lEnztalbote)
Amtsblatt Nr Mldbad. Chronik untz Anzeigenblatt
für das ober« Enztal
Erscheint täglich, ausgenommen Sonn- und Feiertags. Bezugspreis halbmonatlich 65 Pfennig frei ins Haus geliefert; durch die Post bezogen im innerdeutschen Verkehr monatlich 1.60 Mk. :: Einzelnummern 10 Pfg. Girokonto Nr. SO bei der Obermntssparkasse Neuenbürg Zneigsi. Wildb. :: Bankkonto: Enztalbank Komm.-Ges. Häberle L Eo. Wildbad.:: Postscheckkonto Stuttg. 20174.
Anzeigenpreis: Die einspalrige Petitzeile oder deren Raum im Bez. Grundpr. 15 Pfg., außsrh. 20 einschl. Ins.-Sterier. Reklamezeile 40 Pfg. :: Rabatt nach Tarif. Für Offerten u. bei Auskunfterteilung werden jeweils 10 Pfg. mehr berechnet. :: Schluß der Anzeigennahme tägl. 8 Uhr vorm.:: In Konkursiällcn od. wenn gerichtl. Beitreibung notw. wird, fällt jede Nachlaßgewähr, weg.
Druck, V;rlag u. Schriftleitung Theodor Gack, Wildbad, Wilhelmstraße ^ 151. Wohnung: Bismarckstraße 237.
Nammer 165
Fernruf 170
Montag, den 19. Juli 1926
Fernruf 179
61. Jahrgang
Die Diktatur des belgischen Königs
Der belgische König hat !m nächsten halben Jahr die unbeschränkte Vollmacht, eine Reihe von bedeutsamen Maßnahmen zur Festigung des Franken anzuordnen. Die Parlamente haben den Gesetzentwurf, der ihm diese Vollmacht erteilt, mit großer Mehrheit angenommen. Sie haben damit ohne äußeren Zwang freiwillig auf ihr Beratung-;- und Gesetzgebungsrecht verzichtet. Nach sechs Monaten sollen die Parlamente von selbst wieder ihre verfassungsgemäßen Befugnisse zurückerhalten. Träger der Diktatur ist der König, eine in der Verfassung gegebene Stelle, nicht eine außerhalb stehende Macht. All das unterscheidet die Diktatur von den gleichbezeichneten Zuständen und Umänderungen, wie sie in Italien, Spanien, Portugal und Polen entstanden sind. Es handelt sich in Belgien nicht um eine Staatsumwäl- zu n g oder um die Einleitung einer künftigen, jetzt schon voraussehbaren Staatsumwälzung, sondern um den gesetzlichen Fall einer Diktatur, der ausnahmsw'-isen Aufhebung der geltenden Rechts- und Gesetzgebungsordnung, wie ihn auch das moderne Staatsrecht anerkennt. In der deutschen Reichsverfassung ist dieser Fall der Diktatur im Paragraphen 48 (Verordnungsrecht des Reichspräsidenten) ausdrücklich und ohne an die Zustimmung des Parlaments gebunden zu sein, vorgesehen.
Die neue Diktatur wird in der belgischen Oeffentüchkeit verschieden aufgefaßt und beurteilt. Die einen, zu denen mächtige Wirtschafts- und Personenkreise, vor allem der Industrie und des ausgesprochen deutschfeindlichen und einseitig französisch gerichteten Finanzkapitals gehören, feiern .-sie als die tatsächliche Ausschaltung des Parlaments, als die eingestandene Ohnmacht des demokratischen Systems, den Beginn einer Zeit,' wo nicht mehr die Zahl und Parteikrippe, sondern die Begabung und Leistung herrschen werde. Die andern erklären, es handle sich um eine reine Zweckmäßigkeitsmaßnahme, durch die jetzt, wo schnelles Handeln notwendig sei, die Zeit gespart werde, die Kammer und Senat sonst zur Beratung der Gesetzentwürfe zur Stabilisierung brauchten. Man darf aber die Möglichkeit nicht übersehen, daß die Rückkehr aus dem Ausnahmezustand der Diktatur in den normalen Zustand der parlamentarischen Demokratie später vielleicht schwieriger sein wird, als es heute die Beseitigung des Normalzustands durch die Ausnahme der Diktatur gewesen ist.
Fürs erste wird sich an den politischen Verhältnissen in Belgien schwerlich etwas Entscheidendes ändern. Wahrscheinlich wird der König im großen und ganzen das bestimmen, was die Regierung vorschlägt. Für den weiteren Verlauf der Dinge in Belgien kommt es darauf an, was der König und seine Regierung aus der Diktatur, die sie jetzt haben, praktisch machen werden. Es läßt sich nicht Voraussagen, ob tatsächlich etwas zur Stabilisierung des Franken entscheidendes erreicht werden wird. Auch über entscheidende Einzelheiten der bevorstehenden Maßnahmen, etwa über den Notenumlauf und neue Anleihen, läßt sich nichts Zuverlässiges sagen. Der Wille, dem Verfall der Währung entgegenzuwirken, geht so weit, daß nach dem Ermächtigungsgesetz sogar die Pressefreiheit ausgehoben werden kann. Die entscheidende Voraussetzung für die belgische Stabilisierung ist eine ausreichende und langfristige Ausländsanleihe. Dahinter treten alle andern Dinge, so wichtig sie im einzelnen sind, wie Ausgleich des Staatshaushalts, Ersparnisse, Ueber- wachung der Börse und Umorganisierung der Staatsbetriebe an Bedeutung zurück. Es scheint aber kaum, daß Belgien eine ausländische Anleihe erhält, wenn nicht gleichzeitig die französischen Verhältnisse geordnet sind. Das Schicksal der belgischen Währung hängt heute in entscheidendem Maß von dem ab, was in Frankreich geschieht.
Die Deutsche ReichsbahngeseHschaft im Juni 1926
Der Güterverkehr im Juni wurde durch starke Kohlen- ^ beförderung gekennzeichnet. Auf arbeitstüglichen Durchschnitt entfielen bei 26 Arbeitstagen gegen 24 im Mai 125 000 gegen 126 000 Wagen im Vormonat. Die Gesamtwagengestellung uberstieg die Vormonate um 200 000. Der starke Kohlen- verkehr erklärt sich aus der Steigerung des Absatzes wegen des englischen Bergardeiterstreiks und der zum 1. Juli bevorstehenden Kohlenpreissteigerung. Auch das Hochwasser verursachte eine Verkehrsaufwanderung auf die Eisenbahn. Im Ruhrgebiet wurden au einzelnen Tagen bis l40 Sonder- .züge mit Kahlen gefahren. Sehr stark war auch der Kohlenversand aus Poinisch-Oberschlesien. Von dort wurden 480 000 .Tonnen in zahlreichen Bedarfszügen abgelassen. Die Kohlen- adsuhr richtete sich zum großen Teil nach Seehäfen, allerdings waren die Ulmschlagseinrichtungen in den Häfen dem außerorentlich hohen Verkehr zum Teil nicht gewachsen. In Altona, Hamburg, Harburg und Stettin waren infolgedessen erhebliche Verzögerungen in der Entladung eingetreten. Für .Bcennstofssendungen nach Ruhrort-Duisbura mußte eine 80- prmentiqe Annahmesperre verhängt werden. Aus den wichtigsten Kchlcugebieten wurden 188 000 Wagen mehr als im Vormonat abbefürdert. Eine erhebliche Verkehrs,Zunahme wiesen die künstlichen Düngemittel auf, da die A niedrigeren Sommerpreise einen Anreiz zum frühzeitigen
Laqesspieae l
Der Rerchsarbeiisminister wird in nächster Woche Besprechungen mii Vertretern der Industrie haben über Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Vertreter der Fronkkämnkerbünde wurden von Ahein- landseike aus auf 26. Juli nach Lorch a. Ah. eingeladen, um len von den Rheinländern vorgeschlagenen Platz für las Aeichsehreumat auf dieser Insel zu besichtigen.
Allgemein besteht die Auffassung, daß die englische Regierung das Vorgehen der lleberwachungskommission gegen Generaloberst v. Seeckt nicht an sich mißbillige, daß sie aber peinlich überrascht ist, daß der Schritt geschehen ist, ehe Deutschland Mitglied des Völkerbundes geworden ist.
Der amerikanische Schahsskrekär Mellon erklärte sich gegen weitere Vergünstigunaen an Frankreich in den Kriegsschulden. Die Vereinigten Staaken haben in dem Schulden- aökommen bereits alle Vorschüsse gestrichen, die Frankreich während des Kriegs erhalten habe und sie verlangen nur die Rückzahlung der seit dem Waffenstillstand an Frankreich gegebenen Darlehen. Weiter Könne man nicht mehr enlgegen- kommen.
In Ungarn sott von den bürgerlichen Linksparteien (Opposition) ei. e einheitliche „Rationaidemokralische Unab- hängigkeikspartei" gegründet werden.
Ivan Iuslh, der gelegentlich der letzten Völkerbundskagung den ungarischen Miristerpräsidsuten Graf Bclhlen überfiel und ohrfeigte, wirb vor das schweizerische Bundesgeschwore- nengerlchk gestellt.
Bezug ausllbten. Die Bautätigkeit war auch im JuM recht schwach, der Versand an Baustoffen hielt sich ungefähr auf der Höhe des Vormonats. An Zement wurden z- B. 31 000 Wagen befördert. Die allgemeine Wirtschaftslage und das schlechte Wetter haben den Personenverkehr ungünstig beeinflußt. Es wurden im ganzen 2863 gegen 8348 Züge im Vormonat, in den das Pfingstfest fiel, über den Plan gefahren.
Die Betriebsergebnisse im Mal 1926 zeigen folgendes Bild: Gesamteinnahmen 371 900 000 (417 643 0001 Gesamtausgaben 378 314 000 (351 728 000) Bt. Die Deckung der Bdehrausgaben erfolgte durch Inanspruchnahme des Vortrags aus 1923. Die Aufwendungen für werbende Anlagen !m Betrag von 17 613 000 Bt wurden aus dem Erlös aus der Begebung von Vorzugsaktien entnommen. Für den Dienst an Entschädigungsschuldvirschreibungen wurde die monatliche Zahlung geleistet, daneben ist das Steuererträgnis aus den Beförderungen im April 1926 in der vorgeschne« denen Höhe am Fälligkeitstage an den Dawesagenten abgeführt worden. Gegenüber der Gesamteinnahme im ersten Vierteljahr 1928 mit 1 048 383 000 Bl bleibt die des gleichen Zeitabschnittes im Jahr 1926 mit 919 022 000 Bl zurück, d. h. 1926 brachte gegenüber 1923 eine Einbuße von 12,3 v. H. Die arbeitstägliche Einnahme im gleichen Zeitraum ermäßigte sich von 13 794 000 Bl im Jahr 1923 auf 12 092 000 Mark im Jahr 1926, d. i- ein durschnittlicher Ausfall von 1702 000 Bl.
Neue Nachrichten
De. Bell Reichsjustizminister
Berlin, 18. Juli. Reichspräsident v. Hindenburg hat auf Vorschlag des Reichskanzlers den Reichstagsabgeordneten Dr. Bell (Zentr.) zum Reichsjustizminister ernannt und ihn mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Reichs- ministers für die besetzten Gebiete beauftragt.
Gegen die schau seit einiger Zeit geplante Ernennung hatte die Deutsche Volkspartei Einwände erhoben, da durch einen weiteren Zentrumsminister der Einfluß der Zentrumspartei im Reichskabinett im Verhältnis zu stark werde. — Dr. Bell ist 1860 in Essen geboren. Er war seit 1912 Mitglied des Reichstags und wurde 1919 „Reichskolonial- minister", 1920 Reichsjustizminister. Zusammen mit Müller- Franken (Soz.) hat er den Vertrag von Versailles unterzeichnet.
Wie verlautet, wird der Staatssekretär der Reichskanzlei, Dr. Kemperer zurücktreten.
Die Pensionskassen industrieller Werke
Berlin. 17. Juli. Eine Reih- der bei großen industriellen Werken für Arbeiter und Angestellte eingerichteten Pensionskassen ist infolge der Jnsiation nicht mehr in der Lage, den Pensionsberechtigten ihre satzungsgemäßen Bezüge aus- mmhlen. Dieser bedauerliche Zustand hat bereits zu einer 'Entschließung des Reichstags geführt, daß erwogen werden möge, ob den Berechtigten nicht unter Heranziehung der Werke Hilfe gebracht werden könne. Die Reichsregierung ist zur Zeit damit beschäftigt, über die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse dieser Pensionskassen Erhebungen vor. zunehmen.
Aus der Berliner Lohnbewegung Berlin. 18. Juli. Der Arbeitgeberverband des Berliner Einzelhandels hat zum Zwecke des Lohnabbaus den bisher geltenden Lohntarif für die Handelshilfs- und Transportarbeiter zum 31. Juli gekündigt. Im Berliner Großhandel, wo ebenfalls die Lohntarife für fast sämtliche Zweige gekündigt worden sind, hoben die bisher geführten Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu keiner Einigung geführt.
, Ein Landesverräter
Dresden, 18. Juli. Das Oberlaudesgericht verurteilte den Metzgergehilfen Walter Mühe wegen fortgesetzten Verrats militärischer Geheimnisse zu 8 Jahren Zuchthaus und Polizeiaufsicht.
Der Prügelknabe Walch
Paris, 18. Juli. Auf verschiedene nicht mißzuverstehende .Anfragen" der englischen Regierung über das Vorgehen der Militärüberwachungskommission gegen Deutschland wurde erklärt, General Walch sei nur beauftragt worden, wegen einiger Punkte „geringerer Bedeutung" in Berlin vorstellig zu werden; es sei nicht beabsichtigt gewesen, einen Vorstoß gegen Generaloberst von Seeckt zu machen. Wenn dies geschehen sein sollte, so hätte Walch dazu keinen Auftrag gehabt. — Walch soll also die Schuld für das tragen, was Marschall Fach und seine Klüngel, sowie der Botjchasterrat schon längst ausgsheckt haben. Die Neichsregierung hat auf die Herausforderung noch nicht geantwortet.
Zwischenlösung im englischen Sohlenstreit?
London, 18. Juli. In einer Besprechung des Gewerkschafts Bs mit den Führern der streikenden Bergarbeiter kam es zu scharfen Auseinandersetzungen, letztere ließen sich aber schließlich überzeugen, daß man über ihre Unnachgiebigkeit im ganzen Land unzufrieden sei. Der „Times" zufolge soll die Regierung bereit sein, eine Zwischenlösung anzunehmen, indem die Staatsunterstützung in geringerem Umsang für kurze Zeit fortgesetzt werde, wenn sie sicher sein könne, daß eine endgültige Regelung ermöglicht werde, die den Frieden in der Kohlenindustrie auf lange Zeit verbürge.
Spanische Flokkenrüstungen
Madrid. 18. Juli. Die spanische Regierung hat englischen Firmen den Bau von drei Kreuzern von 10 000 Tonnen Rauminhalt, drei Zerstörern und zwölf Tauchbooten mit einem Gesamtaufwand von 377 Millionen Peseten in Auftrag gegeben.
Der politische Skandal in Norwegen ^
Oslo, 18. Juli. Der Untersuchungsausschuß gegen den früheren Erstminister Abraham Berge und verschiedene andere Minister, darunter 3 der gegenwärtigen Regierung, wegen verfassungswidriger Unterstützung der Norwegischen Bank durch Staatsmittel hat den kommunistischen Advokaten Siang in Oslo zum öffentlichen Ankläger bestimmt. ,
Eine russische Warnung an England Moskau, 18. Juli. Im Zusammenhang mit den englischen Angriffen gegen die Unterstützung der streikenden englischen Bergarbeiter durch die russischen Gewerkschaften, beschäftigt sich die „Jswjestija" mit den Enthüllungen der englischen sozialistischen Wochenschrift „Gorward" in Glasgow über einen englischen Unterstützungsfeldzug für die reaktionäre russisch« Geistlichkeit. Das Blatt schreibt: Während die englische Re- aierung das offen durchgeführte Hilfswerk für die englischen Bergarbeiter in Grund und Boden verdammt, läßt sie im geheimen den russischen Gegenrevolutionären weitherzige Hilfe zukommen. Wir müssen die englische Regierung olfen der Unterstützung der gegenrevolutionären Bewegung in Rußland beschuldigen und sie darauf aufmerksam machen, daß sie sich damit in Gegensatz zu dem englisch-russischen Vertrag vom Jahr 1921 stellt. ^
Ein Schritt Dorahs in der Frage des beschlagnahmten Eigentums
Washington, 18. Juli. Senator Borah hak als Vorsitzender des Ausschusses zur Untersuchung der Fragen bekr. das beschlagnahmte ehemalige feindliche Vermögen Auskünfte für das angeblich zwischen dem früheren Verwalter des beschlagnahmten Vermögens, Müller und der englischen Regierung abgeschlossene Abkommen eingeforderk, wonach angeblich 128 Millionen Dollar an den englischen Treuhänder ausgeliefert worden sein sollen. Borah erklärte hierzu, das Abkommen sei nach Kriegsschluß abgeschlossen worden und später hätten zwischen den Vereinigten Staaten und England über diese Frage weitere Verhandlungen stakkgesunden. Das Abkommen sei abgeschlossen worden, obwohl die amerikanischen Gerichte ein amerikanisches Erstrechk auf die beschlagnahmten Werte anerkannt haben.