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Druck, Verlag n. Hauptschriftleitung Theodor Gack. Für den lokalen Teil verantwortl. Karl Th. Flum in Wildbad
Nummer 117
Fernruf 178
Eine kurze Revolution! Marschall Pilsudski kain, sah, siegte: W i t o s, der Bauernführer, trat mit seinem ganzen Kabinett zurück. Der Staatspräsident Wojciechowski ebenfalls. Pilsudski übernahm mit dem früheren Außenminister S k r z y n s k i, dem Günstling der Entente, und mit Professor Ionikowski die Staatsgewalt. So ziemlich alle Regimenter sind zu Pilsudski übergegangen. Das Blutoergießen hat aufgehört- In der „Schlacht bei Warschau" gab es mehr als 200 Tote und 1000 Verwundete.
Die rechtsradikale Richtung hat verloren. Die Linke hat gesiegt. Pilsudski war ehemals Sozialist. Ob er es heute noch ist? Jedenfalls ist er Militarist vom reinsten Wasser; also etwas, was er als Pazifist nicht sein sollte. Er hat nacheinander unter der Losung „Nieder mit der Korruption!" gegen die Kabinette Grabski' Skrzynski und Witos ange- kämpst. Od er und ob das neue Kabinett Bartel Polen aus seinen Finanznöten Herausreißen können, steht auf einem anderen Blatt. Der Zloty ist wieder gewaltig gefallen. Am 14. Mai — 17 Pfennig, den Tag darauf — 13 Pfennig! Eine schwere Sorge für Frankreich, das doch seinem Schoßkind helfen sollte, umso mehr, als in Polen alles darniederliegt: Handel, Industrie, Landwirtschaft, Banken. Nur das Heer.steht scheinbar auf der Höhe. Aber es verschlingt fast die Hälfte der Staatseinnahmen. Und von seiner Schlagfertigkeit hat es noch keine Probe abgelegt. Da es augenblicklich nicht fremde Hauptstädte erobern kann, hat es doch wenigstens die eigene Hauptstadt besiegt.
Jedenfalls hat Frankreich Pech mit seinem Haß gegen Deutschland. Aus Haß hat es seinerzeit Milliarden an Rußland gepumpt. Rückzahlbar am jüngsten Tag. Milliarden hat es an Polen aus derselben „lobenswerten" Gesinnung verschleudert. Ebenfalls ein Wechsel auf die Zukunft. Und doch soll dasselbe Frankreich auf der „v o r b e r e i t e n- den Abrüstungskonferenz" in Genf für Abrüstung Mitarbeiten, dasselbe Frankreich' dessen Marschall Fach vor ein paar Tagen in Straßburg eine Kriegsrede hielt, die den Kriegsgott vom Olymp herabzerren könnte. Da hieß es u. a.: „So lange wir am Rhein und in Mainz stehen, sind wir sicher. Aber diese Zeit der Sicherheit ist zu kurz- Wir müssen für die Zukunft sorgen und unser ganzes Festungssystem gewaltig ausbauen. Wir dürfen nicht sparen. Alle militärischen Einrichtungen müssen umgestaltet werden. Das Elsaß ist die Sch-ildwache Frankreichs."
Was kann also von Genf, solange solche Trompetenstöße sich vernehmen lassen, Gutes kommen? Vielleicht hat die gegenwärtig ebenfalls dort tagende „Studien! omni i s s i o n" mehr Glück. Zwar gehen bis heute die Herren um die Hauptfragen — nämlich die Vermehrung der ständigen Ratssitze, die Einstimmigkeitsklausel und die Aufnahme Deutschlands — sachte herum, wie die Katze um den heißen Brei. Sie beschäftigen sich vielmehr um die Frage der Vermehrung der unständigen Ratssitze. Lord Cecil hat hierüber Vorschläge gemacht, die allem Anschein nach Anklang finden. Die Zahl dieser Sitze soll um 6 aus 0 vermehrt werden, mit dreijähriger Mahlzeit, jedoch mit der Einschränkung, daß kein Vertreter vor Ablauf einer dreijährigen Paule wieder gewählt werden kann.
Ob wir Aussicht haben, im September in den „Hohen Rat" in Genf ausgenommen zu werden, ist noch fraglich. Brasilien ist immer noch dagegen, wird also im September auch noch so stimmen. Dann müssen wir uns bis März 1927 gedulden. Gut Ding braucht lange Weil. Inzwischen markiert unser Vertreter, Botschafter v, Hös ch, in Gens den wohlerzogenen Zuhörer.
Victor Verard erklärte vor kurzem im französischen Senat: „Unsere Lage inSyrien ist sehr ernst: unsere Ausgaben betragen 6 Milliarden Franken, ohne daß wir auch nur den geringsten Gegenwert dafür erhalten haben." D^s mag so ziemlich stimmen. Wenn man in der Pariser Presse liest, so hört man von der Einnahme der „großen Festung" S u e i d a, und daß die Drusen 1500 Mann von den 6000 Mann Besatzung verloren hätten. Mittlerweile berichtet Erwin Arslan, der Vertreter Syriens beim Völkerbund, in der in Genf erscheinenden Zeitung „La Tribüne d' Orient", daß Sueida ein kleines Drusendorf am Fuß des Hauran- gebirges, daß die vielgenannte „Zitadelle" dort eine einfache Kaserne mit nur 2 Kanonen sei: daß die Franzosen bei dem Zusammenstoß 80 Tote und 270 Verwundete, die Drusen 60 Tote zu beklagen hatten, und daß, wie auch die Franzosen an anderen Stellen öfters zugeben haben, daß die Streikmacht der Drusen und Syrer im Ganzen nur 10 000 Mann betrage, während die Franzosen über 50 000 Mann in Syrien sieben haben. Also wieder einmal „Wahrheit und Dichtung"! Der Franzose aber will lieber betrogen und angelogen'sein.
Inzwischen geben die Theater in Paris Galavorstellungen, die Kinos Schlager, die Tingeltangel Revuen und die Straßensänger singen zu ihren Drehorgeln stimmungsvolle Lieder — alles zugunsten der Schuldentilgungskasse. Dazu die Reise des Finanzministers Peret nach London, um bei seinem englischen Kollegen Churchill
Samstag, den 22, Mai 1926
Fernruf 17S
61. Jahrgang
Tagesspiegel
Der demokratische Parkeivorstand hat den demokratischen Wählern die SieUungnahme zum Volksentscheid am 20. Juni srei«egeben.
Die Leitung der englischen Grubenarbeikergewcrkschafl hat den Vorschlag Raldnüns, die Mndestlöhne um 10 v. H. hrrabzusetzen, abgelehnt, dagegen den Vorschlägen bezüglich Aenverung der Grubenvecrvalkung und des BoLenrcchts zu- gestimmt. Die Grubenbesitzer haben noch keine Antwort erteilt.
In Bukarest wird es für notwendig gehalten, die Ge- rächte über eine rumänische Mobilmachung als unrichtig zu bezeichnen.
günstige Zahlungsbedingungen yerouszuschiagen- v Millionen Pfund Sterling jährlich und keinen Schilling mehr, und auch dies nur, wenn Deutschland pünktlich zahlt- Aber Ehiirchill scheint gerade aus diesem Ohr taub zu sein. Die Folge? Der Franken macht über Nacht einen unheimlichen Purzelbaum. Für unsere deutsche Mark konnte man am Mittwoch in Paris 8,25 Franken haben!
Der Reichstag hat wieder einmal eine unglückliche Zeit gehabt. Prof. Hans Delbrück hat die Regierungskrise der letzten Woche eine „vollständige Bankerotterklärung des Reichstags" genannt. Ein Regierungswechsel, der Sturz eines Reichskanzlers, der sich — das müssen auch die Gegner Dr. Luthers zugeben — in den dreieinhalb Jahren seiner Ministertätigkeit, als Ernährungsminister, als Reichssinanz- minister (man denke an die Einführung der Festmark) und als Reichskanzler große, ja unvergängliche Verdienste um das Vaterland erworben hat — dies alles angeblich, weil in .Buenos Aires oder in Honolulu am Konsulatsgebäude neben der schwarz-rot-goldenen auch die verfassungsmäßige schwarz- weiß-rots Handelsflagge wehen soll! Ist das möglich? Nein, so etwas bringt nur ein deutscher Reichstag fertig.
Wir haben nun einen neuen Reichskanzler: D r. Marx, der Führer des Zentrums, der schon einmal Reichskanzler war und außerdem mit Hindenburg um den Reichspräsidentenstuhl rang. Die anderen Minister blieben. Sie werden den alten Kurs weitersteuern. Und der Reichstag wird unter ihrer Führung in Bälde sich mit allerlei wichtigen Fragen, so mit dem hochpolitischen Entwurf eines Gesetzes zur Aenderung des Vereinsgesetzes, sich zu befassen haben. Da wird es wieder harte Kämpfe absetzen. Der Reichstag wird sich auch mit der in der Regierungserklärung angekündigten Einheitsflagge befassen. Man kann gespannt darauf sein, wie dies zugeht.
In Preußen ist man zurzeit in nicht geringer Aufregung. Der sozialdemokratische Innenminister glaubt ganz gefährliche Pukschpläne der vaterländischen Rechtsverbände entdeckt zu haben. Die Berliner Polizei drang in die Wohnungen hochangesehener Männer ein, die zum Teil der Deutschen Volkspartei angehören und beschlagnahmte ihre Papiere, vielfach auch solche, die absolut nichts mit einem Putsch zu tun haben. Die aufgelösten Verbände, darunter Wiking, legten Beschwerde beim Staatsgerichtshof ein. Die von der Haussuchung betroffenen Persönlichkeiten erhoben gerichtliche Klage gegen den Polizeipräsidenten Friedensburg wegen Amtsmißbrauchs und Hausfriedensbruchs. Und nun kam auch die Sache im Preußischen Landtag zur Sprache, wobei die Regierung scharf angegriffen wurde. Die Verteidigung durch den jetzigen preußischen Ministerpräsidenten Braun hinterließ den Eindruck der Verlegenheit. Soviel kann man setzt schon sagen, daß die ganze Geschichte in ungeschickter Weise mindestens furchtbar übertrieben worden ist- Das ist nun die allgemeine Meinung. Die Waffenfunde, von denen so viel gesprochen wurde, beschränkten sich auf ein paar verrostete Gewehre und Karabiner. Die vom Berliner Polizeipräsidenten erwarteten Lorbeeren werden sicher ausbleiben. bk.
Neue Nachrichten
Beileidstelegramm des Reichspräsidenten
Berlin, 21. Mai. Aus Anlaß des Explosionsunglücks in Haßloch hat der Reichspräsident folgendes Telegramm an die bayerische Staatsregierung gerichtet: „Anläß'ich des schweren Explosionsunglückes in Haßlach sende ich Ausdruck herzlicher Teilnahme und bitte, diesen den Hinterbliebenen der Getöteten zu übermitteln. Den Verletzten bitte ich, meine besten Wünsche für baldige Wiederherstellung auszusprechen." gcz. v. Hindenburg, Reichspräsident.
Gegen die vertragswidrige Vesahnngsverstärkung
Berlin. 21. Mai. Eine Korrespondenz meldet, die Reichsregierung werde nach Pfingsten wegen der vertragswidrigen Vermehrung^ der Truvmm im besetzten Gebiet durch
r!e Nachschübe aus den sogenannten geräumten Gebieten, bei den Verbandsregierungen Vorstellungen erheben.
Von der Abrüstungskonferenz
Offene Worte des Grafen Vernfiorsf
Lens, 21. Mai. In der gestrigen Sitzung der Abrüstungs- Vorkonferenz führte der deutsche Vertreter Graf Beruft o r f s aus, die bisherigen Verhandlungen der Konferenz haben den Eindruck gemacht, als handle es sich nicht darum: wie kann man zu einer Abrüstung kommen?, sondern darum: wie k a n"n man der Abrüstung aus dem Wege gehen? Die meisten Reden klangen so, als ob sie vor dem Weltkrieg vorgebracht worden wären. Vom Völkerbund war auffallend wenig die Rede. Der belgische Vertreter nahm in Anspruch, daß jedem Land erlaubt sein müsse, seine Hauptstadt gegen Luftangriffe zu verteidigen. Deutschland ist so entwaffnet, daß es dies nicht kann. Man sollte nicht bloß von Herabsetzung der jetzigen Rüstungen sprechen, sondern sollte gewisse Arten von Rüstungen überhaupt ausschließen. Warum spricht man nicht vom Verbot der Luftangriffe, des Kriegs mit giftigen Gasen, der schweren Artillerie, der Tanks usw.?
Lord Robert Cecil pflichtete den Ausführungen Bern- storsfs bei. England könne sich nicht vorstellen, daß es noch einen andern Krieg geben könne, als einen solchen des ganzen Völkerbunds gegen einen Angreiferstaat. Der französische Vertreter Boncour (sozialistischer Abgeordneter) behauptete in langer Rede, „Frankreich könne nicht eher abrüsten, bis seine vollkommene Sicherheit hergestellt sei". 5ie Konferenz wird bis zur Erstattung des Berichts der Sachverständigen vertagt.
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Gewaltige Steigerung der Arbettsloseuzahl tn England
London, 21. Mai. Aus eine Anfrage im Unterhaus wurde seitens der Regierung mitgeteilt, daß durch den Generalstreik die Zahl der Arbeitslosen um weit über eine halbe Million gestiegen sei. Abg. Snowden (Arbeiterpartei) erklärte unter dem Beifall des Hauses, seine Partei sei bereit, mit der Regierung und den anderen Parteien zu- iammenzuarbeiten, wobei dem Standpunkt der Arbeiter und der Unternehmer Rechnung getragen werden solle. Schatz- kanzler Churchill erklärte, es wäre eine Ungerechtigkeit gegen die Landwirtschaft und viele andere Industrien Englands, wenn die Regierung sich zu einer dauernden Staatsunterstützung des Bergbaus verpflichten würde. Deutschland und andere Länder würden sicher Gegenmaßnahmen ergreifen. lieber die Schuldenverhandlungen mit Frankreich könne er jetzt keine Mitteilungen machen; er hoffe, daß der französische Finanzminister Peret die Verhandlungen in London sehr bald wieder aufnehmen werde.
„Evening Standard" bestätigt, daß zwischen Lloyd George und anderen Führern der liberalen Partei ernste Meinungsverschiedenheiten bestehen.
Jur Beschießung von Damaskus
Reuyork, 21. Mai. „World" widmet der mit sinnloser Barbarei durch geführten Beschießung von Damaskus durch die Franzosen einen besonderen Leitartikel, der mit der Frage schließt, ob die Beibehaltung des Mandats lohnend sei, wenn die Mandatsmacht gezwungen sei, um ihres eigenen Schutzes willen das ihr unterstellte Gebiet mit Haubitzen zu regieren.
Der erste mohammedanische Kalifatskongreß in Kairo hat gegen das Wüten der Franzosen in Syrien Einspruch erhoben und davon dem Präsidenten der französischen Republik und dem Völkerbund Kenntnis gegeben.
In Paris soll Stimmung dafür sein, die Aufnahme Syriens in den Völkerbund vorzuschlogen, damit Frankreich sich auf gute Manier aus der heiklen Lage zurückziehen könne.
Württemberg
Stuttgart, 21. Mai. Der Haushaltplan der Stadt Stuttgart. Der Haushaltplan der Stadt Stuttgart für 1926 weist an Ausgaben 103,4 Millionen, an Einnahmen 99,5 Millionen auf. Der Abmangel beträgt rund 3,9 Millionen. Gegenüber dem Vorjahr sind die Einnahmen um 4,6, die Ausgaben um 8 v. H. gestiegen. Das Gewerbesteueraufkommen ist entsprechend der wirtschaftlichen Notlage um 25 o. H. niedriger angesetzt als im Vorjahr. Für die Aufwertung der städtischen Schuldverschreibungen sind die Mittel auf Grund der gesetzlichen Mindest Verpflichtungen vorgesehen. Die Einführung einer Wohnungsluxussteuer und die Wiedereinführung der Baulandsteuer werden in Erwägung gezogen. Für den Wohnungsbau sind 44 Millionen Mark vorgesehen, wovon 8,3 Millionen im außerordentlichen Haushaltplan eingesetzt sind. Die Umlageerhöhung von bisher 15 auf künftig 21,v. H., die noch zur Deckung des Fehlbetrags nötig wäre, wagte das Stadt^