz ziehe der Staat jährlich 1,1 Millionen, seine Kaliwerte be­liefen sich nach dem heutigen Stand der Kuxe auf 20 Milt. Mark, und alles in allem düse man von einem thürin­gischen Staatsvermögen in Höhe von 550 Millionen Mark sprechen.

Das badische kirchendokationsgesetz angenommen

Karlsruhe. 6. Juli. Der Badische Landtag hak heute mit einer geringen, aus Zentrum und Deutschnationalen be­stehenden Mehrheit die Verlängerung des Kirchendokations- gssehes bis zum 1- April 1931 beschlossen. Es handelt sich um die heftig umstrittenen ska ffichen Zuschüsse, die für die Aufbesserung gering besoldeter Pfarrer bestimmt sind.

Frankreich will Wohnungen bauen

Paris, 6. Juli. Das von Loncheur dem Parlament un­terbreitete Gesetz zur Erbauung billiger Wohnungen (es sollen innerhalb fünf Jahren 200 000 billige. Wohnungen und 60 000 zu Mittlern Mietpreisen bereitgeslfflt werden) ist nach Ablehnung verschiedener sozialistischer Gegenvor­schläge von der Kammer einstimmig angenommen worden.

Das Urteil im Schachty-Prozetz

Moskau, 6. Juli. Im Schachty-Prozeß wurde heute früh das Urteil verkündet. Die Deutschen Meyer und Otto wurden freigesprochen, der Deutsche Badstieöer wurde unter Zubilligung von Bewährungsfrist zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, ..

Von den 50 angeklagten Russen wurden elf zum Tode verurteilt. Das Gericht beschloß jedoch, in Bezug auf sechs von ihnen angesichts ihrer Reue und ihrer hohen technischen Fähigkeiten uin Milderung der Strafe nachzusuchen. 34 An­geklagte erhielten Gefängnisstrafen von einem bis zu zehn Jahren, vier Angeklagte wurden unter Zubilligung von Be­währungsfrist verurteilt und vier Angeklagte freigesprochen.

In der Begründung des Urteils wird ausgesührt: der oberste Gerichtshof habe es als erwiesen angesehen, daß eine weitverzweigte gegenrevolutionäre Schädigungsorganisation im Donezbecken bestand, die ihre Zentralen in Charkow und Moskau hatte und mit den Grubenbesitzern im Auslande so­wie auch einigen ausländischen offiziellen Institutionen in Beziehungen stand. Der Freispruch Meyers und Ottos ge­schah, da das Gericht die gegen sie erhobenen Beschuldigungen nicht für erwiesen erachtete. Badstieber wurde von der An­klage der Zugehörigkeit zu der gegenrevolutionären Or­ganisation freigesprochen, dagegen der Bestechung schuldig befunden. Alle Freigesprochenen und unter Zubilligung von Bewährungsfrist Verurteilten wurden sofort auf freien Futz gesetzt.

Der Prozeß gereicht der Sowjetregierung nicht zur Ehre. Die Schuldlosigkeit der deutschenAngeklagten" und :> rer Firmen stand von Anffing an fest, und es ist unerhört, daß sie trotzdem monatelang in den berüchtigtsten Gefäng­nissen gehalten wurden und dcdurch schwere gesundheitliche Schädigungen erlitten haben. Schuldig an den Riesenver» Kisten im Donez-Jndustriegebiet ist die unglaubliche Schlam­perei in Rußland, die die gelieferten kostbaren deutschen Maschinenanlagen ungeschützt >n Sturm und Wetter stehen ließ, das; sie verrosten, derweilen amerikanische Agenken ihre weniger guten Maschinen einschmuggeln konnten. Ob dabei Bestechungen unterlaufen sind, scheint in dem endlosen Pro­zeß nicht untersucht worden zu sein. Ferner scheint allerdings auch erwiesen zu sein, daß russische Angestellte im ge­heimen Auftrag der früheren (russischen) Besitzer jener Jn- dustriewerke die Werke sind von der bolschewistischen Regierung den Besitzern seinerzeit einfach ohne jede Ent­schädigungenteignet" worden planmäßig auf Sabo­tage der Judullrieanlaaen hinaearbeitet haben. Diese Leute treffen harte Strafen. Ob die deulschen Opfer der russischen Willkür für ihre Schäden Ersatz beanspruchen können, er­scheint einigermaßen fraglich, doch sollte das Auswärtige Amt immerhin einen Versuch machen. Die deutsche Industrie