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Rr. 48

Donnerstag, den 27. Februar 1930

Fahrgang 102

Die Steuerpläne im Reichskabinelt

Heule Entscheidung über Dr. Moidenhuuers Deckungsprogramm

485 Millionen sollen durch Stenern aufgebracht werden.

TU Berlin, 27. Febr. Das Finanzprogramm des Neichsfiuauzministers Dr. Moldcnhauer, das heute dem Rcichskabiuett vorgciegt rviid» umfaßt >m einzelne« folge,»de Vorschläge:

Eine Erhöhung der Biersteuer um 75 Proz. mit einen« Mehrertrag von 240 Millionen Mark, die Einführung eines Benzin- bzn». Benzolzolls mit einem Ertrag von öS Milt. Mk ferner die Wiedereinführung der Mineral- wasserjteuer mit 4U M»ll. Mk. Aus der Erhöhung des Kasiee- und Tcezolls werden »0 Will. Mk. veran­schlagt. ferner erwartet mau ans der Vorverlegung der Fälligkeitstermine für die Erhebung der neuert Ztcucrerhvhnngrn einen Mehrertrag von 3l> Mill. Mart. E idlich sollen durch Verzicht ans die Herab­setzung der Jndustriebelastnng aus dem Nouug- plan 50 Mill. Mark eingcbracht werden. Von der Gesamt­summe von 475 Mill. Mk. sollen 170 Millionen an die Län- drr überwiesen werden» «ud zwar SV Millionen aus dem Mrhrertrag der Bicrsteuer, 40 Millionen aus dem Benzin« zoll nnd 4V Millionen ans der Mineralwasserstrner.

Die geplärrte Benzinsteuer.

Neber die geplante Benzin st euer erfährt die Tele- graphenmrivn folgende Einzelheiten: Beabsichtigt ist die Er­hebung einer Steuer von 6 Ps. aus den Liter Benzin, wie auch ans baS bisher stcuer- und zollfreie Benzol. Neberdies soll daS Benzol bei der Einfuhr mit einem ebenso hoh'n Zoll belegt werden, wie das Benzin, also schätzungsweise mit einem solchen von 12 Pf. für den Liter Benzol. Ans Grund dieser Maßnahmen soll sich ein Mchrertrag von 8V Millionen ergeben, der sich rechnungsmäßig als Verdoppelung des Er­trages des Venzinzolls für 1S2S ergeben würde, der alls 65 Millionen geschätzt ist.

In Kraftfahrerkreisen erklärt man, daß eine Benzin- steucr nur dann erträglich wäre, wenn die unzweckmäßige Kraftfahrzeug st euer abgeschasst oder bedeutend er­mäßigt wird.

Das Reichskabinett vor schwieriger Entscheidung.

Der heutigen Kab ncttssitzung, in der über die Steuer- plane des Reichsfinanzministcrs verhandelt wird, wird von den Berliner Blättern besondere Bedeutung beigemessen. DerVorwärts* spricht sogar von entscheidender Bedeu­tung für das Kabinett Müller. Er bespricht sehr e «gehend die Steuerpläne Dr. MolLenhauers. Er meint, diese seien von einer derartigen Einseitigkeit, daß man nicht e nseycn könne, wie eine Mehrheit für sie mit der Sozialdemokratie herbe geführt werden könne. In seiner Gesamtheit sei das Programm für dt« Sozialdemokratie untragbar. Es bedeute eine wesentliche Verschärfung der Lage. Auch dieBos - fische Zeitung* hält die Lage für sehr ernst und schreibt unter der UeberschriftBruch im Kabinett?" unter anderem über d e Steuerpläae des Reichsfinanzministcrs gingen die Meinungen innerhalb der Koalition so stark auseinander, daß vorläufig nicht zu erkennen fei, wo die mittlere Linie zu finden wäre, ans der sich die Koalitlonsparteieu doch -nsam- menfutde» könnten, wenn der Bruch vermiede« werben soll. Wenn Dr. Moldcnhauer auf der Durchsetzung keiner Pläne hinsichtlich der Sozialpolitik und des Stcuerprogramms be­stehe, sei zu besorgen, Laß es heute oder morgen im Kabinett znm Bruch komme. Nach derDAZ." rechnet man mit der Mögl chkeit, daß eine Einigung im Kabinett nicht zu­stande kommt. Das Blatt meint, daß, selbst wenn im Kabi­nett eine Verständigung über das Dcckungsprogramm ge­lingt, der eigentliche Kamps um das Notopscrprosckt an dem Zentrum und Sozialdemokratie nach wie vor festhaUcu nnd um wichtige andere Fragen des Deckungsprogramms erst im Reichstag beginnen werde. Nach derVörsen- zeitung* rechnet man wegen der sich häufenden Schwie­rigkeiten immer stärker damit, daß das Zentrum schließ­lich doch ans die Voraussetzung einer substanzivierten Ft- nanzsan erung verzichten und sich mit einer prinzipiellen Erklärung der NcaierungSparteien begnügen werbe, die Fi- nanzsanierung erst nach der Verabschiedung des Aoungpla- nes durchzusiihren.

Der Ruf nach Sparsamkeit

Verschärfung der Haushallsordnung

-- Berlin, 27. Febr. Der Reichstag beschäftigte sich am Mittwoch znm zweiten Male mit der Novelle zur HanS- haltSorduung. Sie soll die Möglichkeit bieten, dem Geiste der Sparsamkeit im Etat mehr als bisher Geltung zu verschaffen. Das will man vor allem durch Stärkung der Stellung des FlnanzmlnisterS erreichen. Im Ausschuß sind noch durchgreifendere Maßnahmen ver­langt worden. Dahin zielte besonders ein von dem Volks­parteller Dr. Cremer stammender Vorschlag, die Befug­nisse des NeichSsparkommissarS zu erweitern. Obwohl der Antrag bereits im Ansschntz abgelrhnt worden war, trat Dr. Cremer im Plenum nochmals für ihn ein. Er traf damit die Anregung, die auch hier schon gegeben wurde, nämlich einen Reichsfinanzdirektor zu schassen. Ihm wtdrrsprach anfs entschiedenste der Sozialdemokrat Heilmann, der ganz offen eingestand, aus Furcht, ein solcher unabhängiger Spar­kommissar möchte den Sozialetat einmal gründlich zusam- menstrcichen. Nicht etwa in der hemmungslosen Bewilli- giingSfreude des Parlaments» sondern in der Subventions- pvlitik der Regierung sieht Heilmann die Wurzel des Übels.

Volle Zustimmung fand der Gedanke eines politisch freien Sparkommissars bet den Deutschnationalcn, die im übrigen durch den Abg. Hergt erklären ließen, daß sie trotz zahlreicher Bedenken der Flnanzvorlage auch in der gegen­wärtigen Fassung beitreten würden, die immerhin einen Fortschritt darstelle. Skeptisch verhielt sich das Z ntrum, des­sen Redner, Dr. Schreiber, die Novelle als ein nicht ganz ungefährliches Experiment bezeichnet«. Als völlig nn- diskutabel verwarf er die Anregung der Wirtschaftspartei, die auch noch den Reichspräsidenten in den Jnstanzenzug der Kontrollorgane ein,'galten möchte. Nachdem der Demokrat Bernhardt den Standpunkt vertreten hatte, daß -te Ver­antwortung bei Regierung und Reichstag bleiben mllsse, wurde das Gesetz in zweiter und gleich auch in dritter Lesung v e r a b s ch i e d'e t. Ebenso wurde in allen drei Lesungen der Gesetzentwurf über die Zuziehung von Hilfsrichtern znm Reichsgericht angenommen. Heute wird sich das HauS mit dem Ministerpensionsgesctz befassen.

Zweite Lesung der Nounggcsctzc am ö. März.

Der Acltestenrat deS N IchktagS beschloß am Mittwoch, dem Reichstag zu empsehlen, daß er heute zuuächst die Ent­

scheidung über den Einspruch deS NeichsratS gegen die vom Reichstag beschlossene Novelle zum HanSzinsKener- ge setz vornehme. Nach dieser Novelle sollen die HanszinS- steuerrückflüsse ausschließlich wieder für den Wohnungtbau verwendet werden. Ferner sollen heute das Min ist er- pensionsgesetz nnd außerdem einige kleinere Vorlagen auf die Tagesordnung gesetzt werden. Am Freitag soll dann die erste Lesung des NachtragshaushaltS für 1S28 vorgenoin- men werden. Für den Samstag bis einschließlich Mittwoch nächster Woche wird eine Berhandlungspanse gewünscht.

Am Donnerstag der nächsten Woche soll dann die zweite Lesung des NoungplaneS beginnen, an die sich die drltte Le­sung so'ort «schließen dürft«. Für die Arbeit an de« Nonng- gesehen sind drei VtS vier Tage in AnSsichi genommen. Znm mindesten dürfte die Schlnstabstimmnng nicht vor de« Mo«, tag der übernächsten Woche stattfind:«. Tie Beratung des Republikschutzgesetzes ist zngunsten deS NachtragshanShaltS zunächst einmal znrückgcstellt worden.

Das Liquidalionsabkommen mit England

TU Berlin, 27. Febr. Bei der Weiterberatnng derAoung- gesctz« In den Vereinigten Aueschüffen des Reichstages wur­den nach der Erledigung deS Polenabkommens die Llgui- dationsabkommen mit den übrigen Staaten zur Beratung gestellt. Im Mittelpunkt der gestrige» Anssprache stand das Liquidationsabkommen mit England, das allseitig heftig kritisiert wurde. Dr. Reichert tDNVP.) nannte es ein nationales Unglück, wenn Deutschland die­sem Abkommen, nachdem die Engländer aus dem Versailler Sondergeschäft Ich Milliarden Goldmark Nutzen ziehen könnten, znstimme. Dr. Schnee (TBP.i bezeichncte es als unerhört, wenn England hier die Kriegsmethoden sortsehe, sprach aber die Hoffnung aus. daß sich auch in England wie­der der Grundsatz der Heiligkeit des Privateigentums durch­setzen werde. Abg. Tauch tTBP.j forderte die Regierung ans, nach Abschluß des Noungplans gemeinsam mit den Bereinigten Staaten einen wirtschaftlichen Kelloggpakt vor- znbereiten, der die Behandlung des Privateigentums im Kriegsfälle regele. Ministerialrat KuchS vom Ncichs- flnanzministerinm wicS daraus hin, daß auch bei der Neichs- reglerung die Haltung Englands große Enttäuschung hervorgernsen habe. Trotz der schweren Bedenken habe die Neichsregierung aber dem Abkomme« zugestimmt, da sonst

Tages-Spiegel

Das Neichskablnett wird sich hente mit dem Deckuugspro- gramm des Neichssinanzministers beschäftigen. Ta inner­halb des Kabinetts erhebliche Meinungsverschiedenheit:« über die ncncn Stenerpläne bestehen, dürfte« sich die Be­ratungen schwierig gestalte«.

Der Deckungsplan des NeichssnranzministerS soll durch Er­höhung der Bierstcncr, b-S Kaffee- nnd Teezolls und die Einführung der Bcnzinstcuer 485 Millionen Mark Mehr­einnahmen vorscheu.

Die Gesetze zur Durchführung deS Plans werden Mitte der nächste« Woche zur zweiten Lesung vor den Reichstag kom­me».

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Der Reichstag hat gestern die Verschärfung der Ha-ishalts- ordnnng durch «ine verstärkte Stellung -es NeichSsinaiiz- mlnisters angenommen.

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Die Ber. Ncichstagsausschüsse behandelten das Liquibations- abkommcn mit England, das als pcinlichster Abschnitt des Aonngplans bezeichnet wurde.

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I« Paris wnrde Tardie« wiederum mit der Kabinettsbil­dung beauftragt, nachdem Poincarö aus Gesundheitsrück­sichten abgelehnt hatte.

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I« Preuße« sind sämtliche vor 1800 erlassene Polizei«-,- »rdnungcu außer Kraft gesetzt worde«. DasKnudgebuugs- »erbot wurde teilweise au.'gchobe«.

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Der Finanzausschuß des Württ. Laudtags beschäftigte sich gestern mit dem Ausbau der Berkchrseinrichtungc« in der Umgebung Stuttgarts. Der Ausschuß wird heute ««' eine Eingabe des Sanatoriums Dr. Römer hi« in Hirsau weiler».

die Liquidationen weitcrgeführt würden. Dr. Köhler lZ.) sagte, dies sei der peinlichste Abschnitt d"s NonngplaneS. Für die richtige Charakterisierung des englischen Vorgehens fehlten die parlamentarischen Worte. Tr. Dernburg sDem.j schloß sich der Kritik an, die aber wenig praktischen Wert habe, da man nur Fa ober Nein sagen könne.

Im weitere» Verlaus der Anssprache verlangten die Deutschnationalen eine schristliche Uebersicht über den Ge- samtumfang der Liquidationen deutschen Eigen­tums in allen in Betracht kommenden Ländern.

Tardieu

bildet das neue französische Kabinett

TN Paris, 27. Febr. Der Präsident der Republik hat am Mittwoch nachmittag Tardie« beantragt, den Vcrsnch znr Bildung eines Kabinetts unter Zusammenfassung aller re­publikanischen Kräfte z« machen. Poinear« erklärte d:r Presse» daß er eia neneS Kabinett Tardieu mit alle« ihm zu Gebote stehenden Mitteln unterstützen werde: doch wäre er a«8 Gesundheitsrücksichten «och nicht i» der Lage, in das Kabinett ein,«trete«.

Die Nadikalsoziaiisttsche Sammergruppe faßte am Mitt­woch den Beschluß, etne Beteiligung an einem Ministerium Tardie« abzukehnen. Dagegen erklärten sich die Nadikalsozla- listen bereit, in ein Kabinett «inzutreten, in der» Tardien ein Ministerportefeuille Inne hat.

Völkerbunds- und Kelloggpakt

TN Gens, 27. Febr. Im Bölkerbundsausschuß für die Angle'chung des BölkerbundspaktS an den Kelloggpakt kam es am Mittwoch zu einer heftigen Auseinandersetzung über einen d:«tscheu Antrag, wonach d'.e Mitgliedsstaaten sich verpflichte» sollen, kür alle Streitigkeit«» »''ue jede Aus­nahme etne Regelung nur aus frtebl'chem Wege zu suchen. Dieser Antrag wurde vom französischen nnd englischen Ver­treter mit Unterstützung von rumämicher und polnischer Seite aufs schärfste bekämpft. Der Vorsitzende, der italie­nische Senator Scialosa, unterstützte den deutschen Stand­punkt »nit großer Hartnäck gkcit. Es handelte sich nm eine Frage von großer Tragweite» ob nämlich im Sinne d:S Kcl- loggpaktes jegliche Maßnahme«, dle zwar nicht offen kriege­rischen Charakter trag:«, wie lokale Besetzung. Wirtschaft. l»che und «Lhrungspolttische Zwangsmaßnahme«, Eigen- tnmsbcschlagnahme» «sw. im Völkerbundspakt gleich alls verboten sein solle«. Die Aussprache ergab nach der Ableh­nung eines englischen Vorschlages, daß dl« Bestimmungen des Kcllozgpaktcs über die Ergreifung ausschließlich fried­licher Mittel in den Völkerbundsvakt entsprechend dem deut­schen Antrag ausgenommen werden müßten. Die V:rhand- lungcn über die endgültige Einjügung dieser Beftimmuu- gen wird weiter fortgesetzt.