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(Enztalbote)

Amtsblatt für M'dbad. Chronik und Anzeigenblatt

für das obere Euztal

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NLMMSr 242 Fernruf 179

Samstag, dorr 16. Oktober 1926

Fernruf 179 61. Jahrgang

Politische Wochenschau

Die sogenannte deutsch-französische Annähe­rung steht noch im Vordergrund der politischen Erörterung, besonders die Frage, was Deutschland für eine etwaige Räumung des Rheinlands und des Saargebiets den Fran­zosen geben soll?Frankreich braucht vor allem Geld", erklärte Jules Sauerwein, der Hauptschrift­leiter desMatin", also die sofortige Mobilisierung der den Verbündeten verpfändeten, aber erst in einigen Jahren fälligen Eifenbahnobligationen, so daß Frankreich jetzt schon etwa 660 Millionen Goldmark jährlich über seinen Dawes-Anteil hinaus von uns erhalten würde und dadurch in die Lage versetzt würde, den wackligen Franken zu be­festigen.

Ob das möglich ist, darüber hat in erster Linie der Allerweltsgläubiger jenseits des Ozeans (Europa schuldet heute Amerika SO Milliarden Goldmark) zu entscheiden. Zuerst hörte man, Amerika wolle nichts davon wissen. Es sei überhaupt heute nicht möglich, solche Papiere auf dem Weltgeldmarkt unterzubringen. Jetzt wird erklärt, die ameri­kanische Regierung würde den Banken nicht in den Weg treten, wenn sie das Geldgeschäft wagen, jedoch nur unter der Voraussetzung, daß Frankreich endlich das franzö­sisch-amerikanische Schuldenabkommenrati­fiziere". Erst wolle Amerika.mit seinem französischen Schuldner ins Reine kommen, dann könne man über zu je 600 Millionen Goldmark dann könne man über weitere Geschäfte sprechen. Nebenbei bemerkt, hat Poincare bei seiner Reise nach Elsaß-Lothringen erklärt, die Besetzung des Rheinlands und des Saargebiets werde nicht auf­gehoben. Und, wie man hört, soll jener Claudel französi­scher Botschafter in Berlin werden, der von den Deutschen nicht anders zu sprechen gewohnt ist als von dendeutschen Schweinen".

Inzwischen ist den Franzosen der Appetit gewachsen. Schon hörte man Stimmen in der führenden Presse Frank­reichs, die besagen, Deutschland müsse auch einenOst- pakt" eingehen d. h. den Polen für Zeit und Ewigkeit ver­bürgen, auf Posen, Westpreußen, den Korridor, Danzig, Oberschlesien, Memel, für Zeit und Ewigkeit, desgleichen auf einen Anschluß Oesterreichs an Deutschland verzichten. Wenn das also der Sinn von Genf und Thoiry wäre, so hieße das nichts anderes, als die Verewigung von Versailles. Für eine derartigedeutschfranzösische An­näherung" müßten wir höflichst danken. Uebrigens merkt man auch sonst herzlich wenig von ihr. Da hat das Pariser BoulevardblattLe Journal" den französischen Schriftsteller Henri Beraub nach Rußland und Deutschland geschickt, damit er ein schönes Buch über diese beiden Länder schreibe. Das hat er denn auch besorgt. Aber fragt mich nur nicht, wie? Sein Besuch galt hauptsächlich dem Stadtteil St. Pauli in Hamburg und den Delikatessenläden in Berlin. Diese Deutschen saufen den ganzen Tag Bier, ihre Studenten halten nichts als Festgelage, ihre Mädchen lustieren in Dirndlkleidern, ihre Bürger essen Beafsteaks, kurz sie essen und trinken viel besser als die armen unter der Inflation leidenden Franzosen. Solchen Unsinn glaubt man natür­lich drüben an der Seine und kommt dann erst recht in eine Wut über die Boches.

Während Poincare in Frankreich an der Befestigung des Franken, die dem alten Sünder natürlich viel wichtiger ist als Briands schöne Zukunftsmusik, krampfhaft arbeitet, setzt Mussolini sein Reformwerk in Italien kräftig fort, allerdings mit Mitteln, die sich höchstens autokratische Herr­scher längst vergangener Zeiten erlauben konnten. Aber er bringt doch etwas fertig. Der Bettler, der ehemals zum italienischen Straßenbild unzertrennlich gehörte, ist ver­schwunden. Weißbrot gibts in Bäckerläden und Geschäften nicht mehr. Auf Schritt und Tritt wird der Beamte und der Schutzmann vom Faszisten überwacht. Diese Schwarz­hemden man zählt 900 000 -- haben einen neuen Eid abzulegen, und der lautet auf unbedingten Gehorsam gegen den allmächtigen Duce. Er ist also der Ordensgeneral; gegen ihn gibts keinen Widerspruch.

Mussolini weiß aber auch, daß die Urquelle alles Volks­wohlstands die Landwirtschaft ist. In eigener Person wohnte er in Mailand einer Festsitzung der Landwirt­schaft bei. Die Bauern, die die Erträge ihrer Felder in diesem Jahr, das eine geringere Ernte als die Vorjahre brachte, zu steigern verstanden, erhielten Geldpreise. Die Getreidezölle sollen weiterhin bleiben, da sie der Landwirtschaft einen lohnenden Ertrag bringen. Kurz: dieser Mann arbeitet unermüdlich, unerschrocken und rücksichtlos auf ein einziges Ziel hin: die Wiedergeburt Italiens. Es gibt in Italien heute nur einen Willen, und das ist der Wille des Duce. Das WortFreiheit" gibts in diesem Staat nicht mehr. Wer aber kann und wird einmal ein solches Erbe übernehmen?

In England sieht es recht trübe aus. Vor 14 Tagen hatte es den Anschein, als ob der unselige Verg­är b e i t e r st r e i k, der nun 5'/- Monate dauert, endlich aufhören wollte. Aber das war eine Täuschung. Die Berg­arbeiter lehnten mit 737 000 gegen 42 000 Stimmen das Angebot her Regierung örtliche Tarifregelung, abxr unter

Tagesspiegel

Nach amtlicher Mitteilung betrugen die Sach lieferungen innerhalb der deutschen Dawesleistungen in den beiden ersten Jahren (1. September 1924 bis 31. August 1926) 1099,5 Millionen Reichsmark, davon 645,6 Millionen koh­len. Frankreich erhielt Waren für 756,6 Millionen, Belgien 177,6 Millionen, Italien 127.7 Millionen, die übrigen Staa­ten 37.6 Millionen. Die Barleistungen sind noch bedeutend größer.

Der bayerische Kultusminister Matt ist zurückgekreten.

DerPetit Parisien" will wissen, die französische Re­gierung werde beantragen, die übernächste Tagung des Völkerbunds im März 1927 in Berlin abzuhalten. Die nächste findet im Dezember d. I. in Genf statt.

Nachdem die Frankenfälschergeschichke durch den Obersten Gerichtshof rechtskräftig erledigt war, hat das ungarische Kabinett, Gras Bekhlen, dem Reichsverweser das Ent- lassungsgefuch angeboken, damit die Vertrauensfrage geklärt werde.

Das Endurteil der Kgl. Kurie in dritter und letzter In­stanz lautet für Fürst Windifchgräh auf 4 Jahre Gefängnis, 10 Millionen Kronen (600 <sti) Geldstrafe, 3 Jahre Amks- verlust und Verlust der politischen Rechte (Vorinstan; vier Jahre Zuchthaus), für den früheren Polizeipräsidenten Na- dossy 3ll Jahre Zuchthaus, 10 Millionen Geldstrafe» drei Jahre Amtsverlust und Verlust der politischen Rechte (Vor­instanz 4 Jahre Zuchthaus).

In Bantam (Holland. Java) wurden 60 Kommunisten, die einer Verschwörung angehörlen, verhaftet.

Aufsicht eines Schiedsgerichts glatt ab. So schreitet das Unglück weiter. Wo ein Glied leidet und hier ists die Kohlenindustrie, da leiden die andern mit. So ist Eng­lands Stahlerzeugung von 648 000 Tonnen im Mona* April auf 18 000 (!) Tonnen im Monat Juli zurückgegangen Was nun? Die Konservativen glauben den Streik dadurch abdrosseln zu können, daß ein strenges Gesetz gegen Streiks, gegen Streikposten, gegen die Gewerkschaften ge­geben werde. Die Arbeiter antworteten mit der Drohung der Zurückziehung der Sicherheitsmannschaften aus den Gruben. Das heißt den Ast absägen, auf dem man sitzt. Wie wird das enden?

Unter solchen Nebelschwaden bereitet sich England auf seine R e ichs k o n f e r e n z vor, auf der die Ministerpräsi­denten und Vertreter aller Staaten dieses ungeheuren Welt­reichs über dessen Wohl und Wehe beraten wollen. Dabei wird man sich auch über Locarno unterhalten. Es gibt Dominions, so besonders Kanada, die nichts von diesem Pakt oder einer Bindung des Mutterlandes bei europäl. fchen Streithändeln wissen wollen. Ihnen gegenüber Hai Baldwin einen schweren Stand.

In Rußland gehts wieder lebhafter zu. Das Tages­gespräch dort bildet die Verhaftung Trotzkys, der vor dem obersten Gerichtshof der Partei sich zu verantworten hat. Dieser einstige Machthaber wird wohl nach Sibirien wandern müssen. Die Zeit deslOOprozentigen Kommunis­mus" ist auch in Moskau vorbei. Stalin, der Führer des neuen Kurses, weiß, daß man in der Wirtschaftspolitik nicht mit dem Kopf durch die Wand stoßen kann.Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens gold- ner Baum". Freilich, vomGrünen" ist in Rußlands Wirt­schaft noch nicht achzuviel zu sehen.

Den parlamentarischen Reigen eröffnete vor einigen Tagen der preußische Landtag. Man unterhielt sich über allerlei, so über den Fall Kölling - Magdeburg, der von der Sozialdemokratie übel mitgenommen wurde, nament­lich aber auch über die Arbeitslosigkeit. Wenn auch seit Anfang Juli d. I. die Zahl der Erwerbslosen sich um eine Viertel-Million vermindert hat, so ist das Elend immer noch riesengroß. Wohl hat die Regierung ein großzügiges Arbeitsbeschaffungsprogramm ausgestellt. Aber mit dessen Ausführung geht es doch recht langsam voran. Und wenn diese Notstandsarbeiten vollendet sind, was dann? Sollen neue andere an ihre Stelle treten? Woher die Steuermittel beschaffen, um alle diese Pläne zu finan­zieren? Die Hauptsache aber unterbleibt: DieAnkurbelung der Wirtschaft". Die ist nur möglich, wenn ihre U n k o st e n geringer werden und Deutschland dadurch für den Welt­markt wettbewerbsfähig wird.

Der sogenannte Reichstagsfemeausschuß hat viel von sich reden gemacht. Dieser zur Erforschung der Femmorde bestellte Untersuchungsausschuß begab sich mit Sack und Pack nach München, an den Hauptherd der Räteunruhen, mit der ausgesprochenen Absicht, die bayrische Justizverwaltung, der man in gewissen Berliner Kreisen herzlich wenig zutraut, an Ort und Stelle in Augenschein zu nehmen. Es wurden bei diesem Anlaß hohe und höchste Zeugen vernommen, allerdings mit durchaus negativem Erfola. Denn was die Herren Kahr. Roth. Gärtner. Epp.

Rühm, Obermaier und wie sie alle heißen mögen, aüs- sagten, war gar nichts Neues. Um so peinlicher war es aber für dieses etwas eigentümliche Richterkollegium, daß seine Zuständigkeit wiederholt recht energisch angezweifelt wurde und die Zeugen, namentlich an der Person des Abg. Dr. Levi, der wiederholt ein Landesverräter genannt wurde, starken Anstoß nahmen. Schließlich mußte die völlige Haltlosigkeit jeden Verdachts gegen Justizminister Dr. Gärtner zugegeben werden. Die Herren reisten unver­richteter Dinge nach Berlin zurück. Dem Abg. Levi aber sprach der Ausschuß selbst für seine grundlosen Beschuldi­gungen eine scharfe Mißbilligung aus.

Üeberhaupt diese parlamentarischen Unter­suchungsausschüsse! Sie sind eine recht unglückliche Errungenschaft. Niemand hat zu ihrer Unparteilichkeit Ver­trauen. Nicht selten haben sie in den Gang des ordentlichen Gerichtsverfahrens recht störend eingegriffen. Es ist des­halb verständlich, daß auf dem letzten deutschen Iuristentag ihre baldigste Abschaffung dringend gewünscht wurde. Jeden­falls steht die Größe ihrer Leistung im umgekehrten Ver­hältnis zu ihrem Aufwand an Zeit und Geld.

Der Hohenzollernvergleich ist gesichert. Sämt­liche bürgerliche Parteien, auch die in der Opposition stehende Deutschnationale und Deutsche Volkspartei im preußischen Landtag, sind dafür, die Sozialdemokraten haben sich der Stimme enthalten, die Kommunisten stimmten natürlich da­gegen. Und um ihrem Unwillen den nötigen Nachdruck zu verleihen, haben sie Störungen im Landtag hervorgerufen, wie sie wohl noch nie vorgekommen sind.

Recht bedenklich liest es sich, daß am Dienstag auch die Z u h ö r e r t r i b ü n e sich an dem Handel beteiligte, und zwar so abscheulich, daß sie geräumt werden mußte. Wie­weit den Präsidenten Bartels und seine unentschlossene Haltung die Schuld an diesen Vorgängen trifft, sei hier nicht untersucht. Jedenfalls sollten bessere Vorkehrungen gegen deren Wiederkehr rechtzeitig getroffen werden. Sonst ist im Volke auch der letzte Rest von Respekt vor dem Parlamen­tarismus rettungslos dahm.

Das war wieder einmal eine böse Nacht vom Samstag auf Sonntag. Furchtbare Herbststürme fegten über Westeuropa und namentlich Norddeutschland. Besonders heftig wurden die deutschen Seeküsten heimgesucht. Am meisten Schaden erlitt Hamburg, sein Hafen, seine Schiffe und die Stadt selbst, in welcher eine Sturmflut große Stadtteile unter Wasser setzte. Auch in Berlin gab es schwere Sturmschäden. Ein 50 Meter hohes Baugerüst wurde umgeworfen. In Westerland auf Sylt wurde ein Bahndamm von 400 bis 500 Meter Länge glatt zerstört. Merkwürdig, wieviel Naturkatastrophen Heuer unser liebes Vaterland heimsuchten. H4.

Neue Nachrichten

Der Reichspräsident in Braunschweig Braunschweig, 15. Okt. Reichspräsident von Hinden- burg ist heute vormittag in Braunschweig eingetroffen und von der Regierung und einer großen Menschenmenge feierlichst empfangen worden. Vom Bahnhof fuhr der Reichspräsident zum Schloß, wo er die Veteranen begrüßte und den Ministern einen Besuch abstattete. Um 11 Uhr fand festlicher Empfang im Rathaus statt. Zu Fuß ging der Reichspräsident in Begleitung des Oberbürgermeisters Dr. Trautmann und der Stadtverordnetenvorsteher zum Gildehaus, wo er den Ehrentrunk der Innungen ent­gegennahm.

Trauerfeier für Generaloberst von Heeringen Berlin, 15. Otzk. Zn der Enadenkirche fand gestern die Trauerfeier für Generaloberst vonHeeringen stakt. Der Feier wohnten neben der Witwe, den beiden Söhnen und den nächsten Angehörigen zahlreiche Generäle des alten Heers bei. Der Reichspräsident war in Begleitung seines Adjutanten, Major von Hindenburg, in Mar­schalluniform erschienen. Die Regierung war durch Aeichs- wchrminister Geßler vertreten. Nach der Feier erfolgte die Ueberführung des Sargs auf. einer sechsspännigen La­fette unter Borantritk des Stadtköm^rndänten" voll,Ber^ Un mit seinem Stab, des Musikkorps der Reichswehr, der Kranzträger und der Träger der Ordenskissen nach i, dein Jnvälidenfriedhof. Am Grab gab eine Ehrenwache dev: Reichswehr eine Ehrensalve ab.

Die kocrlikionsverhandlungen in Preußen abgebrochen Berlin. 15. Okt. Die Fraktion der Deutschen Volkspartei in Preußen veröffentlicht die Erklärung, nach dem Verhalten der preußischen Regierung und der. Regierungsparteien des vreußischen Landtags (Zentrum, Demokraten und Sozial­demokraten) betrachte die Fraktion die Verhandlungen über den Eintritt der Deutschen Volkspartei in die Koalition (Errichtung der Großen Koalition) als abgebrochen. Be­sonders verstimmt hat die Deutsche Volkspartei, daß der ihr angehörige Staatssekretär Dr. Meister von dem neuen Innenminister Grzestnski sofort nach seinem Amtsantritt ent- lallen wurde. Aber auck, die leisten VsrbaMunaey Wstt-