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Nr 30

Mrldvcrd den 21 Tlvrtt

1928

Hatz aus Liebe.

Roman nach dem Englischen von Hugo Falkner.

Copyright by Greiner «- Eomp- Berlin W 30.

Nachdruck verbot«.

15 Fortsetzung.

Vierter Teil.

1. Kapitel.

Der Detektiv.

Englisches Leben, englische Landschaft waren neue Dinge für Gertrude, die unbeschreiblichen Reiz für sie besaßen; sie ging sogar soweit, zu behaupten, sie liebe den englischen Nebel, die kalten Winde, den scharfen Frost; die farbenreiche Szenerie des fruchtreichen Italiens dünkte ihr in nichts zu versinken, wenn sie eine Parallele zog zwischen diesem und dem neuen Heimatlande.

Nachdem Gertrude einen Tag in Lady Fieldens Heim sich ausgeruht, fuhren Mutter und Sohn mit ihr hinüber nach Scarsdale. Es war rührend, zu sehen, mit welch pietätvollem Gefühl sie durch die Räume schritt, die einst ihr Vater bewohnte; sie kämpfte so mühevoll mit den Tränen, daß Harry nur mit größter Mühe sich so weit beherrschen konnte, daß er sie nicht in seine Arme schloß.

Die alte Schloßverwalterin weinte Helle Freuden­tränen.

Willkommen, Fräulein Allanmore," rief sie, ich hatte nie gehofft, irgend jemanden von der Familie wieder­zusehen.

Gertrude zuckte merklich zusammen, als sie zum ersten , Male bei ihrem Namen genannt wurde; Lady Fielden , aber machte ihr ein Zeichen, sich zu beherrschen und nicht zu verraten, wie fremd ihr derselbe klinge.

Die wenigen von der Dienerschaft, die sich noch auf dem Schlosse befanden, waren ebenfalls hocherfreut, die Tochter ihres einst so sehr verehrteir Gebieters wieder- x zusehen. Gertrude hätte gerne ihr Heim in Scarsdale

' aufgeschlagen, denn sie wäre gerne allein gewesen, doch

Lady Fielden wollte nichts davon wissen.

Schloß Fielden war ein prächtiger, alter Besitz, an dessen altersgrauem Mauerwerk sich Efeu emporränkte. Die kostbaren Bilder und Statuen, die die weiten Hallen zierten, waren während vieler Generationen angesammelt worden, so daß das Ganze den Eindruck äußersten Be­hagens hervorrief und Lady Fielden mit Recht stolz sein konnte auf ihr schönes Heim. Gertrude liebte den herr­lichen Besitz ihrer Freunde und fühlte sich zufrieden im täglichen Verkehr mit Mutter und Sohn. Harry hatte zuerst junge Leute einladen wollen, um Gertrude zu zer­streuen, diese aber hatte sich so entschieden gegen diese Absicht ausgesprochen, daß er sofort davon abstand.

Um mich zu zerstreuen, zu unterhalten!" hatte sie überrascht ausgerufen;Sie wissen doch, Lord Fielden, daß ich hier bin, um angestrengt zu arbeiten und sonst nichts. Was sollte ich mit jungen Leuten anfangen? Wenn Sie einige alte Rechtsanwälte mit recht klugen Köpfen einladen, so wäre mir dies jedenfalls viel zweckentsprechen­der; junge Leute aber können mir nur im Wege sein."

Es hatte sich gar bald das Gerücht verbreitet, daß Sir Karls Tochter, so jung sie sei, zurückgekehrt wäre nach dem alten Heim, weil sie hinsichtlich des Geschickes, das ihren Vater betroffen, nicht zufriedengestellt war, daß sie sich weigere, daran zu glauben, daß er freiwillig Frau und Kinder verlassen und sie nun unter Lady Fieldens Obhut in deren Hause weile, nur um Nachforschungen anzustellen.

Alle Welt beklagte sie. Die Menschen hatten sich längst damit zufrieden gegeben, daß Sir Karls Schicksal . abgetan sei. Er hatte mit Lola de Ferras vor sechzehn * Jahr r die Gegend verlassen und war nahezu in Ver­gessenheit geraten. Sie hatten seinen Fehltritt beklagt.

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°° Der Ivsnn im stulemantel.

Amerikanischer Detektivroman von Carolyn Wells.

Und doch verfochten Sie die Ansicht, daß wir bei gege­bener Gelegenheit alle fähig wären, ein Verbrechen zu be­gehen!"

Ja, ich weiß, und in der Theorie kommt es einem auch glaubhaft vor", gab sie zur Antwort.Aber bei einem wirklichen Fall ist es doch schwer, daran zu glauben."

Aber Gilbert Crane ist unschuldig!" rie* ich.Fle­ming Stone sagt es auch, und er behauptet sogar, zu wis­sen, wer der Täter ist."

Das hat er gesagt!" rief Irene aus.Wer kann es denn nur sein?"

Mit einem Male wurden ihre großen dunklen Augen starr vor Entsetzen:Halten Sie es für möglich, daß es Mildred sein kann?" flüsterte sie.

Dies seltsame Mädchen hatte also gewagt, das auszu­sprechen, was ich nie hatte denken wollen!

.Nicht doch!" sagte ich.Das ist Ihrer unwürdig." iSie mißverstehen mich schon wieder", erwiderte sie ungeduldig.Ich habe ja gar keinen häßlichen Verdacht! Wenn Mildred selbst hier wäre, würde ich ganz offen ebenso mit ihr sprechen. Ich würde sie ganz ruhig fragen, ob sie sich die ganze Geschichte mit dem Unbekannten im Anto- mobilmantel vielleicht ausgedacht hätte. Man kann doch ohne zu verletzen, eine Frage stellen."

Dann will ich jetzt eine stellen", antwortete ich rasch. Was meinten Sie damit, als Sie mir am Montagabend sagten, wenn ich mich nicht in das Verhältnis zwischen Philipp und Mildred mischen wollte, würden Sie die Sache selbst in die Hand nehmen?"

Die Frage nehme ich Ihnen durchaus nicht übel",

mtgegnete sie ruhig, indem sie mir gerade in die A ugen

hatten' seine Frau bemitleidet; es war ihnen um die Kinder leid gewesen, nun aber war die ganze Angelegen­heit nahezu in Vergessenheit geraten.

Da kam nun Plötzlich ein schönes Mädchen in ihre Mitte, mit dem Stempel der Unschuld in den holden Zügen, mit einem feurigen Herzen, das um jeden Preis die Unschuld des Vaters an das Tageslicht fördern wollte, ein Mädchen, das laut und rücksichtslos erklärte, es müsse irgendein Irrtum obwalten, und mutig einen jeden bat, ihr in der schwierigen Mission beizustehen, dje es auf sich genommen hatte.

Wer Gertrudens Vater gekannt, bot freudigen Herzens die Hand zur Hilfe.

Gertrude verbrachte Tag um Tag in ihrem alten Heim in Scarsdale; sie fuhr morgens hinüber und kehrte erst abends heim; sie fragte die alte Haushälterin aus, bis sie jede Einzelheit, die mit Sir Karls Verschwinden in Zusammenhang stand, besser kannte, als selbst ihre Mutter; stundenlang weilte sie in den Räumen, die ihr Vater bewohnt hatte, und versuchte sich nach den Dingen, die ihn umgeben hatten, ein Bild seines Wesens zu ent­werfen. Sie suchte den inzwischen alt gewordenen Groom auf, der es nicht müde wurde, ihr von seinem ehemali­gen Gebieter zu erzählen, wohl wissend, daß er stets eine eifrige Lauscherin an ihr fand.

Den Grafen Risworth, der noch immer ledig war, hatte sie gleich am ersten Tage vollständig für sich ein­genommen; er neckte sie zuweilen wegen ihrer abenteuer­lichen Pläne, gestand sich aber selbst ein, daß, wenn irgend jemand geeignet sei, Aufklärung über Karl v. Allanmores seltsames Benehmen herbeizuführen, seine Tochter dieses einzige Wesen wäre.

Nachdem Gertrude alle Einzelheiten vernommen, setzte sie sich eines Tages zu ernster Beratung mit ihren drei Freunden zusammen, um ins klare zu kommen, womit man eigentlich beginnen müsse. Sie hatte ihren Geist geschärft durch die ernste Aufgabe, die sie sich gestellt; ihr Wesen verriet nun stets einen weit über ihre Jahre hinausreicbenden Ernst.

Die Beratung fand in Lady Fieldens Boudoir statt.

Mir ist alles noch rätselhaft," sprach Lord Risworth.

Um unsere Aufgabe in klaren Worten auszusprechen, sagen wir uns, wir wollen einen Mann finden, der spur­los vom Erdboden verschwunden scheint. ' Wir müssen kluge Detektivs verwenden, wir müssen mit aller Tat­kraft und Energie aus unser Ziel lossteuern, die Liebe eines prächtigen Mädchens soll uns als Heller Stern vor­anleuchten. Wie aber sollen wir vorangehen? Welchem Plan wird gefolgt?"

Bemühen wir uns vor allem um kluge Detektivs. Sie haben recht! Diese Leute denken stets an Dinge, die anderen nicht einfallen!"

Ein dankbarer Blick aus Gertrudens schönen Augen lohnte ihn für diese Worte und nach längerem Hin- und Herreden wurde diese erste Beratung zum Abschluß ge­bracht.

Vier Tage später versammelten sich alle von neuem, um mit dem inzwischen angelangten Detektiv, Herrn Shaw, Rücksprache zu halten. Es war ein ernster, stiller Mann, Mit Augen so scharf und schneidend, als könnten sie im tiefinnersten Herzensgründe einer jeden Menschenseele lesen. Er ließ sich jede, noch so geringfügige Einzelheit erzählen und legte manchen Umständen Gewicht bei, die bisher völlig nebensächlich geschienen hatten.

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blickte,und ich nehme auch nicht an, daß Sie mir eine ver­brecherische Tat zugetraut haben, weil Sie die Frage stellen. Ich wollte damit nur sagen, daß ich Philipp selbst vor der kleine koketten Hexe warnen wollte, wenn Sie es nicht täten. Sie werden Wohl finden, daß ich nicht dazu berech­tigt gewesen wäre, aber ich bin darin doch anderer Ansicht. Aber jetzt ist das ja alles nicht mehr von Belang. Wollen wir wieder nach Hause gehen?"

Wir kehrten um und sprachen auf dem Rückweg über gleichgültige Dinge. Auf der Veranda kam uns Fleming Stone entgegen.

Ich habe hier auf Sie gewartet", sagte er zu mir, als Irene mit einem freundlichen Nicken an ihm vorüber ins Haus hinein ging.Sie sollen der erste sein, der erfährt, daß ich meiner Sache nunmehr sicher bin, Herr King. Es ist jetzt gleich ein Uhr, und nach dem Frühstück will ich Ihnen alles erzählen. Ich habe auch Herrn Hunt benach­richtigt und bitte Sie, sich um zwei Uhr in der Bibliothek einzufinden."

Obwohl ich mir selbst nicht darüber klar war, weshalb, wurde mir doch unerklärlich schwer ums Herz, so daß es mir beim Frühstück fast unmöglich war, ein unbefangenes Gesicht zu machen und meinen Teil zur allgemeinen Unter­haltung beizutragen. Die Stimmung war überhaupt etwas trübe. Irene war nachdenklich und zerstreut, und selbst Herr Maxwell schien unruhig und nervös zu sein. Nur Fräulein Maxwell hatte ihre gewohnte freundliche Gelassenheit bewahrt, was ich wohl mit Recht dem rück­sichtsvoll beschwichtigenden Einfluß Fleming Stones zu­schrieb.

Endlich standen wir vom Tisch auf, und ich befand mich in einem so quälenden Zustand hochgradiger Spannung, daß ich mich gleich in das Bibliothekszimmer hinauf begab. Der erste, der sich nach mir einfand, war Hunt.

Ich sollte meinen," sprach er endlich,daß der Grund, weshalb mein Berufsgenosse nicht schon vor Jahren der ganzen Angelegenheit auf die Spur kam, darin zu suchen ist, daß er eben nicht alles wußte. Details sind in einem Falle, gleich den, vorliegenden, von wesentlicher Bedeu­tung. Ich glaube, daß, wenn er mehr gewußt, er auch besser hätte Vorgehen können. Mit einem Detektiv sollte man ebenso rückhaltlos offen sein können, wie mit einem Arzt, und wenn dies nicht geschieht, tut man unrecht."

Nichts soll Ihnen verheimlicht werden, dafür bürge ich," entgegnete Gertrude.Mein Großvater, der Vater meiner Mutter, der ein wichtiger Zeuge gewesen wäre, ist tot. James Asthford, der Groom, und Graf Risworth, die die beiden letzten gewesen sind, die meinen guten Vater gesehen, werden Ihnen alles mitteilen, was sie wissen. Ich werde Ihnen die Briefe zeigen, die vor- liegeu, und das Bild meines Vaters," fuhr Gertrude fort, deren Hoffnungen stiegen, je mehr sie sah, mit welch leb­haftem Interesse der Detektiv zuhörte.Sind Sie ein guter Physiognomiler?" fragte sie, das Bildnis Karl von AllanmorcS dem Manne reichend.

Herr Shaw blickte es lange und Prüfend an.

Es ist das Gesicht eines guten, edlen Mannes," ent­gegnete er endlich ernst.

Nun lesen Sie diese Briefe und sehen Sie, was Sie daraus schließen."

Die Briefe Lolas, die Bianca so lange Jahre hindurch aufbewnhrt, wurden heute zum ersten Male fremden Bücken preisgegeben: der Detektiv las sie aufmerksam, es

War, als ob er jedes einzelne Wort prüfe und überlege; er schwieg lange, lange; als er endlich emporblickte, da sprach er langsam und deutlich:

Nach meinem Dafürhalten trägt die Dame einzig und allein an allem Schuld."

Die Dame!" wiederholten seine Zuhörer mit ver­schiedenartiger Betonung.

Die Dame, ja," wiederholte er.Es würde mich gar nicht überraschen, zu vernehmen, daß der Herr die Dame niemals begleitet hat."

Das Interesse seiner Zuhörer nahm mit jedem Wort, das er sprach, zu.

Sehen Sie hier diesen ersten Brief," fuhr er fort, den die Dame an Sir Karl geschrieben hat, die Art und Weise, in der er versaßt ist, weist nicht daraus hin, daß Sir Karl sie liebte, durchaus nicht. Sie möchte ihn um eine Gunst bitten und will nicht, daß seine Frau darum Wiste. Offenbar, nach allem zu urteilen, was Sie mir mikteilten, Fräulein v. Allanmore, war Ihr Vater nicht geneigt, auf das Ansinnen der Dame einzugehen, trotz­dem tut er es und wird nie im Leben wiedergesehen. Alle Welt nimmt an, daß die Dame ihn überredet habe, mit ihr zu entfliehen; aus dem Ton des Briefes geht ganz deutlich hervor, daß keinerlei frühere Verabredung statt­gefunden haben könne. Nun betrachten Sie dieses zweite Schreiben, das von allen als schlagender Beweis ange­sehen wird.

Ich glaube nicht," fuhr der Detektiv fort,daß der Freiherr sich bei der Schreiberin befunden hat; mir macht es den Eindruck, als ob die Dame gewollt habe, man solle annehmen, der Freiherr sei bei ihr. Sie schreibt nicht offen, daß dies der Fall, vielleicht liebrach es ihr an Mut. Sie sagt nur:Sie haben den Mann, den Sie mir geraubt, zum letztenmal gesehen, das ist meine Rache." Wer weiß, worin nun eigentlich ihre Rache bestanden? Sie hat ihn vielleicht gemordet, oder andere gedungen, die die verbrecherische Tat geübt, und dann den Leich­nam verbargen; sie kann ihn in einer Irrenanstalt ver­borgen halten, hinter Schlotz nnb Äliegel. Sie mag alles mögliche mit ihm getan haben, nur das eine nicht, dessen man sie beschuldigt; es gelang ihr nicht, ihn zu über­reden, mit ihr zu entfliehen, ich bin dessen ganz gewiß. Wer weiß es, in welcher Gestalt die Rache sich gezeigt hat?"

Gertrude lauschte mit weitgeöffneten Augen.

Das sind ganz genau meine Gedanken; all das habe ich mir aesaat, als ich Lolas Brief las," sprach sie endlich.

Haben Sie eine Ahnung von dem, was Herr Stone uns mitteilen will?" fragte er mich.

Nein", erwiderte ich,durchaus nicht."

Er hat Dr. Sheldon bitten lassen, um zwei Uhr her­zukommen", sagte Hunt.

Meine Gedanken flogen wieder unwillkürlich zu Mild­red Leslie hinüber, aber ich sagte nichts.

Nun trat Fleming Stone herein und begann in kühl geschäftsmäßigem Tone:

Meine Herren, wie Sie wissen, bin ich als vollkommen vorurteilsloser Fremder hierhergekommen. Ich habe die verschiedenen Berichte über das Verbrechen angehört, habe die verschiedenen Beweise erwogen, selbst noch einige Ent­deckungen gemacht und dann meine Schlüsse gezogen. Nach reiflichem Nachdenken über die Naturen aller, die sich zur Zeit seines Todes in Philipp Maxwells Umgebung befan­den, habe ich mir alle etwaigen Beweggründe für ein sol­ches Verbrechen überlegt und teile Ihnen nun das Ergeb­nis meiner Erwägungen und Erhebungen mit.

Meine Herren, Philipp Maxwell ist von seinem Onkel, Herrn Alexander Maxwell, erschossen worden."

Dreiundzwanzig st es Kapitel.

Das Geständnis.

Ich schwieg, denn mir war, als ob die Erde plötzlich unter mir nachgäbe und alles ein Chaos wäre. Nicht eine Sekunde zweifelte ich an Fleming Stones Behauptung: seine Worte übten einen überzeugenden Zwang aus.

Doch mitten in dem wirren Durcheinander meiner Ge­danken tauchte Plötzlich Fräulein Maxwells sanftes Gesicht auf. und ich schrie unwillkürlich auf;Lassen Sie nur nicht seine Schwester wissen!" ,

Hunt war wie versteinert und sagte kein Wort.

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