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Nummer 239
Fernruf 179
Donnerstag, den 13. Oktober 1927
Fernruf 17S
62. Jahrgang
„Mazedonien den Mazedoniern"
Eine alte Losung, mehr als 40 Jahre alt. Und immer wieder neu und leidenschaftlicher, und jetzt seit ein paar Tagen erst recht, so daß Bulgarien und Serbien augenblicklich wieder schlecht aufeinander zu sprechen sind. Bulgarisch-mazedonische Banden treiben sich in Serbien (Südslawien) herum, morden und plündern. Belgrad verlangt von Sofia deren Unterdrückung. Aber woher soll das entwaffnste Bulgarien die Soldaten und die Waffen dazu nehmen? Es geht wieder recht brenzlich auf diesem Brandherd des Balkan zu. Dort sind ja deren mehrere. Man denke nur an Albanien. Der gefährlichste scheint uns jedoch Mazedonien zu sein, und das Traurigste ist, daß die Weisheit der Großmächte diesen Brandherd nicht zu löschen vermochte. Der Friede von Neuilly 1919 hat das Uebel verschlimmert und ein so abscheuliches Chaos geschaffen, daß niemand heute sagen kann, wie und wann die „mazedonische Frage" gelöst wird.
Mazedonien ist das Land des War dar, der in der Nähe von Saloniki, einer der bedeutendsten Seestädte des Mittelmeers, mündet, ein in sich natürlich abgeschlossenes Wirtschaftsgebiet, in dem über eine Million Bulgaren, eine halbe Million Türken und sonst noch Griechen, Wallachen. Albanesen, Zigeuner und Juden wohnen. Schon der Vertrag von Bukarest 1913 hatte nach der Niederlage Bulgariens Mazedonien in der Hauptsache unter Serben und Griechen aufgeteilt, und Bulgarien einen kleinen Teil Südostmazedoniens mit einem Streifen Meeresküste überlassen. Diesen Streifen sprach nun der Vertrag von Neuilly den abermals besiegten Bulgaren weg. Serbien und Griechenland bekamen den Löwenanteil Mazedoniens mit je einer Million, und Bulgarien mußte sich mit etwa 240 000 Einwohnern begnügen.
Jetzt begann erst recht die Leidensgeschichte Mazedoniens: seine systematische „Hellenisierung" und „Serbi- sierung". Man vertrieb die mazedonischen Bauern und setzte an ihre Stelle griechische Flüchtlinge. Nicht weniger als 400 000 solcher Vertriebenen — nach bulgarischen Berichten sollen es sogar 600 000 sein — halten sich in Bulgarien auf. Das ganze mazedonisch-bulgarische Schulwesen wurde zertrümmert. Das sind nicht weniger als 1373 Schulen, darunter 13 Gymnasien und 87 Progymnasien. Die gesamte mazedonische Presse wurde verboten, ebenso jede mazedonische Organisation, namentlich die „Innere Revolutionäre Organisation", und Tausende wanderten ins Gefängnis. Kurz: die Vergewaltigung und der durch sie geschaffene Druck wurde unerträglich. Dazu kam die wirtschaftliche Not. Infolge der unsinnigen Zerreißung des Wardargebiets und seiner natürlichen Zusammengehörigkeit stockte Handel und Wandel. Ganz besonders schwer litt darunter die Stadt Saloniki, deren Hafen heute eine unheimliche Stille verrät.
Daß unter diesen Umständen das Bandenwesen einen neuen Aufschwung erfuhr, liegt auf der Hand. Die verwegenen „Komitadschis" durchstreifen die Berge, morden in Saloniki und Stip und Usküb. Sie schlagen sich mit serbischen und griechischen Banden. Es ist ein wüstes Durcheinander, eine Anarchie. Voraussichtlich werden jetzt alle Teile, Serbien und Bulgarien und Griechenland den Völkerbund anrufen. Ob es demselben gelingt, Ruhe zu schaffen, ist eine große Frage. Auch die Großmächte England, Frankreich und Italien werden nicht viel ausrichten. Denn die Mazedonier werden so lange nicht zufrieden sein, bis dem vertriebenen Bauern, der mit besonderer Zähigkeit an seiner heimischen Scholle hängt, wieder sein Recht wird und den Mazedoniern nach dem Grundsatz des Selbstbestimmungsrechts ihr Mazedonien wieder ungeteilt zurückgegeben wird. Freilich, ob das Land sich dann selbst regieren kann, dürfte nach der seitherigen Geschichte fraglich sein. Man sieht es ja an Albanien, wie - unmündig solche kleine Balkanstaaten sind. Jedenfalls wird es dort am Wardar nicht besser und ruhiger werden, bis man diesem Volk seine eigene Schule und Verwaltung zurückgibt. Es ist eben der alte Ruf nach „Autonomie", wie ihn heute alle nationalen Minderheiten erheben, nur lauter noch als früher. kk
Das gegenwärtige Ministerium der japanischen Seiyu- kai-Partei und ihres Führers, des Ministerpräsidenten T a n a k a, hat das Schlagwort der „positiven Politik" in China ausgegeben. Diese „positive Politik" verlangte, daß der siegreiche General von Nanking, Tschangkaischek, nicht übermächtig wurde. Er wurde daher gestürzt, d. h. als er im Begriff war, die geschlagenen Nordtruppen bis Peking zu verfolgen, landete Japan Truppen, die die Eisenbahnverbindung von Tsingtau nach Tsinan (und weiter nach Peking) sperrten, so daß Tschangkaischek umkehren mußte. Er hat den Oberbefehl darauf niedergelegt. Immerhin zieht man in Tokio Tschangkaischek den Radikalen in Hankau vor.
Nun zeigt sich aber Mulden, d. h. Tschangtsolin, Widerspenstig gegen die Javaner, obgleich er den größten
Die Konferenz des Reichs mit den Ländern über die Prüfung der Ausländsanleihen durch die Beratungsstelle wird am 19. Oktober in Berlin siatlfinden.
Wie Berliner Blätter berichten, ist der Reichsinnenminister dafür, daß dem Reichstag die Regierungsvorlage des Schulgesetzes als auch die Abänderungen durch den Reichsrat als besondere Vorlage übergeben worden, um dem Reichstag die Entscheidung zu überlassen. Der Reichstag soll auch noch die erste Lesung der Besoldungsvorlage erledigen.
Die geplante Reise des Dr. Marx und Dr. Stresemann nach Wien ist auf Mitte November verschoben worden.
Das Pariser „Journal" will wissen, der Deutsche Botschafter in Paris, v. Hösch, habe gegen die willkürliche Auslegung des Abkommens über die Besatzungsverminderung des Generals Guillaumat bes. Briand Einspruch erhoben.
Zum Präsidenten des Freistaats Südirland wurde Cos- grave wiedergewählt.
Die Regierung von Rordirland (Ulster) hat die Verhältniswahl wieder abgeschafft.
In Süd-Marokko sollen sich mehrere Stämme erhoben haben.
Vorteil von ihrem Eingreifen gehabt hatte; staub Doch bereits für ihn ein Sonderzug bereit zur Flucht von Peking nach seiner Heimat Mukden in der Mandschurei. Hier lehnt sich besonders die jungmandschurische Richtung gegen den japanischen Ausdehnungsdrang auf, und sie verlangt die Zurückziehung der japanischen Truppen, die eine Schmach für China seien. Verschiedentlich ist es zu Zwischenfällen gekommen. Man traut der „positiven Politik" nicht, die von Japan in der Mandschurei, der Mongolei und den drei Ostprovinzen Schantung, Kiangsu und Tschekiang, die von dem „übrigen Fragenkomplex" abgetrennt werden sollen, verkündigt wurde.
In einer Besprechung der führenden japanischen Diplomaten wurden nun in bezug auf die genannten chinesischen Landesteile folgende Grundsätze für die „positive Politik" aufgestellt: 1. Japan wolle die Angehörigen fremds. Nationen vom Handel in jenen Provinzen „nicht au s schließen", aber Japans besondere Stellung dürfe nicht angetastet werden; 2. Japan sei g., willt, auf das Recht der „Exterritorialität" zu verzichte^ dagegen sollen Japaner das Recht der freien Ansied - lung und des Landeserwerbs oder der Pachtung erhalten, weil die vertragsmäßigen „Niederlassungen" anfangen, den Japanern eher zur Fessel zu werden und sie sich viel weiter in China ausdehnen wollen; 3. Japan verlangt das Recht zum Bau von sechs neuen Eisenbahnlinien.
Die chinesischen Zeitungen sprechen von einem neuen Einbruch der Japaner, mit dem der japanische Verzicht auf die „Exterritorialität" zu teuer erkauft wäre. Die Verstimmung richtet sich weniger gegen Japan an sich, a's gegen das Ministerium Tanaka und seine „positive Politik".
Auch Sowjetruhland ist in Aufregung geraten und hat von Japan Aufklärung verlangt. Selbst England und Amerika ist es trotz der „offenen Tür" in jenem Punkt 1 der Grundsätze nicht wohl dabei und sie haben ihre Gesandten in China zur Berichterstattung heim- berufen, nachdem sie sich in Tokio hatten Aufklärung geben lassen. Auch in Japan sieht man der Politik Tanakas mit sehr geteilten Gefühlen zu. Es ist klar, daß Japan seine wirtschaftliche Vormachtstellung in Cbina nicht aufgeben, sondern befestigen möchte, aber viele Japaner fragen sich, ob Tanakas Uebereifer nicht mehr Schaden als Gutes bringt.
Die baltischen Randstaaten Litauen, Lettland und Estland haben von der letzten Bölkerbundstagung die verstärkte Ueberzeugung mitgenommen, daß der Völkerbund nicht imstande oder vielleicht gar nicht willens sei, die Sicherheit der kleinen Staaten zu gewährleisten. Zwischen Lettland (Hauptstadt Riga) und Estland (Hauptstadt Reval) besteht schon seit einigen Jahren ein Verteidigungsbündnis, Lettland hat außerdem mit Rußland ein Handelsabkommen abgeschlossen. Auch in Litauen dringt der Gedanke eines Zusammenschlusses der baltischen Staaten immer mehr durch, da Polen nicht daran denkt, das Litauen durch einen Ueberfall entrissene Wilna zurückzugeben, das die eigentliche Hauptstadt des litauischen Staats wäre. Die Regierung mußte seitdem nach Kowno verlegt werden. Polen bemüht sich zwar seit einigen Tagen, eine etwas freundlichere Haltung gegenüber Litauen zur Schau zu tragen, aber in Kowno täuscht man sich über die wahre Gesinnung der Polen nicht. Auch Litauen ist daher zu der Ansicht gekommen, daß ein engeres Zusammengehen der drei baltischen Staaten im Interesse dieser Länder liegt. Den Wünschen Polens entspräche ein Vierbund unter Führung Polens, aber davon wollezi die Randstaaten nichts wissen.
Sie daven Boten zur Eenüge kennen oelernt und außerdem erscheint es ihn-n gefährlich, sich an Polen zu ketten, da die polnischen Grenzen bekanntlich sehr umstritten sind: im Westen wegen der deutschen Landestelle, im Osten und Südosten wegen Wilnas und der großen Gebiete, die Rußland und die Ukraine zurückverlangen. wie z. B. das ukrainische Ostgalizien. Die Randstaaten lebnen daher den Anschluß Polens ab. Sie würden ein Zusammengehen mit Finnland gern sehen, aber Finnland hat sich aus geographischen und wirtschaftlichen Gründen den skandinavischen Staaten genähert, eine engere Verbindung mit den Randstaaten wäre für Finnland eher eine Gefahr als ein Vorteil. Die leitenden Staatsmänner der Randstaaten haben sich für ein vertragsmäßiaes Zusammengehen der Länder ausgesprochen und es ist nicht unwahrscheinlich, daß der Schritt in naher Zeit unternommen oder vorbereitet wird.
Neues vom Tage
Der Reichskanzler in Mainz
Mainz, 12. Okk. Reichskanzler Dr. Marx traf gestern auf seiner Reise durch das befehle Gebiet im Kraftwagen in Mainz ein. 3m kurfürstlichen Schloß wurde ein Empfang veranstaltet, zu dem die Spitzen der Behörden, Geistliche und Vertreter der Wirtschaft erschienen. Oberbürgermeister Dr. Külb wies auf die schwere Belastung hin, die insbesondere Mainz durch die Besetzung, die weit über die Friedensgarnison hinausgehe, zu tragen haben. Der Reichskanzler erwiderte, die Leiden Hessens und der Stadt Mainz werden von der Reichsregierung voll gewürdigt. Durch vertrauensvolle Zusammenarbeit Hessens und des Reichs werde fortgefahren werden, die Wunden nach Kräften zu heilen.
Ein höherer Offizier des Stabs des Generals Guillaumat übergab abends im Hotel des Reichskanzlers die Karte des Generals, worauf der Reichskanzler durch einen höheren Beamten des Reichskommissariaks seine Karte dem General überreichen ließ.
Von Mainz begab sich der Reichskanzler nach Speyer, wo er von dem bayerischen Ministerpräsidenten und dem Innenminister sowie den Vertretern der Behörden begrüßt wurde. Der Reichskanzler besuchte den Bischof und den protestantischen Kirchenpräsidenten der Pfalz.
" Wiederaufnahme des Hochbahnverkehrs
Berlin, 12. Okt. Der Verkehr auf der Hoch- und Untergrundbahn ist heute früh wieder ausgenommen worden, nachdem, wie gemeldet, die Verhandlungen vor dem Schlichter über die Forderungen der Angestellten gestern abend zu einem Vergleich geführt hatten.
Baden gegen den «Einheitsstaat"
Karlsruhe, 12. Okt. Der Badische Staatsanzei^er schreibt an erster Stelle: Baden schließt sich der Erklärung der Bayerischen Skaalszeitung vollkommen an, daß es ganz unrichtig wäre, aus dem Vorschlag der Einberufung einer Sonderkonferenz von Vertretern der Reichsregierung und der Länderregierungen zu schließen, daß die süddeutschen Staaten etwa unitaristischen Gedanken zuneigten. Der Badische Skaatsanzeiger betont: „Für Baden gilt dasselbe wie für die übrigen süddeutschen Länder. An ein Aufgeben der, staatlichen Existenz denkt niemand." . . '
Der österreichische Staatshaushalt
Wien» 12. Okt. Im Voranschlag des Bundeshaushalts für 1928 sind die Ausgaben ohne Investitionen (Ausgaben für werbende Zwecke) mit 1595,4 Millionen Schillinge (957,24 Mill. Mk.) eingestellt, die Einnahmen mit 1631 Millionen, so daß sich ein Üeberschuß von 35,6 Millionen ergibt.- Die Investitionen sind mit 191,1 Millionen veranschlagt. Zur Deckung des sich durch die Investitionen ergebenden Abmangels beabsichtigt die Bundesregierung die Aufnahme einer Investitionsanleihe auf mehrere Jahre. Die Zinsen hierfür sind bereits mit 5 Millionen eingestellt. Die zu erwartenden Beamtengehaltserhöhungen sind indessen im Voranschlag noch nicht berücksichtigt. Ein Teilbetrag von 2 Millionen Schilling ist für den Wiederaufbau des Iustizpalasies vorgesehen.
Erhält Deutschland wieder Kolonien?
Tokio, 12. Okt. Der Vertreter Japans beim Völkerbund, Graf Jshii, der dieser Tage von Europa nach Japan zurückgekehrt ist, erklärte einem Vertreter der „Japan Times": Deutschlands Ansprüche auf Kolonien erscheinen berechtigt; es wünsche wenigstens einen Teil seiner früheren Kolonien zurückzuerhalten, und es lege besonderen Wert auf den ehemaligen afrikanischen Besitz. Verschiedene Berichte lassen erkennen, daß Deutschland die Kolonien besser verwaltet habe als die jetzigen Mandatsinhaber. Der Völkerbund dürfte die noch vorhandenen Widerstände gegen die Rückgabe ziemlich bald überwunden haben und man erwarte im Völkerbund angesichts der sich bessernden deMsch-sran- zösischen Beziehungen keinen ernstlichen Widerstand Frank
reich». - -- -----