(Enztalbote)

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Nummer 96

Fernruf 179

Dienstag, den 27. April 1926

Fernruf 179

61. Jahrgang

Das Schweizer Getreidemonopol

Die Schweiz war im Jahr 1915 im Krieg zum Getreide­monopol übergegangen. Der Schweizer Bundesrat hatte aus Grund eines Ermächtigungsgesetzes der Bundesversamm­lung zur Sicherung der Getreideversorgung während der Kriegszeit das Einfuhrmonopol zur Durchführung gebracht, um auf diese Weise die Einfuhr von Getreide, die seitens der kriegführenden Staaten zeitweise gefährdet erschien, sicher zu stellen. Nur etwa 20 Prozent des Bedarfs an Brotgetreide stehen im eigenen Land zur Verfügung, so daß 80 Prozent eingeführt werden müssen. Die jährliche Einfuhr an Brot­getreide dürste ungefähr 400 000 Tonnen bei einer Eigen­erzeugung van etwa 200 000 Tonnen betragen, wovon aber etwa 100 000 Tonnen Selbstverbrauch der bäuerlichen Be­völkerung abzuziehen sind.

Die im Krieg gefährdete Ernährungslage der Schweiz gab weiterhin Veranlassung dazu, den inländischen Getreide­bau mit aller Macht zu fördern und seitens der Bundes­regierung möglichst ausgiebige Vorräte anzulegen. Das konnte nur dadurch wirksam in die Wege geleiter werden, daß man den Erzeugern die über den Selbstoerbrauch hin­ausgehende Erzeugung zu lohnenden Preisen ab- nahm und gleichzeitig einen Vorrat hielt, der im allgemeinen mindestens 30 000 Tonnen betragen sollte. Zeitweise ist es während des Kriegs durch die Maßnahmen der Bundes­regierung gelungen, den Getreidebau beträchtlich zu fördern.

Die Gestaltung der staatlichen Getreideverwältung, die sich seit der Kriegszeit erhalten hat, ist derart, daß sie die Einfuhr von Weizen, Roggen und von Mahlerzeugnissen aus diesen Getreidearten übernommen hat, während der Handel im Inland frei ist, mit der Einschränkung, daß von der Monopolverwaltung an die Mühlen geliefertes Getreide zu vermahlen ist und unverarbeitet nicht weiterverkauft wer­den darf. Die Eindeckung des Auslandsgetreides geht nach kaufmännischen Grundsätzen vor sich. Die Lagerung erfolgt in den Lagerhäusern der Bundesbahnen oder der Heeres­verwaltung, sowie der eigenen, der Getreideverwaltung ge­hörenden Magazinen, ferner in privaten Lagerhäusern, zum großen Teil auch in den mit der Vermahlung beauftragten Mühlen.

Die Abnahme des Jnlandsgetreides erfolgt durch die Vermittlung der landwirtschaftlichen Ge­nossenschaften und genossenschaftlichen Verbände, die das Getreide für Rechnung des Bundes übernehmen und es nach Möglichkeit unmittelbar den mit der Vermahlung be­auftragten Mühlen zuleiten. Um der schweizerischen Müllerei ausgiebige Arbeit zu sichern, wird soweit als nur irgend möglich die Einfuhr von Mehl vermieden. Die Lieferung seitens der Getreideverwältung an die Mühlen erfolgt in der Regel gegen Vorauszahlung. Die Preise wer­den nach der Güte des Getreides franko Empfangsstation festgesetzt, wodurch den entlegenen Gebieten ein Vorteil ent­steht. Auch sorgt die eidgenössische Verwaltung für ein rich­tiges Mischungsverhältnis zwischen inländischen und aus­ländischen Erzeugnissen. Während man bis zum Jahr 1920 für das übernommene Jnlandsgetreide im allgemeinen den gleichen Preis, zu dem das eingeführte Getreide abgegeben wurde, bezahlte, hat seitdem die Monopolverwaltung Im Interesse der Förderung der einheimischen Erzeugung dem Jnlandsgetreide Vorzugspreise gewährt, die im all­gemeinen über dem Weltmarktpreis lagen und für 100 Kilogramm Weizen mindestens 38, höchstens 45 Franken betragen. An die Erzeuger von Getreide, die solches für ihren eigenen Haushalt verwenden, wird eine sogmannte M a h l p r ä m i e" gezahlt, die in der Regel 5 Franken für 100 Kilogramm beträgt, für Gebirgsgegenden aber bis auf 8 Franken erhöht werden kann. Zu diesem Zweck hat der Bund 4 Millionen Franken besonders bewilligt» während die Getreideverwältung sich seit 1922 selbst zu erhalten und ohne Zuschüsse des Staats ihre Ausgaben zu decken hat

Diese Maßnahmen haben mit Ausnahme der Mahlplämie bisher noch keine gesetzliche Grundlage gehabt, sondern be­ruhten auf den erwähnten seinerzeitigen Vollmachten, die dem Bundesrat gegeben worden waren. Nun wurden in die Bundesverfassung neue Bestimmungen ausgenommen, die die Maßnahmen zur Förderung des Getreide­baus und das Einfuhrmonopol von Brotgetreide festlegen. Diese Bestimmungen enthalten auch die folgenden Richtlinien für die Abnahme des inländischen Brot­getreides und die Verkaufspreise der Monopolverwaltung:

1. Die E I n k a u fs p r e i s e-r inländisches Brotgetreide sind so zu bemessen, daß der Anbau ermöglicht wird.

2. Die Verkaufspreise sind so niedrig als möglich, jedoch so festzusetzen, daß der Einkaufspreis des ausländischen und inländischen Brotgetreides, die Verzinsung des Betriebskapitals und die Kosten gedeckt werden- Vor­behaltlich der Bildung von Rücklagen zum Zweck des Preis­ausgleichs soll kein Gewinn erzielt werden. Die Gebirgs­gegenden sind durch Maßnahmen zu berücksichtigen, die ge­eignet sind, eine Ausgleichung der Mehlpreise herbeizuführen.

Die Bundesversammlung (Ständerat und Nationalrat) haben mit erheblicher Mehrheit diese Bestimmungen geneh-

Tagesspiegel

Zwischen Reichsminister Dr. Stresemann und dem Mos­kauer Volkskommissar Tschikscherin wurden anläßlich der Unterzeichnung des deutsch-russischen Vertrags Glückwunsch­telegramme ausgetauschk. Der russische Botschafter Prestinski soll den Orden derRoten Fahne" erhalten.

migt, die nunmehr oer A o i k s a v >l i m m u n g zu unter­breiten sind. Gegen den Monopolplan hat sich in der Schwei­zer Industrie und im Handel eine Gegnerschaft geltend ge­macht, die zwar den Maßnahmen zur Förderung des in­ländischen Getreidebaus (Gewährung von Mahlprämien und eines angemessenen Preises für das Jnlandsgetreide) zu­stimmen, das Einfuhrmonopol aber ablehnen.

Der zuständige Bundesrat Schultheß wies in den Ver­handlungen im Bundesrat darauf hin, daß die Forderung der Verstaatlichung der Getreideeinfuhr mit den andern Maßnahmen in einem inneren Zusammenhang stehe und ein untrennbares Ganze bilde. Die Volksabstimmung über das Gesetz wird voraussichtlich im Herbst stattfinden. Es ist bemerkenswert, daß in der schweizerischen Bundesversamm­lung ein großer Teil der Freisinnigen und sämtliche Sozial, demokraten für die Vorlage stimmten, die von der Regierung damit begründet wurde, die Erhaltung des schweizerischen Bauernstandes sei notwendig im Interest? der Erhaltung des schweizerischen Volkstums, der nationalen Würde und der Landesverteidigung. ,

Das Vorgehen der Schweiz ist auch für Deutschland von größtem Interesse, zumal, da der Reichstag in letzter Zeit Maßnahmen zur Hebung des Roggenpreises beschließen mußte, um die deutsche Landwirtschaft gegenüber der sinn­los hoch gewordenen Einfuhr von überflüssigery Ausland, getreide vor dem Zusammenbruch zu bewahren.

Neue Nachrichten

Der deutsch-russische Vertrag unterzeichnet Berlin. 26. April. Nachdem der Reichspräsident seine Zustimmung gegeben hatte, wurde am Samstag nachmittag im Auswärtigen Amt der deutsch-russische Ver­trag durch Dr. Stresemann und den russischen Bot­schafter Krestinski unterzeichnet. Di« Vertreter der Parteien waren vorher von dem Inhalt unterrichtet worden.

Ueber den Inhalt des Vertrags, der vier Artikel enthält, verlautet: Die beiden Vertragschließenden sichern sich gegenseitig Neutralität zu, wenn einer derselben ohne eigene Veranlassung von anderer Seite angegriffen wird. Deutschland wird sich an wirtschaftlichen Maß­nahmen des Völkerbunds (Boykott, Blockade usw.) gegen Rußland nicht beteiligen, wenn der deutsche Vertreter einem solchen Beschluß des Völkerbunds nicht zugestimmt hat- Das in Rapallo seinerzeit abgeschlossene Freund­schaftsverhältnis wird durch Förderung der beider­seitigen Wirtschaftsbeziehungen gefördert. Etwaige Streitfragen, die sich insbesondere aus der Bindung Deutschlands in bezug auf Locarno und Genf ergeben könnten, sollen durch ein Schiedsgericht ent­schieden werden.

Der Vertrag soll beim Völkerbundssekretariat in Genf hinterlegt werden. Ueber die Anpassung der Vertragsartikel an die Artikel 16 und 12 der Völkerbundssatzungen konnte nach langwierigen Verhandlungen erst kurz vor der Unter­zeichnung eine Verständigung erzielt werden durch die Be­stimmung, daß die endgültige Entscheidung von Fall zu Fall getroffen werde.

Die Reichsregierung zur Fürstenabfindung Berlin, 26. April. Die Reichsregierung hat beschlossen, das Volksbegehren über die Fürstenenteignung dem Reichs­tag als Gesetzentwurf zu unterbreiten, sie erklärt aber, daß die verlangte entschädigungslose Fürstenenteignung den Grundsätzen eines Rechtsstaats widersprechen, sie könne da­her das Volksbegehren nicht als eine brauchbare Unterlage für die Auseinandersetzung ansehen und spreche sich aufs entschiedenste gegen die Annahme des Entwurfs durch den Reichstag aus. Dagegen könne nach ihrer Ansicht eine angemessene Regelung auf Grund des sogenannten Kompromißentwurfs erfolgen.

Deukschnaklonale Ablehnung des Beitritts zur Koalition Berlin, 26. April. Auf dem Landesparkeitag in Pots­dam erklärte der Vorsitzende der Deutschnationalen Volks- partei, Gras Westarp: Die Partei wolle namentlich im Blick auf die furchtbare Wirtschaftsnot, an den Aufgaben des Reichs Mitarbeiten. Die Verantwortung für die Aus­schaltung der Deutschnationalen aus der Regierung tragen aber diejenigen, die in Locarno, London und Genf eine Außenpolitik geführt haben, die im Widerspruch

steht mit den von ihnen mit den Deutschnationalen verein­barten Grundlinien. Das deutschnationale Ziel könne nicht durch den Eintritt in die jetzige Regierung Luther-Stresemann erreicht werden. Auch eine Unterstützung dieser Regierung, die es ihr ermögliche, je nachdem außenpolitisch mit den Sozialdemo, traten, innenpolitisch mit den Deutschnatio­nalen zu regieren, führe nicht zum Ziel. Strefemanns Aufforderung in Stuttgart, die Deutschnationalen sollten seine Außenpolitik unterstützen, sei eine Unmöglichkeit. Die Gründe haben sich durch die Ereignisse nach Locarno noch verschärft: alle in Locarno geschautenSilberstreifen" haben sich verflüchtigt. Der deutsch-russische Neutrali- tätsv ertrag ändere an der Locarnopolitik der Regie­rung nichts. In dem Kompromiß über die Fürstenabfindung habe sich die Regierung festge­fahren. Die Zweidrittelmehrheit sei nicht zu erreichen, weder durch Unterstützung der Sozialdemokraten noch der Deutsch- nationalen; eine Unterstützung zugleich aus beiden Lagern sei natürlich ausgeschlossen.

Held gegen den Völkerbund

München, 26. April. Im Landesausschuß der Bayerischen Volkspartei, der in Regensburg tagte, erklärte Minister­präsident Dr. Held, was man seit Locarno erlebt habe, sei eine Kette von Enttäuschungen. Namentlich in der Pfalz sei es schlimmer geworden als je. Die Meinung habe sich als Trugbild erwiesen, daß Deutschland mit­tels des Völkerbunds Außenpolitik treiben könne; es könnte sich vielmehr außerhalb des Völkerbunds viel stärker geltend machen. Es sei beinahe entwürdigend für Deutschland geworden, wie gewisse Parteien und zum Teil auch die Reichsregierung das Spiel mit dem Völkerbund ge­trieben haben, in dieStudienkommission" hineinzugehen, ohne zu wissen, welche Zuständigkeit sie habe. Reine West- politik zu treiben, halte er für verfehlt. Bezüglich der Fürstenabfindung habe es sich gezeigt, daß das Rechtsgefühl des deutschen Volks doch einen starken Stoß erlitten haben müsse, sonst wäre das Vorgehen unbegreiflich. Die bayerische Bevölkerung dürfe in der Frage derStaats- vereinfachung zu ihrer Regierung volles Vertrauen haben.

Die christlichen Gewerkschaften zur Staaksvereinfachung

München. 26. April. In einer großen Versammlung der christlichen Gewerkschaften, in der die Regierung vertreten war, wurde eine Entschließung einstimmig angenommen, daß die vielen unnötigen Posten und Aemker, die meistens mit nichkvorgebildeten und unfähigen Leuten besetzt seien, wieder abgeschafft werden; das würde die beste Verwalkungsverein- fachung sein- In der Versammlung erklärte der frühere Äeichsminister Giesberks sich unter stürmischer Zustimmung gegen das Gemeindebestimmungsrecht, das der verkehrteste Weg sei, den Alkohol zu bekämpfen. Es sei bedauerlich, daß die evangelische Landesbewegung Bayerns dafür eintrete. Der nächste 12. christliche Gewerkschaftskongreß soll in Mün­chen stattfinden.

Am 15. April wurden in Bayern 358 089 Personen ge­zählt, die von Erwerbslosenfürsorge leben.

Freiheitsstrafe wegen Beleidigung eines Belgiers

Andernach, 26. April. Bei der ersten Instanz des Militär- polizeigerichts in Koblenz hatten sich der Polizeibetriebs- assistent Frank und der Montagegehilfe Mertens wegen Be­leidigung des belgischen Staatsangehörigen Jansen zu ver­antworten. Frank wurde zu 6 Monaten Gefängnis und 600 Mark Geldstrafe, Mertens zu 1 Monat Gefängnis und 25 Mark Geldstrafe verurteilt. Beide Angeklagte erhalten in bezug auf die Freiheitsstrafe 3 Jahre Strafaufschub.

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Entlassung deutscher Eisenbahner in der Tschechoslowakei

Prag, 26. April. Von der tschechischen Eisenbahnverwal­tung sind 93 deutsche Eisenbahnbedienstete ohne Pension entlassen worden. Die Entlassenen standen zum Teil 15 Jahre im Dienst. Unter ihnen befinden sich 49 Familien­väter. An Stelle der Deutschen wurden Tschechen angestellt.

Reue Unruhen in Kalkutta

L^don, 26. April. In Kalkutta kam es gestern wieder zu blutigen Unruhen zwischen Hindus und Mohammeda­nern. 23 Personen wurden getötet, über 200 verwundet.

Die Lage in Peking

London, 26. April. Nach dem «Daily Telegraph" be­finden sich in Peking, so werde geschätzt, 280 000 Flüchtlinge- Die Lebensmittel würden knapper. Der Sohn Tschangtsolin» machte verschiedenen Mitgliedern des diplomatischen Korps offizielle Besuche, aber nicht der russischen Botschaft.

Nach der «Daily Mail" finden bei Hankau täglich Kämpfe stakt- Die Äationalkruppen sollen den verbündeten Streitkräfken schwere Verluste beigebrachk haben. Die ver­bündeten Generäle ließen einige hundert Plünderer hin- richken.