schlagszölle gestartet werden sollen. Diese Zuschlagszölle erhebt Südchina allerdings von sich aus schon seit vier Mo­naten, und es will nicht, daß ihre Gegner in Nordchina durch die gleiche Einnahmequelle finanziell gestärkt werden. Tschangtsolin aber ist erbittert, daß Südchina durch die An­erkennung dieser Zuschlagszölle eine Machtverstärkung er­fährt. So wird festgestellt, daß durch die englische Denk­schrift eine Verschlechterung der Lage in China ein­getreten ist.

Die Entsetzung von Sianfu

London, 29. Dez. Einer Reutermeldung aus Schanghai zufolge spielten sich erschütternde Szenen ab, als die Streit­macht deschristlichen" Generals Fen'gqusiang das von einem der Generale Wupeifus seit sieben Monaten belagerte Sianfu (Hauptstadt der Provinz Schensi im Nordwesten Chinas, südlich der Chinesischen Mauer) entsetzte. Tausende von Menschen nahmen an den Toren der Stadt unter Freu­dentränen Karrenladungen mit Lebensmitteln entgegen. Seit mehr als einem Monat starben täglich mehr als 500 Menschen an Hunger und Kälte. An manchen besonders kalten Tagen sogar mehr als 1000. Die Todesfälle wäh- rend der Belagerung werden auf 15 000 bis 20 000 geschätzt. Die Kaufleute und die übrigen Einwohner mußten den Mili­tärbehörden über 2 Millionen Dollar abliefern.

Eine Botschaft des neuen Mikados

Tokio, 30. Dez. Der neue Mikado, H i r o h i t o, hat an das japanische Volk eine Botschaft "gerichtet, in der er be­tont, daß die Nation einig sein müsse, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Weiter setzt sich Hirohito für die größte Einfachheit ein und wendet sich mit großer Schärfe gegeneitle Selbstbespiegelung und Zurschaustel­lung". Die Botschaft schließt mit dem Satz: Nach den Zuckungen der letzten Jahre ist die Welt in das Stadium der Revolution eingetreten: ein neues Kapitel der Geschichte der Zivilisation ist eröffnet, an dem wir Mitarbeiten müssen.

Württemberg

Stuttgart, 30. Dezember

Eine Iuruhesehung. Ueber die Ursache der plötzlichen Zuruhesetzung des Gaswerkdirektors Göhrum berichtet die Südd. Arbeiterzeitung: Herr Göhrum hat die Vorschrift, daß städtische Beamte in Stuttgart ihren Wohnsitz haben müssen, nicht beachtet und sich in Möhringen ein Haus ge­kauft. Darüber sind Differenzen mit dem Gemeinderat ent­standen. Herr Göhrum erhält zwei Jahre lang sein volles Gehalt mit 18 000 und dann seine Pension mit 12 000 Mark.

Sonderzug nach Freudensicidt. Am 1. Januar wird ein Sonderzug 4. Klasse von Stuttgart 5.26 früh abgehen, An­kunft in Freudenstadt 8.04, Anschluß nach Baiersbronn, Klosterreichenbach. Rückfahrt von Freudenstadt 2. Januar abends 8 Uhr, Ankunft in Stuttgart Hbf. 10.01. Der Fahr­preis für Hin- und Rückfahrt zusammen 4 Mark.

Triebwagen. Vom 1. Januar ab verkehren an Sonn- und Festtagen auf der Strecke Süssen-Plochingen Trieb­wagen mit Anschlüssen an durchgehende Züge. Ferner ver­kehrt der Eilgüterzug 6013 mit Personenbeförderung Plo­chingen ab 5.41 nachm., Ulm an 8.55, mit Halt aus allen Stationen, ausgenommen Altenstadl.

Der Zirkus Stosch-Sarrasani wird am 19. Januar seine Vorstellungen in Stuttgart in der Stadthalle eröffnen.

Eine schwere Bluttat ereignete sich Mittwoch nachmittag 1!4 Uhr im Dachsiock des Hauses RoUmvaldstraße 23. Hier wohnt die 41 Jahre alte, von ihrem Ehemann getrennt lebende Kausmannsehefrau Helene Schairer mit ihrem 15jährigen Sohn. Seit einigen Wochen hakte sie ihre 42 3ahre alte Schwester Theodora Fischer und deren 20 Jahre alte Tochter Anna Fischer bei sich ausgenommen. Die Frau Fischer hatte sich von ihrem Ehemann, dem 44 3. a. Hilfs­arbeiter Gottlob Fischer hier, Champignystraße 38, eben­falls getrennt, da dieser sie fortwährend bedrohte, sie auch vor einigen Wochen durch Messerstiche verletzt hatte. Gestern nachmittag 1K Uhr erschien nun der Ehemann Fischer in der Wohnung seiner Schwägerin Schairer, in der außer dieser und ihrem Sohn seine Ehefrau und Tochter anwesend waren. Er geriet mit den Frauen in einen Wortstreik, in dessen Verlauf er eine Selbskladepistole zog und auf die Frauen Schüsse abfeuerte. Die Frau Schairer und die Anna Fischer (Stieftochter Fischers) wurden durch die Schüsse sofort ge­tötet, die Frau Theodora Fischer durch einen Schuß in den Unterleib lebensgefährlich verletzt. Nach vollbrachter Tat richtete Fischer die Waffe gegen sich selbst und verletzte sich so schwer, daß er noch während seiner Verbringung nach dem Katharinenhospikal an der erlittenen Verletzung starb. Frau Fischer war erst vor einigen Tagen aus dem Kranken­haus entlassen worden, wo sie Heilung von den Verletzungen gesucht hatte, die ihr Fischer bei früheren Streitigkeiten bei­gebracht hakte.

Aus dem Lande

Reuensiein OA. Oehringen, 30. Dez. Neues Post­amt. Anfang Januar wird der von der Reichspostverwal­tung an der Bahnhofstraße erstellte Posthaus-Neubau, der außer den Amtsräumen zwei Wohnungen enthält, in Be­trieb genommen werden.

Künzeiscm, 30. Dez. Ein Wohltäter. Otto U e b e l e, ein geborener Künzelsauer, seit einigen Jahren Ehrenbürger seiner Vaterstadt, Konsul in Brasilien (Santos), hat erneut Armen und Bedrängten unserer Stadt zu Weihnachten Zu­wendungen gemacht. Im vergangenen Sommer hat er in freigebiger Weise der Künzelsauer Jugend ein Kinderfest bereitet, das noch bei allen Teilnehmern in schönster Er­innerung ist. Uebele war bei Kriegsausbruch in Santos, verstand es aber sich in seine Heimat durchzuschlagen, wo er sich als Reserveoffizier sofort bei seinem Regiment, den Stuttgarter Olgagrenadieren, meldete und nach Rußland kam. Dort geriet er bei den schweren Kämpfen der Grena­diere an der Bzura nach kurzer Zeit in Gefangenschaft und wurde nach Sibirien verschickt, von wo aus er sich nach Aus­bruch der russischen Revolution abermals nach Deutschland durchschlug.

Blaufelden OA. Gerabronn, 30. Dez. Sturmschaden. Gestern früh zwischen 5 und 6 Uhr riß der orkanartig wutende sturm zwischen hier und der Station Kälberbach die Telegraphenstangen auf einer Strecke von 500 Meter nieder und warf sie auf die Bahngleise, was ein« Verspätung um eine Stunde zur Folge hatte.

Ulm. 30. Dez. Freispruch. Der 59 I. a. verh. nicht vorbestrafte Packmeister Schock in Stuttgart wurde von der Anklage eines Verbrechens des versuchten schweren Eisen­bahndiebstahls unter Uebernahme der Kosten auf die Staats- kaffe sreigesprochen.

Vom Ries. 30. Dez. P e n si o n i e r u n g s g e s u ch des Bürger m ei st ers. Der Stadtrat in Nördlin - gen hat den ersten Bürgermeister Dr. M fline r, dem in einer öffentlichen Versammlung wegen gewerbefeindlicher Haltung ein Mißtrauensvotum ausgesprochen worden war, bis zum 1. Februar beurlaubt. Nunmehr hat Dr. Mainer lein Pensionsgesuch eingereicht.

Vom bayerischen Allgäu, 30. Dez. Brennender Christ bäum und seine Folgen. Ein See­adler. In Ziegelhütten bei Lindenberg gerieten an dem brennenden Christbaum die Kleider eines vierjährigen Kinds der Spinnereiarbeiterin Schneider in Brand. Das Kind er­litt am ganzen Körper schreckliche Brandwunden. Auch die Großmutter, die der Kleinen Hilfe leisten wollte, zog sich schwere Brandwunden zu. Im Gebiet der Laivlich bei Hörbranz hat der Jäger Karl Stoppel einen Seeadler mit einer Flügelspannw.ite von 2,21 Meter erlegt. Es ist ein Unfug, diese immer seltener werdenden Tiere abzuschießen.

Stuttgart. 30. Dez. Verkehrs Unfälle. Auf der Landstraße Weil im Dorf Feuerbach kam ein Personen­kraftwagen beim Bremsen auf dem Glatteis ins Gleiten und stürzte in den Straßengraben. Hierbei zog sich der 47 I. a. Lenker des Kraftwagens eine Gehirnerschütterung zu. Das Fahrzeug mußte abgeschleppt werden. Beim Ver­lassen eines Straßenbahnzugs während der Fahrt kam in der Landhausstraße eine 68 I. a. Frau zu Fall und geriet unter einen Anhängewagen. Es wurde hierbei das linke Bein unterhalb des Knies abgefahren. Sie wurde nach dem Karl-Olga-Krankenhaus übergeführt.

Aeuerbach. 30. Dez. Straßenbahneröffnung. Die von der Stadt Feuerbach auf eigene Rechnung im Be­nehmen mit den Nachbargemeinden Weilmdorf und Gerlin­gen im Anschluß an das Stuttgarter Vorortsstraßenbahnnetz erbaute Straßenbahnlinie Feuerbach Weilimdorf Ger­lingen wurde heute dem Verkehr übergeben.

Hohenheim, 30. Dez. Einstellung des Autobus­verkehrs. Der Privatautobus, der zwischen Degerloch und Hohenheim den Verkehr vermittelte und einem wirklichen Bedürfnis entsprach, mußte vorläufig seine Fahrten wieder einstellen, da das Ministerium infolge des Einspruchs der Stuttgarter Straßenbahngesellschaft die Konzession nicht er­teilt hat.

Eßlingen, 30. Dez. Wohnungsbaufragen. In der letzten Sitzung des Gemeinderats wurde darüber be­raten, zu den bereits vom Gemeinderat verwilligten 200 000 -4t noch eine Million zur Förderung des Wohnungs­baus zu bewilligen. So sehr die Notwendigkeit des Woh­nungsbaues an sich anerkannt wurde, führte die lange Ver­handlung doch zu keinem Beschluß, vielmehr entschied man sich für eine zweite Lesung.

Heilbronn, 30. Dez. Verschmelzung der Landw. Bezirksvereine von Heilbronn und Weins­berg. Die Landw. Bezirksvereine von Heilbronn und Weinsberg haben sich verschmolzen. Der Landw. Vezirks- verein Heilbronn erhält dadurch einen Zuwachs von ca. 800 Mitgliedern in 19 Gemeinden mit 17 Ortsvereinen.

Reuklingen, 30. Dez. Zugsunfall. Gestern abend brachen bei dem von Tübingen 6.35 Uhr hier ankommenden Zug auf der Station Betzingen und später bei der Ankunft auf der Station Sondelfingen die Kuppelungen. Der Zug wurde jedesmal mit einer heftigen Erschütterung in zwei Teile zerrissen, wobei die zahlreichen Reisenden ohne Schaden davonkamen. Nach Ausrangierung der defekten Wagen fuhr der Zug mit ^ständiger Verspätung wieder weiter.

Kiebingen OA. Rottenburg, 30. Dez. Mutterliebe. Abends ging eine Frau mit ihrem drei Jahre alten Kind, das in einem Wägelchen lag, Kiebingen zu. Das Kind fror. Da entledigte sich die Mutter kurz entschlossen ihres Unter­rocks und wickelte ihr Kind in die warme Hülle. Dem Augenzeugen kam dabei der alte wahre Spruch in Er­innerung: Ist die Mutter noch so arm, gibt sie doch dem Kinde warm.

Oberndorf a. R., 30. Dez. Abschiedsfeier. Direktor Friedrich Doll der Mauserwerke A.-G. ist nach mehral 45- jähriger Tätigkeit in den Ruhestand getreten. Er hat sich um die Entwicklung der Waffenfabrik große Verdienste er­worben. Bei einer Abschiedsfeier wurden ihm seitens der Zesellschaft und der Angestellten besondere Ehrungen zuteil.

Bartenbach OA. Göppingen, 30. Dez. Hohes Alter. Am 31. d. M. feiert Altschultheiß Schurr hier seinen 90. Geburtstag in seltener körperlicher und geistiger Frische.

Baden

Durlach, 30. Dez. Vorgestern wurde im Vergwald die Leiche eines 19 I. a. Tapezicrs aus Aue gesunden, der sich dort am Tag vorher, vermutlich aus Liebeskummer, er­schossen hatte.

Rastall, 30. Dez. Wohltäter der Stadt. Die Witwe Frau Hämmerle aus Wien bedachte, wie in früheren Jahren, auch Heuer wieder die hiesige Stadtgemeinde mit einer Geldspende von 500 Mark. Auch das Hofbräuhaus August Hatz und Söhne stellte der Stadtverwaltung für Notleidende 1000 Mark zur Verfügung.

Mannheim, 30. Dez. Im Alter von 57 Jahren ist der in den Kreisen des Mannheimer Großhandels und der Ex­porteure allgemein geschätzte Amtmann Gattung beim hiesigen Zollamt aus dem Leben geschieden. Vicht weniger als 20 Zahre hindurch wirkte er in Mannheim, nachdem er vorher in Freiburg, Basel, Karlsruhe und anderen Städten Badens tätig gewesen war. Anläßlich seines 40. Dienskjubiläums im letzten Sommer erhielt Gattung ein Handschreiben des Reichspräsidenten.

Mannheim, 30. Dez. Ein 62 I. a. verh. früherer Fla­schenbierhändler hat in der Spelzenstraße auf seinen 21 I- a. Neffen, von dem er vergeblich Geld gefordert hatte, einen scharfen Schuß aus einem kleinen Walzenrevolver abgege­ben, jedoch ohne zu treffen. Als der Mann später festgenom­men werden sollte, gab er in seiner verschlossenen Wohnung zwei Schüsse auf sich selbst ab und verletzte sich nicht un­erheblich.

Singen a. h., 30. Dez. Am Sonntag, den 2. Januar, findet in Singen eine Tagung sämtlicher Obermeister der Schuhmacherinnungen des ganzen badischen Landes statt.

Hatzenweier bei Bühl, 30. Dez. In geistiger und körper­licher Frische und Gesundheit konnte Ältstorchenwirt Alois Streck seinen 95. Geburtstag feiern.

Bittelbrunn bei Engen, 30- Dez. Der Waldarbeiter und Farrenhaller Karl Boiler von hier wurde bei Waldarbeiten von einem stürzenden Stamm erfaßt und erlitt außer meh­reren Rippenbrüchen eine schwere Lungenverletzung.

Lokales.

Wildbad, 31. Dezember 1926.

Zum Alkjahrabend

Verlorene Zeit läßt sich nicht wieder einb.ing n. Das scheint eine ausgemachte Sache. Verlorene Habe kam, man wieder finden, verlorene Gesundheit wieder Herstellen, aber verlorene Zeit ist für immer dahin, verschlungen vom Meer der Vergangenheit, aus dem nichts wieder auftaucht, es sei denn als Erinnerung. Die verlorene Zeit als schmerz­liche, peinigende Erinnerung. Wenn einer einen ganzen Abschnitt seines Lebens als verloren ansehen muß, so kann das zu furchtbarer Qual werden. Es gibt aber ein Mittel, auch diese Wunde zu heilen und ihre Qual zu stillen. Del alte Mystiker Eckehart spricht keine mystische Verstiegenheit, sondern eine Erfahrung vieler Gott suchenden Menschen aus, wenn er sagt:Wenn der Wille sich von sich selbst und aller Geschaffenheit auch nur einen Augenblick wieder in seinen Ursprung zurückwendet, so steht er wieder in seiner rechten freien Art und ist frei, und mit diesem einen Augenblick wird alle verlorene Zeit wieder eingeholt." Das Heilmittel für die Wunden, die verlorene Zeit schlägt, ja der Wieder­gewinn der verlorenen Zeit ist die Einkehr in jenem Heilig­tum, das Menschen der Ehrfurcht immer offensteht. Dort begegnen sie dem, der alles neu und alles gut macht.

^_ . P. Sr-

Rückblick über die Badebetriebszeit 1926 .

Es wird niemand überraschen, wenn heute anläßlich des Jahresschlusses festgestellt wird, daß die Badebetriebs­zeit 1926 in Wildbad nicht günstig ausgefallen ist. Den andern deutschen Bädern ging es aber auch nicht besser.

Die Gesamtzahl der auf der Badekasse einge­schriebenen Fremden betrug in den fünf Monaten MaiSeptember 10674, gegen 12 247 im Vorjahr, also um 1573 weniger. Entsprechend verhielt es sich mit den Thermalbädern und den anderen Kurmitteln. Im vorigen Sommer waren 155457 Thermalbäder abgegeben worden, gegen 140773 Heuer. Dabei ist als sehr bezeich­nend zu bemerken, daß diess beträchtliche Abnahme das Katharinenstift so gut wie nicht betraf, dafür umsomehr das Eberhardsbad und das Karlsbad, daß also die bil­ligen Bäder nicht, die mehr teuren dagegen um so ein­schneidender an Nachfrage verloren haben. Das Dampf­bad, das Inhalatorium und das mediko-mecha- nische Institut sind je um rund 700 Benützungen zurückgegangen, während merkwürdigerweise die kohlen­sauren Bäder sich fast gar auf ihrer letztjährigen Höhe erhalten haben. Nur eine Gruppe in der Statistik der Badeverwaltung hat frischweg zugenommen und zwar um die Zahl von 2448; es sind dies dieFreibäder für arme Badebedürftige", die nunmehr die stattliche Ziffer von 7768 im Jahre erreicht haben.

Die herrschende Geldknappheit machte sich auch bei der Abnahme der Kurtaxkarten bemerklich. Es gibt zwei Arten derselben: die mehr teuren, weißen, und die billi­geren, roten. Letztes Jahr betrug der Anteil der weißen an der Gesamtzahl 55 "o, Heuer nur 42"/».

Eine Befriedigung gewährt es dagegen, feststellen zu können, daß die Zahl der Ausländer unter den Kür­gästen, im Gegensatz zu den Angehörigen de» Deutschen Reichs, nicht abgenommen, sondern sogar eine leichle Zu­nahme gezeigt hat, von 469 im vorigen Jahr auf 484 in diesem. Zur Vermehrung haben die Schweizer mit 18, die Holländer mit 17 und die Engländer uud Dänen je mit 6 Köpfen beigetragen, während der Besuch an Russen und Danzigern zurückgegangen ist. Die Zahl der Ame­rikaner hat sich nicht gerührt, sie betrug dieses, wie letztes Jahr, gerade 172. Dies erscheint manchen als ein klägliches Ergebnis in Hinsicht auf die beträchtlichen Aus­gaben, die der Staat und die Stadt gemeinsam zu Werbe­zwecken in Amerika gemacht hatten. Diese Auffassung ist aber irrig. Wohl sind dieses Jahr Amerikaner in großer Anzahl über den Ozean nach Europa herübergefahren, aber nicht um zu uns zu kommen, sondern mit der ganz ausgesprochenen Absicht, nach Frankreich zu gehen, um den Tiefstand der dortigen Währung auszunützen.und um dort angenehm, wie stets zuvor, und billig, wie nie zuvor, zu leben. Angesichts dieses handgreiflichen Vorteils haben die Amerikaner auch die französischen Bäder bevorzugt, die zudem heute kaum mehr den deutschen nachstehen dürften. Daß sich dies nicht nachteilig auf Wildbads Amerikanerbesuch ausgewirkt hat, dürfen wir allein schon als ein gutes Zeichen buchen. Die französische Währung hat sich aber seit dem Sommerende gehoben und geht wohl einer Stabilisation entgegen. Dann leben die Amerikaner nicht mehr spottbillig in Frankreich; dann werden sie sich wieder mehr der deutschen Bäder erinnern und wohl zahl­reicher kommen.

Das Wetter war ebenfalls der Kur nicht günstig. Es regnete fast ununterbrochen bis zum letzten Juli, der August war gut, der September noch besser. Dadurch wurden die Kurgäste etwas zurückgehalten. Der Höhe­tag der Kurzeit, d. h. derjenige Tag, an welchem am meisten Bäder abgegeben worden sind, lag daher spät, es war der 9. August. Letztes Jahr war es der 23. und vorletztes der 13. Juli gewesen und dies entspricht der Regel. Wenn also auch das Wetter einen gewissen Ein­fluß ausübt, so muß man sich ^doch wohl hüten, ihn zu überschätzen. Dies zeigte deutlich der September, in dem trotz schönstem Wetter, trotz Fortdauer der Kurkonzerte, des Kurtheaters und anderer Veranstaltungen sich Wild­bad unaufhaltsam von Fremden leerte, wenn auch lang­samer, als im Vorjahre. Selbst Sonnenschein und Kur­musik Helsen nichts, wenn einmal auf der wirtschaftlichen Uhr der Badegäste die Abendstunde geschlagen hat. Alle Bestrebungen um Kurverlängerung und Winter­kur sind verlorene Mühen, solange die volkswirts chaft- liche Lage in Deutschland sich nicht gehoben haben wird.

Or. Lckiober.

Liederkranz-Weihnachtsfeter. Einen sicher guten und schönen Anfang nimmt das Wildbader Gesellschaftsleben im anbrechenden neuen Jahr durch die morgen abend von V-7 Uhr stattfindende Weihnachtsfeier unseres Männer­gesangvereins Liederkranz. Alles ist dazu gut vorbereitet; die Sänger haben unter ihrem zielbewußten, verdienten