M

M

^mtsblsl^UNÄ Mn^vigev^ünWilöbsö uns Sas^obLpe Griffst

Erscheint täglicheauc ge». Sonn- u. Feiertags. Bezugspreis monatlich 1.40 RM. frei ins Hans geliefert; durch die Post deutschen Verkehr monatlich 1.'

... .urch die Post bezogen im inner-

____ _, _.7K RM. Einzelnummern 10 Psg.

Girokonto Nr. SO bei der Oberamtssparkassc Neucnbiirg Zweigstelle Wildbad. Bankkonto: Enztalbank Häberle L Co.. Wilobad.

Pforzheimer^Gewerbebank Fil. Wildbad. Postscheckkonto 2917t.

Druck, Verlag und Schristleitung: Theodor Gack, Wildbad, Wilhelmstraße 151. Telephon 179. - Wohnung: Bismarckstraße 237.

Anzeigenpreis: Die einspaltige Petitzeile oder deren Raum im Bezirk Grundpreis 15 Pfg-, außerhalb 20 Pfg. Reklanwzeile so Pfg. Rabatt nach Tarif. Für Offerten und bei Auskunfterteilung werden jeweils 10 Pfg. mehr berechnet. Schluß der Anzeigennahme täglich 9 Uhr vormittags. In Konkursfällen oder wenn gericht­liche Beitreibung notwendig wird, fällt jede Nachlaßgewährung weg.

Nvmmer 98

Fssnrirf 179

Freitag den 29. April 1927

Das unbelehrbare Frankreich

Alle Welt macht ihre stille Verbeugung vor der großen A k t e n p u b l i k a t i o n, in der Deutschland seine Außen­politik vor den Augen der ganzen Menschheit restlos und rückhaltlos ausbreitet. Mit Rücksicht darauf und aus die ähn­lichen Vorgänge in Oesterreich und Rußland richtete die französischeLiga für Menschenrechte" am 18. Februar einen Brief an den französischen Außenminister mit der Forderung, daß doch endlich auch Frankreich seine Archive öffnen wolle. Es sei sonst zu fürchten,daß bei längerer Hinauszögerung der Dokumenten-Veröffentlichung man vermutet, wie dies schon in Deutschland in selbst in ge­wissen französischen Kreisen geschieht, daß wir Gründe hätten, der Welt das, was sie wissen will, zu verheimlichen."

Dennoch in allen Wipfeln Ruh' und dies, trotzdem inzwischen England bereits 2 Bände (mit 677 Dokumenten) seiner Auslandspolitik herausgegeben hat. Ja, noch weniger! Als nämlich der erste Band unsererGroßen Politik" ins Französische übersetzt worden war, hat Professor Emöle Bourgeois bei einer Sitzung der PariserAkademie für moralische und politische Wissenschaften" diese derdeut­schen Propaganda" dienende französische .Veröffentlichung sogar als einenSkandal" bezeichnet: Die deutsche Do­kumentensammlung sei unvollständig. Einige Dokumente ent­stellt und verkürzt,mit der nur schlecht verhüllten Absicht, dem Nachegeist der Franzosen die friedlichen Absichten Bis­marcks gegenüber zu stellen."

Diese Auffassung bewegt sich genau auf der Linie, die andere führende Staatsmänner Frankreichs mit einer wohl­berechneten Hartnäckigkeit einhalten. Schrieb doch am 26. Februar der bekannte Jacques Seydoux, der noch voriges Jahr Direktor der Handelsabteilung im französischen Aus­wärtigen Amt war, in einem Aufsatz imPetit Puristen": In den Jahren von 1871 bis 1914 hat niemand in Europa sich ohne die Erlaubnis Berlins zu rühren gewagt." Und derselbe Chauvinist hat im Märzheft derRevue des Vivants" sich über dieMethoden der deutschen Diplomatie" geäußert: Der Kaiser habe, getreu den Methoden Bismarcks, unauf­hörlich Frankreich, diesesausgesprochen friedliche Land" (!) beunruhigt und bedroht und zuletzt,vorwärts getrieben durch die Militärpartei, vorwärts getrieben selbst durch die Industriellen" dieKatastrophe entfesselt". Inzwischen ist aktenmäßig festgestellt worden, daß es eine solcheMilitär­partei", wie sie z. B. am Zarenhof war, in Berlin überhaupt nicht gegeben hat. Und der britische Botschafter Goschen in Berlin hat an seinen Chef Grey aus jenen kritischen Julitagen berichtet:Ich höre tatsächlich von allen Seiten, daß die Finanz- und Jndustriekreise absolut gegen den Krieg in jeder Form sind" (brit. Dokument Nr. 677), und der ameri­kanische Senator Robert C. Owen sagte in seiner be­kannten Kongreßrede vom 27. März 1926, daß der Kaiser die größten Anstrengungen machte, den Krieg zu unter-^ drücken." ^

So wird fortgesetzt von den führenden Politikern die öffentliche Meinung in Frankreich bewußt irregeführt. Am 3. März konnte sogar Graf Wladimir d'Ormesson im Temps" behaupten, den Franzosen sei erst am 2. August nachm. 3 Uhr der Krieg offenbar geworden! Selbst Briand hat am 27. Februar am Grab Bivians diesen darüber gerühmt, das er das französische Heer 10 Kilometer vom deutschen Boden entfernt gehalten und damit Frankreichs Friedensliebe bekundet habe.

Was helfen da könnte man fast verzweifelt fragen die gegenseitigen Zeugnisse der wahrheitsliebenden Fran­zosen, wie eines Mathias Morhardt, Colrat, Gouttenoire de Toury, Guötant, Renauld, Demartial, Dupin, Pevet u. a.? Man lese in der soeben erschienenen April-Nummer der Berliner MonatshefteDie K r i e g s s ch u l d f r a g e", die von Ern st Kabisch herausaegebenen englisch-französisch- belgisch-russischen Militärkonven trösten vor dem Ausbruch des Kriegs, und man greift sich an den Kopf und fragt sich: Wie ist es möglich, daß trotz dieser geradezu über­wältigenden Zeugnisse immer noch eine verführte Welt an einer der größten Lügen festhalten kann? v/. Kl.

Die Wahlen in Oesterreich

Am letzten Sonntag wurden in Oesterreich der Nakional- rat (Reichstag), einige Ccmeinderüie und Landtage neu ge­wählt. Das endgültige Ergebnis ist noch nicht festgsstellt. In höherem Maß noch als im Deutschen Reich ist der inner­politische Kampf in Oesterreich auf ein nacktes Parteigezänk eingestellt, seit der Friede von Saint Germain das Land zu einech Kleinstaat gemacht, seine wirtschaftliche Kraft unter­bunden und es gezwungen hat, auf selbständige Außenpolitik zu verzichten. In solcher Lage des Gesamtvolks wird in Ermangelung außenpolitischer Bindungen der politische Wettbewerber im Innern zum Gegner erhoben, ein durch Monate andauerndes Großreinemachen von wirklicher oder angeblicher Verderbtheit veranstaltet, das nahezu nichts und niemand verschont. Diesmal ging es noch toller zu als 1923. Skandal auf Skandal wurde herbeigeschleppt (besonders schlecht kam der frühere Französling Dr. Makaja weg, der sich seinerzeit durch unsaubere Bankgeschäfte und einen skandalösen Zigarektenhyndel mit dem Kriegsspekulanten

Fernruf 179

62.

Tagesspiegel

Die französischen Artillerieschießübungen bei Trier sind eingestellt worden.

Nach Mitteilungen polnischer Blätter strebt die polnische Regierung ein engeres Zusammengehen mit den Balkan- skaaten, Südslawien, Bulbarien und Rumänien an. Die neue polnische Politik scheint gegen die Tschechoslowakei ge­richtet zu sein.

Die rumänische Nakionalbank hat Verhandlungen mit -er Bank von England eingeleikel, um die 95 Millionen Goldlei, die im Krieg als Bürgschaft für die englischen Kriegsanleihen in der Bank von Engand hinterlegt werden mußten, zurückerhalten.

Guggen heimer in Paris unmöglich gemacht hat, kostete doch dieser Zigaretkenhandel den österreichischen Staat 1923 rund 3)4 Millionen Goldmark, wobei die Zigaretten noch verbrannt werden mußten, weil kein Mensch diese Stink.vare rauchen konnte. Millionen wurden für Plakate usw. aus- gegeben: in einer sozialistischen Versammlung wurde eine Enkelin des Kaisers Franz Joseph als Zugstück aufge­zeigt.

Die österreichischen Parkeiblätker streiten darum, wer bei den Wahlen gesiegt hak. Man kann sagen: Kein Teil hat gesiegt, es bleibt, wie es war. Es handelte sich im Wahlkampf darum, ob dieBürgerlichen" oder die Sozial­demokraten im Nakionalrak die Mehrheit haben s "ken. Nach den Wahlen von 1923 betrug die Mehrheit derBür­gerlichen" 29 Stimmen (83 Christlich-Soziale, 10 Groß­deutsche, 4 Landbund gegen 68 Sozialdemokraten), nach dem vorläufigen Ergebnis von 1927 beträgt die Mehrheit der Einheitsliste 23 Stimmen (75 Christlich-Soziale, 10 Groß- deutsche, 9 Landbund gegen 71 Sozialdemokraten), es sind aber noch einige Reststimmenmandate zu verteilen, von denen der größere Teil auf die Einheitsliste fallen wird. Es haben also weder die Sozialdemokraten die Mehrheit, noch die unter Seipels Führung stehende Einheitsliste die Zweidrittel­mehrheit errungen. Die Entscheidung ist vertagt auf vier Fahre oder auf acht Jahre, bis sich in der Einstellung der Wählerschaft grundlegende Aenderungen ergeben.

Auf dem heiß umstrittenen Kampfbodon Wien hat die Einheitsliste den Sozialdemokraten ein Mandat abgenom­men: die wieder haben den Verlust durch die Eroberung eines zionistischen Mandats wettgcmacht. Das Zahlenveryälknis bleibt wie bisher 78 Sozialisten gegen 42 Bürgerliche; die Zweidrittelmehrheit, die die Sozialdemokraten im Wiener Parlament bis 1923 hatten, konnten sie nicht wiedererlan­gen. Bemerkenswert ist, daß bei den letzten Wahlen nun­mehr auch der Steirische Landtag und die Gemeinde Linz sozialistisch geworden sind: die drei größten Städte Oester­reichs, Wien, Graz und Linz, und das alpenländische Indu­strieland Steiermark, der Sitz der österreichischen Berg­industrie, haben also eine überwiegend sozialistische Verwal­tung. Die «Antikorruptionparkei" des katholischen Theolo­gieprofessors Dr. U d e, die gegen die Verderbtheit in Parla­ment, Verwaltung, Parteiwesen und Wirtschaft zu Felde zog, konnte nirgends ein Mandat erringen, hak aber für die Einheitsfront zwei oder drei Mandate verloren gehen lassen. Die Wahlbeteiligung betrug durchschnittlich 97 v. H. legen 89 v. H. bei den letzten Wahlen.

Neue Nachrichten

Dr. Skresemann über die internationale Wirtschaft»- ^ Verflechtung '

Berlin, 28. April. Bei der Eröffnung der diesjährigen Tagung des Vereins deutscher Maschinenbauanstalten sagte Reichsminister Dr. Stresemann in einer Rede, nur in der gegenseitigen Verflechtung des Staatenverkehrs und des Güteraustausches könne der Nutzen und Gewinn aller Volks­wirtschaften gefunden werden. Wir müssen uns frei machen von dem Gedanken, als gäben Verluste und schlechte Ab­satzverhältnisse im Ausfuhrhandel den Industrien der Län- der ein ausschließliches Recht auf den heimischen Markt. Wollten wir die inneren Märkte durch Einfuhrverbote und Zoll,chranken abschließen, so würden sich die europäischen Lander bald in den tiefsten und engherzigsten Hochschutzzoll verstricken. Die Weltwirtschaft sei ein einheitliches Ganzes. In der Denkschrift des Vereins für die Weltwirtschaftskon­ferenz werde gesagt, daß der gegenseitige Austausch der maschinenerzeugenden Länder untereinander wesentlich wichtiger sei als die Ausfuhr nach den sich industrialisie­renden Ländern. Leider habe sich dieser Gedanke der inter­nationalen Arbeitsteilung noch nicht überall bei den In­dustriestaaten Europas durchgesetzt. Im Gegenteil scheine eine große Anzahl insbesondere junger Staaten durch hohe Zolltarife ihren Markt abschließen zu wollen, um neue In- dustrien aroßzuziehen, zu denen ihnen die Grundlage seblt. Der Franzose Loucheur habe unlängst gesagt, die politische Befriedung der Welt -erhalte erst durch die wirtschaftliche Befriedung ihre wahre Festigung. Er (Stresemann) hoffe, daß man diesem Ziel durch die Weltwirtschaftskonferenz ein

gut Teil näherkommen werde. Die deutsche Sachverständi- gengruppe sei keine Vertretung der deutschen Regierung, vielmehr gehen ihre Mitglieder als Vertreter der deutschen Wirtschaft nach Genf. Wenn die Konferenz auch nur ein Anfang sei, so könne sie doch helfen, die Schwierigkeiten durch ein besseres Verständnis sür die gegenseitigen Nöte und Wünsche zu beseitigen.

Line Luftflotte für den Völkerbund?

London, 28. April. Dem Internationalen Ausschuß für Luftfahrt soll u. a. ein Antrag der auf der Konferenz ver­tretenen Staaten unterbreitet worden sein, die Möglichkeit der Schaffung einer eigenen Luftflotte für den Völkerbund zu untersuchen. Der Völkerbund halte es für nötig, eigene Flugzeuge zu besitzen, die für die lieber, mittlung dringender Botschafter und in Notfällen verwendet werden sollen. Der Ausschuß soll sich dahin ausgesprochen haben, daß die dem Völkerbund von den einzelnen Ländern zur Verfügung gestellten Flugzeuge durch eine schwarze Linie quer durch das gewöhnliche Unterscheidungsmerkmal des betreffenden Landes kenntlich gemacht werden sollen. Im übrigen bestünden keinerlei Bedenken gegen die Errichtung einer bundesergenen Luftflotte. Der Völkerbund wird er­sucht, dem Ausschuß so bald wie möglich mitzuteilen, welck>e unterscheidende Merkmale er selbst vorschlage. Zur Be- ruhigung sür widerspenstige Vundesmitglieder bemerkt die Morning Post", daß für eine sofortige Verwendung der Völkerbundsluflflotte noch keine Aussicht vorhanden sei.

Ein« englische Versuchskruppe ausmechanisierten" !

Abteilungen

London, 28. April. Das Kriegsamt gibt bekannt, daß versuchsweise eine Truppe von völligmechanisierten" Ab­teilungen gegenwärtig in Tidworth zusammengezogen werde, um die Wirkung der Mechanisierung auf die Organisation und taktische Verwendbarkeit sehr beweglicher Truppenteils zu erproben. Die Streitmacht wird bestehen aus einem Tank- bataillon, einer Panzerwagenkompagnie, einer Feldartillerie­brigade, einer Gebirgsbatterie, einer Pionierkompagnie, einer Signalabteilung und einem Jnfanteriebataillon, dan als Maschinengewehrbataillon ausgestaltet und mit 36 Ma­schinengewehren versehen ist.

Line Sundgeung Tschomgkaischeks

London, 28. AprileChicago Tribüne" meldet au» Schanghai, General Tschangkaischek habe eine Parteikund­gebung veröffentlicht, der britische Gesandte in Peking bereit« Pläne vor, um große Gebietsteile Chinas bei Nanking und Schanghai im Fall der Ablehnung der Noten der si'inif Mächte zu besetzen. Das chinesische Volk wird aufgefordert, nicht nur die Militaristen, sondern auch die Imperialisten zu stürzen, von denen die Engländer die schlimmsten seien, hm Hinblick auf den 1. Mai hat Tschangkaischek zwei weitere Regimenter nach Schanghai gesandt, um die Ordnung auf­recht zu erhalten.

Der LondonerDaily Herald" glaubt berichten zu kön­nen, daß die englische Regierung sich nötigenfalls mit Ge­walt wieder in den Besitz der Niederlassung in Hankau setzen werde, die vor einiger Zeit durch das Abkommen von Hankau freiwillig aufgegeben worden war.

Landesversammlung der Deutschen Votkspartei

Stuttgart, 25. April. Im Saal des Stadtgartens trat am Samstag nachmittag die Dertretervrrsamm- lung des Landesverbands der Deutschen Volispartei zu­sammen. Der Landesvorsitzende, Reichstagsabg. Hofrat BI ck e s - Stuttgart eröffnete die Tagung. Landtagsabg. Postinspektor H a r t m a n n - Stuttgart sprach über landes­politische Fragen. Das abgelaufene Jahr sei in Württem­berg ein politisch ruhiges Jahr gewesen. Die Regierung Bazille sitzt noch fest im Sattel. Die Deutsche Volkspartei

wohlwollender Neutralität gegen- wendet sich besonders gegen die und hier mit besonderer Schärfe gegen die Person des Staatspräsidenten Bazille. Angriffs­punkte seien vorhanden. So die unbefriedigenden Ergeb­nisse der Versuche einer Staatsvereinfachung. Auch die Per­sonalpolitik der Regierung hat zu Beanstandungen geführt. Der Vorwurf, die Regierung treibe städtefeindlich« Politik, lasse sich in dieser Allgemeinheit nicht aufrecht erhalten. Daß aber eine Regierung, die sich aus den Bauernbund und ein stark bäuerlich durchsetztes Zentrum stützt, eine bauern- freundliche Politik mache, sei klar. Zur Frage Ein­heitsstaat oder Föderativstaat erklärte der Redner, die Volkspartei wolle keinen Rückfall in das Elend der Klein- stanterei und sei bereit, der Entwicklung zum Einheits> st a a t Opfer zu bringen.

Reichstagsabg. Dr. Runkel-Schleswig sprach über kulturpolitische Aufgaben der Gegenwart. Der Kampf um das Reichsfchulgesetz sei ein Weltanschauungskampf. Schwie­rig sei die Formulierung der BegriffeBekenntnisschule" undGeist des Bekenntnisses". Eindeutig sei der Ausdruck für die katholische Kirche, nicht aber für die evangelische Kirche, für dieGeist des Bekenntnisses" nicht dog matisch«