ein ünvSWeifelbSres mökalisches Recyt yöivrn unv me uns m einigen Jahren auch nach dem Versailler Vertrag ohnedies zuteil wird: die Befreiung des Rheinlands von einer Besatzung, deren Unvereinbarkeit mit dem versprochenen Geist der neuen Verträge der Welt und uns erst kürzlich wieder durch neue Gewalttaten vor Augen geführt wurde. Unter der Voraussetzung, daß die deutsche Politik sich dabei von nüchtern-geschäftsmäßigen Grundsätzen leiten läßt und nicht für Scheinvorteile reale Opfer bringt, wird man solche Verhandlungen wie in Thoiry nur begrüßen können, so wenig schon feststeht, ob sie zu einem günstigen Endergebnis führen werden. Daran zu zweifeln haben wir heute um so mehr Anlaß, als an der Spitze des französischen Ministeriums heute wieder einmal jener verhängnisvolle Mann steht, den die historische Wissenschaft schon setzt als den Haupkveranl- worklichen für den Ausbruch des Weltkriegs bezeichnen muß. Zu seiner Entlastung pflegt er die Zwecklüge von der Schuld des kaiserlichen Deutschland am Krieg unermüdlich zu wieder- -holen, und er hat diese unerträgliche Verleumdung unseres Volks erst kürzlich wieder einmal ausgesprochen.
Die D.N.V.P. war seit ihrer Entstehung aus moralischen und politischen Gründen der Ansicht, daß wir die Schuld- lüge nie hätten ohne Protest ertragen dürfen. Das furchtbare Rachediktat von Versailles wäre auch bei Ablehnung des Schuldbekenntnisses nicht furchtbarer geworden. Es war ein richtiger Instinkt der weit überwiegenden Mehrheit unseres Volkes in allen Parteien, wenn die Forderung erhoben wurde, daß bei passender Gelegenheit in offizieller Form, unter Umständen vom ersten Beamten des Staats im Reichstag, unsere in der Nervenkrise von 1919 durch die Unterschrift von Versailles gegebene Anerkennung der Schuldlüge hätte feierlich zurückgenommea werden müssen. Gelegenheiten, um eine solche feierliche Erklärung ohne akuten Schaden für unsere politische Lage abzugeben, waren mehr ach vorhanden. Die schwachen Anläufe, die wir in dieser so notwendigen Sache gemacht haben, wobei wir jedesmal vor dem erhobenen Finger der Urheber des Versailler Diktats sogleich ins Mauseloch zurückwichen, haben uns natürlich nurgeschadet.
Man muß es immer wieder jagen: ganz allgemein und besonders auch in unserer Völkerbundsvolitik werden wir gut tun, deutsche Mit- und Schwarmgefühle zurückzustellen. Unsere Lage ist heute derart, daß wir gezwungen sind, mehr als bisher uns vom „Sacro egoismo" leiten zu lchM- Wir sollten die Tatsache im Auge behalten, daß die Menschheit der Erde seit vielen tausend Jahren besteht, und daß trotz vielfach großer Anläufe Krieg und Streit nicht aufgehort haben. Ueber die Verteilung des Lebensraumes hat bisher die Macht und nichts anderes entschieden. Für unser durch eigene Schuld besiegtes und brutal behandeltes Volk ist jedenfalls ein gewisses Maß von Zweifel am Platz gegenüber von allen Ideologien über den Ersatz der Macht durch das Recht. Man überblicke einmal, wie die deutsche Ueber- gereckMgkeit zu der oft noch ein engstirniger Parteiegoismus kommt, von unseren Feinden in den letzten zwölf Jahren benutzt worden ist, wie sehr sie zu unserem Niedergang beigetragen haben. Die gesamte Entwaffnungsfrage ist ein furchtbarer Beleg hiefür.
Die politischen Aufgaben, die uns die nächste Zukunft stellen wird, sind zweifellos sehr schwierig. Wir werden sie nur dann einer befriedigenden Lösung entgegenführen können, wenn ein größerer Zusammenschluß aller wahrhaft vaterländisch Gesinnten über alle inneren Unterschiede und Parteien hinweg in Deutschland stattfindet. M. E. hängt davon überhaupt das Schicksal des Deutschtums endgültig ab. Ich bedauere daher, aussvrechen zu müssen, daß ein solcher Zusammenschluß außerordentlich erschwert wird, wenn von maßgebender Stelle nach dem Eintritt in den Völkerbund, also nachdem das nach Auffassung dieser Stelle zu erstrebende Ziel erreicht war, einem sicherlich stark vaterländisch gesinnten großen Teil unseres Volks, noch dazu in Gegenwart unserer früheren Feinde, bloße Nörgelsucht vor» geworfen wird, nur weil diese Männer über die Methode unserer bisherigen Politik abweichende Ansichten gehabt und geäußert haben. Es muß einmal grundsätzlich ausgesprochen werden: Ein Volk in der Lage des deutschen wird nie zufrieden sein dürfen mit kleinen außenpolitischen Erfolgen, mit gewissen Erleichterungen seiner Lage, besonders wenn auf diese ein nicht nur moralisches, sondern auch juristisches Recht besteht. Mit der grundsätzlichen Unzufriedenheit der Rechten, wie sie die Lage eines besiegten Volks gebieterisch vorschreibt, hat die Frage der persönlichen Anerkennung des leitenden Auhenpolitikers garnichts zu tun. Auch wenn dessen Methode noch so sehr gebilligt werden mag, es wird immer Aufgabe der Rechten sein, an das ganz große ferne Ziel zu mahnen und alle Erfolge nur an ihm zu messen. Mit dieser Lage sollten sich die leitenden Außenpolitiker nicht nur abfinden, sie müßten diesen Standpunkt sogar mit innerer Anerkennung begrüßen. Denn er gibt ihnen die Rechtfertigung und den Ansporn zu immer neuen Bemü
hungen und'erleichtert ungemein eins feste Haltuüg bei Verhandlungen, wenn sie sie nicht überhaupt erst ermöglicht. Solche elementaren Grundlagen der Außenpolitik werden ln der ganzen Welt anerkannt, nur bei uns nicht.
Man weiß nicht recht, ist es eine ungeheure selbstgerechte Naivität und Verkennung außenpolitischer Wirkungsgesetze, oder ist es ein aus innenpolitischen Gründen bewußt angewandtes Mittel, um unter allen Umständen recht zu behalten, wenn dem deutschen Volke immer wieder von maßgebender Seite versichert wird, es gäbe neben der derzeitigen amtlichen Außenpolitik nur eine einzige zweite Möglichkeit, die dann in den schwärzesten Farben gemalt wird: nämlich die Politik der bloßen flammenden Resolutionen und vaterländischen Kundgebungen, ja des Spielens mit utopischen kriegsgelüsten. Was soll man dazu sagen, wenn unsere amtliche Politik ihre Trümpfe dem Ausland gegenüber selbst aus der Hand gibt, wenn das ungeheuerliche Wort gesprochen wird von der großen Partei derer, „die da beten: Unsere tägliche Illusion gib uns auch heute!" (Stresemann.) Was für eine Verkennung des lebensnotwendigen Sinns einer jachlichkritischen Beurteilung der Außenpolitik liegt darin, ganz abgesehen von der doch nicht sehr vornehmen agitatorischen Uebertreibung! Auf einer solchen Grundlage wird weder eine innerpolitifche Verständigung gefördert, noch ist so eine erfolgreiche Außenpolitik zu führen; heißt das nicht geradezu in die Welt Hinausrufen, daß man immer geneigt sein wird, sein Recht um ein Linsengericht zu verkaufen, mit bloßen Versprechungen und ganz kleinen Vorteilen sich abfinden zu lassen! Als ob man nicht in unserer Lage das Unmögliche wollen müsse, um das Mögliche zu erreichen! Es wird unser Streben sein müssen, im heutigen Staat einer besonnenen, die Wirklichkeit nicht überfliegenden Haltung nach außen hin und einer konservativ-sozialen nichtreaktionären Staatsgesinnung zum Durchbruch zu verhelfen.
Ms Vertreter des Rheinlands sprach der frühere Oberbürgermeister von Köln,
Staatsminister a. D. Wallraf:
Das deutsche Schiff ist wieder im Steigen begriffen. Aber werden die Führer verstehen, den richtigen Kurs zu steuern? Ueber Locarno kamen wir nach Genf. Locarno wurde unterschrieben mit bestimmten Voraussetzungen und ohne daß diese Voraussetzungen erfüllt wurden. Aus den Voraussetzungen wurden „Rückwirkungen", die erst erfüllt werden sollten, wenn Deutschland im Völkerbund sei. heute sind wir im Völkerbund und noch immer warten wir auf die Rückwirkungen. Die Räumung des Kölner Gebiets ist ja doch nur die. verspätete Erfüllung einer vertraglichen Bestimmung (Versailles). Es wurde versichert, Deutschland trete in den Völkerbund nur ein, wenn im Völkerbundsrat keine Veränderung eintrete. Aber die deutschen Vertreter in Genf haben selbst für die Vermehrung der Ratssitze und für den bevorzugten Sitz Polens gestimmt. Sie mögen sich in einer gewissen Zwangslage befunden haben, aber dis deutsche Politik hat sich sicher in Genf keine Lorbeeren geholt. Was man verlangen muß, ist eine kluge, vorsichtige Führung, die auf Vorschußlorbeeren verzichtet und sich von allen Einbildungen freimacht. Was aus Genf und Thoiry wird, wissen wir nicht. Wenn ein Flecken auf unserem Gewand sitzt, so ist es der, daß wir die Lüge der Kriegsschuld auf uns lasten lassen, die wir doch abschütteln können. Im Innern hasse ich die Walze des Ilnitarisnms, die über alles hinweggeht und alles gleichmacht, denn der Reichtum des Deutschen Reichs hat darin bestanden, daß den Einzelsiaalen ihre Eigenart erhalten wurde. Für den Reichstag gibt es keine dringendere Aufgabe, als das christliche Schulgesetz zu erledigen. Die Konfessionen sollen zusammenstehen. Wir wollen weiter kämpfen, bis wir den christlich nationalen und sozialen Staat geschaffen haben.
Staatspräsident Bazille
führte aus: Wenn ich früher zu Volksversammlungen gesprochen habe, sprach ich als Mann der Opposition. Heute spreche ich als Statspräsidsnt und habe zu vertreten, was die württ. Regierung in den letzten zwei Jahren getan und für richtig befunden hat. Dis gegenwärtige politische Lage wird bestimmt durch das parlamentarische System, in dem die Parteien herrschen, und durch die finanzpolitische Abhängigkeit der Einzelstaaten vom Reich. Der eigentliche Souverän ist der Reichstag geworden. Das parlamentarische System hat vier Mängel: es ist viel teurer als die Monarchie, es ist ohnmächtig, wenn sich die Regierungsparteien nicht einigen können, es birgt ferner die Gefahr der Korruption in sich und die der einseitigen Politik insofern, als die Interessen der Regierungsparteien bevorzugt werden. In Württemberg hat man sich von diesen Mängeln mehr als im Reich und in anderen deutschen Ländern freihalten können, weil zwei Parteien mit manchen übereinstimmenden Anschauungen eine sichere Mehrheit bilden; er (Bazille) werde sich bemühen, die Koalition zu erhalteen. Die Gewähr
der Aufrechkerhalkung der Sltyeryeu und vronung ie> m Württemberg gegeben.
Er habe immer darauf gedrängt, daß die Selbständigkeit der Länder gewahrt werde. Bayern, Württemberg und Baden lassen sich nicht in den „Einheitsstaat" hineinzwingen. Dem Locarno-Vertrag habe die württ. Regierung zugestimmt, aber freilich aus anderen Gründen als die Locarno- schwärmer; Locarno sei wohl als ein Anfang zu betrachten, aus dem sich die Befreiung entwickeln könne. Die gegenwärtige Sozialpolitik sei mit schweren Gefahren für die deutsche Volkswirtschaft verknüpft. Nichts sei leichter, als Sozialpolitik zu treiben, wenn die Wirtschaft das Geld dazu hergibt. Die Gefahr bestehe aber darin, daß die Wirtschaft nicht mehr das Kapital zu bilden vermag, um neue Betriebe für die wachsende Bevölkerung öffnen zu können. Wer die große Not der Landwirtschaft sehe, könne es nicht unterlassen, der Landwirtschaft zu Helsen. Das ganze volkswirtschaftliche System sei seit der Revolution krank; wenn es noch nicht zusammengebrochen sei, so sei es dem Fleiß des Unternehmertums und der ausdauernden und geduldigen deutschen Bauern zu danken. Die Lösung der Auswertungsfrage sei einer der schwersten Fehler der Reichsrease- rung in den letzten Jahren gewesen, denn dadurch sei das Vertrauen zum Staat zerstört worden. Es wäre eine andere Regelung möglich gewesen, wenn nicht nur auf die Zahlungsfähigkeit der Gegenwart, sondern auch der Zukunft gesehen worden wäre.
Von der Vereinfachung der Staatsverwaltung zu erwarten, daß dadurch die Steuerlast wesentlich gemildert werden könne, sei trügerisch. Die Möglichkeit, sämtliche Hauptbehör- den des Landes in Stuttgart in einem Bau zu vereinigen, sei verpaßt worden, weil man das Anwesen des Nillschen vereinigenden Bau, der aus den Erlösen der freiwerdenden Marstallgelände nicht dafür benützt habe. Zu einem solchen verreinigenden Bau, der aus den Erlösen der freiwerdenden Staatsgebäude bezahlt werden könne, werde man aber doch noch kommen müssen. Der Plan, eine größere Anzahl Oberämter auf einmal aufzuheben, sei verlassen worden; die etwaigen Ersparnisse würden den Erwartungen nicht entsprechen. Zu bedauern sei die Gereiztheit einiger großen Gemeinden (Stuttgart) über angeblich mangelnde Berücksichtigung ihrer Interessen durch den Staat. Demgegenüber sei zu sagen, daß sich diese Gemeinden nicht immer die gebotene Zurückhaltung in ihren Aufgaben auferlegen. Die Lasten aus dem Vertrag von Versailles und der sozialen Fürsorge nehmen das Geld weg, das unternehmende Oberbürgermeister gern zur Verfügung erhalten möchten. Die Veamkengehälker seien nicht zu hoch, da sie all ihr Vermögen verloren haben.
Gegen die vom Reich ausgehende Flut von immer neuen Gesehen habe sich die württ- Negierung zur Wehr gesetzt, dis Bemühungen seien aber zwecklos. Der Pflege der deutschen Sprache werde die größte Aufmerksamkeit zugewendet, und die württ. Regierung sei bestrebt, alle wertvollen Kräfte im Volk lebendig zu machen und zu erhalten und den Staat st ni festigen, daß in nicht zu ferner Zukunft nach langer Winterszeit ein neuer deutscher Frühling anbrechen kann.
Die Reden wurden mit stürmischem Beifall ausgenommen. Aba. Rechtsanwalt Dr. Schott dankte den Rednern und brachte ein Hoch aus das deutsche Vaterland aus.
Reue Nachrichten
Die Reichsregierung gegen die Rückkehr des Kaisers Berlin, 24. Okt. Durch das englische Büro Reuter wird über London mitgeteilt, der frühere Kaiser Wilhelm ll. habe bis jetzt an die Reichsregierung noch kein Gesuch um Rückkehrerlaubnis gerichtet. Die Reichsregierung sei fest entschlossen, dem Kaiser keinesfalls die Erlaubnis zu erteilen, da die Rückkehr bei einem großen Teil der Bevölkerung Unruhe Hervorrufen und auf dis öffentliche Meinung im Ausland verhängnisvollen Einfluß haben würde. Vor Ablauf des Gesetzes zum Schutz der Republik im nächsten Juli werde die Reichsregierung weitere Schritte tun, um die Stellung des Kaisers endgültig festzulegen.
Wieder ein Zwischenfall in Germersheim Berlin, 21. Okt. Die Morgenblätter melden: In Germersfeim wurde eine etwa dreißigjährige Frau auf dem Weg zur Kirche von einem französichen Soldaten überfallen und zu Boden gerissen. Der Ortskommandant, dem der Fall sofort gemeidet wurde, hat strengst« Bestrafung zugesagt, — sobald der Täter ermittelt werde.
Anschluß froh Thoiry '
Salzburg. 21. Okt. Deutsche und österreichische Vertreter der Deutsch-österreichischen Arbeitsgemeinsthast, dst in Salz-
Des Mitleids Liebe.
47 Roman von Robert Fuchs-L'ska.
Dann fiel die schwere Portiere hinter ihm zusammen, durch die im Augenblick, da er sie öffnete, grell und iniß- tönig der Walzer klang.
„Suse lehnte noch an der Wand und starrte mit weit offenen Augen in das Licht der Lampe. Um ihre Stirn hatte es sich wie ein eiserner Reifen gelegt, der langsam sich immer enger schloß. Und wie aus weiter Ferne klang noch der Laut verworren in ihr Ohr, der der Stimme des Mannes glich, der sie eben verlassen hatte. Dann brauste dieser Laut näher und näher, gellender und hallender. Bis er sie ins tiefste Herz traf, das sich mit jammervollem Zucken unter der höhnischen, harten Stimme gegen die grausame Hand wehrte, die ihre scharfen Nägel unerbittlich fester krampfte — in das arme, brechende Herz. Und als daraus das Blut emporsprang, wild und heiß zu Suses Hier empor, begann es auch unter dem Eisenring langsam hervorzuquellen. Und durch den rinnenden Schleier der Wärme ihres Blutes sah Suse den grellen Schein der Lampe röter und röter werden — eine Glut ausströmend, die gierig über sie hinfloß.
Da schloß sie ergebungsvoll die Augen und trachtete nur das qualvolle Stöhnen zu ersticken, das aus ihrer Brust ausquoll. Dann sank sie langsam an der Wand zusammen und schlug mit dumpfem Fall neben dein Tisch nieder, dessen Schatten unter dem rotsprühenden Licht schwarz und wehrlos am Boden lag.
4- Hk H-
Die Heimfahrt Justs mit Theophil verlies trübselig in dem Schweigen, das zwischen den beiden Männern herrschte. Nur auf dein Gesicht des Prokuristen lag eine stille Freude. Und das große, alte Kind tastete hier und
va verstohlen nach den bunten Kotillonorden, mit denen Klementine seinen Frack geschmückt hatte. Zum Lohn für seine noch etwas anfängerhaft gebliebene Polkakunst.
Als die jubelnde Musik endlich in eine Polonäse überging, in der oie Kotillonpaare zu einem srohgeschmückten Festzug vereinigt durch ven Saal schritten, und als der Vortänzer dabei auch den Reigen scherzhaft durch allerlei andere Räume des Gesellschaftshauses führte, hatte man Suse gefunden.
Einer Toten ähnlich, mit blutender Stirn lag sie in dem kleinen Salon, und das rote Lampenlicht in seinen: geheimnisvollen Halbdunkel machte den Anblick noch schrecklicher. Klementines entsetzter Schrei unterbrach das freudige Trompetengeschmetter. Und dann drängten sich die Menschen in den Raum.
Da machte Just sich Platz. Er hob die besinnungslose Frau auf seine Arme und trug sie durch den Saal, gefolgt von den aufgeregt durcheinander sprechenden Ballgästen. Und in diesem Schreiten glitt ein Wehes Lächeln über seinen Mund. War das nicht alles genau so, wie damals unter den alten Kastanien? Nur daß er in jener Nacht das Glück getragen hatte, wie cr heute das Unglück trug... die Frau, von der er sich durch seine maßlose Beleidigung nun wohl für immer geschieden hatte. Das Erinnern aber an die Kränkungen, die sie ihm vorher zugefügt, erstickte sein bitteres Leid. So ward sein Herzschlag gemessener, und Just hielt die Ohnmächtige nicht mehr so fest, als im Augenblick zuvor. Was er setzt tat — sein Herz hatte keinen Teil daran. Er tat nur Menschenpflicht.
In einem Garderobcraum bettete er Suse fürsorglich auf ein altes Ledersofa. Ein Arzt untersuchte die Stirnwunde und erklärte sie für vollkommen ungefährlich, wenn auch die Ohnmacht beängstigend tief sei. Er riet, die Rück- I kehr der Besinnung hier abzuwarten und die Kranke dann
nach Hause zu fahren, da der Transport keine Gefahr bringen könne. So gingen denn die Neugierigen auseinander ud suchten den Ballsaal wiR>er auf. Klementine! und Theophil blieben mit Just bei Suse allein.
Als sie endlich, mit verwunderten Augen erwachend, sich in der schwacherhellten Garderobe umsah, warf Just noch einen traurigen Blick auf das kummervoll müde Ge- sicht der Frau. Dann ging er schweigend aus dem Z:m- mer. Sie sollte ihn nicht sehen, nicht wissen, daß er sie noch einmal an seinem Herzen geborgen hatte — wie da- mals in der Herbstnacht. Und er schritt aus dem enqen Raum — um Jahre gealtert, mit totem Herzen, in dem er das Erbarmen schweigen geheißen hatte.
Dann erwartete er auf dem Bahnhof Theophil, um mit ihm nach Hause zu fahren. Von ihm erfuhr er, daß Suse außer Gefahr wäre — nur daß sie, daheim angelangt, in ein Weinen gefallen sei, dem weder die Hilfe des Arztes noch das tröstende Zusprechen Klementines Einhalt tun konnten. In diesem Zustand befand sich, nach Theophils' Erzählung, Suse noch, als er sich verabschieden mußte, um den ersten Morgenzug nach der Vorstadt zu erreichen.
Langsam wurde es Tag. Das graue Dämmerlicht begann das Abteil zaghaft zu erhellen, während der Zug ourch den kommenden Morgen hastete.
Da sah Theophil erst, wie altgeworden sein Chef in den Polstern lehnte. Und vor dem Anblick des bleichen Menschen verhüllte er den glänzenden Flittertand der Ballorden, indem er den Pelz über seinem Frack schloß. Nun konnte er sich Plötzlich nicht mehr so sehr über Klementines überreiche Auszeichnungen freuen, wie vorher in der Dunkelheit des Wagenraumes, die ihm den erschreckenden Verfall seines Chefs verborgen gehalten hatte.
... . . Uortsetzuna