Enztalbote

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Nsmmer 164

Fernruf 179

Samstag, den 17. Juli 1926

Fernruf 179

61. Jahrgang

Politische Wochenschau

Tardieu, der Mitarbeiter Clemenceaus, rief am 10. Juli dem Ministerpräsidenten Briand zu:Sie sind ein Großverbraucher an Finanzministern und ein großer Jn- flationist. Sie werden verstehen, daß es in diesem Hause eine Anzahl von Leuten gibt, die nicht geneigt sind, Ihnen Vollmachten zu geben, damit Sie auf diesem Wege fort­schreiten können. Wenn eines Tages Frankreich sich n e u e n Schulden und einer ausländischen Kontrolle gegenübersehen wird, so werden wir alle die Verantwortung tragen müssen". DieseAnzahl von Leuten", die Brianü- Caillaux das Vertrauen versagten, betrug 247, nur 22 weniger als die Zahl, welche der von der Regierung an­genommenen Tagesordnung Asti ex (Mittelpartsi) zu­stimmte. Diese besagte, daß die Kammer zu der Regierung das Vertrauen habe, sie werde den Kredit wiederherstellen und den Franken stabilisieren.

Wollen abwarten, ob sie das fertig bringt? Augenblick­lich sieht es nicht darnach aus. Denn gerade am Tag dar- ' auf fiel der Franken aus 1921 Vielleicht als Echo auf die Kammerdebatten, die den Eindruck allgemeiner Ratlosigkeit machten. Für uns Deutsche war dabei wertvoll, was F r a n k l i n 48 o u i l l o n, der Präsident des Auswärtigen Ausschusses, über das Versailler Diktat, dieseshei­ligste Dokument" Frankreichs, sagte: er verfluchte es feier­lich und nannte es geradezu eineKatastrophe" kür Frank­reich. Gerade die falschen Hoffnungen, die man in Frank­reich auf die Erpressungen Deutschlands seßte, haben es zu wahnsinnigen Unternehmungen verführt. Und mit den Milliarden nach einer Note der deutschen Regierung r-om 20. Januar 1921 waren es nicht weniger als 20 Milliarden Goldmark hat man den Wiederaufbau des zerstörten Gebiets bis heute nicht fertig gebracht. Noch liegt das Kampf­gelände von Chalons und Tavure in gleich wüstem Zustand wie vor dem Krieg. Dort sind die Gebeine gefallener deutscher Soldaten, dort die Unterstände zusehen, alshistorisches Museum" ausgebaut, unter behördlichem Schuß stehend. Und doch hat der große englische Wirtschaftler Keynes, der unlängst auch Berlin besucht hat, seinerzeit erklärt, mit 10 Milliarden könnten Nordfrankreich und Belgien anstands­los wiederhergestellt werden. Wo aber kam das viele deutsche Geld hin? Verschwand es nicht in die Taschen französischer Spekulanten und Schieber? Heute aber steht Frankreich vor dem Bankerott seiner Staatssinanzen.

Hierfür macht man fast überall in Europa neben anderen Mitschuldigen in erster Linie den Parlamentarismus verantwortlich. Mussolini hat unlängst zu einem Türken gesagt:Die parlamentarische Demokratie oder der Parla­mentarismus ist ein Luxus der reichen Nationen. El ver­bietet sich für die armen Nationen. Für uns Italiener Ist das Leben zu hart, als daß wir uns solche Vergnügungen leisten können. Das Geseß der armen Nationen ist das Geseß der Arbeit." Um aber einemarmen Volk" Verdienstmög­lichkeit zu erschaffen, sucht der italienische Diktator eifrig neue Kolonien in Abessinien und in Nordafrika, wobei, wie es scheint, England ihm behilflich sein will. Frei­lich, dadurch werden gefährliche Streitmöglichkeiten zwischen Italien und Frankreich geschaffen. Daß wir Deutsche aber Kolonien oder Kolonialmandate nötiger als jedes andere Volk hätten, das will man in den Ententestaaten nicht ein- sehen. Hat doch Baldwin neuerdings im Unterhaus klipp und klar erklärt, England werde Deutsch-Ostafrika, heute Tanganjika Territory" genannt, nie wieder !>erausgeben. Englisch Ostafrika vom Kap bis Kairo bleibtauf ewig ungeteilt".

A m e r i k a ist von einem furchtbaren Unglücksfall heim­gesucht worden. Der Bliß schlug in das Marine-Munitions­lager in Lake Denmark bei Dover (New Jersey), das größte der Union, ein. Furchtbare, tagelang andauernde Explosionen vernichteten 18 Magazine, zerstörten 2 Städte, verwüsteten die ganze Umgebung im Umkreis von 30 Meilen, töteten fast die ganze Besatzung. Der Schaden wird aus 100 Millionen Dollar geschätzt. Für die amerikanische Marine bedeutet der gräßliche Vorfall einen entsetzlichen Verlust.

r.'O^.^sundung der französischen Finanzen gehörte-in erster Linie die Regelung der Kriegsschulden. Sie betragen aber 30 Milliarden Franken. Nun ist Caillaux am Montag nach London geflogen. Dort ist das englisch­französische Schuldenabkommen endlich unterzeichnet worden. Dasselbe bedarf noch der Genehmigung der beiderseitigen Parlamente. Frankreich erhält 60 v. H. Nachlaß. Es hat also nur noch 260 Millionen Pfund zu zahlen, ick 62 Jahresraten, bis 1931 jährlich nur 4 Millionen Pfund. Wenn die deutschen Entschädigungszahlungen so niedrig würden, daß Frankreich seinen Schuldenverpflich­tungen gegen England und Amerika nicht Nachkommen könnte, soll eine Aenderung des Abkommens erfolgen. Nun bedenke man, daß Frankreich von 1929 ab aus den deutschen Reparationsleistungen jährlich nicht weniger als 1300 Mlll. Goldmark erhält, also doppelt so viel, als es an England und Amerika zahlen muß. Wahrlich ein recht gnädiges Abkommen, mit dem man in Paris zufrieden sein könnte. In Londoner Geschäftskreisen aber denkt man anders und

Tages spiege i

Reichskanzler Dr. Marx ist von seiner Reise ins Rhein­land nach Berlin zurückgekehrk.

Der preußische Ministerpräsident hat an Reichskanzler Marx ein neues Schreiben gerichtet, das noch einmal den Anspruch auf einen Sitz im Verrvaltungsrat der Reichsbahn- gesellschask behauptet.

Auf der Marinewerft in Wilhemshaven sind die Zer­störer Greif, Seeadler und Albatros glücklich vom Stapel gelaufen.

In Skraßburg wird ein französisches Kampfgeschwader von 36 Flugzeugen, in Kolmar ein Bombengeschwader aus­gestellt.

Der Aufenthalt des bulgarischen Königs Boris in Italien wird mit Heiratsabsichten in Verbindung gebracht. Bor allem wird der Aame der jüngeren Tochter des Königs von Italien. Johanna, genannt.

hat sofort mit einer weiteren Senkung des Franken quittiert-

Kaum war der spanische König weg, so kam der spanische Diktator General Primo de Rivera ngch Paris, um das spanisch-französische Marokkoabkommen zu unterzeichnen. Dasselbe enthält eine Regelung der beider­seitigen Grenzen und beiderseitigen Machtbefugnisse. Italien durfte zu seinem großen Aerger nicht mittun. Aber damit hat Mussolini keineswegs auf weitere Ansprüche in Nordafrika verzichtet. Die Italiener können es eben immer noch nicht verschmerzen, daß die Franzosen ihnen,Tunis, das von Italienern stark besiedelt ist, und das dicht vor der Nase von Sizilien liegt, vor 40 Jahren weggeschnappt haben. Aber was Frankreich und England haben, das werden sie nicht so,leicht wieder herausgeben. Tripolis selbst, das die Italiener 1912 den Türken über Nacht geraubt hatten, bietet mit seinem wüsten Hinterland herzlich wenig für Sied­lungszwecke. Und !m übrigen ist in Nordafrikadie Welt weggegeben". Marokko ist nun richtig französisch. Der Sultan, Frankreichs Vasall, hat mit seinen drei Söhnen in Paris dem Präsidenten der Republik seine Aufwartung gemacht, wobei er sich eines etwas freundlicheren Empfanges erfreuen durfte als der spanische Diktator, der wiederholt ausgepfiffen wurde. Der Sultan wurde nur einmal aus­gepfiffen.

Ein unerquicklicher Streit zwischen der Reichsregie- rung und Preußen! Jene berief den Reichskanzler a- D. Dr. Luther in den Verwaltungsrat der Reichsbahngesell­schaft. Der preußische Ministerpräsident Braun schrieb darauf einen nicht gerade höflichen Brief an den Reichs­kanzler Dr. Marx: Diese Berufung sei nicht Sache der Reichsregierung, sondern ein Recht Preußens. Darauf die Antwort des Reichskanzlers: Die Reichsregierung habe bei ihrem Vorgehen Rechtsansprüche Preußens nicht verletzt, sie habe vielmehr ihr formelles Ernennungsrecht erst aus- geübt,nachdem Preußen endgültig abgelehnt hatte, eine Persönlichkeit vorzuschlagen, deren Stellung im öffentlichen Leben und in der Wirtschaft die erforderliche Gewähr für die Vertretung der unabweisbaren staatspolitischen und volkswirtschaftlichen Belange bot."

Zwei Denkmalsweihen haben diese Woche aus­gezeichnet. In Berlin hat man in Gegenwart des Reichs­präsidenten v. Hin den bürg die Hülle eines Denkmals fallen lassen, das für die gefallenen Studenten der Universität errichtet worden war. Eine andere Denkmalsweihe fand in Kufstein in Tirol statt. Es galt der Enthüllung des Andreas-Hofer-Denkmals. Aus allen Teilen Oesterreichs, namentlich aus Bayern und dem gesamten deutschen Reiche waren schätzungsweise 10 000 Gäste ein- getrofsen- Die Kundgebung war zugleich eine Freundschafts­bezeugung für die getrennten deutschen Brüder in Süd- tirol. Mussolini hatte sicherlich keine Freude daran. Er veranstaltete als Gegenkundgebung die Einweihung eines italienischen Siegesdenkmals inBozen. Hiezu mußte extra der König selbst kommen. Dabei machte der Unterrichts­minister Fedeli große Sprüche: Innerhalb der Grenzen, in denen sich die römischen Adler niedergelassen haben, müssen sich alle (natürlich auch die Südtiroler) demrö­mischen Geiste der Kraft und des Rechts beugen".

In Köln fanden die 2. Deutschen Kampfspiele statt, unser nationales Olympia. Die Sporthelden aus allen deutschen Gauen haben sich auf dem herrlichen Sportplatz der Stadt zum Kampfe gestellt. Auch der Reichskanzler Dr. Marx war erschienen. Er dankte den Sportsleuten, die den ausländischen Ruhm Deutschlands im edlen Sport der Leibesübungen im schönsten Sinne des Wortes haben.Wir haben eine Jugend, auf die wir uns verlassen können-"

Der Geist von Locarno, meinte der amerikanische Ab­geordnete Victor Verger, sei nicht 100-, sondern höchstens 3prozentig. Vielleicht noch weniger. Denn was die unifor­mierten Angehörigen dessiegreichen" Frankreich sich bei einem Kriegertag in Germersheim an Lausbubereien und Frechheiten leisteten, zeugt von allem andern als einein

versönhlichen Locarnogeist. Letzteres gilt auch vog der neuesten Militärkontrolle der hohen Entente. Die Stellung des Generalobersten v. Seeckt paßt den Herren gar nicht. Deutschland soll einen der beiden Reichswehrgruppenkom­mandeure zum Generalinspekteur ernennen. Also o. Seeckt, der aus unserer Reichswehr zum Aerger unserer ehemaligen Feinde eine erstklassige Verteidigungswaffe geformt hat, ein­fach kaltstellen. Auch soll die deutsche Regierung sich über die in letzter Zeit von einigen deutschen Blattern gemeldeten Munitionsfpnde veranworten. Lauter Vorwände, mit denen man die angebliche Notwendigkeit der Verlängerung der Militärüberwachung begründen und beschönigen möchte.

Unsere wirtschaftliche Lage endlich ist immer noch höchst beklagenswert. Das furchtbare Arbeitslosenheer mit seinen 1^« Millionen unterstützten Arbeitslosen hat, trotz der günstigen Jahreszeit, kaum abgenommen. Ganz besonders übel daran sind unter ihnen die 100000 stellenlosen A n a e st e l l t e n. Ein bereits ausgearbeiteter Gesetzentwurf soll nachhaltigeren Schutz für sie, besonders für die älteren unter ihnen schaffen. Für die erwerbslosen Arbeiter selbst sind von der Reichsregierung im Benehmen mit der Reichs­bahngesellschaft eine stattliche Anzahl von Notstands­arbeiten (an Straßen-, Eisenbahn-, Kanal- und Woh­nungsbauten) vorgesehen, mit denen etwa 500 000 Arbeiter gleichzeitig mit Brot versorgt werden könnten.

Welcher Deutsche würde sich nicht glücklich preisen, wenll dieser P an gelänge! Anders aber steht es mit den Auf­wert u n g s h o f f n u n g e n von Millionen von Deutschen, die durch die Inflation alle ihre sauer verdienten Ersparnisse fast restlos verloren hatten. Wenn nur 20 Milliarden meinte Reichskanzler Dr- Marx in seiner jüngsten Rede in Kleve, aufgewertet wurden, sei der Bankerott wieder da. Wenn aber unsere Währung noch einmal ins Gleiten geriete, dann sei es aus mit dem deutschen Volk, dann gebe es keine Rettung mehr. Um Gottes willen, alles, nur das nicht! VV. 11.

eus

acyrichten

Die preußische Regierung lehnk Verhandlungen mik dem

HoZenzrllcruhrrus ab

Berlin. 16. Juli. Das preußische Staatsministerium hat gestern beschlossen, die Verhandlungen mit dem Hohenzollern- baus über den Vermögensvergleich bis zur reichsgesetzlichen Regelung nicht wieder aufzunehmen, außer wenn vom Kö­nigshaus ein besonders günstiges Angebot gemacht würde.

General Waich auf Urlaub nach Paris Berlin, 16. Juli. Wie eine Berliner Korrespondenz aus Kreisen der Interalliierten Militärkontrollkommission hört, begibt s ) General Walch schon in den nächsten Tagen zu längerem Urlaub nach Paris. Dabei wird aber besonders betont, daß dieser Urlaub nicht etwa mit den letzten Ver­öffentlichungen über die Entwaffnungsnote Zusammenhänge, sondern bereits seit mehreren Wochen vorgesehen sei.

Die Germersheimer Vorfälle Mainz, iq Juli. Wie W. T. B. erfährt, wird die Unter­suchung unv weitere Beweisaufnahme der Germersheimer Vorfälle, die vom Reichskommissariat für die besetzten Ge­biete eingeleitet wurde, nunmehr in erster Linie von der bayerischen Regierung geführt werden.

Die Finanzlage Südwesiafrikas Windhuk, 16. Juli. Nach dem Bericht des Verwalters desMandats" Südwestafrika hat das Gebiet keine Schul­den. Der Wert der öffentlichen Gebäude und Auftakte, 1 be­trägt 2 Millionen Pfund Sterling. Der Verkauf vonRe­gierungsland" habe im abgelaufenen Jahr rund 800 000 Pfund eingebracht. Es stehen aber große Ausgaben für Straßenbau, Eisenbahnen, Hafenanlagen usw. bevor. Fast am meisten Ausgaben verursachen'die Schulen. Die jähr­lichen Crziehungskosten für ein Kind betragen 35 Pfund gegen 20 Pfund in Südafrika.

Lieferungen von Kriegsbedarf an China kankon, 16. Juli. Ein russischer Dampfer hat hier eine große Ladung Schießbedarf gelandet, der für einen Kamps gegen die Märschälle Tschangtsolin u«d Wupeifu dienen soll.

Der französische Hauptmann Pelletier hat an Tschang- tsolin 21 Flugzeuge verkauft.

Beide Lieferungen verstoßen gegen das Washingtoner Abkommen, das den Verkauf von Kriegsbedarf an die strei­tenden Parteien verbietet.

Bischof Dr. von Keppler -f-

Der Bischof von Rottenburg, Dr. Paul Wilhelm von Keppler ist heute vormittag 9 Uhr an den Folgen einer Herz- läbmuna im Alter von 74 Jahren in Rottenbura verschieden.