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Nummer 99

Fernruf 17S

Samstag de« 3V. April 1927

Fernruf 179

62. Zahrgarrg

Politische Wochenschau

Der Völkerbund ist bankerott" behauptete Ruß. lands Kriegskommissar vor ein paar Tagen auf dem all­russischen Sowjetkongreß. Das ist übertrieben. Er dachte an Albanien und China, an zwei Streitfälle, zu deren Beilegung oder Milderung der Völkerbund keinen Finger rührte ober besser rühren konnte. W i r denken mehr an die Abrüstungsfrage. Fünf Wochen haben die Herren Vertreter der Mächte in endlosen Reden über Perab­setzung oder Beschränkung der Friedensstärke, der ausgebil­deten Reserven, des Kriegsmaterials, des Wehrhaushalts, der Luftflotte, der Kriegsmarine u. a. sich unterhalten. Und nun gingen sie am letzten Dienstag auseinander und riefen sich zu:Auf Wiedersehen am 1. November". Beschlüsse bringen sie nicht mit nach Hause, höchstens in der Frage der Giftgase, die in zukünftigen Kriegen nicht verwendet werden sollen. Sonst nichts, rein nichts! Doch etwas: einen Vor­behalt Deutschlands, und der heißt: Deutschland er­wartet, daß gemäß Versailler Vertrag, nachdem es selbst entwaffnet ist, die allgemeine Abrüstung erfolgt, vor allem an den ausgebildeten Reserven und am Kriegsmaterial, und daß hierin Schritt für Schritt weiter gemacht wird.

Ein frommer Wunsch. Was kümmert chch Frankreich drum! Allerdings hat dort das sozialistische BlattOeuvre" geschrieben, es könne nicht bestritten werden, daß Deutsch­land vertragsmäßig ein Recht auf die allgemeine Entwaff­nung habe. Aber der übrige Chor der französischen Presse rief: Nein, die andern Nationen seien nurmoralisch" hiezu 'verpflichtet. Man weiß, was die Franzosen unter solchen Verpflichtungen verstehen. Ist es doch jetzt drüben über die Rheinlandräumung mäuschenstill geworden. Locarno und Thoiry sind gründlich vergessen. Jedenfalls erwartet Frankreich für etwaige vorzeitige Räumung eine saftige Gegenleistung von Deutschland. Als ob Rechtsansprüche erst erkauft werden müßten! Das würde gerade noch fehlen!

Doch nochmals zurück zur Genfer Abrüstungskomödie. Die ernsteste und aufrichtigste Rolle dabei hat unser Ver­treter, Graf Vernstorff, gespielt. Cr hat auch beim Ab­schied aus Genf den Pressevertretern glattweg gesagt: es sei so gut wie nichts erreicht worden. Die größere Posse führte der Franzose Paul-Boncour auf, und zwar so, daß sogar seine Gesinnungsgenossen auf dem internationalen Sozialisten-Kongreß in Lyon, der an Ostern stattfand und von etwa 300 Vertretern besucht war, Boncours Entsendung nach Genf einer starken Kritik unterzogen. Man habe er­kannt, daß die Genfer Einrichtungen Werkzeuge des Kapi­tals seien, welche die Unterstützung der Sozialisten nicht ver­dienten.

Die österreichischen Genossen hatten am letzten Sonntag einen Großkampftag. Es waren die Neuwahlen gleichzeitig für den Nat! onalrat und für die neuen Landtage, also auch für den Wiener Gemeinderat, der zugleich den Landtag Wiens vertritt. Hier behielt die Sozialdemokratie die Mehrheit. Sie hat sich aber auch ge­waltig angestrengt, so daß in einigen Bezirken bis zu 05 v. H. der Wähler und namentlich der Wählerinnen, denen sogar Kindsaussteuer versprochen wurde, zur Urne kamen. Buch im Nationalrat gewannen die Sozialdemokraten einige weitere Mandate, aber immerhin nicht so viel, daß dadurch die bürgerliche Regierungsmehrheit Dr. Seipels gefähr­det würde, selbst wenn der Landbund, (der etwa dem bayerischen Bauernbund entspricht), mit seinen 9 (früher 5) Sitzen gegen die Regierung stimmen sollte. Diese selbst ruht nach wie vor auf den Schultern der Christlich-Sozia- l e n (Zentrum) und der Großdeutschen Volkspar- t e i (Deutschnationale und Deutsche Volkspartei), welch letz­tere ihren seitherigen Besitzstand auch diesmal behauchet hat.

Der Streit wegen Albanien scheint augenblick­lich auf ein totes Geleise aufgefahren zu sein. England hat auf einmal erklärt: es wolle nichts mehr von der Sache wissen. Damit ist sie freilich noch lange nicht aus der Welt geschafft. Im Gegenteil, sie bekommt eine schärfere Note da­durch. daß B el g r a d und An q o r a sich genähert, ja sogar e>n Militärabkommen geschlossen haben. Dadurch würde Italien ein nicht ungefährlicher Feind im östlichen Mittel­meer erstehen. Welcher Wechsel der Zeiten! Wie haßten sich doch ehemals Serben und Türken! Und heute verbrü­dert. Und der dritte im Bunde ist Sowjet-Rußland, der vierte Persien. Waren doch jüngst bei der Unter­zeichnung des russisch-afghanischen Vertrags, der sich unmittelbar gegen England kehrt, der türkische und persische Gesandte als feierliche Zeugen anwesend. Kein Wunder, daß nun England Südslawien erst recht links liegen läßt. f

Ueberhaupt Moskau! Cs sieht so aus, als ob es für seine chinesische Schlappe wieder in Europa einen Ausgleich suchen wollte. In dieser Woche werden lettländische Bevollmächtigte in M o s k a u einen Wirtschofts- und Sicher- heitsvsrtrag unterzeichnen, einen ähnlichen, wie ihn vor Jarh und Tag der Rüste mit Litauen eingegangen hat. Cr verpflichtet sich bei Vermeidung vonSanktionen" zu einem bestimmten Gesamtbetrag von Einkäufen in Riga. So er- sckstießt sich den jungen baltischen Staaten wieder der russische Markt. Dadurch werden diese von England so sehr um­worbenen Ostseeländer, auf der andern Seite magnetisch von Moskau angezogen. richer Zeit steigthie t I ch,e chi s ch.«

Tagesspiegel

Dr. Skresemann hak Briand zu dessen 25jährigem Par- lamenksjubiläum telegraphisch beglückwünscht. Briand hat telegraphisch gedankt. Auch die Stadt Locarno hak Briand Glückwünsche ausgesprochen.

In dem Befinden des deutschen Botschafters in Paris von Hoesch, der vor einigen Tagen an Angina (eitrige Halsentzündung) erkrankte, ist eine Berschlimmerung ein- gelreken.

Der südslawische Außenminister Mannkowikisch schreibt in der Belgrader «Prawda'tz das südslawische Bolk wünsche einen Freundschafts- und Schjedsver-rag mit Deutschland.

Heber Paris wird aus Albanien gemeldet, in dem frühe­ren, seht zu Südslawien gehörigen Montenegro sei ein Auf­stand gegen die Serben ausgebrochen-

Abneigung geaen Polen, vor dem unlängst der bekannte Prager Außenminister Benesch warnte, als vor einem Staat, dessen Außenpolitik in der Korridor- und in der Wssnafraoe eine Quelle von Gefahren bilde.

' Wahrlich. Frankreich und England haben es nicht leicht. Cs ist deshalb höchste Zeit, daß der Präsident der Republik zu einem Besuch nach London reist. Da werden wieder große Sprüche gemacht werden. Allerdings wurde den Franzosen gleich und unmißverständlich bedeutet: Alle Freundschaft in Ehren, aber ein Bündnis ffibts nicht. Eng­land will unter allen Umständen seine Bewegungsfreiheit bewahren. John Bull ist eben einmal der echte und gerecht« Engländer, der keine Geschäfte macken will, auch mit dem, der gestern sein Feind war. dlon ölet (Es riecht nicht".)

So nun auch in Aegypten. Dort ist Englands schärf­ster Gegner Z a g l u l P a s ch a, der schon 1919 den Aufstand gegen England geleitet hatte, dann in Malta gefangen ge­setzt, bald aber wieder freigelassen und zu Verhandlungen mit den englischen Behörden zugezogen wurde. Die Unab­hängigkeitsbewegung im Lande der Pharaonen wurde immer stärker, so daß Lloyd George im Mürz 1922 das Protekorat aufhob und die Selbständigkeit Aegyptens anerkannte, aber nach der Melodie:Und der König absolut, wenn er unfern Willen tut." Fürs letztere hatten aber die Nationalisten keine Lust. Eines schönen Tags ermordeten sie den britischen Oberkommandierenden. England ließ den Ministerpräsiden­ten Zaglul Pascha stürzen und das Parlament auflösen. Die Neuwahlen 1925 und 1926 brachten erst recht glänzende Erfolge für die Nationalisten. Und Zaglul Pascha kehrte als Parlamentspräsident zurück, ohne dessen Zustimmung kein Kabinett möglich war. England steht ein, daß mit Aegypten nichts mehr zu machen ist. Nicht einmal als Dominion", wie Kanada oder Australien, will dieses stör­rische Volk sich unter Old-Englands Weltbanner stellen. Jetzt sollen Sinai und Sudan die Preise sein, mit denen sich England für das endgültig aufgegebene Protektorat ab- fin-den lassen will.

Bei uns zu Haus hat die angekündigte Postporto- erhöhung große Beunruhigung ausgelöst. Der Reichs­postminister erklärt, daß es nicht anders gehe: erstens ver­diene die Post viel zu wenig, zweitens hätten alle Staaten, Amerika ausgenommen, höhere Postgebühren. Andere warnen davor: denn eine 50proz. Portosteigerung wirke geradezu verheerend auf die Preisbildung im sonstigen Han­del und Wandel. Die Post solle eben auch besser sparen, gerade so gut wie die Privatwirtschaft^ Was die anderen Länder machen, sei nicht für uns absolut maßgebend. Es wäre keine Schande, sondern eine große Wohltat für ans, wenn wir den billigsten Postbetrieb hätten.

In Thüringen ist nach dreimonatigem Markten und Han­deln endlich eine Regierung zustande gekommen, ein bürger­liches Kabinett, das sich auf 23 von 56 Stimmen stützen kann. Also eine Minderheitsregierung. Sie ist haltbar, wenn sie von den Deutschnationalen, die im letzten Wahlkampf durch Einheitslisten mit den heutigen Regierungsparteien enge verbunden war, unterstützt wird. Wenn nicht, dann dürfte sie bald wieder von der Bildfläche verschwinden.

Der württ. Landtag trat wieder zusammen, um den dritten Nachtragsetat zum zweijährigen Staatshaushalt 1926/28 zu beraten. Cs war vorauszusehen, daß die Oppo­sition diese Gelegenheit wahrnehme, um den Finanzminister hart anKilassen. Freilich war das nicht so leicht, denn er konnte eine Senkung der Staatssteuer von 7 auf 5 v. H. ankundigen und ebenso einen völligen Ausgleich zwischen Ausgaben und Einnahmen, auch weitere Erleichterungen und Verbesserungen auf dem Gebiet der sozialen Fürsorge ^ stellen. Aber es ist nun einmal nicht jedermanns

Sache, das Gute auch an einem Gegner anzuerkennen.

Neue Nachrichten

Die Umtriebe gegen den Skahlhelmkag Berlin. 29. April. Eine Versammlung der Berliner Hoch­bahner hat beschlossen, anläßlich des Stahlhelmtags am 7. Und 8. Mai den Betrieb durch Streik stillzulegen.

Zu den Munitionsfunden teilt das Polizeipräsidium mit. daß in dem Lagerkeller, der Firma Hixsch 500 000 Platz­

patronen UND in einem Lagerraum der Firma Schurike etwa 65 000 Leuchtpatronen entdeckt worden sind. Die Fahndung wurde durch das Wehrkreiskommando veranlaßt, da die Munition aus den Beständen der Reichswehr gestohlen wor­den ist. Man vermutet, daß die Patronen gegen die Stahl­helmleute verwendet werden sollten.

Freispruch iu einem Stahlhelmprozeß

Magdeburg, 29. April. Das Große Schöffengericht sprach zwei Führer des Stahlhelms, Rechtsanwalt Dr. Klei- b o l t e - Hannover und Schriftleiter Derttinger, frei. Sie waren wegen eines ArtikelsDer Ungeist von Weimar" eines Vergehens gegen das Ausnahmegesetz zum Schutz der Republik angeklagt. In der Urteilsbegründung wurde aus­geführt, daß in dem Artikel weder eine Beleidigung von Mitgliedern der Regierung noch der Staatsform als solcher zu erblicken sei.

Auflösung der katholischen Sportvereine iu Italien

Rom, 29. April. Das sadistisch« Presseamt gibt be­kannt, daß die katholischen Sportvereinigungen Italiens sich selbst aufgelöst haben in Anbetracht des Umstandes, daß die italienischen Sportveranstaltungen unter die faszisti­sche Parteiorganisation gestellt worden sind.

Die Wirren in China

London, 29. April. Ueber die militärische Lage im Jangtsetal wird berichtet, daß die gegen Hankau ausgesuch­ten Truppen Tschiangkaischeks sich bis auf 30 Kilometer Kiukiang genähert haben. Die Hankauer Truppen ziehen sich langsam zurück. Zu ernsten Kämpfen zwischen den "ivali- sierenden Truppen ist es noch nicht gekommen; wirklicher Widerstand ist, wenn überhaupt, erst vor Hankau zu er­warten, in dessen Umgebung an allen geeigneten stellen Geschütze eingebaut sein sollen.

In Peking sind die 20 chinesischen Kommunisten, die vor einiger Zeit in der russischen Botschaft verhaftet wur­den, gehängt worden. Unter den Hingerichteten befindet sich eine Frau.

Die nach China entsandten englischen Luftstreitkräfte be­tragen fünf Flugzeuggeschwader mit 700 Mann'.

In London ist man überrascht, daß Japan sein Bsrhalken ln China nach dem der Bereinigten Staaken richten und also nicht der kriegerischen Haltung Englands sich anschließen wird. England will mit Italien und Frankreich zusammen ' oorgehen oder, wenn auch diese Koalition sich -nicht verwirk­lichen ließe, so würde England angeblich allein feine Maß­nahmen treffen. Im Fall einer ungenügenden Antwort vo-n Hankau auf die neue Note sollen dir gewaltsame Wieder- besehung der Niederlassung in Hankau, die Blockade der Iangtsemündüng und andere «Sanktionen" vorgesehen sein.

Auch Perflen meldet sich

London, 29. April. Wie dieTimes" aus Teheran mel­det, hat der Schah von Persien seinen Justizminister be­auftragt, mit den in Frage kommenden Mächten in einen Meinungsaustausch über die Abschaffung der Kapitulatio­nen (gewisse Vorrechte einiger Fremdstaaten, besonders Englands) einzutreten.

Die LondonerMorning Post" berichtet aus Nanking: Beamte der Schanghat-Nanking-Eisenbahn erklärten, daß 2000 Weißrussen und 7000 Mann Schantungtruppen mi Be­zirk von Pukau die Verteidigungslinie von Nanking durch­brochen und die Stadt gestern früh besetzt hätten. Die Trup­pen Tschangkaischeks zögen sich zurück. Die Meldung ist mit Vorsicht aufzunehmen.

In der.Provinz Honau südlich des Dangtse soll eine Bewegung zur Vertreibung der bolschewistischen Russen eingesetzt haben.

Württembergischer Landtag

Stuttgart, 29. April.

Der Landtag setzte heute vormittag die Etatsdebatte fort. Abg. Bock (Z.) bezeichnet« als den Kernpunkt dieSteue r- senkung von 7 auf 5 Prozent und wandte sich gegen Sozialdemokraten und Demokraten, die im Reichstag da­gegen gestimmt haben, daß das Land Württemberg aus der provisorischen Regelung des Finanzausgleichs Vorteile be­kommt. Was sagen Industrie, Handel und Gewerbe dazu, daß diese beiden Parteien die Steuersenkung verhindern Mitten? Weiterhin besprach der Redner die Frage des Einheitsstaats, den seine Partei aus politischen, kul- t,prellen und wirtschaftlichen Gründen ab lehnt. Es sei Aüfgabe der gegenwärtigen Koalition im Reich, das Schul­gesetz zustande zu bringen und dabei müßten Konfessions-, Simultan- und weltliche Schule als gleichberechtigt uner­kannt werden. Die Staatshoheit der Schule bestreite seine Partei nicht, aber neben der weltlichen komme noch die göttliche Gewalt in Frage. Die Befürchtung, daß durch den Abschluß eines Konkordats des Reichs mit der Kurie die Rechte anderer Religionsgesellschaften beein­trächtigt würden, habe keine Berechtigung. Seine PaAei We in Württemberg nie den Ruf nach einem Konkordat erhoben.

Abg, Mergenthaler (Völk.) wandte sich gegen das Schullastengesetz, wün schte Unterstützung der Siedlung im