Nr. 249

Amts- und

Anzeigeblc

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att für den Oberamtsbezirk Calw.

98. Jahrgang.

«rlcheinung»weise.- »» Nk.. N-klamen SM Mt. X Schlaff«!,ahl.

Smal wLchentlich. Anzeigenpretl: Dt» Heile M Mk., gamilienau,«!»«» . Aus Sammeln»,eigen kommt ein Zuschlag »an 100°/»

Mittwoch, den 24. Oktober 1S2S.

»s«,u glprei».' Inder Stadt mit rrüaeelohn HOM0MV Dir. mdchentl. Postdezugiprei« I100MMO Mk. ohne Vestellgeld. Einzelnummer 20M0M0 Mt. Schluß der Anzeigenannahme 8 Uhr Vormittage.

Neueste Nachrichten.

Der für Württemberg zuständige Wehrkreiskommando»», Gene­ral Rheinhardt, erläßt einen Aufruf an die Bevölkerung von Stadt und Land, in dem er einerseits auf die Notwendig- keit der Versorgung der städtischen Bevölkerung mit Lebens­mitteln hinwrist, «»eil sie das beste Mittel gegen Verhetzung sei, andererseits aber auch die Interessen der Landwirtschaft zu wahren sucht. Er fordert die Bevölkerung zu gegenseitigem Verständnis auf. Der Aufruf wird morgen veröffentlicht.

Auch der neue Reichsernahrungsminister, Gras Kanitz, hat in demselben Sinne einen beherzigenswerten Aufruf erlassen. Er erklärt, daß nicht einseitige parteipolitisch« Einstellung uns

retten könne, sondern der Zusammenschluß des ganzen Volkes.

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Die Reichsregierung gibt bekannt, daß mit der Ausgabe w«rt- beständiger Zahlungsmittel nun begonnen werde. In erster Linie kommen Goldanleihestücke i« Betracht. Die Wirt­schaftskreise, die entsprechende Goldgarantieen geben können, sollen das Recht zur Ausgabe wertbeständiger Notscheine er­halten. Die Rentenmark wird in tunlichfter Bälde »usgr- geben.

Staatspräsident Dr. Hiebe, war gestern in München, von wo aus er nach Rücksprache mit dem bayrische» Ministerpräsiden­ten nach Berlin gefahren ist. Hoffentlich hat feine Bermitt- lungsaktion raschen Erfolg.

Die Reichswehr hat in Sachsen ihre Befriednugsaktio« großen­teils beendet.

Bon amtlicher Berliner Seite wird übe» di, Verhandlungen mit -er französisch-belgischen Regie Aufklärung gegeben. Danach habe« die Franzosen unverschämte Forderungen gestellt, die aus eine völlige Aufgabe der Verwaltungsmacht über die Eisenbahnen im Rheinland und Ruhrgebiet hinauslaufen, so- daß die deutsche Regierung es abgelehnt hat, weiter zu ver- . Handel«. Es liegt hier natürlich eine ausgesprochene Ber- schleppungspolitik der Franzosen vor. Auch diese Meldung mußten wir aus technischen Gründen zurückstellen.

Di« rheinische Bevölkerung hat eine erfolgreiche Gegenaktion gegen die Separatisten unternommen.

Beginn der MWbe

MribesMiger Zahlungsmittel.

Berlin, 24. Okt. (Amtlich.) Die Ansgabe größerer Mengen wertbeständiger Zahlungsmittel beginnt in den nächsten Tagen. Folgende Maßnahmen sind ergriffen: 1. Stücke der Goldanleihe sind ununterbrochen gedruckt wor­den, bis vor einiger Zeit aber hauptsächlich größere Stücke zur Befriedigung der Zeichnungen. Stücke über 1, 2 und 5 Dollar werden in dieser Woche in größerer Anzahl zur Verfügung stehen. In der anderen Woche werden täglich etwa für 8 Millionen Goldmark Goldanleihestücke ausgege­ben werden. 2. Um schon in wenigen Tagen Zahlungsmit­tel auch über kleinere Beträge in den Verkehr zu bringen, ist die sofortige Herstellung von Znnschenscheinen der Gold­anleihe beschlossen woredn, die über ein Zehntel, ein Mer- tel und ein halb Dollar lauten werden. Der Druck hat be­reits begonnen. 3. Industriellen Werke«, die eine für wert­beständiges Geld geeignete Sicherheit bieten können, wird auf Antrag die Genehmigung zur Ausgabe wertbeständiger Notgeldscheine erteilt, damit recht bald ein Teil der Löhne wertbeständig bezahlt werden kann. 4. Die Arbeiten für den Druck der Rentenmarkscheine erleiden durch die ge­schilderten Maßnahmen keine Unterbrechung, sondern wer­den mit der gleichen äußersten Beschleunigung wie bisher fortgeführt.

Berlin, den 23. Oktober 1923.

Der Reichskanzler (gez.): Dr. Stresemann,

Der Reichsfinanzminister (gez.): Dr. Luther,

Der Reichswirts chaftsminister (gez.): Köth.

8i» Ausruf der «eue« ReichseruilhniWiiWerr.

Berlin, L3. Okt. Der neuernannte Reichsminrster für Ernäh­rung und Landwirtschaft, Reichstagsakgeordneter Graf Kanitz, führt in einem Aufruf u. a. aus: Zum erstenmal ist ein prak­tischer Landwirt für das Amt des Reichsministers für Ernäh­rung und Landwirtschaft auserwählt worden. Ich bin der An­

sicht, daß aus dem Wege -er rein parteipolitischen Auseinander­setzung Deutschland nicht gerettet werden kann. (Sehr richtig!) Rur wenn das Trennende zurückgestellt wird und wenn alle Hände zugreifen, ist Rettung möglich. Meine Aufgabe sehe ich hauptsächlich darin, im Rahmen des überhaupt Möglichen Nah­rungsmittel für das hungernd« Volk zu schaffen. Daß ich als praktischer Landwirt mich zu keinerlei Maßnahmen verstehen werde, die die Produktion lähmen und die die zur Linderung der furchtbaren Not erforderlichen intensiv Schaffung von Nah­rungsmitteln hindern könnten, ist selbstverständlich. Ich weiß, daß die überwiegende Mehrzahl meiner Berufsgenossen aus allen Parteien meinen Entschluß grundsätzlich billigen wird. Die wirtschaftliche und nationale Erstarkung Deutschlands wird nur kommen, wenn die Reichseinheit erhalten bleibt und kein Hun­gerchaos entsteht. Der Erfolg wird umso greifbarer sein, wenn er unterstützt wird durch di« tätige Mitarbeit aller meiner Be- zufsgenossen. Der Aufruf schließt: Berufsgenossen; Denkt an die furchtbar« Rot i« den Städten'. Denkt daran, daß täglich wert­volle deutsche Menschenleben buchstäblich verhungern! Denkt daran, daß ein neues glückliches Deutschland niemals aufzubauen ist, wenn das Hungersterben fortdauert! Helft mir und ich werde meiner schwierigen Aufgabe nach Möglichkeit gerecht werden, die nur mit Eurer freiwilligen und verständnisvollen Mitarbeit zu lösen ist.

Die Nrrhr- und Neparalionsfrage.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß Frankreich all« Mittel an­wendet, um auf die Aufgabe des passiven Widerstandes hin die Wiederaufnahme der Arbeit und des Verkehrs im Ruhrgebiet zu Hintertreiben. Die Gründe für diele Haltung Frankreichs sind darin zu suchen, daß erstens die französische Regierung von ihren Verbündeten (mit Einschluß Amerikas) keinerlei Einspruch gegen ihr« Politik zu befürchten hat, daß sie zweitens damit eine Vergrößerung des Ehaos im Ruhrgebiet und Rheinland zu erreichen sucht und daß st« drittens von der Verschleppung des Beginns der Verhandlungen sich eine weitere Zersetzung der inneren Verhältnisse Deutschlands verspricht. Havas meldet mit zynischer Knappheit, daß sich bisher 69V00 Eisenbahner zur Wiederaufnahme der Arbeit gemeldet haben, die Anträge wür­den geprüft, die Einstellungen erfolgten nach Maßgabe der Not­wendigkeiten und Möglichkeiten. Gleichzeitig weiß Havas zu melden, der Oberbefehlshaber der Rheinarmee habe eine Ver­ordnung zum Schutz« der Staatsangehörigen der Besetzungs- Mächte und der Personen erlaffen, die Dienst bei den Besatzungs­behörden nehmen, oder mit ihnen in Beziehung treten. Das heißt nicht mehr und nicht weniger, als daß alle Franzosen und sonstige Halunken, die an die Stelle der ausgewiesenen deut­schen Beamten gesetzt wurden, und noch weiterhin gesetzt wer­den können,nach Möglichkeit" in den Stellen verbleiben sol­len, und daß diesen Kreaturen der besondere Schutz Frankreichs gewährleistet werden soll. Sodann behält sich Frankreich vor, nur diejenigen Verkehrslinien wieder in Betrieb zu nehmen, die für seine eigenen wirtschaftlichen oder militärischen Zwecke von Nutzen sind. Dadurch wird natürlich di« Wiederaufnahme eines geregelten Wirtschaftslebens im Ruhrgebiet und Rheinland Hin­tertrieben, und die Folge ist Arbeitslosigkeit der Bevölkerung. An di« Industriellen im Ruhrgebiet haben die Franzosen eben­falls unerfüllbare Forderungen gestellt, um die Wiederaufnahme der Arbeit unmöglich zu machen. Sie verlangen, daß die Ruhr­industrie die gefordert« Kohlensteuer, die das Reich nicht be­zahlen kann, trägt; das Ansinnen wurde von der Ruhrindustrie ebenfalls abgelehnt, und die Franzosen darauf hingewiesen, daß die Alliierten die Verantwortung für di« Arbeitslosigkeit und ihre Folgen treffe.

Wenn die Rnhrindustriellen davon sprechen, daß die Verant­wortung für das Chaos die Alliierten, also nicht nur die Franzosen, treffe, so wird hier endlich einmal der Standpunkt offiziell vertreten, den man von Anfang an hätte in schärf­ster Weise zur Geltung bringen sollen. Aber nicht nur die Par- teipreffe aller Richtungen, sondern vor allem auch die Wirt­schaftskreise Deutschlands, di« in den letzten Jahren besonders starken Einfluß auf die Politik Deutschlands gewonnen haben, hatten sich von den täglichen Sprüchen der angelsächsischen Presse wiederum betören lassen, und man versäumte deshalb, sowohl England wie Italien gegenüber zum Ausdruck zu brin^n, daß sie durch ihrePassivität", die unter den gegebenen Umständen offene Unterstützung des französischen Eroberungs-, Raub- und Mordsystems bedeutet«, für di« Zerreißung des Versailler Ver­trags mitverantwortlich seien. Dadurch wurde auch die gesamt­politische Einstellung nach außen in sehr gefährlicher Weise be­einflußt, weil sie unser Ziel, das auf endliche Lösung der Re­

parationsfrage unter den gegebenen machtpolitischen Umständen gerichtet, sein mußte, unklar machte, und daher unsere politische und moralische Stoßkraft nach außen hin zersplittern mußte.

Wir hätten von Anfang an das Doppelspiel Englands un­beachtet lassen muffen, das uns durch klingende Phrasen politische Unterstützung vorgaulxlte, während die englische Regierung durch ihre ausgesprochene Passivität die täglich schamloser in Erschei­nung tretenden Raub- und Vergewaltigungsmethoden der Fran­zosen direkt begünstigte. Wir erinnern wiederholt an die eng­lisch-französische Taktik gegenüber Rußland, gegenüber der Tür­kei, gegenüber Griechenland, überall dasselbe schamlose Dop­pelspiel, überall dieselbe Skrupellosigkeit der Aenderung der Parteinahme ganz nach gegebenen Verhältnissen. Und die Reichskonferenz der englischen Dominions war ebenso eine mo­ralische Geste wie die Lloyd Georges, Bonar Laws und schließ­lich Baldwins, di« immer so taten, als wollten sie sich mit der ganzen englischen Macht der französischen Raubpolitik wider­setzen, während sie tatsächlich keinen Finger rührten trotz der zum Himmel stinkenden Schandtaten ihrer Bundesgenossen. Die Reichskonferenz hat nach rein nebensächlicher Behandlung der Reparationsfrage unter Auftvendung des üblichen Brillant­feuerwerks hohler Phrasen sich in erster LinieVerteidigungs"- Fragen zugewendrt, die selbstverständlich unter Ausschluß der Oeffentlichkeit behandelt wurden. Man fragt sich, welche Geg­ner Englands denn nach Niederwerfung Deutschlands noch vor­handen sind; bei uns in Deutschland spricht man von Frankreich; aber England und Frankreich werden in absehbarer Zeit keine Gegner, darauf darf unsere heutige Generation nicht warten. Der Osten ist es, trotz des Friedens mit der Türkei der nähere und weitere Osten, und Rußland. Auch dies« Riesenge- Liete noch politisch u. wirtschaftlich in das angelsächsische Macht­gebiet etnzureihen, darum geht es den Engländern, und deshalb überlassen sie das besiegte Deutschland der Faust Frankreichs, das besiegle Deutschland, das man immer noch fürchtet, wenn es nicht ganz erledigt ist. Wie man sich nach der Aufgabe des passiven Widerstandes di«Regelung" der Ruhr- und Repara­tionsfrage sowie der Rheinlandfrage denkt, das geht aus den spärlichen Nachrichten hervor, die wir in den letzten Tagen aus London erhalten haben. Gegenüber dem Bestreben der Fran­zosen, sämtliche Eisenbahnen im gesamten Rheinland in ihre Macht zu bekommen, um so das Abtrennungsziel einheitlicher verfolgen zu können, hat Lord Eurzon auf der Reichskonferenz erklärt, die britischen Behörden im Rheinland seien der Ansicht, daß die Engländer entweder die volle Kontrolle der gesamten Verwaltungsmaschinerie in ihrer Zone behalten oder sie voll­kommen zurückziehen müßten. Man scheint also schon mit einer völligen Zurückziehung der englischen Truppen im Sinne Frank­reichs M rechnen, trotz der Verpflichtung des Versailler Ver­trags, der die Besetzung des Rheinlands durch sämtliche Alliierten festlegt. Und was die sog.Sicherungs"-Fr-age an­geht, so scheint man sich innerhalb der führenden Kreise Eng­lands ebenfalls schon mit der Abtrennung vom Rhein- und Ruhrgebiet vertraut gemacht zu haben, denn auf der Reichskon­ferenz soll der famose Vertreter Südafrikas, Gene^kl Smuts. der inbezug auf die Ausbeutung der deutschen Kolonien ausge­zeichnete Fähigkeiten entwickelt hat, einen Reparationsplan vorgetragen haben, wonach erstens die gesamte deutsche Wirt­schaft der Kontrolle des Völkerbunds unterstellt werden soll, der durch den italienisch-griechischen Konflikt zur Karrikatur ge­stempelt wurde, und zweitens «ine vollständige Loslösung des Rheinlands und Rnhrgebiets von Deutschland erstrebt werden soll, nur mit dem Unterschiede, daß anstatt Frankreich der Völ­kerbund derBeschützer" derRheinischen Republik" werden soll. Aus diesen Plänen wird nun wohl auch der vertrauensseligst ' Deutsche erkennen, was wir von jenseits des Kanals zu crwar ten haben, und ebenso auf dauernde Niederhaltung Deutschlan o ist Italien eingHtellt, was wir bekanntlich immer betont habe», wennliebliche Töne" vom Kanal oder über die Alpen kamen. Man fürchtet in London und Rom genau so den Wiederaufstieg Deutschlands wie in Paris, und deshalb würde man einen Er­folg im Sinne Frankreichs gar nicht ungern sehen, wenn nur keine weiteren Verwicklungen entstehen.

Und angesichts dieser furchtbaren Gefahr geben wir den Fein­den das Schauspiel zunehmender Zersetzung, machtpolitische Fra­gen wirtschaftlicher Natur und von Weltanschauungscharakier will man gerade jetzt ausfechten, wo an allen Enden und Ecken von unseren Feinden das Brecheisen an unseren Reichsbau an­gelegt wird, und wo es unsere gesamt« Willenskraft gilt, das Haus vor dem Einsturz zu retten. Wer heute aus falschenPre- stige"-Prinzipien, aus persönlichem, parteipolitischem, wirtschaft­lichem oder geistigem Egoismus heraus die Geschlossenheit un-