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Reuter meldet gerüchtweise, Tschangkaischek sei von der radikal-nationalistischen Regierung des Oberbefehls über das Heer enthoben worden.

Die Stimmung in Indien

London. 3. April. Der amtliche Vertreter Indiens auf der letzten britischen Reichskonferenz in London, der wegen seiner Englandsreundlichkeit bekannte Maharadscha von Burdwan hat bekanntgegeben, daß er sich vom öffentlichen Leben ganz zurückziehe. Das Mißtrauen und die feindselige Stimmung gegen England beherrsche das -üolk so sehr, oatz

vieleStaatslenkerinIndiendieBefreiung

von der britischen Herrschaft wünschen. Deshalb bleibe denen, die an die Ehrlichkeit der britischen Absichten glauben, p' hts übrig, als beiseitezutreten.

" Deutscher Reichstag

Finanzausgleich und Biersteuerverkeilung angenommen.

Berlin. 2. April.

Bei der Fortsetzung der zweiten Beratung des Finanz­ausgleichs bedauert Äbg. Biedermann (Soz.) die Er­höhung der Mieten. Eine Erhöhung der Zölle werde fol­gen. Die Finanzminisker erblicken in der Mieterhöhung eine Gelegenheit, ihre Haushalkpläne ins Gleichgewicht zu brin­gen. Auf keinen Fall dürfe dem Drängen der Hausbesitzer nachgegeben werden, die die ganze Mieterhöhung für sich haben möchten. Abg. Höllein (Komm.) beantragt Auf­hebung der Hauszinssteuer. Er ergeht sich in so schweren Ausfällen, daß er dreimal zur Ordnung gerufen wird.

Abg. Iörissen (Wirtsch. Vgg.) befürwortet eine Ent­schließung seiner Fraktion, wonach die planmäßige Besei­tigung der Hauszinssteuer damit beginnen soll, da^ der für fiskalische Zwecke vorgesehene Teil aufgehoben wird. Gleich­zeitig soll der Aebergang in die freie Wohnungswirtschaft erfolgen und ein Bauprögramm mit Rücksicht auf den tat­sächlichen Wohnungsbedarf ausgestellt werden. Das Aus­kommen aus der Hauszinssteuer soll zu 2030 Prozent durch die Fürsorgeämter zu Kriegsbeihilfen verwendet werden.

Das Gesetz über den vorläufigen Finanzausgleich zwi­schen dem Reich, den Ländern und den Gemeinden wurde in dritter Lesung in einfacher Abstimmung mit den Stim­men der Regierungsparteien und des Bayerischen Bauern­bunds angenommen.

In namentlicher Abstimmung wurde sodann auch die Verteilung der Biersteuer mit 195 gegen 148 Stimmen bei 2 Enthaltungen in dritter Lesung angenommen.

Württemberg

Stuttgart. 2. April. Landwirtschaftskammer. Das Mitglied der Landwirtschaftskammer, Schultheiß Söll- Stubersheim OA. Geislingen ist vor einigen Tagen un­erwartet rasch erst im Alter von 45 Jahren gestorben. Der Verstorbene gehörte der Landwirtschaftskammer seit der 2. Wahlperiode (1926) an. Als Nachfolger trat das frühere Mitglied Landwirt Konzet - Wernsreute OA. Ravensburg wieder in die Landwirtschaftskammer ein.

Stuttgart. 31. März. Kurzarbeiterfürsorge. Nach einer Verordnung des Wirtschaftsministeriums ist die Geltungsdauer der Verordnung des Arbeitsministeriums vom 26. Februar 1926 über Kurzarbeiterfürsorge, die zuletzt bis zum 31. März 1927 ausgedehnt worden ist, über diesen Zeitpunkt hinaus dis zum Inkrafktkreken des Gesetzes über Arbeitskofenvers'-^ verlängert worden.

Vom Tage. Im Staakswald Oberer Wald, Abteilung Erlen, wurde ein 30 I. a. Kaufmann an einer Schutzhülle erhängt ausgefunden. Es liegt Selbstmord vor.

Aus dem Lande

Waiblingen, 3. April. Tödlicher Sturz. Freitag tt'üh 7 Uhr stürzte in einem Haus der Grabenstraße eine 44jährige nervenleidende Frau (Kriegerwitwe) aus dem Fenster des zweiten Stocks in den Hof. Der herbeigerufsne ilrzt konnte nur noch den Tod feststellen.

Die Einaemei't-sFeier von Wibliv'-rn findet voraus­sichtlich am 11. Avril in WibOnoev statt. Vor einigen Tagen besichtigte eine Abordnung des Almer Gemeinderaks das Ewenknm der Gemeinde und sagte in Betracht kommende Verhess--r»n!n>n zu.

Gosbach OA. Geislingen, 31. März. Frühjahrs- ge Witter. Am Dienstag abend zwischen 5 und 6 Uhr entlud sich über dem Täle ein Gewitter mit gewaltigem Donner und elektrischen Entladungen. Das Wetter harte starken Regen im Gefolge. Aber bald brach die Sonne wie­der durch und überflutete mit wärmenden Strahlen das Tal.

kochendors OA. Neckarsulm, 31. März. Erkannte Leiche. Die hier geländete Leiche wurde als die des seit Januar d. I. vermißten Schuhfabrikarbeiters Gottlieb Mül­ler aus Heilbronn, Dammstr. 5 wohnhaft,*identifiziert.

Alm, 31. März. Zapfenstreich. Anläßlich der An­wesenheit des Chefs der Heeresleitung, General der In­fanterie Heye, findet am Montag, den 4. April, abends auf dem Münsterplatz ein großer Zapfenstreich statt.

Böblingen. 3. April. Verminderung der Wirt­schaften. In den meisten Bezirksgemeinden sind im Ver­hältnis zur Einwohnerzahl zu viele Wirtschaften vorhanden. Es erscheint angezeigt, eine Anzahl Wirtschaften eingehen zu lassen. Der Bezirksrat wird daher allgemein auf eine Verminderung der Zahl der bestehenden Wirtschaften hin­wirken und solche Wirtschaften, für deren Fortbestehen ein öffentliches Bedürfnis nicht nachgewiesen ist, nicht mehr neu konzessionieren.

Dichishausen OA. Münsingen, 3. April. Baudenk­mal. Nach einem Erlaß des' Ministeriums ist die karh. Pfarrkirche, sowie die Burgruine der Fürstlich o. Fürsten- bergschen Standesherrschaft ins Baudenkmal-Verzeichnis eingetragen worden.

Oberndorf a. R., 3. April. Jubiläum. Am 1. April konnte Prokurist und Kassier Paul Volz bei den Mauser­werken AG. auf eine 40jährige Dienstzeit zurückblicken. Aus diesem Anlaß wurden dem allgemein geachteten Arbeits­jubilar von allen Seiten Ehrungen zuteil.

Schömberg OA. Rottweil, 3. April. Schwerer Un­fall. Beim Stockschießen verunglückte der von Beidringen gebürtige Sohn des verstorbenen Oelmüllers Hölle im Sonthofer Wald" lebensgefährlich.

Vom Rechberg, 3. April. Genehmigte Kraft­wagenlinie. Die Omnibusgesellschaft Göppingen hat die Genehmigung zum Betrieb der Kraftwagenlinie Eis­lingenSalachKrummwäldenOttenbach erhalten.

Dietenheim, 3. April. Die neue Illerbrücke bei Kellmünz. Die neue Illerbrücke bei Kellmünz, ein wich­tiges Bindeglied zwischen Bayern und Württemberg, kann voraussichtlich am 1. Mai eröffnet werden. Sie hat eine Bauwerkslänge von 210 Metern und ist die größte Iller­brücke. Sie ist hochwassersicher und eine der weitest ge­spannten Eisenbstonbauien Deutschlands. Die Fahrbahn­breite beträgt 5,2 Meter, die Tragfähigkeit 400 Ztr.

Kanzach OA. Riedlingen. 3. April. Einbruch in die Postagentur. In der Nacht auf 21. Dezember v. I. wurde in die im hiesigen Bahnhofgebäude untergebrachte Postagentur eingebrochen und ein größerer Geldbetrag ent­wendet. Jetzt sind die Einbrecher ermittelt. Es handelt sich um gewerbsmäßige, reisende Einbrecher, die erst aus der Strafanstalt entlassen worden waren.

Erkingen. OA. Riedlingen, 3. März. Märzverbre- ih e n. Der 64jährige ledige Bildhauer Ferdinand Sieben- rog wurde bei der Verausgabung falscher 20-Markscheine, die er ohne weitere technische Hilfsmittel nur mit Bleistift, Tinte und Farbe hergestellt hatte, erwischt. Er befindet sich noch auf freiem Fuß.

Saulgau, 3. April. B e tr u g. Wegen Betrugs und Urkundenfälschung wurde ein funger Mann festgenommen, der bei einem ihm bekannten Herrn ein Darlehen oon 300 erschwindelt und die Unterschrift eines angeblichen Bürgen gefälscht hatte.

Eggmannsried, OA. Waldsee, 2. April. Tödlicher Unfall. Das 3jährige Söhnchen der Familie Grimm hier kam der im Gang besindlicken Transmission zu nahe, wurde an der Schürze ersaßt und erlitt im Herumschleudern so starke Verletzungen, daß es bald daraus verschied.

Die Württembergs!! im Weltkrieg

Von Generalleutnant o. H o f a ck e r-Tübingen.

Das große WerkDie Württemberg» im Weltkrieg" ist nun- mekr im Ver.'aa der Cbr. Bett» A.-G.. Stuttgart, erschienen. Die

Bedeutung des Werkes verlangt, daß unser schwäbisches Volk über diese prächtige Gabe etwas näher aufgeklärt wird. Berechtigt schon der Name des Generals Otto von Moser als eines unserer ersten deutschen Militärschriftsteller mit seiner Poesie und Prosa gleich beherrschenden Feder und ihrem bekannten Schwung zu be­sonderen Erwartungen, so werden diese wahrlich nicht getäuscht. Man steht aber außerdem staunend vor dem Riesenumfang der geleisteten Arbeit, ebenso wie vor der geistreichen zielbewußten Durchführung derselben.

Der I. Teil, das Geschichtsbuch, ist entsprechend den fünf Kriegs­jahren in fünf Abschnitte gegliedert. Dabei wird der Leser zunächst auf nur 23 Seiten mit wenigen Skizzen in die großen Ereignisse des Weltkriegs des betreffenden Jahres eingeführt. General von Moser ist bekanntlich Meister in solchen Uebersichten. Dann folgt in ähnlich klassischer Kürze di« Beschreibung der Tätigkeit der größeren württembergischen Verbände herab bis zur Brigade. Den­selben klaren Text ergänzen aber zahlreiche Skizzen, die von General von Flaischlen vollendet gezeichnet jedes unnötigen Ballasts entbehren und dadurch auch dem Laien müheloses und schnelles Verständnis der Kriegshandlungen gestatten. Zur Ge­schichte unö zum Verständnis eines Krieges gehören aber nicht nur die kriegerischen Ereignisse selbst. Deshalb wir- dem Le­ser zu Beginn des Abschnitts 1914 ein Ileberblick über die Ent­wicklung des württembergischen Heerwesens seil den Jahren 1870/71 gegeben und der Leistungen derjenigen Männer ge­dacht, die das Schwert der Kämpfer von 1914/18 in harter Frie­densarbeit geschliffen haben. Bilder dieser Männer und der höhe­ren Führer im Kriege sind eingefügt.

Am Ende eines jeden Jahresabschnittes läßt uns der Verfasser kurze aber tiefe Einblick« tun in die jeweilige Stimmung von Heer und Heimat und in die gewaltigen Leistungen, die Deutschland und Württemberg auf allen Gebieten aufzuweisen hat. Da kommt alles, auch das weibliche Geschlecht, zu seinem verdienten Recht. Rein politische, wirtschaftliche, finanzielle und industrielle Ereig­nisse sind absichtlich schon des Raumes wegen nicht einbezogen. Die aus der Reichsarchiv-Zweigstelle Stuttgart stammenden zahlreichen amtlichen Tabellen bilden für den alten Soldaten ein Nachschlage- buch für sich.

Der II., reich illustrierte, volkstümliche Teil" des Erinnerungs- und Volksbuchs bringt um die eigenen Worte des Verfassers zu gebraucheneine breitere, beweglichere Darstellung des Le­bens und Treibens, des Streitens und Leidens der kleineren württembergischen Verbände vom Regiment bis zur Kompagnie, Eskadron, Batterie, ja bis zum einzelnen Frontkämpfer herab. Und zwar in ernster, wie in heiterer Schilderung des Lebens an und hinter der Front, im Wechsel vom geschlossenen Schlachten, oder Gefechtsbild zur längeren oder kürzeren Erzählung."

Das von jedem Jahre im I. Teil des Buches im Größeren Gesagte sollte im II. Teil im Kleineren in seinen bezeichnenden Zügen und Merkmalen abwechslungsvoll und einigermaßen abge­rundet zu deutlichen Anschauungen gelangen." Diesem Gedanken­gang entsprechend ist auch der II, Teil in Jahresabschnitte geglie­dert. Um einen Begriff zu geben, wie man die Tätigkeit einzelner Truppenteile ersehen kann, wähle ich unser Tübinger Regiment 180: Wir stoßen zu ihm am 9. August 1914 bei Schlettstadt, neh­men an seiner blutigen Feuertaufe teil aus dem Flügel der hart­bedrängten tapferen preußischen Jäger in den Wäldern bei Mar- kirch, finden es wieder am 30. August auf französischem Boden bei den , heißen Kämpfen von St. Die, dann am 30. September bei Ovillers an der Somme. Wir erleben mit ihm im einzelnen der ewig denkwürdigen, entsetzlichen Grohkämpfe um seine vor­bildlich 'ausgebauten Stellungen bei Ovillers und Thiepval in der Somme-Schlacht 1916, den planmäßigen Abzug in die Siegfried- Stellung März 1917, die große Schlacht in Frankreich März 1918 bei Mercatel-Hönin und schließlich die schweren Abwehrkämpfe bei Nis-en-Artois August 1918.

Während !m I. Teil bei den großen Verbänden die Namen der höheren Offiziere vorherrschen, sind diejenigen von Truppen­offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften im II. Teil in unend­lich langer Reihe vertreten.Mögen aber recht viel« Leser des II. Teils dazu angeregt werden, sich durch den Einblick in die Regimenksgeschichten selbst davon zu überzeugen, daß überall statt des einen Namens und der Nummern von Bataillonen, Kom­pagnien, Eskadrons, Batterien ebenso gut und ebenso rühmlich auch Hunderte anderer hätten genannt werden können", schreibt im Vorwort der Verfasser.

Die überaus zahlreichen Abbildungen Photographien und Bilder hervorragender Schlachtenmaler sind, wie der Verfasser gleichfalls mit Recht betont, aus dem Schönsten und Bezeich­nendsten ausgesucht, was sich in dieser Hinsicht finden und er­finden läßt.

Faßt man das Urteil zusammen, so wird man ohne Ueber- hebung sagen können, daß das vorliegende Werk nicht nur in der

Vorn Leven gesetzt

43 Roman von I. S. Schneider-Foerstl.

Urheberrechtsschutz 192< durch Berlaz vskar Meister, Werdau.

Kennt er Sie?"

Ja, ich bin sein Bruder!"

Der Torwart musterte ihn erstaunt. Daß er einen Bruder hatte, das wußte er. Aber ähnlich sah der junge. Mensch dem Martens auch nicht eine Spur! Wenn's nur nicht wieder eine Lüge war! Der Doktor hatte ihn mit sei­nem Mißtrauen angesteckt. Er konnte nicht dawider. Man brauchte ja nur ein Beispiel auf das Exempel zu machen, wie weit die brüderliche Zugehörigkeit ging.

Der Martens ist krank angeschossen worden auf der Jagd!" sagie er kurz.

Schwer krank?" frug der Junge.

Die Tränen sprangen ihm in die Augen; man sah, wie er sich Mühe gab, sie zurückzudrängen.

Es geht ihm schon wieder besser!" sagte der Torwart freundlicher. Also, das stimmte wenigstens. Der mochte 'chon sein Bruder sein.Kommen Sie jetzt mit mir, dann suhr' ich Sie in seine Siube. Er kann ein bißchen Auf­heiterung Zchon brauchen!"

Er hätte eigentlich auch die Anne rufen können, daß sie ihm den Weg zeigte. Aber das Wiedersehen zwischen den beiden zu beobachten, das wollte er sich nicht entgehen lassen.

Schweigsam schritt der Junge neben ihm her, nur schien es ihm nicht rasch genug zu gehen. Er war immer um eine halbe Schrittlänge voraus.

Sie kriegen Besuch, Martens!" rief der Torwart in die Stube, deren Tür er eben öffnete.

Der Junge sah rasch durch den Raum, stürzte dann nach vorne, wo das Bett stand, schlang beide Arme um die hagere Gestalt und barg den Kopf an deren Bru^^"'

Trudel" stammelte er flüsternd.Trudel"

Eine Hand legte sich erschrocken auf seinen Mund. Aber der Torwart hatte die Tür schon wieder hinter sich ge-

ichlossen. Was er gesehen hatte, genügte ihm. Trudes Finger glitten liebkoiend über das Haar des Bruders, dann strichen sie seine Arme hinab und wieder Uber den Scheitel.

Walter!"

Trude! Schwesting!"

Sprich leise ganz iei'e," mahnte sie,du verrätst mich sonst. Du mußt Hans zu mir sagen Hans!" bat sie flüsternd.

Er schüttelte den Kopf, brach vor ihrem Bett in die Knie und wühlte sein Gesicht in die Decke.

Malier! Du großer Junge, was soll es denn? Ich bin ja schon wieder gesund. Es war nur ein Streifschuß, sonst nichts!" tröstete sie.

Trude!" kam es schluckend.Trude, komm' mit mir! Du sollst nicht hier bleiben. Du sollst nicht! Ich dulde es nicht mehr! Ich habe ja nicht gewußt, wie schlecht es dir geht!"

Schlecht? Es geht mir gut, Wolter!"

Das Knabengesicht hob sich, die Augen schweiften durch die Stube mit ihren wenigen Möbeln, den vergitterten Fenstern, die Hände tasteten über die harte Matratze, dis rauhe Decke, das schmale, geblümte Kissen, der Waschtisch so klein, und die beiden Stühle so einfach!

Trude, komm' mit mir! Jetzt gleich! Ich helf dir beim Ankleiden. Ich will nicht mehr studieren! Ich will nicht! Wenn ich gewußt hätte, wie armselig du's hast, ich hätte längst die Bücher beiseite geworfen und hätte mich um irgendeinen Verdienst umgssehen. So schmarotze ich von deinem Geld und nehme dir das bißchen, das du als Lohn bekommst, und du machst anderen Leuten den Knecht und frierst und hungerst und"

Ich habe noch nie gehungert, seit ich hier bin, Walter, und auch noch nie gefroren. Du darstt es mir glauben!"

Sie hielt fein Gesicht zwischen den Händen und sah ihn mit feuchten Augen an.

Er wiederum versenkte sich ganz in dieses schmale, blasse I Antlitz, das seiner Schwester so gar nicht mehr ähnlich sah.

> Das schwarze Haar, die dunklen Brauen, die hageren

Wangen, die gar nichts mehr von der früheren Rundung aufwiesen, der tiefe Alt ihrer Stimme, die durch fort­währende Uebung eine andere Färbung und einen anderen Klang angenommen hatte, alles, alles war sremd an ihr.

Dann sah er den Verband. i

Wer hat dich angeschossen, Trude? Wer denn?" s

Von wem weißt du es denn?"

Der Mann am Tor hat mir's gesagt!"

Frage nicht, Walter! Es ist ja ganz gleich, wer es getan 'hat."

Nein, es ist nicht gleich!" fuhr er auf.Ich möchte es wissen, Trude! Sag' doch! Was ist denn das für ein blöder Mensch gewesen?"

Du du kennst ihn nicht, Walter!"

Jetzt hast du gelogen, Trude!" schrie er laut, alle Vor­sicht vergessend.

Sie hielt ihm erschrocken beide Hände über den Mund.

Von draußen kam ein Schritt und dann eine Stimme^ eine Stimme.

Sie begann zu zittern.

Versteck' dich, Wolter! Um alles in der Welt! Er darf dich nicht sehen, er darf nicht wissen, daß du hier bist, sonst ist alles, alles zu Ende!"

Der Junge sprang auf und sah nach der Tür, aber sie blieb geschlossen wie zuvor.

Der Schritt ging vorüber, die Stimme schwieg, es war alles stille wie vorher.

Sie atmete auf, zog ihn wieder zu sich auf den Bettrand und schlang die Arme um ihn. Ganz enge drückte sie den Knabenkörper gegen sich, fühlte die Wärme, die von ihm ausströmte, und den Schlag seines jungen Herzens an dem ihren. Noch vor einer Stunde war alles in ihr voll Ver­zweiflung gewesen, und nun hatte der Himmel ihr den Bruder geschickt. Sie war nicht mehr so gottverlassen, so mutterseelenallein. Es gab noch jemand in der Welt, der zu ihr gehörte, der Mit ihr weinte, der sich um sie sorgte, dem sie etwas sein konnte.

(Fortsetzung folgt)

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