Neue Nachrichten

Um die Locarno-Rückwirkungen

1 crlin, 24. März. Die Reichsregierung wird bereits in den nächsten Tagen die diplomatischen Verhandlungen mit denRheinlandmächten" wieder ausnehmen, die einenwei­teren Abbau der Besatzung der Rheingebiete ium Ziele" haben. Die LondonerMorning Post" brachte am Montag 'die in Berlin bisher nicht bestätigte Meldung, daß die deutsche Regierung schon in Genf den Abbau der Bechtzungs- truppen bis aus 30 000 Mann ab 1. Juli in Vorschlag ge- brächt habe. In Paris, das offenbar von der Strese- mann-Rede im allgemeinen befriedigt ist, hat der ausdrück­liche Hinweis Stresemanns aus die Feststellung der Genfer Aufnahmekommifsion, daß Deutschland seine internationalen Verpflichtungen erfüllt habe, starke Beunruhigung hervor­gerufen. DerTemps" protestiert mit großer Schärfe gegen eine solche Auslegung und meint, 8 431 besage nicht, daß die beiden Rheinlandzonen bei Ausnahme Deutschlands in den Völkerbund geräumt werden müßten. Nach dem Ar­tikel 428 des Versailler Vertrages sei die Rheinlandbesetzung für die Dauer von 15 Jahren beschlossen worden, und zwar alsGarantie für die Ausführung des Friedensoertrages durch Deutschland". Unter keinen Umständen könne man sich damit einverstanden erklären, sagt das Blatt, daß diese Ga­rantie vor Ablauf der 15 Jahre aus den Händen gegeben würde, da alles dafür spreche, daß Deutschland lange Jahre notwendig habe, um seine Verpflichtungen gegenüber den Alliierten zu erfüllen.

Amerika und der Völkerbund Washington. 24. März. Die Auffassung des Präsidenten ist, daß die Vorbehalte Amerikas für den Beitritt zum Welt­gerichtshof für sich selbst sprächen und daß kein stehe, eine weitere Erklärung zu versuchen. Nach Ansicht des Präsidenten genüge die Methode der Vereinigten Staateii, jeder Nation einzeln Amerikas Zutritt formell mit­zuteilen, allen internationalen Erfordernissen. Kanada habe der amerikanischen Haltung bereits zugestimmt. Eine end­gültige Formulierung der amerikanischen Stellungnahme betreffend die Genfer Konferenz könne nicht erfolgen, bevor die Vereinigten Staaten eine Einladung erhalten hatten. Das Ziel der Vorbehalte des Senats sei gewesen, scharf zwischen den Aufgaben des Gerichtshofes und irgendeiner Verwickelung in die Angelegenheiten des Bundes zu unter­scheiden.

französische Winkelzüge

London. 24. März. Der diplomatische Korrespondent des Daily Telegraph" weist darauf hin, daß in Paris erklärt werde, die Sitzungen der geplanten Vmkerbundskommission für Reorganisation des Rates sollten geheim sein, während die britische Auffassung dahin gehe, daß in diesem Falle die Verfolgung persönlicher Interessen und Intrigen, die kürz­lich im Völkerbundsrat in Erscheinung trat, sich innerhalb der Kommission wiederholen und ihren Wert zerstören würde.

Da» Unterhaus über Genf

London. 24. März. Lloyd George brachte gestern im Namen der Liberalen Parteien seinen Antrag ein, die Kredite für das Foreign Office um 100 Pfd. Sterling zu kürzen, um dadurch eine Mißbilligung für das Verhalten Chamberlains bei den Genfer Verhandlungen auszudrücken. Diese Konferenz habe mit einer Tragödie geendigt. Die Kritik über den Genfer Fehlschlag beziehe sich auf zwei Punkte: 1. daß dafür die Locarnomächte verantwortlich seien und 2. darauf, daß es um eine Niederlage handle, die den Frieden gefährde, so daß viele Freunde des Völkerbundes sich in verzweifelter Stimmung befänden. Man müsse Cham­berlain fragen, ob er von der Absicht Frankreichs und Polens unterrichtet gewesen sei, auf dem Eintritt Polens zusammen mit Deutschland in den Rat zu bestehen. Man habe den Ein­druck, daß man Deutschland zur Unterzeichnung des Paktes von Locarno bewogen habe, ohne daß ihm die Folgen dieser Unterzeichnung bekannt gewesen seien. Unter Hinweis aus die im Lande herrschenden Besorgnisse über die Rückwirkun­gen der Genfer Niederlage aus den Völkerbund richtete Lloyd George die Bitte, alles auszubieten, um den Völker­bund zu retten.

Darauf ergriff Chamberlain da» Wort. Als er Briand im letzten Jahre in Paris getroffen habe, habe er ihm sofort erklärt, sich unter keinen Umständen irgendwie binden zu können. Die Deutschland betreffenden Fragen

seien in "Locarno ausführlich erörtert worden. Deutschland habe damals keinen Wert darauf gelegt, ob sein Eintritt in den Völkerbund von dem Eintritt anderer Mächte begleitet sei oder nicht. Vor seiner Abreise nach Genf sei er von der Regierung dahin beauftragt worden, nach der Entwicklung der Dinge das beste Arrangement zu treffen..

Als er in Gens eingetroffen sei, habe er nach diesen An­weisungen gehandelt und sich dabei drei Gefahren übergesehen: 1. daß der Eintritt Deutschlands unter Bedin­gungen erfolgte, durch die die Locarnoverträge verletzt und ihre Kontinuität in Frage gestellt werden könnte, 2. daß Deutschlands Eintritt durch Meinungsverschiedenheiten zwi­schen den in Locarno vertretenen Mächten verzögert werden könne. Diese beide ersten Gefahren seien vermieden worden. Als dritte Gefahr habe sich ergeben, daß eine andere Macht ihr Veto einlege. Chamberlain erklärte, wenn die Abstim­mung im Unterhaus ungünstig für ihn ausfalle, so werde er bei seinem Rücktritt die Befriedigung haben, daß er nach 15monatiger Tätigkeit im Foreign Office die Dinge in besserem Zustand verlasse, als er sie oorgefunden habe.

Mac Donald, der nach Chamberlain das Wort er­griff, erklärte, Chamberlains Haltung habe zu dem jämmer­lichsten Mißerfolg geführt, dem die britische Diplomatie gegenüberzutreten hatte.

Am Schluß der Aussprache ergriff noch Baldwin das Wort und erklärte u. a., Chamberlain habe aus Genf nicht das zurückgebracht, was er zu erreichen gesucht und worum er gekämpft habe, aber immerhin hätten seine Bemühungen das Resultat gehabt, daß das Versöhnungswerk der letzten 12 Monate nicht vereitelt worden sei. Es habe den Rück­schlag überdauert. Die Regierung habe alles Vertrauen, daß nach Ablauf weniger Monate Sir Austen Chamberlains Bemühungen Früchte tragen würden. Bei der Abstimmung wurde der Antrag Llu d Georges mit 325 gegen 131 Stim men abgelehnt.

Polen und Gens

Warschau. 24. März. Im Auswärtigen Ausschuß des Sejm erstattete Ministerpräsident Skrzynski Bericht über die Genfer Tagung. Er erklärte, daß die Forderung Polens, gleichzeitig mit Deutschland ip den Rat einzutreten, nicht aus Prestigegründen erfolgt sei. Polen vertrete vielmehr den Standpunkt, daß der Friede und die Entwaffnung unmöglich seien, solange nicht Deutschland mit Polen zusammen am Tische des Völkerbundes säße. Neunzig Prozent der in- Genf vertretenen Nationen hätten die Forderung anerkannt.

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Der Kampf um die Steuervorlage

Berlin, 24. März.. Im Steuerausschuß des Reichs­tages wurde die Aussprache über das Steuerkompromiß fort­gesetzt. Abg. Hergt (Deutschnat.) erklärte, die gestern vom Minister gegebene Darstellung des Gesamtbildes der Finanz­lage bedeute einen außerordentlich starken Rückzug der Re­gierung in Bezug auf die Zahl und einen völligen Rückzug in Bezug auf das Prinzip. Von einer Verschlechterung der deutschen Wirtschaftslage seit Januar könne keine Rede sein. Im Vordergrund müsse der Abbau der Hauszins­steuer stehen. Hergt erhob weiter schärfsten Protest da­egen, daß der Minister das neue Steuerkompromiß als ein- eitliches Ganzes festlegen wolle. Wenn die Minderheits­koalition so etwas tun wolle, müsse sie sich vorher mit der Opposition verständigen. Der Redner verwies auf die Zei­tungsnachricht, wonach die Regierung bereits mit den So­zialdemokraten verhandelt habe und forderte vom Minister, daß er eine solche Verständigung bei den Deutschnationalen suche. Reichsfinanzminister Dr. Rein hold begründete dann nochmals kurz das Programm der Regierung, sowie die Notwendigkeit, die Vorlage als einheitliches Gesetz­gebungswerk zu behandeln. Die Regierungsparteien haben der Vorlage zugestimmt.

Preußen und der hohenzollernvergleich

Berlin, 24. März. Der Rechtsausschuß des Reichstags setzte gestern die Debatte über die Fürstenabfindung fort. Der preußische Finanzminister Höpker-Aschoff erklärte, der preußische Vergleich mit den Hobenzollern habe zwei wich­tige Grundsätze festgestellt, nämlich, daß das Königshaus auf eine Entschädigung für die Thronfideikommißrente und die Krondotationsrente verzichte und daß die historischen Schlös­ser ohne Entschädigung an den Staat fallen. Diese Grund­sätze würden nun durchbrochen, da Zivillisten usw. nur fort­fallen sollten, soweit sie nicht auf privatrechtlichem Titel be­ruhen. Diese Bestimmung bedeute eine Schlechterstellung für Preußen. Aelmlicke Bedenken seien auch bei anderen Be­

stimmungen des Kompromisses aufgetaucht. Durch dielen Kompromißentwurf erfahre Preußen keine Erleichterung seiner übernommenen Lasten, sondern eher das Gegenteil.

Württemberg

Stuttgart, 24. März. Württemberg. Landtag. Nach achtwöchiger Pause nahm der Landtag gestern nach­mittag seine Plenarberatungen wieder auf. Die Tribünen­waren dicht besetzt, namentlich mit kommunistischen Betriebs­abordnungen, die wegen der Verhaftung der Abgeordneten Brönnle und Schneck in den Landtag gekommen waren. Zu­nächst widmete Präsident Körner dem verstorbenen Abg. Spröhnle, an dessen Stelle Schriftleiter Dr. Häcker- Korntal bereits eingetreten ist und legitimiert wurde, einen warmen Nachruf. Dann ließ das Haus aus dem Mund von Regierungskommissar Dr. K ö st l i n die Antworten auf nicht weniger als 22 Kleine Anfragen über sich ergehen, die seit der letzten Tagung an die Regierung gerichtet worden wa­ren. Mit der Frage der sofortigen Haftentlassung der Abg. Brönnle und Schneck hatte sich bereits der Geschäftsord­nungsausschuß befaßt und ein dahingehender Antrag wurde einstimmig angenommen. Weiterhin wurde einigen Anträ­gen des Finanzausschusses zugestimmt, sowie einem Antrag Schees (Dem.), dem Landtag eine Zusammenstellung der durch den Personalabbau in den einzelnen Zweigen der Staatsverwaltung herbeigeführten Entlassungen von plan- und außerplanmäßigen Beamten und Angestellten, sowie der dadurch erzielten und zu erwartenden Ersparnisse oor- zulegen. Schließlich wurden noch einige Nachtragsetatgesetze angenommen mit Nachforderungen von 84 874 Mark für das Waisenhaus in Ellwangen und von 480 000 Mark als Notzuwendung für die Besoldungsgruppen 14. Zuge­stimmt wurde ferner der Aufnahme einer Anleihe von 20 Millionen Mark, die für die Wohnungsbaukreditanstalt zur Förderung des Wohnungsbaus bestimmt ist. Nächste Sitzung Mittwoch nachmittag. Für Donnerstag und Freitag sind Doppelsitzungen vorgesehen.

Todesfall. Im Alter von 70 Jahren ist hier Fräulein Marie Josenhans gestorben, die eine sehr volkstümliche Persönlichkeit und eine große Freundin der Armen und der Kinder war. Sie betätigte sich in vielen Vereinsaus­schüssen und gehörte auch viele Jahre dem Stuttgarter Ge­meinderat an.

Bau einer Nokkirche. Die Obertürkheimer kath. Kirchen­gemeinde hat sich in Ermangelung einer Kirche entschlossen, bei der Einmündung der Bahnhof- in die Cannstatterstrahe alsbald eine Notkirche erstellen zu lassen.

keine Slaalskredile an die Industrie. Auf die Kleine Anfrage des Abg. Roth betr. Kredite für die kleineren und mittlere Industrie ha« die Regierung geantwortet, daß sie ihre Bemühungen um nachhaltige und sachgemäße För­derung des Realkredits an die mittlere und kleinere Indu­strie auch weiterhin fortsetzen wird. Die Versorgung der Industrie mit Krediten ist grundsätzlich Aufgabe der Geld­institute, nicht des Lands. Die Württ. Regierung ist des­halb aus grundsätzlichen roirtschaftspolitischen Erwägungen nicht in der Lage, der Industrie aus Staatsmitteln einen größeren Darlehensbetrag für die Gewährung von Einzel­krediten bis zu 75 000 <A zu ermäßigtem Zinssatz zur Ver­fügung zu stellen.

Ermäßigung der Richtsätze für die landwirtschaftliche Umsatzsteuer. Mit Rücksicht aus die Preissenkungen seit der letzten Festsetzung der Richtsätze für die landwirtschaftliche Umsatzsteuer hat der Präsident des Landesfinanzamts für die nächste Vorauszahlung der Landwirte ini April d. I. eine Ermäßigung der Richtsätze ins Auge gefaßt.

Sonderzug mit Fahrpreisermäßigung nach Oberstdors.

Am Gründonnerstag, 1. April verkehrt bei entsprechender Beteiligung ein Sonderzug 3 Klasse von Stuttgart Hbf. nach Oberstdors mit Halt m Cannstatt, Eßlingen, Plochingen, Göppingen, Geislingen und Ulm.

Vom Tage. Bei der Ausführung von Grabarbeiten an einem Kanal in Cannstatt im Hallschlag wurde ein 42 I. a. Taglöhner vom Schlag getroffen und war sofort tot. In einer Drogerie der Seyfferstraße geriet ein zum Anwärmen auf den Ofen gestellter Lackhafen in Brand. Der entstandene Sachschaden beträgt einige tausend Mark.

Aus dem Lande

BMnaen ob Lontal. 24. Mär.r. Einbruch. Im Haus

And dennoch kam das Glück..

Original-Roman von Irene Hellmuth

4«/ (Nachdruck verboten.)

Fast alle Tage erschien auch der Generaldirektor Wieb­recht, stürmisch begrüßt von seinen Enkelinnen, die den Großvater hoch schätzten, weil er nie mit den leeren Händen kam.

Aus seinem Gesicht war der strenge Zug völlig verschwun­den. Sein Haar fing schon an weiß zu werden, aber die hohe, markige Gestalt zeigte sich noch völlig ungebeugt.

Auch Frau Gertrud gesellte sich alle Tage zu den Kin­dern, die ihr Entzücken bildeten. Die alte Dame lebte zwar noch immer sehr zurückgezogen, aber auf dem feinen Antlitz lag ein Zug völliger Zufriedenheit. Sie hatte sich ausge­söhnt mit ihrem Gatten und das machte sie glücklich und froh. Auch daß sich das Lo» ihrer einzigen Tochter freund­lich gestaltet hatte, stimmte sie heiter und machte sie wunsch­los glücklich.

Besonders seit der alte Hildebrand gestorben war, er­schien der Generaldirektor wie verwandelt; denn nun brauchte er den einzigen Zeugen jener unglücklichen Ka­tastrophe nicht mehr zu fürchten.

Alfred schrieb oft und ausführlich von seinem Leben in Milwaukee. Er schien zufrieden und ausgesöhnt mit sei­nem Schicksal.

«Seine Briefe erzählten von einem arbeitsreichen Leben und daß die Arbeit ihm allein hinweggeholfen habe über die Enttäuschung seiner Liebe.

Aber Mathilde glaubte doch zwischen den Zeilen etwas wie geheime Sehnsucht zu lesen nach der Heimat und nach feinem Kinde.

Sobald Rudi einigermaßen schreiben konnte, lehrte Ma­thilde ihn an seinen Vater zu schreiben, was diesem unge­heuere Freude bereitete. -

Die kindlichen Briefe lernte er fast auswendig, wie er der Schwester bekannte.

Mathilde berichtete dem Bruder getreulich alles, was sei­nen Sohn betraf. Sie unterließ auch nicht, die herzliche Freunschaft zu erwähnen, die sie mit Luise und deren Kin­dern verband.

Auch Luise sandte dem ehemaligen Jugendgeliebten öf­ters Grüße übers Meer.

Einmal schickte sie ihm sogar die Bilder ihrer zwei her­zigen Mädchen mit Rudi in der Mitte.

Alfred bekannte offen, daß ihn das zu Tränen gerührt hatte.

Luise fühlte sich als eine glückliche Frau, denn ihr Mann bewies sich als ein edler Charakter und aufrechtiger Mensch, der auch von ihrem Väter hoch geschätzt wurde, denn er zeigte sich als richtige Stütze bei den vielerlei Geschäften des Generaldirektors.

Werner Hildebrand hat nie ein Wort erfahren von dem, was Luise einst bewog, ihm ihre Hand zu reichen.

So gingen die Jahre dahin.

Als Rudi das Gymnasium absolviert hatte, da war es schon bestimmt, daß er gleich seinem Onkel Arzt werden sollte.

Nun mußte er die Universität beziehen.

Onkel Fritz schilderte dem Neffen das freie Studenten­leben in den herlichen Farben, um ihm den Abschied zu erleichtern.

Denn daß er als Primaner sein Herz an die reizende Hildegard verloren hatte, war im Hause kein Geheimnis. Luise sowohl als Mathilde lächelten dazu und sagten kein Wort. Denn Hilde war noch ein Kind und wer vermochte zu sagen, wie sich alles gestalten würde.

Rudi trennre sich nur sehr schwer von seinen beiden jungen Freundinnen, von dem herrlichen Garten und den geliebten Pflegeeltern.

Aber Onkel Fritz tröstete ihn und sagte:Es gibt doch

Ferien, lieber Junge, wir schreiben uns oft, und du wirst sehen, das Studentenleben gefällt dir sehr gut!"

Beim Abschied schenkte Hilde ihm ein kleines, silbernes Medaillon, in dem sich ein Bild von ihr selbst befand. Heim­lich steckte sie es ihm zu und flüsterte:Vergiß mich nicht, Rudi!"-

Er schüttelte den Kopf, sprechen konnte er nicht, weil es ihm seltsam in der Kehle würgte.

Er schämte sich der übermächtigen Rührung, die ihm bei­nahe Tränen in die Augen trieb, und er wollte doch ein Mann sein.-

Als er am nächsten Morgen mit Onkel Fritz, der ihn zur Bahn begleitete, durch den Garten schritt, sah er aus Hildes Zimmer ein weißes Tüchlein flattern. Auch Inge winkte dem scheidenden Freunde einen Abschiedsgruß zu.

So lehr Rudi von dem flotten Studentenleben in An­spruch genommen wurde, ließ er doch keine Wochr verstrei­chen, ohne an die treuen Pflegeeltern einen Brief zu schrei­ben. Und nie vergaß er den Zusatz:Grüßt mir meine lie­ben Spielgefährten Hilde und Inge, sowie alle Bewohner des Hildebrandschen Hauses."

Dieser Auftrag wurde natürlich getreulich bestellt, denn Frau Mathilde wurde bei Hildebrands ein immer häu­figerer und stets gern gesehener Gast. Sie fühlte sich sehr vereinsamt seit Rudis Abreise, und suchte im gemütlichen Nachbarnhaus Zerstreuung und Aufheiterung.

Die beiden Mädchen sorgten auch immer für Unterhal­tung, wenn die von allen Seiten hochgeschätzte Frau zu Be­such kam

Bsso« Hilde schloß sich immer enger anTante Ma­thilde" an, die ein leises Lächeln nicht unterdrücken konnte, wenn das junge, kaum fünfzehnjährige Kind, unter heißem Erröten fragte:

Hat Rudi schon wieder geschrieben?"

Und wenn dann Mathilde lächelnd nickte und den Brief aus der Tasche zog, dann lief Hilde meistens auf ihr Zim- mr um ungestört zu sein bei der ersehnlichen Lektüre.

(Fortsetzung folg: )