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deutschen
-r-
Wilhelrustratze
Telephon 17S.
Wohnung
Bismarckftratze 68
Druck
Verlag und Schriftleitungr Theodor Gack, Wlldbad
Montag dev 18. Juni 1828
63. Jahrgang
Nrrnimer 140
Fernruf 178
Fernruf 178
..Mchilofer als zur Nuhrkmgszeil"
Nach dem 2. Lolmarer ilrteil
lt.'vcr die letzten Verhandlungen im Lo>m,rcr zweiten Komplott-Prozeh erhalten wir von einem Augenzeugen die nachstehenden Ausführungen, die besonders deutlich die Verwerflichkeit der französischen Justizmethoden in ihrem Kampf gegen Elsaß-Lothringen zeigen.
Bei Eröffnung des ersten Komplott-Prozesses gegen 22 Elsässer, die nach französischer Auffassung eine Verschwörung gegen die Sicherheit des französischen Staates angezettelt haben, war das Verfahren gegen sieben im Ausland lebende Elsässer abgetrennt worden, lieber sie wurde am Mittwoch am Schluß einer außerordentlichen Tagung des oberelsässischen Schwurgerichts ver- handelt, wiederum im gleichen Saale, in dem im vergangenen Jahre der Sensationsprozeß Haegy gegen Helsen stattgefunden hakte. Das Gericht lagt in der gleichen Zusammensetzung wie im Komplott-Prozeß; wiederum ist der Franzose Mazoyer Präsident. Die Anklage vertritt jedoch diesmal nicht mehr Generalstaatsanwalt Fachot persönlich, sondern einer seiner Substituten. Die elsässische und fran- zösiche Presse war wiederum stark vertreten. Im Saal befinden sich auch Abbe Dr. Haegy und der im Komplott-Prozeß am 24. Mai freigeprochene Redakteur Heil. Anwesend sind auch Freunde und Angehörige der Angeklagten, unter ihnen zwei Geistliche im Ornat, die Brüder des Münsterer Professors Schmidlin, den die französische Anklageschrift zu einem der gefährlichsten „Agenten" und zum Vermittler zwischen deutschen und elsässischen Organisationen gestempelt hat.
Nach französischem Recht, das sich aus die von 1808 bzw. 1832 stammenden Bestimmungen des größtenteils stark veralteten Strafprozeßrechtes stützt, werden zunächst feierlich alle sieben Angeklagten dreimal vom Gerichtsvollzieher aufgerufen. Starke Bewegung und Unruhe beim Gericht, als beim Aufruf des Namens Schmidlin im Zuschauerraum der Essener Rechtsanwalt Dr. Grimm aussteht und erklärt, er komme als Freund dieses Angeklagten, um dessen Entschuldigungen vorzutragen. Dr. Grimm ist weitesten Kreisen bekannt als der vielfach erfolgreiche Verteidiger deutscher Angeklagter in den Prozessen der Ruhrkriegszeit, wo er vor französischen Kriegsgerichten die Verteidigung Abwesender geführt hat. Auch jetzt wieder erweist er sich als glänzender Kenner des französischen Rechtes; zur großen Verlegenheit des Staatsanwaltes und des Präsidenten Mazoyer beruft er sich auf den Artikel 468 Absatz 2 des „Ooäs ä'Instruekion oriminölls", der französischen Strafprozeßordnung, welcher besagt:
' „Kein Anwalt kann erscheinen, um den abwesenden Angeklagten zu verteidigen. Wenn der Angeklagte sich außer- halb des europäischen Gebiets Frankreichs aufhält, oder wenn er in der Unmöglichkeit ist, zu erscheinen, können seine Verwandten oder seine Freunde seine Entschuldigung darlegen und auf ihre Rechtmäßigkeit plaidieren."
Dr. Grimm beruft sich darauf, daß er an der gleichen Universität Münster i. Wests. Dozent ist wie Schmidlin, und daß er daher als „Freund" zu Worte kommen darf.
^ Gericht kann sich diesen Ausführungen nicht ver- schließen, und während der als offizieller Verteidiger erschienene Straßburger Anwalt Klein untätig auf der Ver- teldlgerbank sitzen muß, legt Prof. Dr. Grimm die persön* liche Lage Schmidlins dar, der seit ISO? als Privatdozent, letzt als ordentlicher Professor an der Universität Münster tätig ist und als eine Autorität auf dem Gebiete der katho- lischen Missionswissenschaft internationalen Ruf genießt. Es sei richtig, daß Schmidlin-wie alle Elsässer und Lothringer -! durch den Versailler Friedensvertrag Fran
zose geworden ist, aber er sei daneben auch durch seine Tätigkeit als Universitätsprofessor einer preußischen Universität Deutscher und habe als solcher der Regierung den Dienst- ^..geleistet Mail könne ihm, in dessen Person sich ein Stuck elschsischer Grenzlandtragik zeige, nicht zumuten, sein Amt im Stich zu lassen, um auf bloße Pressenachrichten hin ohne irgendwelche formelle Ladung nach Colmar zu reisen, um sich in einem französischen Schwurgerichlsverfah -en zu verteidigen. Prof. Schmidlin befinde sich in >insr moralischen Zwangslage, die von jedem, auch dem französischen Reckt respektiert werden müßte. Auf wiederholte Einwendungen des Gerichtspräsidenten, daß Grimm seine Zulas - ßnq zu einem richtigen Plaidoyer ausnütze, erwidert ihm Grimm, daß seine Ausführungen nötig seien, um seinen Freund S^—'^lin zu „entschuldigen". Durch eine eventuelle Verurteilun-- Grimm fort, würde Schmidlin aufs schwerste geschädigt, denn man mache ihm die Riick°ehr in seine elsästüchs Heimat unmöglich, an der er mit größter ^->e - hänge, und wo alle seine Verwandten wohnen. Grnmr vermag auch auf die Tätigkeit Schmidlins während o r Kriegszeit hinzuweisen, wo dieser für die französis-hen ^^Ssgefangenen mancherlei Verdienste sich erworben »-t c-T^of- Grimm appellierte zuletzt an das Gerechtigkeitsgefühl des Gerichts, das unbedingt Freisprechmg verfugen müsse. Die Anklage berufe sich auf Polizeiberichte, , E- keine gesetzlichen Beweismittel seien, sondern
lediglich „rsnssixriMMt", Informationen. Durch einen
schon früher eingerichteten Schriftsatz mit amtlichen Bescheinigungen seien die polizeilichen Behauptungen längst widerlegt. Schmidlin habe übrigens erst unmittelbar vor d -n Termin für den ersten Komplottprozeß auf dem Wegs Mer Pcessenachrichten Kenntnis davon erhalten, daß <r über- Haupt angeklagt sei. Eine gesetzmäßige Verteidigung einzuleiten, sei damals bereits zu spät gewesen. Er hätte sonst zweifellos den Untersuchungsrichter von der Haltlosigkeit der Anklage überzeugen können. Seine Schuld aber sei es nicht, daß er keine Kenntnis von der Untersuchung hatte; die französische Justiz habe Schmidlins SjMung als Professor der Universität Münster gekannt und also durchaus die Möglichkeit gehabt, ihn von den Anklagen gegen ihn zu benachrichtigen.
Zum Schluß weist Prof. Dr. Grimm darauf hin, daß er vor französischen Kriegsgerichten für deutsche Angeklagte habe plaidieren dürfen, wenn sie auch abwesend waren. Heute, unter ganz anderen politischen Verhältnissen, dürfe ein französisches Gericht einen Elsässer nicht ungehört verurteilen, wenn wie hier auf seine angeblichen Verbrechen evtl. Deportation nach Neu- Caledonien stehe.
Nach kurzer Beratung verkündet das Gericht, daß die Abwesenheit Prof. Schmidlins nicht als entschuldigt angesehen werde und dos Verfahren fortgesetzt wird. Nach Ver- lesung verschiedener Briefe aus den Akten trat eine Verhandlungspause ein. Dann beginnt die Anklagerede des Staatsanwalts, der lediglich die Behauptungen des Anklageakts sich zu eigen macht, obwohl sie bereits im ersten Komplott-Prozeß restlos widerlegt worden sind. Der Staatsanwalt formuliert keinen eigentlichen Strafantrag, sondern beschränkt sich auf den Hinweis auf die Vorschriften des Gesetzes.
Danach zieht sich das Gericht zur Beratung zurück und dann werden die bekannten schweren Zuchthausstrafen gegen die sieben Angeklagten verhängt. Prof. Schmidlin wird dabei mit 15 Jahren Zuchthaus, 20 Jahren Aufenthaltsverbot und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bestraft. Ein echtes „jugsmenk kranyaw", ein „französischer Rechtsspruch", wie ihn die Elsaß-Lothringer in den letzten Jahren so oft erleben mußten, wenn ein französisches Ge- richt über „befreite Brüder" zu urteilen hatte.
Staaken?
Aller Wahrscheinlichkeit nach „ja". Haben doch auf dem soeben stattgefundenen republikanischen Parteikonvent in K a n s a s C i t y sich über 700 Delegierte für seine Nominierung ausgesprochen — 545 hätten genügt. 5n Amerika wechseln bekanntlich die beiden Parteien, die Demokraten und Republikaner, so ziemlich regelmäßig. Bis 1920 waren acht Jahre lang die Demokraten Inhaber der Präsidentschaft, seither die Republikaner; und nun stellen die letzteren wiederum sich zur Wahl.
Hoover also ist Republikaner; er war zwar auch Demokrat zur Zeit Wilsons. Unter diesem Präsidenten begann er seine glänzende Karriere. Wilson berief ihn in der schweren Kriegszeit zum Lebensmiktelverwalter, und Hoover hat diese Aufgabe glänzend gelöst. Als der Krieg vorbei war, machte er gewissermaßen den Bersorger des hungernden Europa. Das lag ihm schon als Quäcker — er soll jeden Sonntag den Gottesdienst seiner Kirche in Washington besuchen —, aber es war nicht nur christliche Nächstenliebe, die ihn dazu bewog, Hoover wollte zwei Mücken mit einem Schlage treffen: mit der Hungerbekämpfung wollte er die westliche Welt vor dem östlichen Bolschewismus retten.
Aber nicht nur der Glorienschein der Menschenfreundlichkeit erklärt sein Bild, Hoover ist ein Wirtschaftler ersten Ranges, ein großartiger, in seiner Art unerreichter Organisator des Handels, der das moderne Amerika mit seinen Riesenkonzernen, seiner Massendisziplin, seinen Serienerzeugnissen wie ein gewandter Maschinenmeister unfehlbar beherrscht. Seinem Zeichen nach ist er bekanntlich Hände l s f e k r e t ä r. 5n Wirklichkeit aber greift seine Zand in alle Ministerien hinein und zieht auch Dinge vor sein Forum, die mit dem Handelsministerium eigentlich nichts zu tun haben. Man nennt ibn deshalb im Scherz den „Unter- skaakssekrekär sämtlicher Ministerien", und es ist begreiflich, daß diese seine Einmischung sehr oft zu Konflikten über die Zuständigkeit seines Amtes führte.
Das geniert ihn aber nicht. Sein märchenhafter Fleiß, seine eiserne Energie und seine fabelhafte Skoffbeherrschung verschafften ihm immer wieder jene Autorität, die auch den Widerspenstigen in ihren Bann zwingt. Namentlich hak er es auf die Ausgestaltung der natürlichen Wasserwege des Landes abgesehen. Man nennt ihn spottweise den „Staatsmann des Wassers". Kurz: «Für ihn gibt es nichts, was er nicht kontrollieren und organisieren möchte, sei es nun die Warenzirkulation, der Außenhandel, die Landschaft, die Natur oder die menschliche Seele."
Hoovers überragende und überwältigende Macht liegt in der Tat, weniger im Wort. Im Gegenteil: er ist ke i n guter Rs.d^er, Die We LedeZst. ihm nicht gegeben.
Schüchtern blickt er vor sich hin. Selten wendet er den Blick weg von seinem Manuskript. „Wenn man Hoover in einer Versammlung sprechen hört, sollte man sich in unmittelbare Nähe des Rednerpultes setzen, um der Gefahr zu entgehen, ihn nicht zu verstehen."
Dieser Mann wird also bald der Erwählte seines Volkes sein. Er wird seine Nebenbuhler Smith und Dawes schlagen. Ihm wäre nur ebenbürtig ein Coolidge, aber dieser hat aufs bestimmteste die Kandidatur abgelehnt, ja geradezu seiner Partei verboten, ihn auf die Kandidatenliste zu setzen.
Was wird Hoover uns Deutschen bringen? Eine recht ernste Frage. Zweifellos wird ihn die Aufgabe der Revision des Dawesplans beschäftigen. Wird !r an dem Schuldenabkommen mit Frankreich und England esthalten oder wird er den seitherigen Grundsatz der Wa- hingtoner Regierung, daß das Reparationsproblem und die Frage der alliierten Schulden nicht vermengt werden ürfen, souverän durckbrechen? Hoovers Präsidentenwahl ist sto für Deutschland nicht gleichgültig. H.
Neueste Nachrichten
^ tigsame Klärung in der Reglerungsbilbuiig
Berlin, 16. Juni. Der Abg. Hermann Müller hat heute vormittag die Vertreter der für die Bildung der großen Koalition in Frage kommenden Parteien zu einer gemeinsamen Besprechung der sachlichen Grundlagen für die Zusammenarbeit gebeten. Zu dieser interfraktionellen Besprechung waren die Vertreter der Sozialdemokra-, ten, des Zentrums, der Bayer. Volksvartei, der Demokraten und der Deutschen Volkspartei erschienen. Es soll, wie aus Kreisen dieser Parteien verlautet, der Versuch gemacht werden, zunächst einmal unter Beiseiteschiebung der grundsätzlichen Streitfrage über die Umbildung der preußischen Regierung die anderen Forderungen der einzelnen Parteien, vor allen Dingen die wirtschaftlichen Forderungen der Deutschen Volkspartei, miteinander in Einklang zu bringen. Es wird angenommen, daß in der Besprechung, über die im Augenblick noch keine Mitteilung ausgegeben worden ist, eine sachliche Klärung und Lösung erzielt werden wird.
Die Gründe-, die zu dieser Entwicklung der Lage geführt haben, liegen in den Vorgängen, die sich gestern innerhalb der Deutschen Volkspartei vollzogen haben. Es wird uns von volksparteilicher Seite berichtet, daß die Vol"spartei in ihren gestrigen internen Beratungen, die unrer dem Einfluß Stresemanns standen, ihre bisheriger. Bedenken gegen eine Beteiligung an der Reichsregierung zurückgestellt hat, nachdem es gelungen sein soll, die anderen an der Regierung beteiligten Parteien dazu zu bewegen, die Berechtigung der volksparteilichen Forderung auf Beteiligung an der preußischen Forderung wenigstens grundsätzlich anzuerkennen. Die anderen Parteien hätten, da die Volkspartei nunmehr ihre Forderung in einer Form gestellt habe, die ihnen nicht den Zwang auferlegen würde, ihre preußischen Fraktionsgenossen ultimativ zu einer Entscheidung zu drängen, anerkannt, daß auf dieser Grundlage eine Lösung möglich wäre. Einige Schwierigkeiten würden lediglich noch eintreten, wenn die Deutsche Volkspartei auf einen bestimmten Termin für ihren Eintritt in die Preußenregierung drängen würde. Aber auch für diesen Fall hätte Man bereits eine Kompromißformel vorgesehen. Von volksparteilicher Seite wird darauf hingewiesen, daß die Partei umso eher geneigt wäre, die Forderungen in der Preußensrage zurückzuschrauben, als man ihr in sachlicher Hinsicht dei der Beratung des Regierungsprogrammes entgegen- kommen würde.
General Schönaich aus der demokratischen Partei ausgetreten
Berlin. 16. Juni. Wie die „Vossische Zeitung" meldet, ist Generalmajor a. D. Freiherr Paul v. Schönaich bereits im Februar aus der demokratischen Partei ausgetreten. Den äußeren Anlaß dazu habe der Protest der württ. Demokraten gegen Schönaichs Propaganda für die Kriegsdienstverweigerung gegeben. Nur mit Rücksicht auf die Kandidatur Tantzens in seinem Wahlkreise Schleswig-Holstein habe er mit seinem Austritt bis nach der Wahl zurückgehalten.
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Die Wahl Ricklins und Rosses für gültig erklärt
Paris. 15. Juni. Zu Beginn der heutigen Kammersitzung wurde die Wahl der beiden elsässischen Abgeordneten Dr. Ricklin und Rosse für gültig erklärt und zwar ohne Debatte. Hierauf trat die Kammer in die Diskussion der vorliegenden Interpellation über die allgemeine und die Finanzpolitik der Regierung ein. Erster Jnterpellent ist der Abgeordnete von Paris Rollin (Linksrepublikaner), der sich in der Hauptsache mit der Frage beschäftigt, welche Maßnahmen die Regierung zu ergreifen gedenke, um die Wohnungsnot zu bekämpfen.