Nr. 246

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Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsdezirk Calw.

98. Jahrgang.

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AnzeigenpreiA: Die Zeile 80 Mk., Familienanzeige« Auf Sammelanzeigen kommt ein Zuschlag von 100^,

Freitag, den 19. Oktober 1923.

l Bezu^<prei<:Jnd«r Stadt nüt Trüaerlohn! 100000^0 Dtt. wvchenli. PostdezugtpreiL 110000000 Mk- I ohne Bestellgeld. Einzelnummer 20000000 Mk. Schluß der Anzeigenannahme 8 Uhr vormltlagt'

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Das Ergebiii- dettexWellBMIiling in Paris.

Berlin, 18. Okt. Der deutsche Geschäftsträger in Paris hat Lei seiner gestrigen Unterhaltung mit dem französischen Mini­sterpräsidenten im Anschluß an die frühere Besprechung noch­mals eingehend die Auffassung der Reichsregierung über die Regelung der Verhältnisse mit den besetzten Gebieten und über die Weiterbehandlung der allgemeinen Reparationsfrage dar- gelcgt. Da der französische Ministerpräsident bei der früheren Besprechung die deutscherseits vorgeschlagenen Verhandlungen, mit der Begründung abgelehnt hatte, daß er die Aufgabe des passiven Widerstands und ihre Modalitäten nicht mit der deut­schen Regierung erörtern könne, hat der Geschäftsträger darauf ibingewiesen, daß die deutsche Absicht nicht dahin gehe, über die s Aufgabe des Widerstands, die für uns ein« vollzogene Tatsache -sei, sondern darüber zu verhandeln, wie nach der Aufgabe des s Widerstands die Wiederingangsetzung von Arbeit und Produk­tion im besetzten Gebiet am zweckmäßigsten und schnellsten zu ^werkstelligen sei und wie di« Wiederaufnahme von Kohlen- und Kokslieferungen in der gegenwärtigen Situation ermöglicht ! werden könnten. Wenn der französische Ministerpräsident bei der ersten Besprechung die Wiederaufnahme der Arbeit als «ine allein von den lokalen Organen zu lösende Angabe bezeichnet Hab:, so sei die Reichsregierung bereit, auch solche lokale Ver­handlungen zu fördern. Der Geschäftsträger hat dem franzöfi- ,scheu Ministerpräsidenten in diesem Zusammenhang die Weisun- ,'gen zur Kenntnis gebracht, welche die Regierungen des Reichs k«nd der Länder den Beamten, insbesondere den Eisenbahnern ^m besetzten Gebiet erteilt haben. Ebenso hat er ihm di« Richt­linien für die Industriellen bekanntgegeben. Der Geschäftsträger shat aber mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß di« bisherige Methode der Verhandlungen zu einer völligen Zersplitterung, Ratlosigkeit und Untätigkeit in» besetzten Gebiet geführt habe und daß daher die von Deutschland gewünschte» einheitlichen Verhandlungen eine tatsächliche Notwendigkeit feie«. Auf an­derem Wege werde sich das von Frankreich angestrebte Ziel, Nämlich die Wiederherstellung des Zustandes vor dem 11. Januar l192S, nicht erreichen lassen. Als wichtigsten Punktier von Re­gierung zu Regierung zu verhandelnden Fragen hat der Ge­schäftsträger die Frage der Kohlen- und Kokslieferunge» au Frankreich und Belgien hingestellt. Er hat dem französischen Mi­nisterpräsidenten im einzelnen dargelegt, daß Deutschland gegen­wärtig schlechterdings außerstande sei, diese Finanzierung seiner­seits vorzunehmen, und hat im Zusammenhang damit auf die außerordentlich gefährlichen Folgen hingewiesen, die sich ergeben würden, wenn di« Kohlenzechen die Arbeit -war zunächst wieder «ufnähmen, sie aber schon nach wenigen Tagen infolge der man­gelnden Zahlungsmittel wieder ausgeben müßten. Nachdem die illnterstützungszahlungen des Reichs eingestellt worden seien, lwürden sich die Verhältnisse im Ruhrgebiet binnen kürzester Zeit dahin zuspitzen, daß 550 009 Bergarbeiter mit ihre» Familien­angehörigen ohne irgendwelche Subsistenzmittel dem Verhungern gcgenüberständen und daß dazu noch Millionen von Arbeitern und Angestellten anderer Jndustrirn kämen, deren Beschäftigung vollständig von dem regulären Betrieb der Kohlenzechen ab- hänge. Die deutsche Regierung sehe diese zwangsläufige Ent­wickelung klar vor Augen, stehe ihr aber, wenn Frankreich eine Verständigung ablehne, machtlos gegenüber. Im Anschluß hieran hat der Geschäftsträger auch die Gründe dargelegt, welche die Reichsregierung veranlaßt haben, die Kohlensteuer aufzuheben. !8as die weitere Behandlung der allgemeinen Reparationsfrag« anlangt, so hat der Geschäftsträger zum Ausdruck gebracht» daß auch nach Ansicht der deutschen Regierung die Verhandlungen hierüber mit allen beteiligten Alliierten stattfinden müßten. Die Rcichsregierung halte es für ratsam und glaube auch, den vielfach von Poincare geäußerten Ansichten zu entsprechen, wenn sie sich zur Klärung des gegenwärtigen Standes der Repara- tionsfrage alsbald mit der Reparationskommission in Verbin­dung setze. Der französische Ministerpräsident hat in seiner Ant­wort die Ausnahme von Regierungsoerhandlung«» über di« Wie­deraufnahme der Arbeit im besetzte« Gebiet kategorisch abSe- lehnt. Er hat erklärt, daß ihm die von der Reichsregierung und den Länderregierungen den Beamten und Industriellen de» be­setzten Gebiets erteilten Weisungen gleichgültig seien und daß es für ihn nur auf Tatsachen ankomme. Das allein Ausschlag­gebende sei für ihn die restlose Wiederherstellung des tatsäch- lichen Zustands vor dem 11. Januar 1023. Die deutschen Erklä­rungen übe» di« AnmögliMrit der SiW»s-iMNg der^SyKMs«^,

!»die VertzandlurMn. '

rungen könne er nicht anerkennen. Er muffe sie im Gegenteil als ein Element des Widerstands bezeichnen. Auf welche Weise die deutsche Regierung die Finanzierung der Sachlieferungen fertig bringe, sei ihm ebenfalls völlig gleichgültig. Die Erörte­rung etwaiger deutscher Vorschläge'durch die Reparationskom- mission werde er solange nicht Massen, als nicht der deutsche Widerstand nach französischer Auffassung restlos aufgegeben worden sei. '

Berlin, 18. Okt. Zu der ablehnenden Antwort, die Poincarö gestern dem deutschen Geschäftsträger in Paris erteilt hat, bemerkt dieZeit": Die Politik des französi­schen Ministerpräsidenten läuft darauf hinaus, die deutsche Regierung von allen Mitbestimmungsrechten an Rhein und Ruhr auszuschliehen, ihr aber gleichzeitig alle Lasten finanzieller und materieller Natur aufzubürden, die aus der Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit erwach­sen. Diese Zumutung ist schon vollkommen politisch un­möglich, sie ist aber schon materiell ein- reines Ding der Un­möglichkeit. Denn die deutsche Regierung ist unter keinen Umständen in der Lage, die finanziellen Verpflichtungen zif übernehmen, die mit der Wiederaufnahme der Produk­tion im Ruhrgebiet oder gar der Wiederaufnahme der Re­parationslieferungen verbunden sind. Die französische Re­gierung trägt die Schuld daran, wenn die Produktion im Ruhrgebiet zum Stillstand kommt und die Massenbevölke­rung dort ohne Lohn und Brot ist. Lassen die Entente­mächte den Dingen ihren Lauf, und lasten sie zu, daß Deutschlands bedeutendstes Wirtschaftsgebiet darunter un­ermeßlichen Schaden erleidet, so wird der Augenblick nicht fern sein, in dem Deutschland überhaupt alle seine Entschä­digungsleistungen einstellen mutz.

Unannehmbare Richtlinien für die Wieder- einftellung der Eisenbahner.

Este«, 18. Okt. Von dem französischen Eisenbahnkom­mandanten in Wanne wurden folgende Richtlinien für die Wiedereinstellung der Eisenbahner ausgegeben, die aller Wahrscheinlichkeit nach auch Geltung für das ganze besetzte Gebiet haben: Bei Uebernahme der Bediensteten in den Regiebetrieb verpflichtet sich dieser, die Eisenbahner nach Franken zu bezahlen. Die Auszahlung erfolgt jedoch in Papiermark. Die Bezahlung soll nicht höher sein als die­jenige im unbesetzten Gebiet. Den in die Regie einge­stellten Eisenbahnern soll das Reich die Bezüge bis zum 27. Oktober weiterzahlen. Ausgewiesene, gegen deren Wie­dereinstellung keine grundsätzlichen Bedenken bestehen, kön­nen nach Prüfung jedes Einzelfalles wieder eingestellt werden. Die Wiedereinstellung der Inhaftierten wird ab­hängig gemacht vn der Stellungnahme der französischen Militärbehörden. Es wird jedenfalls von Fall zu Fall ent­schieden, ob inhaftiert Gewesene eingestellt werden oder nicht. Dem Personal soll seine deutschen Belange in sozial­politischer und arbeitsrechtlicher Beziehung gesichert wer­den. Für die Durchführung der Beamten- und Arbeiter­pensionen soll das Reich einen noch festzusetzenden Grund­stock an die Regie abfllhren. Höhere Beamte werden nicht wieder eingestellt. Sämtliche leitende Stellen sollen durch Franzosen besetzt werden. Dienstleiter werden nach vorhe­riger Prüfung wieder eingestellt. Es wird ein starker Per­sonalabbau vorgenommen. Die Regie glaubt, mit der Hälfte des bisherigen Personals Auskommen zu können. Der Umfang der Regiebahnen soll an verschiedenen Stellen eine Abänderung erfahren. Die bisher noch unbesetzten Bahnen werden in die Regie mit einbezogen. Die Regie verlangt volle Wiederherstellung des Eisenbahnnetzes und Aufstel­lung des Wagen- und Lokomotivparks nach dem Stande vom 1v. Januar 1923. Die Kosten soll das Reich zahlen.

Einigung über die Wiederaufnahme der Arbeit der Postvermattnng in Düffeldorf.

Paris» 18. Okt. Havas berichtet aus Düsseldorf, di« Verhandlungen, die über die Wiederaufnahme der Arbeit bei der Post- und Telegraphenverwaltung in Düsseldorf geführt seien, hätten eine Einigung herbeigesührt. Die Wachtposten würden beibehalten. Die Gebäude der Ober- postdirektion blieben requiriert und würden auch fernerhin vom Teleqraphendienst der Rh-inariw' Anterkunst ge-

Neueste Nachrichten.

Der Konflikt im Innern spitzt sich zusehends z«. Als Eegenzug gegen den Auflösungsbesehl an die proletarische» Hundert­schaften in Sachse« hat der sächsische Ministerpräsident im LandtagEnthüllungen" über die Reichswehr gemacht, die mitschwarzen Organisationen" gefüllt werde. Die bürger­lichen Parteien bezeichnet«» diese Erklärungen als Landes­verrat, wodurch ein ungeheurer Tumult entstand.

Der Reichswehrbefehlshaber in Bayer« ist abgesetzt worden, weil er sich dem Staatskommiffar gegenüber nicht dnrchzusetzen vermöge.

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von Berlin ans wird jetzt das Ergebnis des dentschen Schrittes i« Paris bekannt gegeben. Danach hat Poincarä kategorisch jebe Verhandlung mit der deutsche» Regierung unter den nich­tigsten Vorwänden abgelehnt. Die deutsche Regierung wird sich «nn an di« Reparationskommisfion »»enden.

Verzögerung der Wiederaufnahme der Arbeit durch die Franzosen.

Berlin, 18. Okt. Di« von Havas verbreitete Nachricht, Hatz der Reichsverkehrsminister die Fortsetzung des passi­ven Widerstandes im besetzten Gebiet durch die Eisenbah­ner ungeordnet habe, ist unwahr. Der Reichsocrkehrsmini. ster hat im Gegenteil unter dem 13. Oktober 1923 die be­kannte allgemeine Aufforderung an die Eisenbahnbedien­steten des besetzten Gebietes gerichtet, sich vom 17. Oktober ab der französisch-belgischen Regie zur Verfügung zu stellen.

Düsseldorf, 18. Okt. In öffentlichen Anschlägen suchen die Franzosen den Anschein zu erwecken, als ob fie dis Wiederaufnahme der Arbeit nach Möglichkeit beschleunig­ten. In Wirklichkeit verzögern sie jede positive Maßregel. Auf eine Eingabe der Behörden und Wirtschaftskreise, wo­rin gebeten wurde, die Truppen aus den Werkstätten zu- rückzuziehen, Uetz der kommandierende General des Brük- kenkopfes Düffeldorf mitteilen, daß diese Frage vorläufig zurückgestellt werden müsse.

Neue Verhandlungen der Ruhrindustriellen mit de« Franzosen.

Paris, 18. Okt. Der Sonderberichterstatter desPetite Parisien" in Düsseldorf glaubt mitteilen zu können, datz bei der gestrigen Beratung der Industriellen Stinnes, Klöckner und Vögeler mit einigen Ingenieuren der franzö­sisch-belgischen Mission kein Abkommen erzielt wurde.

Der deutfche Reichskanzler zur Lage.

London, 18. Okt. Reichskanzler Dr. Strefemann er­klärte dem Berliner Berichterstatter derDaily News", die deutsche Regierung strebe mit allen Mitteln darnach, der finanziellen und politischen Schwieri^eiten im Inneren Herr zu werden, wozu sie unbedingt eine Periode der Ruhe in der auswärtigen Politik brauche. Der Zusammenbruch der deutschen Einheit könne so wichtige Rückwirkungen auf England haben, datz er die Haltung Englands beein­flussen müsse. Die deutsche Regierung verfolge die Wirk­samkeit des Völkerbundes mit großem Interesse. Der Völ­kerbund habe sich weder mit der Frage der Reparationen, noch mit der französisch-belgischen Nuhrbesetzung befaßt, ein Beweis, wie wenig Bedeutung er augenblicklich habe. Wo er eingegriffen habe, wie in der oberschlesischen Frage, könne Deutschland nicht zugeben, datz seine Entscheidung mit Recht und Gerechtigkeit übereinstimme. Der Reichs- kanzler bestätigte, datz Deutschland daran sei, eine neue Note an die Reparationskommisfion zu übersenden, lehnte es aber ab, ihren Inhalt zu erörtern.

Der deutfche Botschafter beim englische« Außenminister.

London, 18. Okt. Lord Eurzon empfing gestern nach­mittag den deutschen Botschafter v. Sthamer im Foreign Office. _

Deutschland.

Die Gewerkschaften zur wirtschaftlichen " und politischen Lage.

Berlin, 17. Ott. Heute fand im Plenarfitzungrsaal der Reichswirtschaftsrats die erst« gemeinsam« Tagung de, Bundes ausschüssr des Allgemeine« dentschen Gewerkschaftsbnnde», d«»

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