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(Enztalbote)

Amtsblatt für M'dbad. Ehrontt und Anzeigenblatt

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Nkrnmer 262 Fernruf 17S

Deutsch-italienischer Handelsvertrag

Zu einer ganz ungewöhnlichen Stunde um 1,20 Uhr in der Nacht zuin 31. Oktober ist in Rom der deutsch­italienische Handelsvertrag unterzeichnet worden. Knapv 24 Stunden nach der Unterzeichnung des Vertrags war, das Provisorium abgelaufen, unter dem sich bisher der Warenaustausch zwischen Deutschland und Italien vollzogen hat. Obwohl der neue Vertrag erst am 15. Dezember in Kraft treten soll, bleibt der von vielen gefürchtete vertraglose Zustand vermieden. Während der nächsten 10, Monate wird das Provisorium fortdauern, inzwischen wer­den die Zollbehörden der beiden Länder die nötigen Unter­lagen erhalten, um den Warenverkehr gemäß den neuen Bestimmungen abzuwickeln. Der Handelsvertrag mit Italien ist das erste Vertragswerk, das nach Schaffung des deutschen Zolltarifs vom August fertiggestellt worden ist. Der Ver­trag wird grundsätzliche Bedeutung für alle weiteren Abkommen erlangen, die Deutschland mit einer ganzen Reihe von europäischen Staaten abzuschließen hat. Insbesondere gilt dies für die Handelsverträge, die wir mit Spanien, Frankreich, sowie später mit Polen abschlie- ßeu müssen. Die Meistbegünstigung, die Deutschland und Italien sich gegenseitig gewährt haben, wird hoffentlich in die bisherige Politik unserer früheren Gegner, uns die Meistbegünstigung zu verweigern, Bresche legen.

Das faszistische Italien ist insofern ein Musterbeispiel für zahlreiche europäische Länder, als es sich um ein gebiets­mäßig vergrößertes, dem Wirtschaftsimperialismus zunei­gendes Land handelt. Die Blockade während der Kriegszeit, die auch für Italien störend in die Erscheinung trat, hat das Volk veranlaßt, sich einenationale Industrie" auszubauen. Das mit der erfolgreichen Beendigung des Weltkriegs ein­setzende Hochgefühl hat es verhindert, selbst ausgesprochene Kriegspflanzen ihrem Schicksal zu überlassen und damit dem Untergang preiszugeben. Das Italien Mussolinis wollte nicht mehr ein bloßes Agrarland bleiben, es wollte sich zum Industrieland entwickeln und damit mehr als früher von den ausgesprochenen europäischen Industrieländern unab­hängig werden. Die Schwierigkeiten, die sich den deutsch­italienischen Handelsvertragsverhandlungen in letzter Stunde entgegenstellten, sind wesentlich darauf zurückzuführen, daß Italien sich nicht nur für eine Reihe wichtiger Industrie­erzeugnisse von der deutschen Zufuhr abschließen, sondern sogar für eigene Industrieerzeugnisse den deutschen Markt öffnen wollte. Augenscheinlich hat die sehr günstige Ernte, die das Jahr 1925 dem italienischen Volk gebracht hat, bei Mussolini die Auffassung gestärkt, daß es wichtiger sei, den italienischen landwirtschaftlichen Erzeugnissen Absatzmarkt zu sichern, als nebelhaften industriepolitischen Zielen nachzujagen. Da die den Italienern gewährten Zoll­sätze für Wein, Obst und Gemüse sehr bald auch den Spa­niern gewährt werden dürften, mußten die deutschen Unter­händler bei der Bemessung der Zollsätze für diese Erzeug­nisse bereits die gesamte Einfuhr Deutschlands an diesen Waren in Rechnung stellen, um entscheiden zu können, ob dem deutschen Wein- und Gemüsebau das unbedingt erfor­derliche Maß von Schutz gewährt sei.

Von amtlicher Stelle ist die Ueberzeugung ausgesprochen worden, daß die deutsche Landwirtschaft mit dem Vertrag zufrieden sein werde. Insbesondere sei der Zoll für ita­lienischen Wein nicht unerheblich höher als der Zoll, den wir damals in unserem Handelsvertrag mit Spanien dem spanischen Wein elngeräumk haben. Zn zwei wichtigen Punkten haben wir jedoch die Interessen deutscher Industrie, zweige bis zu einem gewissen Grad unberücksichtigt lassen müssen: wir haben den Italiener zugestanden, daß ihre Kunstseide und ihre Automobile bei Ueberschreiten der deutschen Grenze nur einen niedrigen Zoll zu zahlen haben. Die Reichsregierung hat erklärt, daß dieses Zu­geständnis unvermeidlich gewesen sei, um nicht das Zu­standekommen des ganzen Handelsvertrages in Frage zu stellen.

In den deutsch-italienischen Verhandlungen hat die Frage eine große Rolle gespielt, wie die Wirtschaftsbilanz zwischen den beiden Ländern beschaffen sei. Die italienische Regie­rung hat behauptet, Deutschland liefere mehr Waren nach Italien, als Italien nach Deutschland. Diese Darstellung ist von deutscher Seite bestritten worden. Es hat sich heraus­gestellt, daß die beiden Länder ihre Handelsstatistik nach verschiedenen Grundsätzen aufgemacht haben. Eine laufende Verständigung darüber, welche Mengen z. B. als Durchfuhr oder auch als Wiederausfuhr anzusehen und bei der Auf­stellung der Handelsbilanz zwischen den beiden Ländern zu berücksichtigen sind, ist nicht erzielt worden. Das sehr aus­geprägte Selbstgefühl hak es denfftalienernschwergemacht, beim Abschluß des Handelsvertrags mit Deutschland ein Entgegen­kommen zu zeigen, das über derzeitige materielle Interessen am Warenverkehr hinausgeht. Diese Ueberspannung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit isi allen aus dem Kriege neu oder doch vergrößert heroorgegangenen Staaten des

Wildbad. Montag, den 9, November 1925

Tagesspiegel

Zum deutschen Mitglied der Rheinlandkommission in Koblenz ist der Botschafter in Madrid. Langwerth von Zim­mern ausersehen.

Auf die Behauptung der soz.Münchner Post", daß ein monarchistischer Putsch in Vorbereitung sei, erklären die füh­renden bürgerlichen bayerischen Blätter, es sei ein Unsinn, von einem solchen Putsch zu reden, oder es werde mit der Behauptung ein^bestimmter Zweck verfolgt.

Infolge des Anschlags gegen Mussolini sind die national- liberalen Abgeordneten und Parteiführer sowie viele ange­sehenen Privatpersonen in Italien zum Faszismus überge­treten.

In England scheint Stimmung dafür vorhanden zu fein, lm Mossulstreit eine Verständigung mit der Türkei anzu­bahnen. Das haben die Türken mit ihrer Festigkeit erreicht.

Zum russischen Volkskommissar für Krieg wurde der Befehlshaber des Moskauer Militärbezirks, Woroschilow, ernannt. Laschewitsch wurde zum ersten» llnschticht zum zweiten Stellvertreter gewählt.

Aus Washington wird gemeldet. Senator Borah habe in bei* Kon­

gresses einen Gesetzentwurf einbringen, daß das beschlag­nahmte deutsche Eigentum den rechtmäßigen Besitzern sofort znrückgegeben werde. Präsident Coolidge habe sich damit einverstanden erklärt.

Der Kaiser von Annam ist gestorben.

lestiändstchen Europas gemeOstam. Sue widerspricht dem Gedanken einerkontinentaleuropäischen Wirtschaftssoli- daritat und zwingt dazu, die Erwartungen auf einen künftigen Abbau der intereurapäischen Zollschranken recht niedrig zu stellen. Italien hat mit Deutschland keine ge­meinsame Grenze, der Warenaustausch zwischen beiden Län- dern vollzieht sich aus den verschiedensten Wegen, über die Schweiz, über Oesterreich, über die Nachfolgestaaten und auch aus dem Seeweg. Die Meinungsverschiedenheiten über den Grad des Interesses, das die beiden Länder an gegen­seitigem Warenaustausch haben, hätten sich einengen lassen, wenn schon vorher eine ständige Fühlungnahme über die Aufmachung der Einfuhr- und Ausfuhrstatistik bestanden hatte. Der deutsch-italienische Handelsvertrag ist ein sehr großer Akt zur Befreiung Deutschlands aus der Handels- politischen Vereinsamung, -r muß aber ferner ein Auftakt Verhandlungen "6^ Me mitteleuropäische Birtschaftsannäherung werden

Der Dolchftoh-Prozetz

München, 6. Nov. In der gestrigen Sitzung wurde als Sachverständiger Oberst Jochim vernommen. Er führte aus, es bestehe kein Zweifel, daß die Linksradikalen den Siegeswillen durch ihre Hetze gegen den Militarismus unterwühlt haben. Ferner stehe es fest, daß zwischen den Führern der Unabhängigen Sozialdemokratie und den Rä­delsführern der Meuterei in der Flotte eine Verbindung be­stand. Im Sommer 1918 habe die Disziplin der Truppen abgenommen und die Truppentransporte mußten gegen die Verseuchung gesichert werden. Es bestanden ganze Fabriken zur Fälschung von Papieren für Drückeberger. Nach dem Eingeständnis der englischen Admiralität hätte bei Fort­dauer des uneingeschränkten Tauchboot­kriegs England vor den Tauchbooten kapi­tulieren müssen. Durch den Tauchbootkrieg, der mehr als 14 der gesamten Welttonnage versenkte, haben etwa 30000 Menschen ihr Leben verloren, während in Deutsch­lank infolge der Hungerblockade 770 000 Menschen gestorben seiet,. Trotzdem habe die schwächliche Regierung des Prinzen Max diese schärfste Waffe auf Drängen von Scheidemann und Sols, sowie des Präsidenten Wilson, ohne jede Gegen­leistung geopfert, um gleich darauf von Wilson die entwür­digendsten Bedingungen für den Frieden zu erhalten. Im Mai 1918 habe Ludendorff erklärt, daß wir auf Eroberun­gen in Belgien verzichten. Der englische Gesandte beim Va­tikan habe im Herbst 1917 erklärt, daß mit einem Verzicht auf Belgien keineswegs die Forderungen der Westmächte er­füllt seien. Bezüglich der Friedensmöglichkeiten h-t Luden­dorff wiederholt Pläne darüber, Besprechungen in Stock­holm stattfinden zu lassen, mit aller Energie betrieben. Die Entente wollte aber den Frieden nicht und alle Illusionen der deutschen Träumer, die an einen Ver- ständigungsfrieden glaubten, wurden zerstört durch den Be­schluß des Obersten Kriegsrats,der Entente vom 30. Januar

Fernruf 179 60. Jahrgang

1918: Der Krieg wird sortgeführt. Das muhten die Parteien in Deutschland, die von einem Verständigungs­frieden sprachen, wissen. Dieses Gerede mußte das darbende deutsche Volk zermürben. Der Sachverständige kam schließ­lich zu folgenden Schlußfolgerungen: Bei den Betrachtungen der Süddeutschen Monatshefte kommt es nicht auf Haar­spaltereien und Wortglaubereien an, sondern aus den Sinn. Das Äolk erlag der heimatlichen und der feindlichen Wüh­lerei. Das Reden vom Verständigungsfrieden, der doch eine neitwilligkeit der Feinde voraussetzte, täuschte es über den Vernichtungswillen der Feinde hinweg. Daß eine Schuld vorliegt, nicht nur bei der USPD., sondern auch bei den Mehrheitssozialisten, steht meiner Ansicht nach fest, wenn auch bei beiden in anderer Richtung und aus anderen Be­weggründen, aber schließlich mit demselben Erfolg, der aller­dings von den Mehrheitssozialisten nicht gewollt wurde. Von einer Geschichtsfälschung, in den Süddeutschen Monatsheften kann nach meiner Auffassung nicht die Rede sein.

Neue Nachrichten

Erklärung Skresemanns

Berlin. 8. Nov. Reichsminister Dr. Stresemann er- tlärt durch W.T.B. zu der Veröffentlichung derBerliner Börjenzeitung", daß er bei dem vertraulichen Presseempfang in Dresden den Namen des Ministers Schiele nicht ge­nannt und sich mit Vorgängen in der Kabinettssitzung vom 22. Oktober nicht befaßt habe. Er höre nun, daß die Ver­öffentlichung in den Blättern von dem Verfasser des Artikels auf eine Unterhaltung mit ihm (Stresemann) zurückgeführt werde. Dazu habe er zu bemerken: Wenn er (Stresemann) in einer privaten Aeußerung davon gesprochen haben sollte, daß die deutschnationalen Minister ihre Zustimmung zu der Arbeit der deutschen Vertreter in Locarno ausgesprochen hät­ten, so sei diese seine Aeußerung wahrscheinlich hervorgerufen worden durch d>? Meinungsverschiedenheit, die sich an die Er­klärung recht-stehender Blätter über einen Zwischenruf des Reichskanzlers im Reichstagsausschuß für Auswärtiges knüpfte und die die Zustimmung der deutschnationalen Mil glieder des Kabinetts zu dem gefaßten Kabinettsbeschluß n, Abrede stellte oder den Beschluß selbst nur als formellen BtV schluß über die Berichterstattung Stresemanns aufgefaßt wis­sen wollte. Eine derartige private Aufklärung könne von deutschnationaler Seite um so weniger angegriffen werden^ als dieDeutschnationale Korrespondenz" selbst die Veröffent­lichung der Protokolle der Kabinettsbildung gefordert habe. Er (Stresemann) müsse sich aber entschieden dagegen ver­wahren, daß eine derartige private Aeußerung an die Presse weitergegeben werde. Zu Angriffen gegen den Minister Schiele haben irgend welche Mitteilungen über seine Stellung­nahme überhaupt keinen Anlaß geboten, da weder in sei­nem Verhalten Im Kabinett, noch in seinem Verhalten beim Abschied aus dem Kabinett irgend einer seiner Kollegen ein« Grundlage zur Kritik ihm gegenüber hätte erblicken können.

Aus der Zuschrift scheint hervorzugeben, daß die von der Reichsregierung als unrichtig und irreführend zurückgewie­sene Veröffentlichung in einem Berliner und einem Ham­burger Blatt zwar nicht auf Mitteilungen Dr. Stresemanns beim Dresdener Presseempfang, aber aus eine Aeußerung in einem Privatgespräch zurückzuführen ist, die Verantwor­tung muß also Dr. Stresemann übernehmen. Wieso sich Dr. Stresemann auf einen in der Oeffentl. hkeit nicht bekannt gewordenen Zwischenruf des Reichskanzlers in der ver­traulichen Sitzung des Reichstagsausschusses beziehen konnte, ist für die Fernerstehenden zunächst nicht erklärlich: ver­mutlich wird der Reichskanzler selbst zu der Sache Stellung nehmen, da sie durch die offizielle Beschwerde des Grafen Westarp in der Reichskanzlei nunmehr zu einer öffentlichen Angelegenheit geworden ist.

Maßregelung eines Oberskralsanwalts

Weimar. 8. November. Vor einigen Wochen hatte der thüringische Justizminister Leutheußer angeordnet, daß in wichtigen und umfangreichen Prozessen die Anklage durch zwei Staatsanwälte vertreten werden solle. Der Verord­nung zufolge mußte in dem Meineidsprozeß gegen den früheren Bankpräsidenten Loeb ein zweiter Staatsanwalt aufgestellt werden und als solcher war Oberstaatsanwalt Dr. Friedländer bestimmt worden, der mit der Angele­genheit schon früher befaßt war. Er weigerte sich zuerst, die Anklage mitzuübernehmen, da er sich durch die Anweisung beschwert fühle, worauf ihm die Beteiligung durch den Ge­nerals aatsanwalt freigestellt wurde. Dr. Friedländer nahm nun den Auftrag doch an, erklärte aber am Schluß der Ver­handlung, als er die Anklage begründen sollte, er werde nicht gegen den Angeklagten sprechen. Er richtete sodann Angriffe gegen die thüringische Regierung und das Justiz­ministerium, die von einem Teil der Presse ausgenommen wurden. Die Regierung hat nun gegen den Oberstaats­anwalt ein Dienstverfahren eingeleitet und ihn vorläufig des Dienstes enthoben.