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Nummer 133
Fermm? 178
Samstag den 11. Zuni 1927
Fernruf 17»
62. Jahrgang
Neutralität zwi- Das ist jedenfalls auch Unterhaltung gewesen,
Politische Wochenschau
Wieder ein greller Blitz am politischen Horizont! Die Ermordung des russischen Gesandten Wojkow in Warschau. Wojkow soll einer der Mörder der Zarenfamilie gewesen sein, der der Rache eines 20jährigen Gymnasisten in Warschau zum Opfer fiel, just in dem Augenblick, als der aus London ausgewiesene russische Geschäftsträger Rosen- holz in Warschau begrüßt werden sollte. Natürlich hat sich die polnische Regierung de- und wehmütig entschuldigt. Aber die Sowjetherren in Moskau lassen die Entschuldigung nicht gelten. Sie machen Warschau mehr oder weniger dafür verantwortlich. Der Gesandtenmord hänge zusammen mit der Atmosphäre, die die Warschauer Presse durch ihre Hetze gegen Rußland seit Jahr und Tag geschaffen hübe. Dadurch sei der „Terror" gezüchtet worden, dem ihr Gesandter zum Opfer gefallen sei. Wir haben gewiß keinen Grund, die polnische Regierung in Schutz zu nehmen. Sie soll sehen, wie si-e aus diesem Schlamassel wieder heraus kommt. Und doch kann es uns Deutschen nicht gleichgültig sein, was aus der „Brücke" passiert, die uns nach Rußland führt.
Denn wir wollen ja st r e n g st e schen England und Rußland halten, der Grundgedanke der dreistündigen die Dr. S t r e s e m a n n mit dem russischen Außenkommissar Tschitscherin in Baden-Baden hatte und von der allerdings kein Mensch etwas erfahren soll, als nur die eine selbstverständliche Neuigkeit, daß Stresemann sein Bedauern über Wojkows Ermordung ausgesprochen habe. Ueber so etwas braucht man natürlich nicht einen halben Nachmittag zu reden. Begreiflich ist es, daß Tschitscherin, wohl einer der befähigtsten Diplomaten der Gegenwart, dm Ge- sandteümord in Warschau in dieselbe Linie mit dem polizeilichen Ueberfall auf die Arcosgesellschaft in L o n d o n und dem Einfall in die russischen Gesandtschaftsgebäude in P e - king gestellt und sie alle drei als Glieder in dem Ring beurteilt, den England um Moskau zieht. Aber wir werden den Herren in Moskau auch begreiflich machen müssen, daß wir in Deutschland ebenso wenig wie die Engländer eine bolschewistische Propaganda brauchen können. Die Einrede, daß solche ja nickt von der Moskauer Regierung, sondern von der dritten Internationale, der „Komintern" ausgebe, ist haltlos, da die beiden eine engste Personalunion darstellen. Die Moskauer Herren müssen sich endlich an den Gedanken gewönnen, daß die übrioen Staaten der Welt sich nicht durch eine Weltrevolution ihr Gesellschafts- und Wirtschaftssnstem auf den Kopf stellen zu lassen gesonnen sind. Wir Deutsche können, bei aller Wahrung der Neutralität, solche ablehnende kaltuna um so mehr wagen, als wir bis setzt mit unseren Geschäften in Rußland keine Seide gesvonnen haben. Von der großen Wirtschaftszukunft der Sowjetunion hat sich noch nicht einmal der bekannte Silberstreifen gezeigt.
Ein zweiter Blitz fuhr im berüchtigten Weiterwinkel Europas nieder. InTirana, der „Hauptstadt" (sieht allerdings nichts weniger als hauptstädtisch aus) Albaniens, wurde ein Dolmetscher der südslawischen Gesandtschaft wegen angeblicher Spionage verhaftet. Wahrscheinlich hätten die Albaner — und zwar auf dringenden Rat Mussolinis hin — den Mann wieder springen lassen. Aber da traf inzwischen ein sackgrober Protest aus Belgrad ein, den die Albaner, die sonst wahrlich keine Salonmenschen sind, sich unmöglich bieten lassen konnten. Sie verlangten deshalb Zurücknahme einiger Beleidigungen. Wird wahrscheinlich auch geschehen. Jedenfalls wird es zu keinem Krieg kommen. Denn über Albanien hält M'cksolini den Schild. Uebrigens sollten die Serben sich der Tage von Serajewo erinnern, Wie schwer waren sie über das österreichische Ultimatum entrüstet! Und nun schlagen sie einen noch viel heraus- fordenderen Ton gegen ihren kleinen Nachbar an!
Uebrigens ist der neue albanisch-südslawische Streit bereits beim Generalsekretär des Völkerbunds angemeldet. Ob er aber aus der am 15. Juni zusammen- tretenden 4. Ratstagung behandelt wird, ist denn doch recht fraglich. Bekanntlich ist der Genfer Apparat ziemlich verwickelt konstruiert, und namentlich versagt er jedesmal, sobald eine Großmacht — und diesmal ist es Italien — irgendwie bei einem Streitfall interessiert ist.
Dies gilt auch von der Memelbeschwerde. Dieselbe war allerdings ursvrünglich nicht für die Tagesordnung vorgesehen. Sie wurde erst nachträglich, aber immerhin noch rechtzeitig, in Genf angemeldet. Nun aber behaupten die Litauer, die offenbar ein schlechtes Gewissen bei der Sache haben, der Inhalt der Beschwerdeschrift sei ihnen nicht bekannt gewesen, so daß sie keine Zeit mehr fänden, zu ihr Stellung zu nehmen. Dr. Stresemann, der immer noch Norsißender des Rots iß. hat ihnen nachqewiesen, daß die Beschwerde, die unsere Regierung warm befürwortet, rechtzeitig und gleichzeitig mit der Mitteilung an die anderen Märkte auch Kamno zugegangen sei.
So wird es schon mit diesen Dingen schwer halten, bis sie in Genf zur Sprache kommen. Wie viel mehr mit unserem HerzensanliegenI Deren sind es vier: Räumung der Rheinlande, Aenderung des Dawesplans, Aufrüstung Deutschlands für den Fall, daß die gndern nicht abrüsten, und namentlich Rückgabe unserer
Tagesspiegel
Das Reichskabinett wird über die Zeit der Tagung des Völkerbundsrats in Berlin versammelt bleiben. Das Kabinett hat Dr. Stresemann keine bestimmten Richtlinien mit auf den Weg gegeben, sondern dieser wird sich von Genf aus von Fall zu Fall mit dem Reichskabinett ln Verbindung sehen. In einer Besprechung mit Gras Westarp soll Stresemann ersucht worden sein, keine Bindungen in Genf einzu- gehen, ohne vorher die ausdrückliche Zustimmung des Reichs- kabinetts einaeholt zu haben. — An der Nichtbeachtung dieses Grundsatzes seitens des Außenministers ist bekanntlich das vorletzte Kabinett in die Brüche gegangen.
Die französische Kammer hat die Einzelberakung des Gesetzentwurfs bekr. Verkauf des staatlichen Iündholzmono- pols an den Schwedentrust mit 281 gegen 245 Stimmen abgelehnk. Die Regierung hatte vorsichtigerweise die Ver- krauensfrage nicht gestellt.
In Volen find verschiedene zaristische Russen verhaftet worden.
Die porkugiesiesche Regierung erklärt, in Portugal sei „alles ruhig".
Der albanische Gesandte in BAarad soll sich gew^asrt haben, dem Beseht seiner Re-siermm. Belgrad zu verlassen, Folge zu leisten. Nötigenfalls wolle er als Privatperson in Belgrad bleiben.
In Amerika hak die Weigerung Poincares, die früheren Schuldenverhandlungen anzuerkennen oder weiterzusühren, sehr verstimmt. Das Angebot Briands. einen Vertrag ab- zuschtießen, nach dem die Vereinigten Staaken und Frank, reich sich verpflichten sollen, sich nicht gegenseitig zu bekriegen, wurde in Washington kübl ausgenommen. Nach englischen Blättern auch aus dem Grund, weil der Vertrag im Fall eines engsisch-sranzöstichen ^rieas es Amerika verbieten würde, Waren — oder Munition usw. an England zu liefern.
Kolonien. Da halten sich unsere Locarno-Partner die Ohren fest zu. Das sind dieselben Wünsche, die auch Staatssekretär z. D. Frhr. v. Rheinbaben auf der 6. Jahreskonferenz der Völkerbundsunion von Wales in seinem Vortrag „Deutschland und der Völkerbund" zur Sprache gebracht hat. Aber gerade England wird mit Rücksicht auf Frankreich, mit dem es eben doch als der stärksten Festlandmacht rechnen muß, für deutsche Anliegen herzlich wenig übrig haben.
Was den Punkt „A b r ü st um g" betrifft, so möchten wir doch auch an dieser Stelle auf die Coolidger Seeab- r ü st u n g s k o n f e r e n z, die nächste Woche in Genf zu- fimmentritt, geziemend Hinweisen. Im Jahr 1922 waren es in Washington 5 Seemächte (Amerika, England, Japan, Frankreich, Italien), die bezüglich der Schlachtschiffe ein Abkommen getroffen batten. Hiernach soll das Stärkenverhältnis sich wie 5.'5:3:1.75:1.73 abstufen. Inzwischen haben aber, mit Ausnahme der Bereinigten Staaten, die vier andern Mächte, ganz besonders FrankreichundJtalien, umdie Wette ihre übrigen Flotteneinheiten vermehrt, so daß Amerika hinsichtlich der Kreuzer, Torpedobootszerstörer und namentlich der Seeflugzeuge ins Hintertreffen kam. England und Japan mit dem Grund, ihre wirtschaftlichen Interessen lägen viel weiter auseinander als die der Union. Frankreich und Italien wollen sich wegen ihrer Mittelmeerpolitik nicht binden lassen, haben deshalb auch abgelehnt, amtlich an der Coolidger Konferenz teilzunehmen. Sie wollen nur „Beobachter" nach Genf schicken. Man darf gespannt sein, ob diese Dreimächtekonferenz etwas fertig bringt. Wenn nicht, dann wird Coo - lidge seine Drohung ausführen: die Union wird dann rücksichtslos rüsten. Ihre Mittel erlauben es ihr auch, mehr denn jedem andern Staat der Welt.
Doch noch ein kurzes Wort über China. Dort ist heute der jugendliche General Tschangkaischek der Held des Tags. Cs ist ihm gelungen, den kommunistischen Flügel der Kuöminlangpartei, die ihn seinerzeit auf den Schild gehoben hatte, abzustoßen und sogar in H a n k a u, dem kommunistischen Mittelpunkt, festen Fuß zu fassen. Damit hat er nicht nur den gewaltigen Jangtsestrom, diese wirtschaftliche Hauptader Chinas, sondern auch die reichen Finanzquellen der chinesischen Kaufleute in seine Gewalt bekommen. Cr hat nur noch einen Genger: den alten und grausamen Räuberhauptmann Tschangtsolin. Bereits haben diesen zwei seiner Unterführer schnöde verlassen. Sie sind zu Tschangkaischek übergegangen, und auch der „christlich-kommunistische" General Ferig macht Anstalten, ihn anzuareifen. Man spricht schon davon, daß Tientsin und Peking bald ihre Tore dem Sieger von Nanking öffnen werden, ja daß Tschangtsolin bereits an einen Waffenstillstand mit seinem Gegner denkt, unter der Voraussetzung, daß derselbe ihn in der Mandschurei, der eigentlichen Grundlage seiner Macht, unbehelligt lasse.
Hiernach haben sich die chinesischen Wirren vereinfacht. Es sind in der Hauptsache nur noch zwei oder drei Männer, die um die Zukunft Chinas untereinander ringen. Dabei hat Tschangkaischek den Vorzug, daß es ihm nicht blos um persönliche Machtinteressen zu tun ist, wie seinem mand
schurischen Rivalen, sondern daß er sich auf den ln ganz China populären Gedanken eingestellt hat: „Losvonder Fremdherr chaft!" Auch „Los von Moskau!" Denn der russische Bsls-K.-wismus hat vorerst, wenn nicht alle Zeichen trügen, in China ausaespielt.
Endlich noch etwas von Deutschland. Der Höhepunkt d r sonst ganz unpolitischen Rsincck'ast ist der Uebermeersi"g Chamberlins Neuyork — Kottbus — Berlin. Die Berliner hatten wieder eine „Sensation" ersten RWigs. Es gab einen förmlichen Pfingstregen von Glückwunschtelegrammen hin und ber zwischen Amerika und Deutschland. Nach Abzug der Usbertreibungen ist immerhin geschichtlich und kulturell bemerkenswert, daß ein neuer Schritt auf dem Wea der Annäherung der Völker, namentlich auch Amerikas und Deutschlands, erfolgt ist. Wer sollte sick nicht darüber herzlich freuen? Aber auch hier gilt das Geseß: „Und setzet ihr nickt das Leben ein, nie wird euch das Leben gewonnen sein!" VC. bl.
Neue Nachrichten
Die deutsche Abordnung in Genf Berlin, 10. Juni. Zur Ratstagung in Genf werden sich begeben: Reichsaußenminister Dr. Stresemann, Staatssekretär v. Schubert, die Ministerialdirektoren Dr. Gaus und Dr. Zechlin, die Geheimräte von Bülow und von Dirksen und Gesandter Freytag mit dem üblichen Personal. — Der Völkerbund ist bekanntlich eine sehr kostspielige Sache.
Der Gemeindeanleil an den Lasten der Krisenunterstühung Berlin. 10. Zuni. Der sozialdemokratische Ausschuß des Reichstags nahm bei der weiteren Beratung der Erwerbslosenversicherung einen Antrag an, daß die Gemeinden bei der Verteilung der Lasten der Krisenunker- stützung ein Fünftel zu tragen haben. Der Regierungsentwurf sieht ein Viertel vor, während der Reichsrat wünscht, den Beitrag auf ein Neuntel heradzusetzen.
Ein Notschrei aus Elsaß-Lothringen
Skraßburg, 10. Zuni. Die vor einigen Monaten ge gründete „Straßburger Bolksstimme", die wegen ihres Kampfes um die Erhaltung des elsässischen Volkstums von den französischen Behörden mit schweren Strafen verfolg! wird, richtet einen Notschrei an das Ausland, in dem es bezeichnenderweise u. a. heißt: „Wir wenden uns auch an das Ausland Französische Richter haben uns dazu gezwungen. Wir schreien es laut über die Grenzen hinaus, daß es für die Heimattreuen Elsaß-Lothringer in ihrem eigenen Land kein Recht, keine Gerechtigkeit und keinen richterlichen Schuh mehr gibt. Das Ausland muß es erfahren, daß in dem „befreiten Elsaß- Lothringen" die Gerichte der französischen Republik sich in den Dienst der nationalistischen Haßpolitik gestellt haben, daß sie durch maßlose Urteile die Blätter zu entwurzeln versuchen, die die große Luge vom „urfranzösischen Elsaß" nicht mitmache-n. die die Befreiung vom Zahr 1818 und deren wahres Gesicht zeigen und für die Erhaltung des elsässischen Volkstums unentwegt und rücksichtslos sich einsetzen. An die Elsaß-Lothringer im Reich, in Amerika, in der Schweiz und an die nationialen Minderheiten der neugeschaffenen Staaken wenden wir uns. Wir liehen sie an um ihre Hilfe gegen die brutale Gewalttätigkeit der französilcken Gerichte."
„Daily Telegraph" über Moskaus Anklagen
London, 10. Juni. Der diplomatische Mitarbeiter des „Daily Telegraph" schreibt, in britischen Kreisen werden Litwinows heftige Beschuldigungen gegen Großbritannien als „kindisch" bezeichnet und erzeugen ebensoviel Belustigung wie Erstaunen. Was Litwinows Drohungen gegen Warschau und die Berichte über bolschewistische militärische Zusammenziehungen an der polnischen Grenze betreffe, so bestehe keine Neigung in britischen Kreisen, solchen Drohungen übertriebene Bedeutung beizumessen. Alle militärischen Beobachter in der Nachbarschaft Rußlands von Finnland bis Rumänien seien überzeugt, daß der Sowjekregierung das Werkzeug fehle, einen Krieg zu führen.
2S Todesurteile in Moskau
Moskau, 10. Juni. Die Vereinigte staatliche Verwaltung. (G. P. U.) hat gestern 20 „Weißgardisten" (Anhänger der Zarsystems), darunter den Fürsten Paul Delgorukow zum Tod verurteilt und sofort erschießen lassen. Sie wurden beschuldigt, zugunsten auswärtiger Mächte Spionage verübt oder Anschläge geplant zu haben.
Belagerungszustand in der «Republik des fernen Ostens"
London. 10. Zuni. Zn der Sowjet-Republik des fernen Ostens hat der Revolutionäre Ausschuß, der dort das höchste Verwaltungsorgan ist, den Belagerungszustand verhängr Er sagt, diese Maßnahme sei nötig, weil sich die Ereigmjle !m fernen Osten zu schnell abspielen und Ü<h auf gebiet nicht weniger als 6000 Soldaten und Offiziere des nordchinesischen Heers befänden. ^