1
(Enztalbote)
Amtsblatt für M'dbad. Ehrontt und Anzeigenblatt
wr das obere Enztal«
Erscheint täglich, ausgenommen Sonn- und Feiertags. Bezugspreis halbmonatlich 65 Pfennig frei ins Haus geliefert; durch die Post bezogen im innerdeutschen Verkehr monatlich t,50 Mk. :: Einzelnummern lO Pfg. Girokonto Nr. 50 bei der Oberamtssparkaffe Neuenbürg Zweigst. Wildb. :: Bankkonto: Enztalbank Komm.-Ges. Häberle L Co. Wildbad.:: Postscheckkonto Stuttg. 29174.
Anzeigenpreis: Die einspaltige Petitzeile oder deren Raum ini Bez. Grnndpr. 15 Pfg., außerh. 20 einschl. Ins.-Steuer. Reklamezeile 40 Pfg. :: Rabatt nach Tarif. Für Offerten u. bei Aiwkunfterteilung werden jeweils 10 Pfg. mehr berechnet. :: Schluß der Anzeigennahme tägl. 8 Uhr vorm.:: In Konkursfällen od. wenn gerichtl. Beitreibung notw. wird, fällt jede Nachlaßgewähr, weg.
Druck, Verlag u. Hauptschristleitung Theodor Gack. Für den lokalen Teil verantwort!. Karl Th. Flum in Wildbad
Nkrnmer 262 Fernruf 17S
Deutsch-italienischer Handelsvertrag
Zu einer ganz ungewöhnlichen Stunde — um 1,20 Uhr in der Nacht zuin 31. Oktober — ist in Rom der deutschitalienische Handelsvertrag unterzeichnet worden. Knapv 24 Stunden nach der Unterzeichnung des Vertrags war, das Provisorium abgelaufen, unter dem sich bisher der Warenaustausch zwischen Deutschland und Italien vollzogen hat. Obwohl der neue Vertrag erst am 15. Dezember in Kraft treten soll, bleibt der von vielen gefürchtete vertraglose Zustand vermieden. Während der nächsten 10, Monate wird das Provisorium fortdauern, inzwischen werden die Zollbehörden der beiden Länder die nötigen Unterlagen erhalten, um den Warenverkehr gemäß den neuen Bestimmungen abzuwickeln. Der Handelsvertrag mit Italien ist das erste Vertragswerk, das nach Schaffung des deutschen Zolltarifs vom August fertiggestellt worden ist. Der Vertrag wird grundsätzliche Bedeutung für alle weiteren Abkommen erlangen, die Deutschland mit einer ganzen Reihe von europäischen Staaten abzuschließen hat. Insbesondere gilt dies für die Handelsverträge, die wir mit Spanien, Frankreich, sowie später mit Polen abschlie- ßeu müssen. Die Meistbegünstigung, die Deutschland und Italien sich gegenseitig gewährt haben, wird hoffentlich in die bisherige Politik unserer früheren Gegner, uns die Meistbegünstigung zu verweigern, Bresche legen.
Das faszistische Italien ist insofern ein Musterbeispiel für zahlreiche europäische Länder, als es sich um ein gebietsmäßig vergrößertes, dem Wirtschaftsimperialismus zuneigendes Land handelt. Die Blockade während der Kriegszeit, die auch für Italien störend in die Erscheinung trat, hat das Volk veranlaßt, sich eine „nationale Industrie" auszubauen. Das mit der erfolgreichen Beendigung des Weltkriegs einsetzende Hochgefühl hat es verhindert, selbst ausgesprochene Kriegspflanzen ihrem Schicksal zu überlassen und damit dem Untergang preiszugeben. Das Italien Mussolinis wollte nicht mehr ein bloßes Agrarland bleiben, es wollte sich zum Industrieland entwickeln und damit mehr als früher von den ausgesprochenen europäischen Industrieländern unabhängig werden. Die Schwierigkeiten, die sich den deutschitalienischen Handelsvertragsverhandlungen in letzter Stunde entgegenstellten, sind wesentlich darauf zurückzuführen, daß Italien sich nicht nur für eine Reihe wichtiger Industrieerzeugnisse von der deutschen Zufuhr abschließen, sondern sogar für eigene Industrieerzeugnisse den deutschen Markt öffnen wollte. Augenscheinlich hat die sehr günstige Ernte, die das Jahr 1925 dem italienischen Volk gebracht hat, bei Mussolini die Auffassung gestärkt, daß es wichtiger sei, den italienischen landwirtschaftlichen Erzeugnissen Absatzmarkt zu sichern, als nebelhaften industriepolitischen Zielen nachzujagen. Da die den Italienern gewährten Zollsätze für Wein, Obst und Gemüse sehr bald auch den Spaniern gewährt werden dürften, mußten die deutschen Unterhändler bei der Bemessung der Zollsätze für diese Erzeugnisse bereits die gesamte Einfuhr Deutschlands an diesen Waren in Rechnung stellen, um entscheiden zu können, ob dem deutschen Wein- und Gemüsebau das unbedingt erforderliche Maß von Schutz gewährt sei.
Von amtlicher Stelle ist die Ueberzeugung ausgesprochen worden, daß die deutsche Landwirtschaft mit dem Vertrag zufrieden sein werde. Insbesondere sei der Zoll für italienischen Wein nicht unerheblich höher als der Zoll, den wir damals in unserem Handelsvertrag mit Spanien dem spanischen Wein elngeräumk haben. Zn zwei wichtigen Punkten haben wir jedoch die Interessen deutscher Industrie, zweige bis zu einem gewissen Grad unberücksichtigt lassen müssen: wir haben den Italiener zugestanden, daß ihre Kunstseide und ihre Automobile bei Ueberschreiten der deutschen Grenze nur einen niedrigen Zoll zu zahlen haben. Die Reichsregierung hat erklärt, daß dieses Zugeständnis unvermeidlich gewesen sei, um nicht das Zustandekommen des ganzen Handelsvertrages in Frage zu stellen.
In den deutsch-italienischen Verhandlungen hat die Frage eine große Rolle gespielt, wie die Wirtschaftsbilanz zwischen den beiden Ländern beschaffen sei. Die italienische Regierung hat behauptet, Deutschland liefere mehr Waren nach Italien, als Italien nach Deutschland. Diese Darstellung ist von deutscher Seite bestritten worden. Es hat sich herausgestellt, daß die beiden Länder ihre Handelsstatistik nach verschiedenen Grundsätzen aufgemacht haben. Eine laufende Verständigung darüber, welche Mengen z. B. als Durchfuhr oder auch als Wiederausfuhr anzusehen und bei der Aufstellung der Handelsbilanz zwischen den beiden Ländern zu berücksichtigen sind, ist nicht erzielt worden. Das sehr ausgeprägte Selbstgefühl hak es denfftalienernschwergemacht, beim Abschluß des Handelsvertrags mit Deutschland ein Entgegenkommen zu zeigen, das über derzeitige materielle Interessen am Warenverkehr hinausgeht. Diese Ueberspannung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit isi allen aus dem Kriege neu oder doch vergrößert heroorgegangenen Staaten des
Wildbad. Montag, den 9, November 1925
Tagesspiegel
Zum deutschen Mitglied der Rheinlandkommission in Koblenz ist der Botschafter in Madrid. Langwerth von Zimmern ausersehen.
Auf die Behauptung der soz. „Münchner Post", daß ein monarchistischer Putsch in Vorbereitung sei, erklären die führenden bürgerlichen bayerischen Blätter, es sei ein Unsinn, von einem solchen Putsch zu reden, oder es werde mit der Behauptung ein^bestimmter Zweck verfolgt.
Infolge des Anschlags gegen Mussolini sind die national- liberalen Abgeordneten und Parteiführer sowie viele angesehenen Privatpersonen in Italien zum Faszismus übergetreten.
In England scheint Stimmung dafür vorhanden zu fein, lm Mossulstreit eine Verständigung mit der Türkei anzubahnen. — Das haben die Türken mit ihrer Festigkeit erreicht.
Zum russischen Volkskommissar für Krieg wurde der Befehlshaber des Moskauer Militärbezirks, Woroschilow, ernannt. Laschewitsch wurde zum ersten» llnschticht zum zweiten Stellvertreter gewählt.
Aus Washington wird gemeldet. Senator Borah habe in bei* Kon
gresses einen Gesetzentwurf einbringen, daß das beschlagnahmte deutsche Eigentum den rechtmäßigen Besitzern sofort znrückgegeben werde. Präsident Coolidge habe sich damit einverstanden erklärt.
Der Kaiser von Annam ist gestorben.
lestiändstchen Europas gemeOstam. Sue widerspricht dem Gedanken einer „kontinentaleuropäischen Wirtschaftssoli- daritat und zwingt dazu, die Erwartungen auf einen künftigen Abbau der intereurapäischen Zollschranken recht niedrig zu stellen. Italien hat mit Deutschland keine gemeinsame Grenze, der Warenaustausch zwischen beiden Län- dern vollzieht sich aus den verschiedensten Wegen, über die Schweiz, über Oesterreich, über die Nachfolgestaaten und auch aus dem Seeweg. Die Meinungsverschiedenheiten über den Grad des Interesses, das die beiden Länder an gegenseitigem Warenaustausch haben, hätten sich einengen lassen, wenn schon vorher eine ständige Fühlungnahme über die Aufmachung der Einfuhr- und Ausfuhrstatistik bestanden hatte. Der deutsch-italienische Handelsvertrag ist ein sehr großer Akt zur Befreiung Deutschlands aus der Handels- politischen Vereinsamung, -r muß aber ferner ein Auftakt Verhandlungen "6^ Me mitteleuropäische Birtschaftsannäherung werden
Der Dolchftoh-Prozetz
München, 6. Nov. In der gestrigen Sitzung wurde als Sachverständiger Oberst Jochim vernommen. Er führte aus, es bestehe kein Zweifel, daß die Linksradikalen den Siegeswillen durch ihre Hetze gegen den Militarismus unterwühlt haben. Ferner stehe es fest, daß zwischen den Führern der Unabhängigen Sozialdemokratie und den Rädelsführern der Meuterei in der Flotte eine Verbindung bestand. Im Sommer 1918 habe die Disziplin der Truppen abgenommen und die Truppentransporte mußten gegen die Verseuchung gesichert werden. Es bestanden ganze Fabriken zur Fälschung von Papieren für Drückeberger. Nach dem Eingeständnis der englischen Admiralität hätte bei Fortdauer des uneingeschränkten Tauchbootkriegs England vor den Tauchbooten kapitulieren müssen. Durch den Tauchbootkrieg, der mehr als 14 der gesamten Welttonnage versenkte, haben etwa 30000 Menschen ihr Leben verloren, während in Deutschlank infolge der Hungerblockade 770 000 Menschen gestorben seiet,. Trotzdem habe die schwächliche Regierung des Prinzen Max diese schärfste Waffe auf Drängen von Scheidemann und Sols, sowie des Präsidenten Wilson, ohne jede Gegenleistung geopfert, um gleich darauf von Wilson die entwürdigendsten Bedingungen für den Frieden zu erhalten. Im Mai 1918 habe Ludendorff erklärt, daß wir auf Eroberungen in Belgien verzichten. Der englische Gesandte beim Vatikan habe im Herbst 1917 erklärt, daß mit einem Verzicht auf Belgien keineswegs die Forderungen der Westmächte erfüllt seien. Bezüglich der Friedensmöglichkeiten h-t Ludendorff wiederholt Pläne darüber, Besprechungen in Stockholm stattfinden zu lassen, mit aller Energie betrieben. Die Entente wollte aber den Frieden nicht und alle Illusionen der deutschen Träumer, die an einen Ver- ständigungsfrieden glaubten, wurden zerstört durch den Beschluß des Obersten Kriegsrats,der Entente vom 30. Januar
Fernruf 179 60. Jahrgang
1918: Der Krieg wird sortgeführt. Das muhten die Parteien in Deutschland, die von einem Verständigungsfrieden sprachen, wissen. Dieses Gerede mußte das darbende deutsche Volk zermürben. Der Sachverständige kam schließlich zu folgenden Schlußfolgerungen: Bei den Betrachtungen der Süddeutschen Monatshefte kommt es nicht auf Haarspaltereien und Wortglaubereien an, sondern aus den Sinn. Das Äolk erlag der heimatlichen und der feindlichen Wühlerei. Das Reden vom Verständigungsfrieden, der doch eine neitwilligkeit der Feinde voraussetzte, täuschte es über den Vernichtungswillen der Feinde hinweg. Daß eine Schuld vorliegt, nicht nur bei der USPD., sondern auch bei den Mehrheitssozialisten, steht meiner Ansicht nach fest, wenn auch bei beiden in anderer Richtung und aus anderen Beweggründen, aber schließlich mit demselben Erfolg, der allerdings von den Mehrheitssozialisten nicht gewollt wurde. Von einer Geschichtsfälschung, in den Süddeutschen Monatsheften kann nach meiner Auffassung nicht die Rede sein.
Neue Nachrichten
Erklärung Skresemanns
Berlin. 8. Nov. Reichsminister Dr. Stresemann er- tlärt durch W.T.B. zu der Veröffentlichung der „Berliner Börjenzeitung", daß er bei dem vertraulichen Presseempfang in Dresden den Namen des Ministers Schiele nicht genannt und sich mit Vorgängen in der Kabinettssitzung vom 22. Oktober nicht befaßt habe. Er höre nun, daß die Veröffentlichung in den Blättern von dem Verfasser des Artikels auf eine Unterhaltung mit ihm (Stresemann) zurückgeführt werde. Dazu habe er zu bemerken: Wenn er (Stresemann) in einer privaten Aeußerung davon gesprochen haben sollte, daß die deutschnationalen Minister ihre Zustimmung zu der Arbeit der deutschen Vertreter in Locarno ausgesprochen hätten, so sei diese seine Aeußerung wahrscheinlich hervorgerufen worden durch d>? Meinungsverschiedenheit, die sich an die Erklärung recht-stehender Blätter über einen Zwischenruf des Reichskanzlers im Reichstagsausschuß für Auswärtiges knüpfte und die die Zustimmung der deutschnationalen Mil glieder des Kabinetts zu dem gefaßten Kabinettsbeschluß n, Abrede stellte oder den Beschluß selbst nur als formellen BtV schluß über die Berichterstattung Stresemanns aufgefaßt wissen wollte. Eine derartige private Aufklärung könne von deutschnationaler Seite um so weniger angegriffen werden^ als die „Deutschnationale Korrespondenz" selbst die Veröffentlichung der Protokolle der Kabinettsbildung gefordert habe. Er (Stresemann) müsse sich aber entschieden dagegen verwahren, daß eine derartige private Aeußerung an die Presse weitergegeben werde. Zu Angriffen gegen den Minister Schiele haben irgend welche Mitteilungen über seine Stellungnahme überhaupt keinen Anlaß geboten, da weder in seinem Verhalten Im Kabinett, noch in seinem Verhalten beim Abschied aus dem Kabinett irgend einer seiner Kollegen ein« Grundlage zur Kritik ihm gegenüber hätte erblicken können.
Aus der Zuschrift scheint hervorzugeben, daß die von der Reichsregierung als unrichtig und irreführend zurückgewiesene Veröffentlichung in einem Berliner und einem Hamburger Blatt zwar nicht auf Mitteilungen Dr. Stresemanns beim Dresdener Presseempfang, aber aus eine Aeußerung in einem Privatgespräch zurückzuführen ist, die Verantwortung muß also Dr. Stresemann übernehmen. Wieso sich Dr. Stresemann auf einen in der Oeffentl. hkeit nicht bekannt gewordenen Zwischenruf des Reichskanzlers in der vertraulichen Sitzung des Reichstagsausschusses beziehen konnte, ist für die Fernerstehenden zunächst nicht erklärlich: vermutlich wird der Reichskanzler selbst zu der Sache Stellung nehmen, da sie durch die offizielle Beschwerde des Grafen Westarp in der Reichskanzlei nunmehr zu einer öffentlichen Angelegenheit geworden ist.
Maßregelung eines Oberskralsanwalts
Weimar. 8. November. Vor einigen Wochen hatte der thüringische Justizminister Leutheußer angeordnet, daß in wichtigen und umfangreichen Prozessen die Anklage durch zwei Staatsanwälte vertreten werden solle. Der Verordnung zufolge mußte in dem Meineidsprozeß gegen den früheren Bankpräsidenten Loeb ein zweiter Staatsanwalt aufgestellt werden und als solcher war Oberstaatsanwalt Dr. Friedländer bestimmt worden, der mit der Angelegenheit schon früher befaßt war. Er weigerte sich zuerst, die Anklage mitzuübernehmen, da er sich durch die Anweisung beschwert fühle, worauf ihm die Beteiligung durch den Generals aatsanwalt freigestellt wurde. Dr. Friedländer nahm nun den Auftrag doch an, erklärte aber am Schluß der Verhandlung, als er die Anklage begründen sollte, er werde nicht gegen den Angeklagten sprechen. Er richtete sodann Angriffe gegen die thüringische Regierung und das Justizministerium, die von einem Teil der Presse ausgenommen wurden. Die Regierung hat nun gegen den Oberstaatsanwalt ein Dienstverfahren eingeleitet und ihn vorläufig des Dienstes enthoben.