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Nummer 224 Fernruf 179
Samstag, den 25 September 1926
Fernruf 179 61. Jahrgang
Politische Wochenschau.
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Kaum H Deutschland Mitglied de? Völkerbunds geworoeii, j.i Halle es Veranlassung, für einen seiner verlorenen oder besser: „geraubten" Söhne einzutreten. Dan- z i g hatte sich als Bittender in Genf eingestellt. Der finanziell schwer bedrängte Zwergstaat, den unverständiger Haß grundlos vom deutschen Staatskörper losgerissen hat, ließ durch feinen Staatspräsidenten Sahm um eine Anleihe bitten. Die Zolleinnahmen, die Danzig mit Polen zu teilen hat, gingen in erschreckendem Maße zurück: der polnische Zloty, auf den nun einmal der Danziger Handel angewiesen ist, sank immer tiefer; die Arbeitslosigkeit nimmt einen bedrohlichen Umfang an. Was tun? Man pumpte beim Völker- bund 60 Millionen Gulden. Der Völkerbund will aber nur 30 Millionen verwilligen. Dr. Stresemann trat ins Mittel. Er tröstete die Bedrängten mit dem Hinweis, daß ein baldiger Beschluß des deutsch-polnischen Zollkriegs auch Danzig Erleichterungen verschaffen werde. Danzig soll künftig von den gemeinsamen Zolleinnahmen mindestens 14, höchstens 20 Millionen Danziger Gulden erhalten.
Thoiry, nichts als Thoiry! Und doch wissen nur ganz wenige, was in jenem kleinen französischen Grenzort, nach welchem am letzten Sonntag eine kleine Völkerwanderung sich bewegte, zwischen dem französischen und dem deutschen Außenminister verhandelt worden ist. Als am Montag Vriand aus dem Ministerrat kam, sagte er zu den Pressevertretern, die ihn mit großer Neugierde ausfragten: „Man glaubte, daß ich er mord-ck _cu^LLw-Kabinettsrat wiederkehren würde.-Äie leFerydaß nichts an diesen Gerüchten ist." Mag fein, aber so ganz klappt die Sache doch nicht. Und mit der „Beglückwünschung Briands im Ministerrat" und gar mit der „völligen Uebereinstimmung mit ihm", wie es in der ersten „amtlichen Mitteilung" hieß, muß es doch nicht so gar weit her sein. Ach, diese „amtlichen Mitteilungen"! Welcher ernsthafte Politiker giht heutzutage etwas auf sie? Uebrigens heißt es auch nur, die Regierung stimmte mit Briand „völlig überein in der Bedeutung dieser Besprechungen" und halte es für „vorteilhaft, dieselben fortzusetzen".
Damit ist so gut wie gar nichts gesagt. Oder glaubt jemand im Ernst, daß Männer wie Poincars, Marin, Barthou, Tardieu, Leygues, Bakonowsky — und diese sitzen alle im Ministerrat — Deutschland bezüglich der Militärüberwachung, der Nheinlandbesetzung, der Saarfrage, der Völkerbundsmandate usw. deutschgünstige Zugeständnisse machen? Und wenn je, daß sie das ohne stramme Gegenleistungen (man munkelt bereits van 8 Milliarden Goldmark) tun werden? Allerdings wird heute der Schein dar mini- sterillen Einmütigkeit gewahrt, aber nur um des leidigen Franken willen, damit derselbe nicht wieder abwärts rutsche. Um ihn zu s'"'tzen, s.'ll Deutschland seine Zustimmung zur sofortigen „Mobilisierung" von 2 Milliarden Eisenbahnobligationen (von denen Frankreich 1,2 Milliarden erhalten würde) geben! Ein für unsere Wirtschaftslage gefährlicher Versuch!
Etwas Gutes kann übrigens doch unser Eintritt in den Völkerbund bringen. Wenigstens erhoffen wir es. Wir meinen die neueste Wiederaufrollung der Kriegsschuldfrage. Soeben wird ein Schreiben an den Völkerbund bekannt. Namhafte deutsche, französische und amerikanische Gelehrte und führende Geister in der Kriegsschuldforschung machen die Hohe Versammlung in Genf darauf aufmerksam, daß mit der Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund und mit dessen Berufung auf einen ständigen Ratssitz logischerweise der Artikel 231 des Versailler Vertrags und damit die Kriegsschuldlüge widerrufen sei. Aber bei dieser verspäteten und ungenügenden Genugtuung dürfe man nicht stehen bleiben. Erst eine unparteiische, gründliche und strenge Untersuchung über die Ursachen des Weltkriegs werde der öffentlichen Meinung die notwendige Beruhigung geben.
Hoffentlich wird dieses Signal, das Professor Hans Delbrück losließ, seine Wirkung nicht verfehlen und ganz Deutschland (in Württemberg hat es bereits Alfred Roth getan) zu einmütigen Kundgebungen gegen die „größte Lüge der Menschheit" aufrufen! „Entweder wird der Völkerbund ein Licht bringen, oder er wird ein Nichts sein!" —
England macht recht ungeschickte Sache.. -. Lhina. Wie wir früher schon meldeten, hatten die Chinesen am oberen Yangtse zwei englische Dampfer gekapert. Zur Rache haben englische Kanonenboote angeblich 2000 Chinesen, darunter Frauen und Kinder, der offenen Stadt Wanshien erbarmungslos zufammengeschossen. Das war wieder eine Roheit, wie England sichs leider schon so oft — wir er- mnern nur an den indischen Aufstand und an den Burenkrieg — geleistet hat. Früher haben sich die asiatischen und afrikanischen Völker so etwas eher gefallen lassen. Heute liegt die Sache anders. Das Schlimmste dabei ist, daß der Haß und die Rache der Gegenseite sich leider nicht auf die englischen Urheber beschränkt, sondern auch auf die andern Europäer ausgedehnt wird. Ob das nach dem beabsichtigten Wechsel auf dem englischen Gesandtschaftsposten in Peking besser werden wird? So oder so, eines steht schon heute fest, Pämlich dast Chamberfahn in der,chinesischen Politik
Tagesspiegel
Die Völkerbundsversammlung wird voraussichtlich am Samstag die siebte ordentliche Tagung schließen.
Der 11. kommunistische Parteitag soll am 27. November in Essen stattfinden.
Nach einer Meldung des „Vorwärts" aus Brandenburg a. h. hat der Reichswehr.-iaister gegen den Schriftleiter der sozialdemokratischen „Brandenburger Zeitung". Fritz Ebert, den Lohn des verstorbenen Reichspräsidenten, Strafantrag wegen Beleidigung der Reichswehr gestellt. Das Blakt hatte der Reichswehr staatsfeindliche politische Tätigkeit und Mißachtung der Reichssarben vorgeworfen.
Die tschechische Staatsanwaltschaft in Prag hat gegen den Vorsitzenden der deutschen Studentenschaft, Thon, der sich zurzeit in Berlin aufhält, für den Fall des Betretens des tschechischen Staatsgebiets den Haftbefehl erlassen, da er als tschechischer Staatsbürger (Sudekendeukscher) auf dem diesjährigen Skudenlenkag in Bonn den Vorsitz der Deutschen Studentenschaft sich habe überlragen lassen, einer Organisation, die gegen die Sicherheit und das Interesse der tschechischen Republik gerichtet sei.
In Wilna (Polen) soll wieder eine Bande russischer Spione entdeckt worden sein. 30 Verdächtige wurden verhaftet.
Der frühere König Georg von Griechenland (Sohn Konstantins) ist i", B -karest eingelroffen.
reine glucMche Hand bat, ebensowenig wie sein Chef Bald» w i n in der immer noch anhaltenden englischen Kohlenkrisis.
Die Vereinig ten Staaten sind von einem furchtbar Naturungiück Heimo,csucbt worden. Ein Orkan, wie ihn Amerika noch seli n erlebt hat, verwüstete weite Strecken der paradiesisch sc! önen Halbinsel Florida. Ganze Ortschaften sind vom Erdboden spurlos verschwunden. Mehrere hundert Menschenleben sind vernichtet, Zehntausende obdachlos. Wunderwerke menschlicher Unternehmungskraft sind in wenigen Minuten unwiederbringlich zerstört worden. Man schätzt den Sachschaden a"f über 200 Millionen Dollar. Das Mitgefühl der gesamten zivilisierten Welt wendet sich diesen Unglücklichen zu.
In unserer Zeppelinwerft in Friedrichshofen ist e'ne frohe Botschaft eingetroffen. Die spanische Gesellschaft „Colon "hat durch ein königliches Dekret die Genehmigung für eine Luftschis' inie Sevilla—Buenos Aires, die etwa 10 000 Km. lang ist, erhalten. Die Regierung steuert hiezu 30 Millionen Pesetas (gleich 19 Millionen Mark) bei» die auf 5 Jahre zu verteilen sind. Das Zeppelinluftschiff, das bis Herbst 1929 fertig sein soll, muß einen Rauminhalt von 135 000 Kubikmeter fassen und im Stande sein, jn 4)4 Tagen — der schnellste Dampfer braucht 20 Tage — den Ozean zwischen Spanien und Argentinien zu überfliegen. — Wenn das Graf Zeppelin erlebt hätte!
Nach dem sog. „Frieden von Koblenz" sollen 21 inhaftierte Personen die Freiheit wieder erhalten und bei 70 Ängeschuidigten das Verfahren niedergeschlagen werden. Ueberdies wurden etwa 30 Häftlinge, die der verschiedensten Vergehen beschuldigt werden, den deutschen Behörden übergeben. — Ein ks-'"er Anfang der großen Befreiung, nach der die R der, vollends jetzt nach dem Tag von
T^ asschauen. Möge ihre Hoffnung nicht
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Neue Nachrichten ,
Vortrag und Empfang beim Reichspräsidenten Berlin, 24. Sept. Der Reichspräsident nahm heute den Vortrag des Reichskanzlers entgegen und empfing später den deutschen Botschafter in Rom Freiherrn von Neurath.
Das Reichskabinett billigt die Verhandlungen von Thoiry Berlin, 24. Sept. Jn der heutigen Sitzung des Reichskabinetts berichtete Dr. Stresemann über die Verhandlungen im Völkerbund und über seine Besprechung mit Briand in Thoiry. Bei letzterer seien, entgegen den Meldungen ausländischer Blätter, keine bestimmten Abmachungen getroffen worden. Das Kabinett stimmte den Ausführungen zu und sprach Dr. Stresemann, sowie Len übrigen Mitgliedern der Abordnung den Dank für die geleisteten Dienste aus.
Vom sächsischen Landtag
Dresden, 24. Sept. Der Landtag trat gestern wieder zusammen. Es wurde ein Programm der Regierung für Arbeitsbeschaffung angekündigt. Die Vorlage der Aende- rung des Wahlgesetzes wurde an den Rechtsausschuß verwiesen. Danach sollen amtliche Stimmzettel eingeführt werden und für den Wablvorscblaa einer neuen Nartei
soll von dieser Partei ein Betrag von 3000 Mark eingezahlt werden, der zurückerstattet wird, wenn der Partei mindestens ein Sitz zufällt. Der Landtag vertagte sich bis 5. Oktober.
Die Parteieinigung in Lachsen gescheitert Dresden, 24. Sept. Die seit einiger Zeit zwischen den Rechtsparteien geführten Verhandlungen über ein gemeinsames Vorgehen bei den bevorstehenden sächsischen Landtagswahlen sind abgebrochen worden, da der Gedanke einer Einheitsliste wegen grundsätzlicher Meinungsverschiedenheiten nicht weiter verfolgt werden könne. Doch sollen Deutschnationale Volkspartsi. Deutsche Volkspartei u. Wirk- schaftspartei alles daran setzen, daß die bürgerlichen Parteien eine Mehrheit im Landtag erlangen.
Zur „Befriedung" des besetzten Gebiets Mainz, 24. Sept. Das französische Militärpolizeigericht verurteilte den Gastwirt Schneppler aus Frankfurt zu 200 Mark Geldstrafe, weil er in seinem Bierzelt auf dem Markt in Kreuznach das Deutschlandlied spielen lieh. Das sei ein« Beleidigung der Besatzungstruppen.
Russische Bestechungen
Berlin, 24. Sept. Die Sowjekregierung hat eine Anzahl ihrer Beamten in der russischen Handelsvertretung in Ber. lin, darunter den Vorstand Begge, entlassen, weil sie bei der Vergebung von Staatsaufträgen an die deutsche Industrie Bestechungsgelder nahmen. Der Skandal wurde von dem Mitwisser Kutisker enthüllt. !Z
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Kalter Wasserstrahl aus Paris Paris. 24. Sept. Dr. Stresemann hatte vor seiner Abreise von Genf in einem Kreis deutscher Zeitungsvertreter gesagt, die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund sei gar nicht hoch genug zu schätzen. Sie bedeute die tat- sächliche Anerkennung, daß Deutschland nicht allein am Krieg schuld sei. Dem Anschluß Oesterreichs sei in Thoiry der Weg geebnet und es sei die Möglichkeit zur Gewinnung von Koionialmandaten eröffnet. Jn kurzer Zeit werde das Rheinland von der Besetzung befreit sein. Gegenüber diesen Aeußerungen verbreitet die Agentur Radio eine halbamtliche Erklärung der französischen Regierung: Im französischen Außenministerium (Briand) betone man, derartige Aeußerungen können den erst in den Anfängen befindlichen Verhandlungen mit Deutschland nur schaden. Man müsse annehmen, daß Stresemann so gesprochen habe, um in Deutschland Eindruck zu machen. Wenn er glaube, daß die Zulassung Deutschlands zum Völkerbund eine Aende- rung bezüglich der Kriegsschuldfrage bedeute, so sei das nur seine rein persönliche Schlußfolgerung, von der er in seiner Zulassungsrede in Genf nicht gesprochen habe. Von einem Anschluß Oesterreichs sei in Thoiry überhaupt nicht die Rede gewesen. Das Recht zur Uebernahme von Kolonial Mandaten stehe jedem Völkerbundsmitglied zu, Frankreich sei aber nicht befugt, Deutschland in dieser Beziehung Besprechungen zu machen. Es sei ferner klar, daß eine raschere Räumung des Rheinlands nur gegen bedeutende finanzielle Zugeständnisse Deutschlands an Frankreich denkbar sei. Es müsse untersucht werden, in welchem Maß Deutschland sich feiner Dawesverpslichtun'gen entledigen könne, um dadurch zur Wieoeraufrichtung des Franken beizutragen, und in welchem Maß Frankreich bereit sei, das Pfand der Rheinlandbestztzung zu verwert e n, das jeden Tag an Bedeutung verliere, oa die Besetzung nach dem Versailler Vertrag im Jahre 1935 aufhöre. — Einst ließ Bismarck gelegentlich kalte Wasserstrahlen nach Paris ergehen, so z. B. im Fall Schnebsl« und Boulanger.
Die Vorschläge der englischen Bergarbeiter '
London, 24. Sept. Der Vollzugsausschuß des Berg- arbeitc-rverbands unterbreitete der Regierung folgende Vorschläge: Die Arbeit soll sofort wieder ausgenommen und eine Lohnstufung eingesührt werden, die nicht geringere Löhne vorsieht, als die durch das Abkommen von 1921 fest- gelegtcn Löhne. Eine endgültig für das ganze Reich gültige Regelung soll sodann von einem Schiedsgericht ausgearbei- ket werden, das die Lohnstufung und die Umformung der Kohlenindustrie gemäß dem Vorschlag der Kohlenkommis, sion durchführt. Wie verlautet, werden diese Vorschläge von den Zechenbesitzern als unannehmbar bezeichnet, da die Lage der Industrie Löhne, wie die im Abkommen von 1921 und die gleichzeitige Rückkehr zu einem Siebenstunden, tag nicht zulasse. Die Zechenbesitzer lehnen nach wie vor eine allgemeine Lohnfestsetzung ab und verlangen eine Re- gelang, die die wirtschaftliche Fähigkeit jedes Bezirks berücksichtigt.
Ernste Lage in Spanien ^
London. 24. Sepl. Daily Ebronicle meldet aus Gibraltar, die Zustande in Svanien feien unbaltbar geworden; ent;
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