unter'Umständen in eine sehr schwere Erwerbslosigkeit hin­ein. Es ist zu wenig dafür gesorgt, datz für die Unter­stützung der Erwerbslosen Deckung zur Verfügung steht. Man hat eben gedacht, daß auch das wieder die Reichskasse und die Notenpresse zu schaffen haben. Die Erwerbslosen- rersicherung hat im Reichswirtschaftsrat lange gelegen, sie ist seist im Reichstag. Wenn sie im Reichstag fertig ist, ist vorläufig noch nicht zu übersehen. So gehen diese Dinge heutzutage nicht. Ich übersehe nicht, die verstchcrungstech- nischen Einzelheiten der Erwerbslosenversicherung. Ich weiß, daß es eine komplizierte Materie ist und man kann über Einzelheiten lange streiten. Wenn es notwendig ist, soll darüber gestritten werden. Aber der finanzielle Teil der Vorlage muß in der einen oder in der anderen Werse in ganz kurzer Zeit zur Erledigung kommen, damit we- n: stens eine teilweise Deckung vorhanden ist, wenn diese außerordentlichen Ansprüche an uns herantreten. Wenn man von einem Finanzminister verlangt, daß er nur noch p roduktive Arbeitslosenfürsorge leistet, daß der demorali­sierende Einfluß der bloß unterstützenden Fürsorge ausge- schaltet wird, so mutz man sich auch darüber vollständig klar ein, daß eine wirkliche produktive Erwerbslosenfiir- sorge, infolge der sachlichen Kosten, die sie erfordert, viel­leicht das 8Ivfache der blotzen Unterstützung bedeutet. lSohr richtig!) Wenn man solche Forderungen erhebt, die wzial durchaus berechtigt sind und deren Durchführung niemand heitzer wünscht als ich, so mutz man sich auch auf der anderen Seite darüber klar sein, datz es dann nicht an­geht, die ganze Erwerbslosenfürsorge dem Reich allein aus- uladen, dem Reich, das nahezu zahlungsunfähig gewor­den ist.

Ich möchte von weiteren Problemen nicht sprechen. Es hat heute keinen Sinn, eine Politik zu verkünden, bevor wir die nächsten Wochen gesichert haben. Ich will nicht davon sprechen, daß auch die Ausgabenwirtschaft in den Ländern und Kommu­nen nicht mehr so weiter gehen kann. Das einzige Mittel, um zu einer Aenderung zu kommen, besteht darin, daß Länder und Kommunen wieder die Verantwortung für ihre Ausgaben er­halten. (Sehr richtig.) Das wird nur dann der Fall sein, wenn sie auch die Verantwortung für die Steuern, also eigene Steuer­quellen, haben. Es wird also auch hier für eine ausreichende Reform gesorgt werden müssen. Ich bespreche aber diese Dinge nicht weiter, denn unsere Sorge ist jetzt: wie kommen wir über dir nächsten Wochen h'nwcg, wir sichern wir das Volk, daß nicht ein Chaos eintritt, wie sichern wir die Existenz des Reiches. Zum Schluß noch ein Wort: Ich sprach von Gefahren, 1. der Zurückhaltung der Ernte. Wenn man vielleicht auch psychologisch begreifen kann, daß der Landwirt angesichts der schwankenden Währung seine Erzeugnisse zurückhält, so ist es doch die denkbar größte Gefahr, die uns augenblicklich bedroht, wenn die Städte von Nahrungsmitteln entblößt sind. (Sehr richtig.) Ich möchte die Vertreter der Landwirtschaft dringend bitten, in ihren Krei­sen alles daran zu setzen, daß die Zufuhr in die Städte erfolgt. Und noch ein anderes, das zurückführt zu dem Thema der Wäh­rungsfrage. Es ist ganz sicher, daß Nepudiationstendenzen für die Papiermark bestehen. Aber man soll das jetzt nicht über­treiben und man soll keine Panikstimmung in der Bevölkerung unterstützen. Genau das Gegenteil muß geschehen. Solange die Papiermark gesetzliches Zahlungsmittel bleibt, solange in Pa­piermark die Steuern erhoben werden, solange ist für die Pa­piermark ein wenn auch beengter Zirkulationsradius vorhanden und solange kann eine völlige Entwertung der Papiermark nicht eintreten. Man sollte der Bevölkerung, statt ihr fortwährend zu sagen, jetzt komme ein neues Zahlungsmittel und das werde die Rettung bringen, ganz offen sagen, daß auch das neue Zahlungs­mittel allein nicht sofort Rettung bringen kann, sondern daß dazu ganz andere Maßnahmen notwendig sind, von denen ich früher gesprochen habe. Es handelt sich, wie gesagt, augenblick­lich um die kritischste Periode, die seit Gründung des Reiches überhaupt da war, vielleicht um die kritischste Periode, die in >ter Existenz eines großen Reiches je vorhanden gewesen ist. Von diesem Bewußtsein muß man erfüllt sein und man muß sich klar sein, daß jetzt keine Zeit ist, zu irgend etwas anderem, als dafür u sorgen, daß der Bürgerkrieg, das Chaos, vermieden wird, dag wir über diese Zeit hrnrregkommen müssen, die wir brauchen, um außenpolitisch eine Lösung zu finden, und daß wir dann erst die C.uudlage haben werden, auf der eine ersprießliche, konsequente Aufbauarbeit möglich ist. And dazu müssen Sie, die Sie die Wirtschaft in allen ihren Teilen repräsentieren, in erster Linie beitragen in dem festen Bewußtsein und in der Ueberzeuqung, bis Sie haben müssen, daß, wenn das Reich zugrunde geht, cs -ine deutsche Wirtschaft nicht mehr gibt. (Sehr richtig.) Alles, was Sie heute opfern, ist nichts anderes als die Versicherungs­prämie. die Sie sich selbst zahlen. Auf der anderen Seite können Sie überzeugt sein, daß alles geschieht, was menschenmöglich ist. und das, was von uns verlangt wird, geht wirklich beinahe Mcnschenkrait hinaus um diese zwei Bedingungen zu erfüllen: oie außenpolitische Lösung und die finanzpolitische Festigung.

Im Verlaufe der Debatte äußerte sich Reichswirtschaftsmi- n-stcr von Raumer über die Devisenfrage. Ueber die Aus­führungen des Reichsfinanzministers, sowie über die Entschlie­ßung des Währungsausichusses emspann sich eine lebhafte De­batte, an der sich Vertreter sämtlicher Wirtschaftsgruppen betei­ligten. Ein Teil von ihnen sah in den Erklärungen zwar einen Weg zur Lösung des Währungsproblcms für die Zukunft, nicht aber einen solchen zur Lösung der gegenwärtigen Schwierig­keiten (Der Schluß des Berichts steht noch aus.)

Insamnienknnst der Innenminister drr Länder.

Berlin, Ist. Sept. Unter dem Vorsitz des Neichsininistecs des Innern fand heule eine Sitzung des Reichsratsäus- s.husses für innere Verwaltung zur Beratung von Ange­

legenheiten der inneren Politik statt, zu der die Innen- minister der Länder erschienen waren. Der Reichs­minister des Innern betonte einleitend, datz cs die besondere Aufgabe seines Amtes sei, die Beziehungen des Reichs zu den Ländern zu pflegen. Die Reichsregierung sei fest entschlossen, die Zuständigkeit der Länder zu wah­nen. Gegenüber den schweren gefahren am Rhein und an der Ruhr, wo wertvolle Gebiete des Reiches ernstlich be­droht seien, müsse ein starker, einheitlicher, nationaler Wille ausgebracht werden. Namens der Reichsregierung bittet er alle Länder, zusammenzustehen und der Reichsregierung zu Helsen, diese geschichtliche Aufgabe zu meistern. An der Aussprache beteiligten sich die Innenminister aller Länder. Es wurde eine Reihe wertvoller Anregungen ge­geben und Erfahrungen ausgetauscht. In seinem Schluss­wort konnte der Reichsminister des Innern weitgehende Uebereinstimmung der Anwesenden mit der Neichsregie- rung feststellen.

Bayern und die politische Lage.

Berlin, 15. Sept. Nach einer Meldung derVossischen Zeitung" aus München erklärt die bayerische Regierung, die heute vormittag eine Besprechung mit den Koalitions­parteien über die politische Lage hatte, datz sie das Reichs­kabinett Stresrmann außenpolitisch mit allen Mitteln un­terstützen wolle und innerpolitisch alle Machtmittel in der Hand habe, um die Ordnung zu sichern. Der bayerische Ministerpräsident werde am Sonntag in Sunsenhausen zu den Bayern sprechen und voraussichtlich eine programma­tische Erklärung abgebsn. Nutzer der Bayerischen Volks­partei hat nun auch die demokratische Fraktion des Land­tags und die D e u t s ch e V o l k s p a r t e i zur Lage Stel­lung genommen. Die Demokraten erklären, es gelte, Bestand und Einheit des Reichs zu sichern und der Reichs­regierung ihre Ausgabe dadurch zu erleichtern, datz alle Volkskreise Zusammenarbeiten und alle Quertreibereien unterbunden würden. Die Deutsche Volkspartei tritt in einer Erklärung für Reich und Neichseinheit, für die Be­kämpfung aller separatistischen Bestrebungen, für den Wi­derspruch gegen segliche Hetzversuche und die energische Un­terstützung der Reichsregierung ein.

Die Beamtenarbeitsgemeinschatzt vom Rhein und Ruhe zum Abwshrkamps.

Elberfeld, Ist. Sept. Die Beamtenarbeitsgemeinschaft von Rhein und Ruhr beschäftigte sich in ihrer gestrigen Sitzung mit der Eesamtlage des Abwehrkampses und stellte wiederholt fest, datz es zwar der Wunsch der gesamten Be­amtenschaft der besetzten Gebiete ist, möglichst bald wieder zu geordneten Wirtschaftsverhältnissen zu kommen, datz sie aber ihre einzige Waffe, den pasjsiven Widerstand, nicht aus der Hand geben wird, bis eine Gewähr dafür geboten ist, datz alle Inhaftierten umgehend entlassen, alle Ausge- -wiefenen in ihre Heimat zurückgelassen werden und das Rheinland und das Ruhrgebiet mit ihren Verkehrsmitteln unter deutscher Oberhoheit deutsch bleiben. Die Beamten­arbeitsgemeinschaft erwartet von der Reichsregierung, datz sie keinem Abschluß zustimmt, der nicht diese Mindestbedin- gungen erfüllt und erklärt wiederholt, datz sie die dahin­gehende Forderung der Reichsregierung bis zum'äutzersten unterstützen wird.

Englische Auffassung über den Stand

der dentsch-sranzösischen Aussprache.

London, Ist. Sept. Die Blätter, deren Hauptthema die spanische Militärrevolte ist, befassen sich nur- vereinzelt

mit der letzten Rede des Reichskanzlers und begnügen sick grundsätzlich mit den Meldungen über die Aufnahme, dir die Rede Stresemanns in Deutschland und Frankreich ge­funden hat. DieMorning Post" schreibt in einem Leit­artikel zu Stresemanns Rede, der deutsche Kanzler müsst zu seinem Mut und seiner Entschlossenheit, die Grundlagen seiner Steuerpolitik zu erweitern, beglückwünscht werden Die Immunität der reichen Industriellen und kleinen unt grossen Landwirte Deutschlands zur genügenden Besteue­rung war ein internationaler Skandal. Fast zum ersten male seit der Unterzeichnung des Versailler Vertrags warb, die deutsche Negierung, sich Geltung zu verschaffen. Eng­land werde mit größtem Interesse die weitere Entwicklung der Reparationsfrage verfolgen. Es sei befriedigend, zu erfahren, datz Baldwin aller Wahrscheinlichkeit nach Gele­genheit haben werde, diese Frage in direkter Unterredung mit Poincarä zu erörtern. Soweit bekannt, wurde die britische Regierung von Frankreich über die verschiede­nen Unterredungen zwischen dem französischen Botschafter in Berlin und Stresemann voll unterrichtet. Nichts würde der britischen Negierung grössere Befriedigung gewähren als die Erzielung einer direkten Regelung zwischen der französischen und deutschen Regierung infolge dieser Un­terredungen, die, wie gemeldet, fortgesetzt werden sollen. Der Finanzredakteur ddrMorning Post" schreibt, dis City sehe in Stresemanns Rede den endgültigen Entschluß, zr versuchen, eine Lösung der Ruhr- und Reparationsfrag« ans einer für Frankreich befriedigenden Grundlage zu finden.

Zur auswärtigen Lage.

Kapitulation des spanischen Königs

und Kabinetts vor den Aufständischen.

Paris, Ist. Sept. Havas meldet aus Madrid von 11.20 Uhr vormittags, datz der König angekommen sei und datz dag Kabinett tatsächlich demissioniert habe. Um 5 Uhl nachmittags verbreitete Havas folgende Depesche: Der Ge­neralkapitän Primo de Nivera erklärte soeben, datz er tele­fonisch mit dem König gesprochen habe. Dieser habe dac ihm von den Militärs vorgsschlagene Direktorium ange­nommen, Lessen Präsidium er, der General, übernehmen werde. König Alfons habe ferner den Vorschlag des Eene ralkapitäns, den Belagerungszustand über ganz Spanier, auszudehnen, angenommen. Da der König den General Primo de Nivera nach Madrid berufen habe, werde er heute abend seine Reise dorthin antreten.

Auch Polen ödet den Völkerbund an.

Warschau, Ist. Sept. Wie das BlattBzeczpospolita" schreibt, dürfte das Gutachten des ständigen internationalen Cerichshofs in Haag in der Frage der deutschen Ansiedl»! im Schoße des Völkerbundes begraben werden, jedenfalls habe es keine rechtliche' Kraft, die Durchführung der pol­nischen Maßnahmen gemäß den polnischen Gesetzen aufzu­halten.

Eine halbamtliche Kundgebung Italiens zur Fiume^rage.

Rom, Ist. Sept. Wie dieAgenzia Stefani" erfährt, sind die alarmierenden Gerüchte aus englischer Quelle betreffend die Fiumefrage vollständig unbegründet. Vor allem sei festzustellen, daß es ein am Sonnabend ablaufendes italienisches Ultimatum gar nicht gibt. Das Datum des 15. September sei zwischen Rom und Belgrad festgesetzt, um sich die Entscheidungen mitzutcilen. Aber dies habe m keiner Weise den Charakter eines Ultimatums

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