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Nummer 169

FeAlruj 17S

Samstag den 23. Juli 1927

Fernruf 178

62. Jahrgang

Politische Wochenschau

Allen Ereignissen der Woche voran geht der blutige Freitag in Wien: Einhundert Tote, eintausend Schwer­verletzte, der prachtvolle Justizpalast in Trümmern, zwei Redaktionsgebäude ausgebrannt, Arbeitseinstellungen im ganzen Staat, Verkehrsstörungen und noch vieles andere Unheil. Dazu die schlimmen politischen und wirtschaftlichen Folgen, die gerade noch fehlten, um einem verarmten Land auf lange Zeit hinaus den einträglichen Fremdenverkehr zu zerstören, ganz abgesehen von dem ungeheuren Schaden, den Bürgerkriege an Hab und Gut dem eigenen Volkskörper ver­bringen.

Und warum? Die WienerArbeiterzeitung" schrieb über i)as Schattendorfer Urteil, das, wohlverstanden, ein restlos aus Laien zusammengesetztes Volksgericht gefällt hat, u. a.:Die Versagung der Gerechtigkeit ist das Schlimmste, was den arbeitenden Menschen angetan werden kann. Die bürgerliche Welt warnt immerzu vor dem Bürgerkrieg, aber ist diese glatte, diese aufreizende Freisprechung von Menschen, die Arbeiter getötet haben, nicht sckon selbst der Bürgerkrieg?" Das Urteil sei eineSchurkseei", die Ge­schworenen seien ehrloseGesetzesverbrecher" undeid­brüchige Gesellen", die Bundesregierung seiunmittelbar schuldig" an dem Fehlspruch u. a. m.

Mag man nun über den Schattendorfer Spruch urteilen wie man will auchBürgerliche" können verschiedener An­sich über die allzu große Milde sein solche Worte müssen aufreizen, solche Tinte muh sich in den Straßenrinnen immer in Blut verwandeln. Aber dahinter stehen noch mehr Schul­dige: die staatliche Maschine, zu der auch die Wiener Polizei Aehört, die nicht rasch genug funktionierte, um den Schlimm­sten vorzubeugen; die wirtschaftliche Not, die das unglückliche Land nie zur Ruhe kommen läßt. Und wer hat diese un­haltbaren Zustände geschaffen? Wer hat den zerkleinerten Staat aus seinem geschichtlich gewordenen und wirtschaftlich gefestigten Organismus herausgeschnitten? Wer hat einem Gemeinwesen mit 8 Millionen Einwohnern einen Wasser­kopf von zwei Millionen als sog.Hauptstadt" aufgesetzt? Wer hat diese Vivisektion an einem lebendigen Volkskörper grund- und zwecklos vorgenommen? Es sind dieWeisen", die den Vertrag von St. Germain ersonnen hatten, die­selbenWeisen", die uns Deutschen mit vorgehaltenem Re­volver das Versailler Diktat aufnötigten.

Die Flammen, die aus dem Wiener Justizpalast auf­schlugen, leuchten weit über das Weichbild der unglücklichen Donaustadt hinaus. Sie öffneten selbst Engländern und Amerikanern und Italienern die Augen über die verhäng­nisvolle Torheit, die nur aus unnatürlichem Haß einem Volk seinen natürlichen Anschluß an ein größeres lebens­fähigeres Ganze versagt, und dies auf die Gefahr hin, daß es an Leib und Seele elend zu Grunde geht. Unersetzliche Akten sind eingeäschert worden. Es wäre für Mitteleuropa besser gewesen, wenn deren Schicksal jene unglückseligen Friedensdiktate" gehabt hätten. Wer wird einmal ihnen einen Scheiterhaufen errichten?

Aber es gibt nun eben einmal Staatsmänner in Europa, die ihren Ehrgeiz darein setzen, jene Giftquellen, aus denen diebesiegten" Völker trinken müssen, ja nicht verschütten zu lassen. Zu diesen gehört der belgische Kriegsminister Brocqueville. Der Mann war im Weltkrieg belgischer Ministerpräsident in Havre und hat als solcher, gedrängt von einer friedenswilligen Umgebung, mit dem deutschen Vertreter des Brüsseler Generalgouvernements vorzeitige Friedensverhandlungen schüchtern angeknüpft. Diese Schwäche wurde ihm als Landesverrat ausgelegt. Er mußte seinen Posten aufgeben. Dann gingen Jahre dahin, bis ihn Van­der v e l d e, der langjährige Leiter der belgischen Politik, wieder in die Regierung berief. Jetzt mußte und will er auch zeigen, daß er an Deutschenhaß keinem richtigen Cnt- entLminister nachstehe. Daher die unerhörten und durchaus verlogenen Verdächtigungen Deutschlands und unserer Reichs­wehr, die vertragswidrig sich auf einen neuen Krieg vor­bereiten soll. Diesen Unsinn hat unsere Regierung wider­legt. Aber der Mann hält seine Behauptungen aufrecht. Als ob Wiederholung von Verleumdungen diese glaubwürdiger mache! Jedenfalls sehen wir auch an diesem Fall, daß der Geist Pojncares auch noch außerhalb Frankreichs spukt. Noch hat die Nacht Europas die böse Geisterstunde nicht ganz durchschritten.

Es wäre aber Zeit dazu. Denn überall melden sich Vor­gänge, die den großen Spuk von Versailles beschwören wollen. So Horen wir aus dem fernen Samoa laute Stim­men der Unzufriedenheit über die unerträgliche Mißwirt­schaft der neuseeländischen Regierung. Diese beiden para­diesischen Inseln SavaiiundUpolu waren fast zwanzig Jahre lang unsere Kolonien. Seit 8 Jahren gehören sie als Mandatsgebiet" zu dem englischen Dominion Neuseeland. Und diese kurze Zeit genügte, um die wackeren Eingeborenen aufzuregen. Sie wollen sich über ihre neue Herrschaft beim Völkerbund beschweren. Das ist nun eine recht eigene Sache. Man sagt sonst, es habe nicht viel Wert, den Teufel bei seiner Großmutter zu verklagen. Gut ist, daß bei diesem Anlaß demManchester Guardian" das Wort ent­schlüpft ist: Deutschlands Antrag, Sitz und Stimme in der As""datskommission (Uri. 22 V. V.) zu bekommen,

je, ebenso gerecht wie wünschenswert. Denn, die Deutschen

Tagesspiegel

Der Reichsanzeiger veröffentlichte eine Bekanntmachung über die vom Verband landwirtschaftlicher Versuchsstationen im Deutschen Reich ausgestellten Rntecsuchungsmekhoden für Futtermittel.

Der Lönig Fessal von Irak (Mesopotamien) ist veranlaßt worden, nach London zu kommen, um den bestehenden Ver­trag Englands mit dem Irak abzuändern. Den Engländern sind die hohen jährlichen Zuschüsse zu dem Jrak-»Rlandat" ebenso wie diejenigen zum Paläsiina-Rlandal" längst un­bequem geworden.

besäßen große Erfahrungen in kolonialen Angelegenheiten und die deutschen administrativen Leistungen seien eindrucks­voll genug, um einen solchen Schritt zu rechtfertigen. Genau das Gegenteil davon steht in der berüchtigten Mantelnote zum Versailler Vertrag. Wer hat nun recht?

Aus Rumänien kam am Mittwoch abend dis Nach­richt, daß König Ferdinand I- gestorben ist. Mehr als einmal wurde dem seit Jahr und Tag schwer erkrankten Balkanherrscher der nahe Tog prophezeit. Dem 62jährigen Großvater folgt der 6jährige Enkel Michael auf den Thron. Eine aus drei Männern bestehende Regentschaft wird das unmündige Kind bevormunden. Der moralische Einfluß wird nach wie vor die Königinmutter Maria, die Tochter eines Bruders des englischen Königs Königs Eduard VII., haben. Und dieser Einfluß wird nicht immer ein guter, jedenfalls kein deutschfreundlicher sein. Denn Kö­nigin Maria war es, die nicht ruhte und rastete, bis am 27. August 1916 die rumänische Regierung an Oesterreich-Ungarn den Krieg erklärte. Der Hohenzoller Ferdinand hat sich fchwer dazu entschlossen. Aber wieder einmal war die Frau stärker als ihr Mann. So ging Rumänien denselben Weg des Bundesbruchs bekanntlich hatte auch Rumänien einen Bündnisvertrag mit Deutchland wie ein Jahr zuvor Italien. Freilich die Züchtigung, die dem Treulosen von uns verabreicht wurde, war schwer. Selten hat ein Krieg in so kurzer Zeit so schmachvoll für den Besiegten geendet wie der deutsch-rumänische Feldzug. Es ist, als ob Ferdinand in seiner Familie für seinen Fehltritt hart büßen müßte. Wie viel Herzeleid und Sorgen und Widerwärtigkeiten hat sein Sohn, der Ex-Kronprinz Carol, ihm bereitet. Wie weit in allen diesen Wirren der ungekrönte Herrscher dieses Staats, der Ministerpräsident Bratianu, der vor vier Wochen wiederum einen glänzenden Wahlsieg davon getra­gen hat, seine Hand im Spiel hatte, ist nicht ganz aufgeklärt. Zweifellos ist Bratianu ein befähigter Staatsmann. Rumä­nien verdankt ihm seine führende Stellung auf dem Balkan. Wie es mit seiner politischen Moral aussieht, ist allerdings eine andere Sache. Der Balkan ist eben der Balkan.

Wir haben jetzt die parlamentslose Zeit.Schreck­lich" ist sie damit noch lange nicht. Es gibt sogar Leute, die solche Monate, wo unsere Reichs- und Landesboten ihren friedlichen häuslichen Beschäftigungen nachgehen, oder ihrer Wohlverdienten Ruhe sich widmen, für die glücklichste Periode des Jahrs halten. Aber damit dem nachdenksamen Bürger die politische Kost nicht ganz entzogen werde, gibt die Re­gierung ab und zu einen Gesetzentwurf bekannt. So den Reichsschulgesetzentwurf. Derselbe ist dem deut­schen Volk in der Verfassung versprochen worden. Wieder­holt sind solche Entwürfe erschienen, um alsbald wieder in der Versenkung auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Mit diesem neuesten v. Keudellschen Entwurf aber soll wirklich Ernst gemacht werden. Es soll in Zukunft in un­serem großen Vaterland drei gleichberechtigte Volksschulen geben: Gemeinschafts (Simultan)-, Bekenntnis- und bekenntnislose (weltliche) Schulen. Der Reli­gionsunterricht soll bei den beiden ersten Schularten verbindliches Schulfach sein. Dessen Einsichtnahme, aber nicht Beaufsichtigung, soll der Kirche zustehen.

Das wird wieder einmal einen harten Kampf die böse Welt meint sogar einen Kulturkampf abfetzen. Pflegt doch unser Volk nicht nur bei Finanzfragen, sondern und das ist immerhin noch ein gutes Zeichen auch bei Er° ziehungsfraaen nervös zu werden. Denn am Ende ist es doch der Geist, dersich den Körper baut. ff.

eue Nachrichten

Vom Reichsrat

Das gespannte Verhältnis zwischen Reichsregierung und preußischer Regierung

Berlin. 22. Juli. In der letzten Vollsitzung des Reichs- rats hatte der Vorsitzende, Reichsminister v. Ke u d ell, ge­rügt, daß der preußische Bevollmächtigte Badt in einer Sitzung des Rechtsausschusses des Reichstags vom 8. Juli Mitteilungen aus den Beratungen der Ausschüsse des Reichsrats gemacht habe, obgleich diese Beratungen vertraulich waren. Dabei habe Badt eine entscheidende Tatsache verschwiegen und so die Oeffentlichkeit irre­ge f ü h r t. In der gleichen Vollsitzung des Reichsrats gab nun der preußische Ministerpäsident Braun eine Erklä­rung ab, er legte Verwahrung dagegen ein, daß gegen einen

Vertreter der preußischen Regierung rm Neicysrar Beschwer­den vorgebracht werden, ohne daß die Regierung vorher in Kenntnis gesetzt werde. Von einem Dertrauensbruch durch Badt könne keine Rede sein, ebenso wenig von dem Ver­schweigen einer wichtigen Tatsache. Reichsminister o. Keu­dell entgegnete, auf Beschluß des Reichsrats werde die Angelegenheit zurzeit in den Ausschüssen geprüft. Die Er­klärung Brauns biete daher keine Veranlassung, daß er (Keudell) in diesem Stand der Angelegenheit und an dieser Stelle seinen Erklärungen von neulich ein Wort hinzufüge. Auf Antrag des bayerischen Gesandten v. Preger wird auch die Erklärung des preußischen Ministerpräsidenten dem Ausschuß für Geschäftsordnung überwiesen.

Der Reichsrat stimmte darauf der Ergänzungsverord­nung betr. Berechnung der Gemeindesteuer auf ausländische Biere zu. Das seitherige ordentliche Mitglied zum Reichs­kalirat und das stellvertretende Mitglied (Thüringen) wer­den wieder ernannt. Reichsminister v. Keudell widmete dem verstorbenen hessischen Minister v. Brentano einen ehrenden Nachruf. In etwas geänderter Form wird der Antrag der Reichsregierung angenommen, die Finanz st ati st ik von 1925 und 1926 auch in den kommenden Jahren fortzusetzen. Dagegen stimmen Bayern und Württemberg, die mit Recht dagegen Einspruch erheben, daß die kostspieligen Statistiken verewigt werden.

Die Reichsregierung gegen Hörsing Berlin, 22. Juli. Amtlich. Der Vorsitzende des Reichs­banners Schwarzrotgold, der preußische Oberpräsident Hör­sing, hat anläßlich der Ereignisse in Wien in einem öffent­lichen Aufruf scharfe und beleidigende Angriffe gegen die österreichischen Behörden und die Regie­rung selbst gerichtet. Die deutsche Reichsregierung steht sich veranlaßt, ihrem lebhaftenBedauern über diesen Aufruf Ausdruck zu geben, der geeignet ist, die herzlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Oesterreich zu trüben.

Die Reichsregierung hat die Erklärung amtlich auch der preußischen Regierung zugestellt, die dadurch genötigt ist, zu dem Fall Stellung zu nehmen.

Der Reichspostminifier im Verwalkungsral Berlin, 22. Juli. Im Verwaltungsrat der Reichspost, der heute endgültig über die Gebührenerhöhung Beschluß faßt, begründete Reichspostminister Dr. Schätzet die Gebühren­erhöhungsvorlage. Es sei ein ungedeckter Mehrbedarf von 427 Millionen Mark festgestellt, zu dessen Deckung die Er­höhung der Gebühren 208 Millionen erbringen, während der Rest von 219 Millionen durch Rationalisierung und Heranziehung der Reserven gedeckt werden soll. Außerdem soll für dauernde Anlagen auf dem Weg der Anleihe ein Betrag von 170 Millionen verfügbar gemacht werden. Der Postbetrieb sei in kaufmännisch-wirtschaftlicher Weise um­gestellt worden. Die Ausgaben seien heute schon oft über die Grenzen des Vertretbaren hinaus abgedrosselt. Ohne Gebührenerhöhung würden u. a. auch die Mittel zu einer Besoldungserhöhung fehlen. Die Deutsche Reichspost hole mit der Gebührenerhöhung lediglich den Angleich an den all­gemeinen Preisstand nach. ...

Gegen die Parkeipolitisierung des Deutschen Beamkenbundes Berlin, 22. Juli. Die dem Deutschen Beamtenbund an­gehörenden Mitglieder der bürgerlichen Reichstagssraktionen mit Ausnahme der Demokraten haben in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Beamtenbunds gegen die Tätigkeit der innerhalb des Bunds entstandenen sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft Einspruch erhoben und Maßnahmen zur Wahrung der parteipolitischen Neutra­lität des Bunds gefordert.

Einspruch gegen die Verhaftung Piecks Berlin, 22. Juli. Der preußische Landtagspräsident Bartels (Soz.) hat in einem Schreiben an das Aus­wärtige Amt die Verhaftung des Abg. Pieck (Komm.) durch die Polizei in Wien für unstatthaft erklärt, da er als Ab­geordneter Immunität habe.

Die Kommunistische Partei hat dem österreichischen Ge­sandten einen Einspruch gegen die Verhaftung Piecks über­sandt. Die Reichsregierung hat Vorkehrungen gegen etwaige Kundgebungen vor dem Gesandtschaftsgebäude getroffen.

Gegen Pieck ist in Wien eine Polizeistrafe verhängt worden, weil er ohne gültige Ausrveispapiere nach Wien gekommen ist. Ferner wurde er aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

Der innere bayerische Finanzausgleich angenommen München, 22. Juli. Der Landtag hat die Bewilligung von 3 Millionen Mark für die mittleren und unteren Beamten angenommen. Der hart umstrittene Gesetzentwurf über den inneren bayerischen Finanzausgleich wurde nach erregter Aussprache mit 66 gegen 50 Stimmen angenommen. Die Opposition erging sich in so heftigen Ausfällen, daß die Re­gierungsvertreter wiederholt in die Aussprache eingreifen mußten. Daraus vertagte sich der Landtag bis zum Herbst.

Die Strafanträge im Stuttgarter Kommunisten- prozetz

SlukkarL 22. Inst. Am Schluß der gestrigen.Sitzung er-