Dort beschäftigter Knecht, wollte eine grosse gefüllte Korb­flasche fortschaffen, wurde jedoch bei dieser Arbeit von seinem früheren Dienstherrn überrascht. Er ergriff die Flucht, wurde aber eingeholt und bekam als Lohn eine Tracht Prügel.

Neuenbürg, 1. Ok-.t. Brand, 5n Feldrennach ist die ge­füllte Scheuer des Sägewerksbesitzers Fr. Schöntaler mit Stall und Schuppen und allen Maschinen nisdergebrannk, auch das Wohnhaus wurde vom Feuer beschädigt. Man ver­mutet Kurzschluß.

Kpaichmgen, 1. Okt. Unfall. Auf der Heimfahrt von hier stieß' dem Erhard Irion von Talheim der Unfall zu. daß ihm ein Betrunkener ins Motorrad geriet. Der Mann brach den Fuß, Irion selbst stürzte vom Rad und blieb mit schwe­rer Kopfverletzung längere Zeit bewußtlos.

Riedhaufen. OA. Saulgau. 1. Okt. I n s i ch z u s a m m en­ge st ürzb. Ein Bauer hatte an seiner Scheuer ein Vor­dach von etwa 7 Meter Länge und 4 Meter Breite an­gebaut. Dieses stürzte mit großem Krach in sich zusammen- als der Bauer ein Stück Vieh aus dem Hof führte. Er erlitt ernstliche Hautschürfungen. Wie sich das Gebälk loslösen konnte, ist bis jetzt noch nicht festgestellt.

Diekenheim, 1. Okt. Schwere Unfälle, sin d r Spinnerei A. Schupp ist die 16jährige Arbeiterin Theresia Botzenhart von dem Hebel einer Sslbstspinnmaschine an der rechten Schulter erfaßt worden. Der Tod trat infolge einer Lungenblutung innerhalb weniger Minuten ein. Dem in den 20er Jahren stehenden Bauarbeiter Heinz von Regg- lisweiler fiel an dem Neubau der Zwirnerei und Nähfaden­fabrik ein Mauerstein auf den Hinterkops. Er muhte be­wußtlos vom Platze getragen werden.

Ailingen OA. Tekknang, 1. Okt. Die goldeneFrel- heih Zwischen hier und Ob'rteuringen wurde von einem Landjäger der 16 Jahre aste Aug. Geiger aufgegriffen, der aus Göppingen stammt und zuletzt in Zwangserziehung im Konradihaus in Schelklingen untergebracht war, von wo er vor 8 Tagen entwichen ist. Der Bursche lam r.n Lindau her und wollte nach Hamburg wandern.

Hoheneck, OA. Ludwigsburg, 1. Okt. Brandstiftung aus Rache, H-nite nacht brannte die in der Nähe des f rvoriteparks stehende Feldscheuer des Gottlob und Lud­wig Schäfer, die mit Heu und Getreide angefüllt war und a-ch eine Sämaschine enthielt, infolge Brandstiftung ab. Da in letzter Zeit gegen Obdachlose, die in der Scheune nächtig­ten, eingeschritten wurde, wird vermutet, daß sich einer dieser Gesellen auf diese Weise gerächt hat.

Mössingen OA. Nokkenburg, 1. Okk. Drei Bahnar- beikerschwer verunglückt. Bei den Brückenarbeiken an der Bahnstrecke MössingenNehren sollte die seitwärts zum Bahndamm liegende alte Brücke mittels eines Krahnens hochgezogen werden. Diäfer kippte nach vorne über und be­grub drei Vahnarbeiter unter sich. M. Mößner von Belsen wurde mit eingedrücktem Brustkorb ins Bahnhofsgebäude verbracht, wo er bald drauf starb. Arbeiter Dürr aus Nehren wurden Füsse und Unterleib eingeklemmt: doch scheinen die Verletzungen nicht lebensgefährlich zu sein. Arbeiter Fahrner von Belsen wurde leicht verletzt und konnte allein nach Hause gehen.

Tuttlingen, 1. Okt. Aufruf zur Selbstbesin­nung. In der Aktiengesellschaft für Feinmechanik, vorm. Jetter u. Scheerer, geht der Streik eines Teils der Arbeiter weiter. Die Firma beharrt auf einer Zahlung nach Lei­stung. Die Arbeiter verlangen eine allgemeine Lohnerhö­hung. Die A.G. für Feinmechanik erläßt einen einen Auf­ruf zur Selbstbesinnung, da die Gefahr besteht, daß der Betrieb demnächst zum Stillstand kommt. Die wöchentliche Arbeitszeit wurde inzwischen bei einzelnen Abteilungen auf S Tage herabgesetzt Der Stadtvorstand gibt sich alle Mühe, die streikenden Parteien zu einigen.

Friedrichshafen, 1. Okt. Ehrung. Dem Flugzeugführer Robert Weiche! der Dornierwerke wurde anläßlich eines Rundflugs mit einem Flugboot des Bodensee-Aero-Lloyd von Herzog Albrecht eine goldene Brillantnadel überreicht.

Sigmaringen, 1. Okt. Grundsteinlegung. Am Montag fand die Grundsteinlegung des neuen Rathauses statt.

Die Reichsmeßzahl für die Lebenshaltungskosten. (Er­nährung, Wohnung, Heizung, Bekleidung. Beleuchtung und sonstiger Bedarf) ist nach den Feststellungen des Statistischen Rcichsamts für den Durchschnitt des Monats September mit 144,9 gegen 145 im Vormonat nahezu unverändert geblie- den. Trotz des weiteren Anziehens der Preise für Fleisch, Molkereierzeugnisse und Eier sind die Ernährungsausgaben infolge der Verbilligung von Brot, Kartoffeln und Gemüse

um rund 1 Prozent zuiückgegangen, dagegen haben sich die Wohnungsmieten und Ausgaben für Heizung und Beleuch­tung erhöht.

Teuerungszahlen in Württemberg. Im September war die teuerste Stadt von Württemberg Stuttgart mit 150,92. Dann folgen Ebingen mit 147,39, Gmünd mit 147,37, Ulm mit 145,86, Aalen 144,51, Göppingen 144,13, Friedrichs­hafen 144,02, Schwenningen 143,98, Tuttlingen 143,41, Heil­bronn 142,63, Tübingen 139,16.

Lebensmittelpreise. Die Markt- und Ladenpreise und ebenso die Konsumvereinspreise haben sich in der Zeit vorn 1. Juli d. I. bis 1. September nur wenig verändert. Eine merkliche Aufwärtsbewegung zeigen nach den Mitteilungen des Württ. Stat. Landesamts nur Schweinepreise um 12 o. H., Butter um 19 v. 5)., Schweineschmalz um 16,7 v H., Schweizerkäse um 10 v. H. Gegen den Stand am 1. .Septem­ber 1924 sind die Preise vom 1. September 1925 zumeist höher, teilweise sogar beträchtlich, so in Kalbfleisch um 40 v. H. Gegen den Vorkriesstand (Sept. 1913) sind die Preise am 1. Sept. d. I. in sämtlichen Lebensmitteln höher. Die Brot­preise in Stuttgart sind sei: der letzten Brotpreiserhöh-mg een 6. Oktober 1924 die gleichen geblieben, trotzdem die Mehl­preise mannigfache Schwankungen durchgemacht haben. Im Unterschied zu der trotz der Schwankungen des Mehlpreises wahrzunehmenden Beständigkeit des Brotpreises haben sich oie Schwankungen in den Viehpreisen regelmäßig auch in den Fleischpreisen ausgewirkt. In dem gleichen Zeit raum, in dem der Brotpreis völlig unverändert geblieben ist, nämlich seit Oktober v. I., haben die Flsischpreise 25mal eine Ver­änderung erfahren. Wie beim Verhältnis vom Brotp'eis zum Mehlpreis ist auch hier zu beachten, daß die Erzeugungs­kosten des Metzgereigewerbes heute wesentlich höher sind als zur Vorkriegszeit. Wenn trotz des weiteren Ansteigens der Schweinepreise im Lauf des Monats September d. I. eine Erhöhung der Schweinefleischpreise noch nicht eingetreten ist, so mag dies seinen Grund vielleicht darin haben, daß die Metzger von einer weiteren Preiserhöhung eine Einschmn- kung des Verbrauchs in Schweinefleisch befürchten.

Nach der heute geltenden Besaldungsordnung sind nach der Statistik die Gehaltsbemge eines Unterbeamten in Gruppe 2 gegenüber der Vorkriegszeit um 19,7 v. H. höher, eines mittleren Beamten in Gruvve 7 um 34,1 v. H. höher und eines höheren Beamten in Gruppe 12 um 11,9 o. H. höher.

Der landwirtschaftliche Anbau in Württemberg im Jahr 1635. Die gesamte landwirtschaftlich benutzte Fläche lohne Gartenland) beträgt nach den Mitteilungen des Württ. Stat. Landesamts 1 183 027 Hektar gegen 1 182 520 Hektar im Jahr 1924, und zwar entfallen im Jahr 1925 auf angebautes Ackerland 59,53 v. H., Schwarzbrache 1,79 v. H., Ackerweide 0,48, Wiesen 33,03, Viehweiden 4,11 und Weinberge 1,03 v. H. Die Veränderungen gegen das Vorjahr sind unwesent­lich. Es zeigt sich eine Abnahme der Fläche der Schwarz­brache um 4,9 v. H., der Ackerweide um 5,9 v. H., der Vieh­weide um 0,4 v. H., der Weinberge um 0,7 v. H. und des anaebauten Ackerlands um 0,003 v. H., dagegen eine Zu­nahme der Wiesen. Unter den einzelnen anqebauten Acker­früchten steht wiederum an erster Stelle der Hafer mit einem Anteil an der gesamten angebanten Ackerfläche von 14,68 v. H.t es folgen Gerste /Winter- und Sammerfrucht) 13,97 v. H., Klee 12.69 v. H., Weizen 11,82 v. H., Kartoffeln 11.59 v. Dinkel 10,09 n. H., insgesamt nehmen diese 6 Früchte 74 84 v. H., also fest drei Viertel der gesamten angebauten Ackerfläche ein.

Viehlieferunnen an T^ankreick. Durch einige Aufkäufe von Vieh, Schafe und Pferden für Frankreich ist die Be­fürchtung erweckt worden, daß die Beitreibungen von Vieh, wie sie in den Jahren 1920 bis 1922 durchqeführt wurden, wieder aufleben könnten. Demgegenüber wird mitgeteilt, daß im Londoner Abkommen über den Dawesvlan Frankreich allerdings das Reckt z'-osstanden worden ist, gewisse Vieh- menaen die Höchst?--!-! wird jeweils für den Zeitraum von 18 Monaten durch Vereinbarung festgesetzt auf Ent­schädigungsrechnung zu beziehen. Die Aufkäufe werden aber nicht mehr von i>--end einer deutschen Kommission getätigt, sondern durch Frankreick bezw. dessen Beauftragte i m freien Verkehr vollzogen. Die Vereinbarung über Preise, Abnahme und B-mhluvq erfolgt ausschließlich zwischen den beteiligten V-' mtversonen ohne jede amtliche Mitwirkung. Das Reich üb--nimmt keine Bürgschaft, auch nicht für die Bezahlung auf Entschädigungsrechnung.

Ergebnisse der HeilanstMsstaiWk in Württemberg non 1K701924. Die Zahl der allgemeinen Krankenhäuser Öffentliche, sowie private mit mehr als 11 Betten) bat sich in Württemberg im llahre 1924 auf W6 belaufen. Gegen­über 1920 mit 160 Krankenhäusern ist sie nur unwesentlich, um 3,7 o. H., gestiegen. Größer war die Vermehrung von

auf 12 482, also um 7 v. H., stieg. Verhältnismäßig stärker ist bei den Entbindungsanstalten: ihre Zahl er­höhte sich von 8 auf 14, ihre Bettenzahl von 344 auf 408 Dagegen zeigen die Irren- und Augenkliniken nach beiden Richtungen eine Abnahme. Die Zahl der verpflegten Kranken erhöhte sich bei den allgemeinen Krankenhäusern von 90 855 im Jahr 1920 auf 92 608 im Jahre 1924; bei den Cntüin- dungsanstalten von 4060 auf 4895: sie ermäßigte sich bei den Irrenanstalten von 10 704 auf 10 650, bei den Auqenheil- anstalten von 3315 auf 2983.

Die Zahl der nichtschulfähigen Kinder in Württemberg

betrug nach Mitteilungen des Statistischen Landesamts im Lahr 1924 627 (im Jahr 1919 563), darunter befinden sich Schwachsinnige 464 (i. 5. 1919 423), Krüppelhafte 83 (63), Epileptische 39 (38), Taubstumme 34 (32), Blinde 8 (7).

1. Winkerausgabe 1925/26 des Reichskursbuchs. Die 1. Winterausgabe 1925/26 sowie die Sonderausgaben der drei ersten Teile des Reichs-Kursbuchs, enthaltend die zahlreichen Aenderunaen des Winterfahrplans 1925/26, sind soeben er­schienen. Die infolge des Buchdruckerstreiks verspätet ein- regangenen Winterfahrpläne Belgiens sind in den Nachtrag rufgenommen worden. Der Verkaufspreis, für ein Reichs- Kursbuch beträgt 6.50 RM. für ein Stück.

Dildpostkarten. Zu dem Vertrieb von Bildpostkarten durch die Reichspost, wovon wir kürzlich berichteten, wird uns mit- reteilt, daß Aufträge zur Herstellung solcher Karten von der Deutschen Reichspostreklame G.m.b.H. (für Württemberg: Stuttgart, Kronenstraße 33) entgegengenommen werden.

Einstellung des württ. Luftverkehrs im Winter. Mit den gegenwärtig dem deutschen Luftverkehr gestatteten Flug­zeugen ist es nicht möglich, allerorts den Luftverkehr im Winter mit einiger Regelmäßigkeit aufrechtzuerhalten. Der Verkehr wird daher in Württemberg während der Winter­monate eingestellt. Bis 31. Oktober wird mir noch die Linie München-Stuttgart-Mannheim geflogen.

Kraftwaaenbestand in Württemberg. Wie das Württ. Stat. Landesamt berichtet, ist nach der Bestandsaufnahme am 1. Juli 1925 die Zahl der in Württemberg zugelassenen Kraftfahrzeuge aller Art gegenüber dem gleichen Stichtag des Vorjahres von 10 575 auf 17 052, also um 6477 61,2 v. H. gestiegen. Die größte Zunahme zeigen die Krafträder (2608 67 v. H.), die kleinste die Lastkraftwagen (1054

53,5 v. H.). Bei den Personenkraftwagen war sie 2511

59,9 v. H. Im Jahr 1925 kam auf je 152 Einwohner 1 Kraftfahrzeug, im Vorjahr auf je 238, 1923 auf je 310 und im Jahr 1914 erst auf je 615 Einwohner. Stuttgart steht mit 4864 obenan, dann folgen die Bezirke Heilbronn 754, Ulm 562, Reutlingen 540, Balingen 437, Ravensburg 436, Göppingen 431, Ludwigsburg 448, Tettnang 403, Eß­lingen 373, Rottweil 354. Mit den kleinsten .Fahlen erschei­nen Neresheim 49, Weinsberg 53 und Sulz 57. Unter den P.'rsonenkrafüLagen wird den leichtesten Bauarten der Vor­zug gegeben. Die kleinen Wagen bis zu 10 PS. machen 79,7 v. H. aus. In den letzten 11 Jahren ergibt sich für S nttoart eine ungeheuerliche Zunahme (Uerfünffackung) der Kraftfahrzeuge und eine erhebliche Abnahme der Pferde im Vergleich zur Menschenzunahme. Die Zahl der Per- fonenkraftwaaen allein hat in Stnttaart die Zahl der Pferde übertroffen. Das Pferd ist zwar nicht verdrängt, aber doch in den Hintergrund gedrängt. Aehnliche Erscheinungen zeigen sich auch in anderen Großstädten. Anders ist das Ergebnis in Württemberg im Ganzen, wo trotz der stetigen und starken Zunahme der Kraftfahrzeuge der Pferdebestand, wenn auch nur unerheblich, zugenommen hat-

Auswanderung aus Württemberg 19201925. Nach der Reichsstatistik betrug die überseeische Auswanderung ans Württemberg im Jahr 1920 14 Personen, 192! 919, 1922 2441, 1923 12 706 und 1924 5061; im ersten Halbjahr 1925 1343. Nach einer württ. Statistik betrug die Auswanderung aus Württemberg einschließlich der europäischen Binnen­wanderung im Jahr 1920 1869, 1921 1490, 1922 3118, 1923 15 450, 1924 7497 und im ersten Halbjahr 1925 866.

Karlsruhe, 1. Okt. Der 26 Jahre slte L. W. Hattemer wurde vom Großen Schöffengericht wegen betrügerischen Bankrotts zu 1 Jahr 6 Monaten Gefängnis sowie 100 Mk. Geldstrafe verurteilt. Er hatte nach dem Krieg die Tech­nische Hochschule bezogen und einen Schleichhandel mit Sal- varsan und Morphium getrieben. Später gründete er mit einem Gefährten eine Firma, die sich mit der Vertretung neuerfundener Maschinen befaßte. Er nahm Vorauszah­lungen aus die bestellten Maschinen an, die Lieferung blieb aber aus. Die Firma konnte sich schließlich nicht llknger

Die Referendarm.

Roman von Carl Busse.

W (Nachdruck verboten.)

Als sie ruhiger geworden war, wanderte sie um den Tisch. Als müsse sie so Meilen um Meilen machen, ging sie um das alte Möbel herum.

Das also war das Ende? So war die letzte Aus­sprache, nach der sie sich gesehnt halte, ausgefallen?

Sie hatte geglaubt, sie würde in furchtbarstem Jam­mer rasen, weinen, schreien. Aber die Verzweiflung lähmte ihre Kräfte. Sie schleppte sich immer mir mn den Tisch. Sie war nur todesniatt, wie zerbrochen und zer­schlagen. Und in ihren dumpfen Schmerz mischte sich das leise Staunen, daß zwei, die sich geliebt, sich über eine kleine Veile so fremd werden konnten. Daß sie keine Worte mehr füreinander gehabt, die des andern Herz gefunden hätten.

So gingen die Tage, die heißen und die kühlen, bis das Regenwetter kam und eintöniges Plätschern die Stun­den füllte.

- Die Dumpfheit wich nicht von ihr. Aber eS war ein Warten in ihr wie zu jener Zeit nach dem Pogelschuß. Nicht eigentlich Hoffnung hegte sie mehr. Sie wußte, daß es zu Ende war. Doch diese furchtbare Stunde im Walde konnte das Ende nicht sein. Es mußte noch ein Schluß­punkt kommen, ein ein

° Ach, sie wußte selber nicht was. Aber doch irgend etwas, das den letzten schrecklichen Eindruck aufhob und milderte.

Und in das törichte Herz schlich sich doch zu all dem dumpfen Warten ein letztes Hoifnungsfünkchen. Es war ganz bescheiden und versteckte sich in einem Winkel es wartete auch, ob nicht etwas käme, das es anfochte zur Flamme oder ganz ausbliese.

In dieser Dumpfheit saß Jule Fischer in dem kleinen Raum und horchte auf das Rauschen des Regens. Bei dem schlechten Wetter kanien wenige Kunden. Wenn Peter heute in den Laden träte, hätten sie Zeit. Niemand würde sie stören.

Mit einem Male horchte sie auf. Durch den Flur kam ein heimlicher, zögernder Schritt. Vor der kleinen Tür blieb jemand stehen.

Sie erhob sich. Ihr Herz setzte aus. Als kämm ihr Blick durch das Holz dringen, sah sie nach der Tür.

Und jetzt klopfte es leise.

Heiß und kalt wurde ihr. Mit fiebernden Händen - strich sie rechts und links das Haar glatt.

Ich komme", sagte sie halblaut, zitternd.

Sis trat leise auf, der Schlüssel knirschte im Schloß, sie öffnete.

Einen Moment stand sie wie betäubt, als hätte sie einen Schlag empfangen.

Vor ihr stand, mit dem scharfen, zerknitterten Gesicht, das Katzenluischen. Sie hatte eine traurige Miene auf­gesetzt, aber stärker noch als sonst brach die triumphierende Freude durch.

Mein liebes Fräulein Fischer, ich komme zu Ihnen aus echtem Mitgefühl ... ich"

Bei den ersten Worten löste sich Jules Erstarrung. Sic schrie kurz auf.

Ich Hab' nichts mit Ihnen zu reden! Gehen Sie!"'

Und ungestüm drängte sie die dürre und lebhaft prote­stierende Person von der Schwelle, warf ihr krachend die Tür vor der Nase zu, schloß ab.

Als wäre damit ihre Kraft erschöpft, blieb sie mit ge­schlossenen Augen hinter der Tür stehen.

Sie hörte draußen murmeln, schelten. bölmisch lachen. Sie griff sich einmal ans Herz.

Dann entfernten sich die Schritte.

Einen Augenblick noch stand In unbeweglich. Fast taumelnd ging sie dann zu dem Kanapee, warf sich lang darauf hin und stöhnte.

Nicht weinen", sagte sie sich selbst immer vor,nicht weinen! Es kann ja ... eip Kunde kbmmen!"

Das Katzenluischen war bei ihr gewesen! Wie bei Trude Gerlach. Das Katzenluischen roch den Jammer. Und wie es zwischen Trude Gerlach und dem jungen Schubringk aus gewesen war, so war es nun aus zwischen Peter und ihr.

Aber sie wollte sich nicht bemitleiden, nicht verhöhnen lassen! Sie wollte nicht ... sie wollte nicht!

Woher wußte dies: Person überhaupt, daß es schon so weit war? Daß sie schon triumphieren konnte?

Der Alte kam, In abzulösen. Sie ging nach Hause. Sie berührte das Essen nicht.

War ihr Unglück schon so ganz gewiß? dachte sie immer wieder. War es schon so stadtbekannt?

Das Hoffnungsfünkchen in ihrem Herzen war im Ver- Aimmen Es quälte sich zu Ende.

Vor ihr, wie der Vater sie hingelegt, lag die Zeitung. DerGroßkirchener Anzeiger". Mechanisch irrten ihre Augen über die Lokalnachrichten.

Plötzlich ging ein Ruck durch ihren Körper. Sie beugte sich vor. Sie buchstabierte. Sie las:Wie wir erfahren, ist der bisher am hiesigen Amtsgericht tätig gewesene Re­ferendar Körner dem Amtsgericht zu Blankensee zwecks weiterer Beschäftigung überwiesen worden."

Sie las es dreimal, als ob es nicht in ihren Kopf ginge. Sie stand auf. Ihre Arme hingen schlaff herab. Ihre Augen wurden großer und größer.

Deshalb also kam das Katzenluischen!

lTsrtsetzir«« fol-l-i