Nummer 18

Frrnruf 1.79

Montag, de« 23 Januar 1828

Fernruf 17S

63. Jahrgang

Leich und Länder

Vortrag der würktembergischen Staatspräsidenten Bazille auf der Länderkonferenz in Berlin am 16. Januar VI.

Vor- und Nachteile des unikarischen und des föderativen

Staats

Die Gründe, die man für den Einheitsstaat ins Feld führt, entbehren also, wie aus dem früher Gesagten sich ergibt, der Ueberzeugungskraft. Es bleibt noch dis Frage zu erörtern: Was sind im Verhältnis zum Föderatiostaat die wirklichen Vorzüge des unitarischen Staats, was seine Nachteile?

Die Vorzüge find diese:

Der unitarische Staat ist einfacher aufgebaut als der Föderativstat. Seine Willensbildung vollzieht sich leichter, sein Recht ist einheitlicher, seine Verwaltung ist gleich­mäßiger. Manche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung lassen sich großzügiger lösen. Die Einteilung in Provinzen mit Selbstverwaltungsrecht kann lediglich nach dem Ge­sichtspunkt der Zweckmäßigkeit vorgenommen werden. Billiger aber ist der Einheitsstaat sicherlich nicht, wahr­scheinlich sogar wesentlich teurer.

Diesen Vorzügen stehen folgende Nachteile gegenüber: 1. Die Vernichtung geschichtlich gewordener Staatsper­

sönlichkeiten, deren Glieder fühlen, auch wenn sie ver

ich fest miteinander verbunden chiedenen deutschen Stämmen angehören, ist ohne direkten oder indirekten Zwang in den meisten Fällen nicht möglich. Es besteht die Gefahr, daß die Anwendung solchen Zwangs der Anfang des Zerfalls des Deutschen Reichs ist. Könnte diese Gefahr zunächst überwunden werden, was ich aber nicht glaube, so litte infolge der dauernden Nachteile, die der Einheitsstaat hat, in den betreffenden Gebieten die Reichsfreudigkeit sehr linge. Es würde eine dauernde Unzufriedenheit entstehen, die das öffentliche Leben des deutschen Volks auf Jahr­zehnte vergiften würde.

2. Der Einheitsstaat ryird auf die verschiedene Ver­anlagung der deutschen Volksstämme nicht dieselbe Rücksicht nehmen, wie die Länder. Das Reich verstand sich z. B. auf die Eigenart des Elsasses ebensowenig wie dies Frank­reich versteht. Die Bevölkerung in Bayern, in Württem­berg, in Baden, in Oesterreich wird in Berlin nie ganz ver­standen und deshalb von Berlin aus in Gesetzgebung und Verwaltung oft falsch regiert werden. Ein Gegengewicht gegen Berlin können deshalb auch nur die Landesregie­rungen und Landesparlamenke, nicht aber Provinzialver- waltungen sein, da diese von Berlin abhängig sind. Allen Viesen Volksstämmen ist ferner das Bedürfnis eigrn, in kleineren Verbänden zu leben und zu wirken, die sie über­sehen können: die Instanzen, die entscheiden, dürfen nicht zu weit von ihrem Wohnort weg sein, wenn in ihnen nicht das Gefühl des Unbehagens aufkommen soll. In diesen Staaten ist die Bevölkerung daran gewohnt, daß auch ihre kleineren Sorgen liebevoll behandelt werden. Sie liebt die Freiheit und erträgt den Zwang staatlicher Maßregeln nur, wenn sie von ihrer Richtigkeit oder Unvermeidli hkest über­zeugt ist, in welchem Fall sie dann in ihrer Gesamtheit das Vorbild eines freiwillig Gesetz und Ordnung befolgenden Volks ist. Die zentrifugalen Tendenzen, die unvermeidlich wachgerufen würden, wenn diese Eigenart rächt mehr be­achtet wird, müssen gefährlich werden, wenn auch das feste Gefüge des preußischen Staats, dessen Kraft für Deutsch­land ebenso unentbehrlich ist wie die Eigenart der kleineren Staaten, zerbrochen ünd Preußen in Reichsprovinzen auf­gelöst wird. Es bestünde dann die Gefahr eines allgemeinen Zerfalls des Deutschen Reichs.

3. In den deutschen Ländern haben sich teils infolge ihrer geographischen Verhältnisse, teils mit besonderer För­derung durch den Staat besondere Verhältnisse in der Land­wirtschaft und besondere Zweige von Handel, Industrie und Gewerbe entwickelt, die vielfach besonderer Berücksichtigung durch dos Land bedürfen oder von seiner Existenz abhängig sind. Es besteht die Gefahr, daß der Einheitsstaat darauf weniger Rücksicht nimmt und sie durch seine Neigung zur Konzentration schnell oder langsam schädigt oder verfallen läßt.

4. Der Reichtum und die Mannigfaltigkeit des deutschen Kulturlebens ist undenkbar ohne die Länder. Durch sie ent­standen, kann es auch nur durch sie erhalten werden. Im Föderativstaat ist ein belebender Wetteifer unter den Einzel- floaten, der der Gefmnknation dient.

5. Die Selbstverwaltung der Provinzen im Cinbeitsstaat hat nicht dieselbe Kraft, wie die Selbstverwaltung der Län­der. Die völlige Abhänaigkeik von Berlin wird ein Snstem bürokratischer Ueberwachung bringen, das nicht entfernt dasselbe zu leisten vermag, wie die weit lebendigere und wirksamere Ueberwachung der öffentlichen Verwaltung durch die Landtage der Einzelstaaten.

6. Der Einheitsstaat gleicht einem Mechanismus, der Föderativstaak einem Organismus und hat deshalb die Ileberlegenheit, die das Organische über das Mechanische hat. ^ Mißt man Vorteile und Nachteile^ des Einheitsstaats und

des Föderativstaats gegeneinander ab. so kann kein Zweifel darüber sein, daß der Föderativstaat vom politischen wie kulturellen Standvunkt aus betrachtet, dem Einheitsstaat weit überlegen ist-

Frankreichs Kamps ums Erdöl

Frankreich steht in einem heißen Kampf, sich in der Dek- kung seines Erdölbedarfs von England und Amerika un­abhängig zu machen.

Der Kampf wird von zwei Fronten aus geführt: in Frankreich selbst und draußen zur Beteiligung an den Erd­ölvorkommen der Welt. Bei dem Kampf aus französischem Boden wird einmal technisch die Unabhängigkeit des Kraft­wagenbetriebs vom Benzin erstrebt: die Verwendung von Holzkohle für die Lastkraftwagen besonders des Heers wird nach allen Richtungen geprüft und gefördert. Die französischen Erdölvorkommen sind zu gering. Einer Erdöl­einfuhr von gegenwärtig etwa 2 Millionen Tonnen jährlich steht eine innersranzösische Erzeugung von etwa 70 000 Ton­nen gegenüber; der Hauptanteil davon fällt aus das Erd­ölvorkommen bei Pechelbronn im Unterelsaß.

So ziehen die Bestrebungen daraus hin, die Monopol­diktatur der ausländischen, insbesondere der amerikanischen, der englischen und englisch-holländischen Gesellschaften durch wirtschaftlich-kaufmännische Organisationen, und zwar mit Hilfe staatlicher Gesetzesmaßnahmen von Frankreich selbst aus, zu durchbrechen. Deshalb wurde im Januar 1923 ein besonderesLandesamt für flüssige Brennstofe" errichtet, um die Versorgung Frankreichs sicherzustellen und unter möglichst günstigen Bedingungen zu heben. Jeder Pe­troleumimporteur muß für die Tonne zehn Franken an das Brenstoffamt abführen; zehn Jahve lang soll die Hälfte der Einkünfte zum Ausbau einer Erdölflotte verwandt werden. Der französische Handel selbst wird streng überwacht. Die Importeure sind gehalten, für alle Möglichkeiten Reserve­lager anzulegen, und zwar einen Bestand von einem Viertel des jeweils vorjährigen Verbrauchs. Die einheitliche Leitung der Erdölpolitik will ihre Bekämpfung der angelsächsischen Diktatur darauf einstellen, daß ein großer Prozentsatz der amerikanischen Erzeuguno sich in von den großen Trusten unabhängigen Händen befinde. Schon erklärt sich auch Rußland bereit, 15 v. H. des französischen Bedarfs zu liefern, eine Menge, die leicht verdoppelt werden könne. Außerdem entwickle sich die rumänische Erzeugung, von der 700 v. H. nicht in Händen der Truste seien. Nun aber haben zum Teil schon vor dem Krieg, besonders macht­voll jedoch nachher, die angelsächsischen Truste sich fast des ganzen französischen Erdölhandels bemächtigt und eine ganze Reihe der bestehenden zwölf französischen Gesellschaften unter ihreKontrolle, d. h. in ihre Gewalt gebracht. Es entspann sich ein heftiger Kampf, der bei dem steigenden Bedarf auch die angelsächsische Uebermacht stärkte, so daß, als der französische Verbrauch 1800 000 Tonnen erreichte, davon 75 o. H. durch die Hände der ausländischen Gesell­schaften gingen und nur 25 v. H. dem Verkauf durch die französischen verblieben.

Nun haben die Erdölinteresfenten es von jeher trefflich verstanden, durch mittelbare oder unmittelbare Beeinflussung gerade der französischen Presse einen ziemlich dichten Schleier über Ausgangspunkte und Ziele ihrer Bestrebungen zu breiten, zumal da die wichtigsten Erdölquellen für die unmittelbare Beobachtung viel entfernter liegen als die Er- zeuMNgsstättsn von Kohle und Eisen. Der Kampf wird des­halb mehr unterirdisch, aber im Grunde nicht weniger zäh, geführt. Worum es sich für Frankreich dabei handelt, hat der Abgeordnete Margaine in einer Denkschrift folgender­maßen zusammengefaßt:Frankreich war Englands Nebenbuhler auf den Meeren, solange ausschließlich Segel­schiffe die Meere befuhren. Von dem Augenblick au, da die Kohle als Ladung für die Schiffe diente . . . rmd besonders als der Dampf ausschließlich als Triebkraft gebraucht wurde, ward Frankreich durch England vollständig aus der Beherrschung der Meere verdrängt. Deutschland verdankte ein gut Teil seiner Erfolge zur See und noch mehr seiner wirtschaftlichen Ausbreitung sei­nen Fortschritten bei dem Bau von Oelmotoren, und gerade dieser Umstand ist es, der den Vereinigten Staaten bei ihren Bemühungen hilft." Diese Hinweise erklären den französischen Willen zum Ausbau der fran­zösischen Erdölflottei

Vor dem Krieg arbeitete in der Türkei der Erdöl-Wett­bewerb zwischen der Deutschen Bank, der Anglo Persian und der Royal Dutch-Shell. Diese Wettbewerber einigten sich im Jahre 1914 zur Gründung derTürkischen Erdöl- Gesellschaft". Nach dem Krieg wurde aus der Konferenz von San Nemo im April 1920 Frankreich ein Anteil von 25 v. H. bei der Ausbeute des mesopotamischen Erdöls in Nachfolge der deutschen Beteiligung an derTürkischen Erdöl-Gesellschaft" zu-gestanden. Tatsächlich begegnete der Vertrag von San Remo alsbald großen Schwierigkeiten. Die türkische Regierung von Angora bestritt die Rechte der Türkischen Erdöl-Gesellschaft" und geriet deshalb, unter- stützt von den Amerikanern, in Streit mit den Eng­ländern. In den Friedensverhandlungen von Lausanne wurden die Engländer von den Amerikanern verhindert,

ihre Ansprüche ungeschmälert aufrecht,Verhalten. Nach einem langen Hin und Her wurden die Engländer gezwungen, den Amerikanern Zutritt zu gewähren. DieTürkische Erdöl-Gesellschaft" wurde daraufhin aus vier großen Gruppen zusammengestellt: der Anglo Persian, der'Royal Dutch-Shell, den Amerikanern mit der Standard Oil an der Spitze, und den Franzosen. Die französischen Interessen werden seit 1924 durch die OoinMZiüs kranys-iss äss pet.ro Iss vertreten, die ihr anfängliches Beteiligungskapital von 25 Millionen Franken allmählich aus 75 Millionen Franken er­höhen konnte, nachdem dieTürkische Erdöl-Gesellschaft" ihr Kapital von einer auf zwei Millionen Pfund Sterling er­höht hatte.

Der Vertrag von San Remo siehk aber auch eine Betei­ligung Frankreichs an allen etwaigen Erdölvorkommen in den englischen Kolonien vor, außer denen in den Kron- ländern, wogegen die Engländer ankeilberechkigt an sämt­lichen neuentdeckken Erdölquellen in den französischen Kolo­nien sein werden (z. B. in Algerien und in Marokko). Bei der bevorstehenden Bertragsunterzeichnung handelt es sich um die Regelug von Streitigkeiten, die damit begonnen hatten, daß sowohl die englisch-holländischen Truste als auch die Amerikaner die Verpflichtungen, die das englische Aus­wärtige Amt übernommen hatte, beiseitezuschieben suchen. Bei neuen Bohrungen wurden die Franzosen übergangen. Briand ließ in London einen Prozeß gegen >ie Ge­sellschafter anstrengen. Das erste Ergebnis war, daß bis auf weiteres die Fortführung der Arbeiten durch das eng­lische Gericht verboten wurde. Seit Juli letzten Jahres sind freundschaftliche Besprechungen im Gang, deren Ergebnis nun in einem Vertragsabschluß zusammengefaßt werden soll. Dieses Abkommen gewinnt infolge neuer Bohrungs­ergebnisse außerordentlich an Wert. Bei der Ortschaft Baba- Gergu in Mesopotamien wurde eine neue Quelle gebohrt, die schon anfänglich innerhalb dreier Tage 3600 Tonnen lieferte. Es sollen über hundert Quellen ähnlicher Ertrag­fähigkeit gebohrt werden. Frankreich wird ein Anteil von 23,75 v- H. zufallen. Nach den Schätzungen der Sachver­ständigen könnte Frankreich aus diesen Quellen allein jähr­lich auf 850 000 bis 900 000 Tonnen Rohöl rechnen, was fast der Hälfte der französischen Einfuhr im vergangenen Jahr entspräche.

Man begreift aus diesen Gründen, warum Frankreich sich den italienischen Wünschen zum Trotz nicht aus Sy­rien verdrängen lassen möchte, das politisch ein so undank­bares Bearbeitungsfeld darstellk. Frankreich steht dort, östlich des Mittelmeers, wacht in unmittelbarer Nachbar­schaft der mesopotamischen Erdölschätze. Die geographische Bestimmung der Politik durch die Oberflächengestaltung der Erde wird aus diese Meise .unterirdisch" ergänzt.

Neueste NachrWen

Erhöhung der Löhne der Landwirtschaftsarbeiker in Mitteldeutschland

Halle, 22. Jan. In einer Schiedsverhandlung zwischen den Vertretern der mitteldeutschen Landwirtschaft und de tz Landarbeitern wiesen die ersteren darauf hin, daß weitem tz die größte Zahl der mitteldeutschen landwirtschaftlichen Bci> triebe mit Verlust arbüte, die Mittel zur Aufrechterhaltun der Betriebe, für Steuern und Zinsen müssen der Substau (dem Betriebsvermögen) entnommen werden. Der vor Reichsarbeitsministerium bestellte Unparteiische entschied je­doch, daß die Löhne erhöht werden in einem Maß, das etwa 6 -4t für den preußischen Morgen (25,53 Ar) und für die ganze deutsche Landwirtschaft etwa 20 Millionen Mark im Jahr ausmacht. Der Schiedsspruch bedarf noch der Ver­bindlichkeitserklärung.

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Einigung der Tschechoslowakei mit dem Vatikan

Prag, 22. Jan. DasPrager Tagblatt" meldet: Der heutige Ministerrat hat den mit dem Vatikan vereinbarten Vergleich genehmigt Zwischen der Prager Regierung und dem Päpstlichen Stuhl werden gleichlautende Noten aus­getauscht werden. Die Spannung zwischen der tschechischen Regierung und dem Vatikan hat zwei Jahre gedauert.

Spionage in kaschau?

Prag. 22. Jan. Amtlich wird gemeldet, die tschechische Polizei sei in Kaschau (auf ungarischem, jetzt tschechoslowa­kischem Gebiet) einer Spionage auf die Spur gekommen. Der verhaftete Führer Alexander Horvath, Verwalter des Guts des Grafen Andrassy, sei geständig. Gegen den Be­sitzer, Imry Andrassy, war früher die Anklage erhoben worden, daß er sein Schloß angezündet habe, als es von tschechischen Truppen besetzt war, er war aber gegen eine Sicherheit von 700 000 tschechischen Kronen aus der Haft entlassen worden.

Entlassung der französischen Angestellten der Pariser Sowjekbokschafk

Paris. 22. Jan.Journal" verzeichnet ein Gerücht, wonach der neue Sowjetbotschafter Dowgalewski die fran­zösischen Angestellten der Botschaft entlassen und nur russi­sche Angestellte beschäftigen werde.

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