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Nsmmer 95 Fernruf 179

Montag, dsn 26. April 1926

Fernruf 179 61. Jahrgang

Politische Umtriebe

Die Weltmeinung bietet seit etwa zwei Wochen wieder einmal das Bild einer recht ergötzlichen Narretei. Was ist geschehen. Deutschland, das seit Locarno angeblich als voll­wertiges, gleichberechtigtes Mitglied in die Gemeinschaft der Nationen wieder ausgenommen worden ist, war so artig, Herrn Ehamberlain und Herrn Briand Mitteilung zu machen, daß Berlin mit Moskau verhandelt. Verhandelt wurde seit Jahr und Tag, das Wesentliche, was die überpünktliche Mit­teilung veranlaßte, war, daß diese Verhandlungen allmählich vertragsreif geworden sind. In Paris und London hatten wir zudem in aller Form die Versicherung abgegeben, daß ber Vertrag, falls er zustande kommen sollte, nichts ent­halten werde, was dem Vertrag von Locarno und den Ver­pflichtungen gegenüber dem Völkerbund widerspreche.

Der tschechische Gschaftlhuber Benesch glaubte aber, die Rolle des Elefanten im Porzellanladen von Locarno übernehmen zu müssen. Seine Einmischung hat die Cntente- presse aufgeputscht. Der Vertrag, dem diese Erregung gilt, ist aber noch gar nicht da. Dagegen haben die Herren, die sich so entsetzt über die bloße Möglichkeit eines nicht von sämtlichen Völkerbundsräten durchgekauten Vertrags be. nehmen, Berge von Verträgen, wahre Papterpanzer um die Herrlichkeit ihre Versailler Existenz gebaut. Die Tscheche! hat ihren Militäroertrag mit Frankreich, ebenso Polen. Velde Staaten haben nach Locarno, eine französische Sonder« bürgschast erhalten, daß trotz Locarno alles beim alten bleiben soll. Polen hat sein Militärbündnis mit Rumänien, Südslawien seinen Freundschaftsvertrag mit Italien, Herr Benesch selbst einen Vertrag mit Rußland, der das Ziel der gegenseitigen Neutralität als leitenden Gedanken in die Einleitung setzte. Diese Herrschaften aber regen sich auf, wenn Deutschland den sehr knappen Spielraum ausnützen will, den die Verträge von Versailles und Locarno seiner Entschlußfreiheit gelassen haben.

Immerhin kann die Einmischungspolitik Beneschs die neuerliche Aufrollung der Locarnofrage an einem ihrer empfindlichsten Punkte bedeuten. In Locarno war tagelang nach einer Möglichkeit gesucht worden, die Artikel 16 und 17 der Völkerbundssatzung so auszulegen, daß für uns die Gefahr, mit Rußland gegen unseren Willen in ernsten Streit verwickelt zu werden, gebannt schien. War da unter der Gefahr des Abbruchs der Verhandlungen er­reicht wurde, war nicht eben viel. Die andern Mächte er­klärten n i ch t z u st ä n d i g zu sein, im Namen des Völker­bunds zu sprechen, und teilten dann als ihre Prioat- Meinung über den Artikel 16 mit:Nach unserer Aus­legung sind die sich für die Bundesmitglieder aus diesem Artikel ergebenden Verpflichtungen so zu verstehen, daß jedes der Mitglieder des Bundes gehalten ist, loyal und wirksam mitzuarbeiten, um der Satzung Achtung zu ver­schaffen, und um jeder Angriffshandlung entgegenzutreten in einem Maß, das mit seiner militärischen Lage verträglich ist und das seiner geographischen Lage Rechnung trägt/

Dieses Zugeständnis, das die Entscheidung, wozu wir jeweils verpflichtet seien, an den Völkerbund verwies, konnte erträglich erscheinen, solange wir des Glaubens sein durften, es werde im Ernstfall in Treue gehandelt werden- Die Einmischungspolitik, die nun Benesch, Mitunterzeichner des Locarnooertrags, treibt, läßt begründete Zweifel auf­tauchen, ob dieEhrenmanns-Erklärung", wie sie Briand genannt hatte, auch für Prag seine Gültigkeit hat. Er­klärungen des tschechischen Außenministers in derPrager Presse" lassen jedenfalls darüber keinen Zweifel, daß es zumindest Dr. Benesch selbstverständlich findet, daß Deutsch­land seine Verpflichtungen aus dem Dawesplan und gegen­über Amerika gegebenenfalls den Anweisungen des Völkerbunds unterzuordnen hätte. Wenn man den bisher nicht widersprochenen Meldungen der franzö- suchen und englischen Presse glauben darf, dann geht Dr. Benesch in seiner Sorge um seinen Freund Skrzynski noch rnÄ"- Ein Punkt seines in der Ententepresse veröffent- io "ilebogens stellt sogar trotz der in Locarno dem Art 16 gegebenen Auslegung das Recht Deutschlands in Frage, im Fall eines russischen Angriffs militärisch neutral zu bleiben.

Benesch ist es bei diesen Machenschaften natürlich nicht um das Ansehen des Völkerbunds zu tun; er will Schwierig- reiten -hassen, Vorwände, mit denen sich der Eintritt /uischlands in den Völkerbund vereiteln p.t. ' ^ iläbe keine schönere Lösung der Genfer Tchwierig- man auf den Herbst vertagt hat, als wenn man /r>nnte, Deutschland habe sich durch seine eigene «chuld um die Ehre gebracht, Mitglied dieses erlauchten Fundes zu sein. Wäre man mit dieserLösung" doch auch Abrüstungsfrage los! Die treibende Kraft bei "lesem Manöver ist nicht in Prag allein zu suchen. Der «r ^ Skrzynsri, der kürzlich in Prag den slawischen Block entdeckte, hat seinen vollen Anteil an diesen Treibereien. Berven Staaten ist die Sorge gemeinsam, Deutschland stck> im Völkerbund seiner unterdrückten, mißhan­delten Minderheiten annehmen.

Deutschland ist angesichts dieses Treibens in der

an-

Tagesspiegel

Der Sparerbund hak beim Reichsminisker des Innern d'e Einleitung des Volksbegehrens für die Aufwertung < s 90 v. h.) trotz der ablehnenden Erklärung der Keichsreg,e- rung beantragt.

Der Botschafter in Baris, von Hösch, soll als Vertreter der Reichsreoielung für dieStubd-kommission" i s Bölkerbunl s für die Erweiterung des Völkerbundsraks ars- ersehen sein.

Argentinien, das seinerzeit aus dem Völkerbund ausge- tretcn ist. hat die ei nladung zur Beteiligung an der Ab­rüstungskonferenz und an derStudienkomniission" ange­nommen.

In dem Streit in der norwegischen Industrie haben die Arbeitgeber den Vermikklungsvorschlag des staatlich n Schlichters angenommen, während die Arbeitnehmer ihn ab- lehnken. 30 000 Arbeiter treten in den Ausstand.

Das türkische Abgeordnetenhaus hat einstimmig die Ein­führung des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach dem Schwei.er Vorbild angenommen.

genehmen Lage, die Dinge abwarten zu können. So selbst­verständlich es ist, daß wir jeden Versuch einer Bevor­mundung unserer Außenpolitik zurückweisen, so wenig haben wir dagegen einzuwenden, wenn Benesch, beauftragt von allerhand Hintermännern, weiterhin Vergnügen daran findet, als Elefant im Porzellanladen von Locarno spazieren zu gehen. Wenn darüber der Völkerbund kaputt geht, so werden wir auch dag zu ertragen wissen. Sollte aber die Erörte­rung" über den Art. 16 nicht mehr wahr haben wollen, sollte führen, daß die Lvcarnomächte jeneEhrenmänner-Erklä- rung" über den Art. 16 nicht mehr wahr haben wollen, sollte es sich Herausstellen, daß manden dummen Deutschen" auch in diesem Punkt übers Ohr hauen will, so hätten wir keinen Anlaß Benesch gram zu sein, daß er diese Klärung nach­träglich noch herbeigeführt hat. Wenn sich seit Locarno auf der Gegenseite die Meinung eingenistet haben sollte, Deutsch- land sei verpflichtet, die Sicherheit, die es Frankreich gibt, noch zu bezahlen mit der Bereitschaft, sich für fremde Inter­essen gegen Rußland ausnützen zu lassen, so ist es nie zu früh genug, diese Meinung gründlichst zu berichtigen.

Das Ministerpenslonsgesetz

Stuttgart, 25. April. Von zuständiger Seite wird mit- geteilt: Dem Landtag ist der Entwurf eines Gesetze» über die Dienstverhältnisse der Minister (Ministergesetz) zugegangen, der in einem ersten allgemeinen Abschnitt bestimmt, daß für Minister die Vorschriften für Beamte im Sinn des Art. 1 des Beamtengesetzes gelten, soweit nicht in der Verfassung und in diesem Gesetz an­deres bestimmt ist". Unter andsrm soll Art. 43 des Be­amtengesetzes, der von der Möglichkeit der Anrechnung einer im Privatdienst oder in einem freien Beruf zu­gebrachten Zeit aus die ruhegehaltsberechtigte Diertstzeik handelt, auf Minister grundsätzlich keine Anwendung finden. Eine Ausnahme ist nur für etwa in der früheren Beamtenzeit schon erworbene Ansprüche in Art. 1 Abs. 2 bestimmt: aber auch diese Ausnahme gilt nicht für die Vor­aussetzungen des Ruhegehalts a n s p r u ch s, sondern nur für die Ruhegehalts b e r e ch n u n g, falls im übrigen ein Ruhegehaltsanspruch begründet ist.

Den Hauptinhalt des Gesetzes bilden sodann die Bestimmungen über die Voraussetzungen, unter welchen ausgeschiedenen Ministern Versorgungsansprüche irgend welcher Art zustehen. Dabei wird unterschieden zwi­schen Ministern, die früher planmäßige Beamte im württembergischen Staatsdienst gewesen sind und andern Ministern (Nichtbeamtenministern). Den Beamtenministern soll nach Art. 5 ein Anspruch auf Ruhegehalt nur zustehen, wenn sie das Ministeramt mindestens 8 Jahre oder 2 volle Landtagsperioden (8 11 der Verfassung) hindurch innegehabt und das 55. Lebensjahr zurückglegt haben. In allen andern Füllen erhalten sie nach Art. 6 ein Wartegeld oder (in Art. 7) an Stelle des Wartegelds Anspruch auf W i e d e r a n st e l l u n g ineiner planmäßi­gen Dienststelle von mindestens gleicher Art und gleichem Diensteinkommen wie in der früheren Beamtenstellung unter Berücksichtigung von etwa in der Zwischenzeit eingetretenen Beförderungsmöglichkeiten".

Das Wartegeld wird, wenn sie mindestens 2 Jahre lang das Ministeramt bekleidet haben, aus dem Ruhegehalt des Art. 5 berechnet mit einer doppelten Degression, die sich einerseits nach der tatsächlichen Ministerdienstzeit, anderer­seits nach dem Lebensalter abstuft. Wenn sie nur kurze Zeit, d. h. weniger als 2 Jahre Minister gewesen sind, wird das Würtegeld nach Art. 23 Abs. 1 des Beamtengesetzes aus dem Dien steinkommen berechnet,das der Minister in der früheren Beamten st ellung zuletzt bezogen lat unter Zugrundlegung der höchsten Vorrückyngsstuse^ver

Gruppe". Für bestimmte Fälle ist in Art. 6 Abs. 4 ein Mtn- destbetrag des Wartegelds festgesetzt.

Nichtbeamtenmini st ern soll nach Art. 8 ein An­spruch auf Ruhegehalt unter denselben Voraus­setzungen zustehen wie den Beamtenministern. Soweit diese Voraussetzungen nicht zutreffen, erhalten sie nach dem Vorgang in Preußen und in andern Ländern ein Ueber - gangsgeld auf die Dauer eines der Dienstzeit als Mi­nister gleichen Zeitraums und zwar im ersten Jahr im vollen Betrag der Ruhegehaltsbezüge, vom 2. Jahr an mit 75 v. H., vom 3. Jahr an mit 50 v. H. derselben Bezüge.

Das Gesetz will die schon in der Verfassung vorgesehene und dort einem besonderen Gesetz vorbehaltene Regelung bringen und soll darum für alle Minister gelten, die seit 20. Mai 1919 mit Ruhegehalt aus­geschieden sind und ebenso für die zur Zeit des Inkraft­tretens dieses Gesetzes im Amt befindlichen Minister. Es sieht aber eine Ermächtigung des Staatsministeriums vor, zurBeseitigung von besonderen Härten, die sich in ein­zelnen Fällen aus der Rückwirkung ergeben, mit Zustim­mung des Finanzausschusses des Landtags Sonder­regelungen zu treffen'.

Neue Nachrichten

Die Verhandlungen über das Absindungskolnpromiß

Berlin. 25. April. Am Freitag fanden Verhandlungen der Vertreter der Regierung und der Regierungsparteien mit dem Vertreter der Deutschnationalen Volk-partei Abg- Graf v. Merveldt statt, die mehrere Stunden dauerten. Merveldt erklärte, in der vorliegenden Form sei der Kom­promißantrag für die Deutfchnationalen nicht annehmbar und sie würden gegebenenfalls einen Abänderungsantrag einbringen. Von anderer Seite wird behauptet, die Ver­ständigung der Regierung mit den Sozialdemokraten sei be­reits erfolgt, wenn auch die sozialdemokratischen Vertreter im Rechtsausschuß sich vorerst freie Hand Vorbehalten haben.

Nach den Besprechungen mit dem Reichskanzler sollen die preußischen Minister den Anspruch auf das Hohenzcllern- gut Schwedt-Vierroden haben fallen lassen, dafür sol^n die Museen, Kunstsammlungen usw. entschädigungslos zn den Staat fallen, der auch ein Vorkaufsrecht auf das Privat­eigentum des Königshauses erhalten solle. Die Staaten sol- len das Recht haben, Güter, die die Fürsten früher dem Staat abgekauft haben, zurückzuerwerben, so z. B. in Preu. ßen, Rominten, Letzlingen, Glienicke-Babelsberg, Oels und Flatow-Krojanke. Der Grundbesitz der Hohenzollern würde damit von 128 000 auf 70 000 Hektar verringert. Außerdem soll aber auch die Barentschädigung von 30 auf 12 Millionen Mark herabgesetzt werden-

Der Rechksausschuß hak nach Ablehnung verschiedener deukschnationaler und sozialdemokratischer Anträge von Artikel 2 die Absätze 2 bis 7 (Absatz 1 war mit 11 gegen 10 Stimmen abgelehnt worden) angenommen- Dafür stimm­ten die Regierungsparteien und die Deutschnaktonalen mit Ausnahme des Abg. Everling, dagegen die Kommunisten: Sozialdemokraten enthielten sich der Stimme. Bei Absatz 8 wurde auf Antrag der Deutschnaktonalen die Abstimmung ausgeseht.

Dienststrafverfahren gegen die Richter im Ebertprozetz?

Berlin, 25. April. DieVoss. Ztg." meldet, der preußische Justizminister habe zugestimmt, daß gegen Landgerichts­direktor Bewersdorfsin Magdeburg und Amtsgerichts­rat Schulze ein dienstliches Strafverfahren eingeleitet werde. Bewersdorff und Schulze waren die beiden juristischen Mitglieder des Schöffengerichts, das km Urteil gegen den Schriftsteller Rothard wegen Beleidi­gung des Reichspräsidenten Ebert im Dezember 1924 er­klärte, Ebert sei durch sein Eintreten für den Munitions­arbeiterstreik während des Kriegs usw. des Landesverrats überführt. Es seien bereits Zeugen vernommen worden, darunter der sozialdemokratische Abgeordnete Landsberg und der demokratische Abgeordnete Riedel. Die auf­fallende Meldung ist vorläufig noch nicht bestätigt.

Ausschließung eines kommunistischen Führers aus der Parkei

Berlin, 25- April- Der Führer der kommunistischen Frak­tion ln der Berliner Stadtverordnetenversammlung, Dörr, ist aus der Partei ausgeschlossen worden, da er freiwillig auszutreten sich weigerte. Dörr hat Gelder derRoten Fahne' unterschlagen. Er hat auch fein Landkagsmandat noch nicht niedergelegt.

Die rNossulverhandlunge«

London, 25. April. Die türkische Regierung hat einen Vorschlag in der Mossulfrage gemacht, wonach die Grenze mehr zugunsten der Türkei verlegt werden soll, als im eng­lischen Vorschlag vorgesehen ist. Dagegen will die Türkei England die Ausbeutung der Erdölquellen überlassen. Na also!