(Enztalbote)

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Nummer 126

Fernruf 179

Wrldbad, Mittwoch, den 3. Juni 1925

Fernruf 179

60. Jahrgang

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Und deswegen wird die Kölner Zone seit fünf Mo­naten nicht geräumt I Da hört sich doch alles auf. Wahr­lich, wir müssen uns schrecklich viel gefallen lassen. Man tritt auf uns herum und wirft mit Ausreden, wie mit faulen Eiern um sich.

Frankreichs Außenminister Briand hat nämlich im Senat mit dürren Worten erklärt: die deutschen Verfeh­lungen seien zwar,einzeln für sich genommen", nicht schwerwiegend. Wenn man sie aber alle zusammen nehme und dabei erwäge, von welchemGeist" sie getragen seien, dann überkomme Frankreich einkleiner Schauer der Be­unruhigung."

Also keingroßer Schauer!" Aber immerhin ein kleiner". Armes Frankreich! Dasselbe Frankreich, das bei 39,2 Millionen Einwohnern eine Heeresmacht hält, die größer ist, als sie die zehn Staaten Deutschland, Oester­reich, Ungarn, Bulgarien, Italien, Niederlande, Schweden, Finnland und Litauen zusammen bei einer Bevölkerung von 161,8 Millionen Menschen halten können. Ganz zu schwei­gen von den Heeren, welche tm Ernstfall vertragsmäßig Belgien, Polen, die Tschecho-Slooakei, Südslaoien und Ru­mänien für Frankreich aufbringen müssen.

Deutschland kann sich wirklich etwas einbilden. So sehr fürchtet also Frankreich mit seinen 40 Millionen das zer­kleinerte Deutschland mit seinen 60 Millionen, daß es keine Ruhe mehr hat bei Tag und Nacht, daß es vielmehr weh- und demütig nachSicherheit", nachMilitärüberwachung", nachEntmilitarisierung der Rheinzone", und weiß Gott nach welchen weiteren Schutzmaßnahmen gegen das ge­fährliche, rachesüchtige und angriffslustige Deutschland schreit und in seiner lächerlichenBeunruhigung" um den Beistand der Verbündeten, ganz besonders Englands buhlt.

Worin aber eigentlich dieseVerfehlungen" bestehen, das wissen wir bis zur Stunde nicht. Reichswehrminister Dr. Geßlerhat sie im Reichstag in glaubwürdiger Weise bestritten, und dabei den Standpunkt vertreten, daß wir eine Reichswehr brauchen und halten, um im Notfall unsere Heimat vor lieber- und Einfällen zu schützen, und daß wir die« nur innerhalb des Rahmens tun, den der Versailler Vertrag vorgeschrieben hat, nicht mehr und nicht weniger. Aber die Ueberwachungskommission weiß es besser. Es sollen ja eine Unmenge von Verfehlungen sein, so viel, daß sie auf keiner Kuhhaut Platz fänden, große und kleine und ganz kleine, so viel Seiten Bericht, daß man sie unmöglich veröffentlichen kann, wenn man nicht Gefahr laufen will, daß die Welt sie nicht versteht, daß sie Nebensächlichliches nicht von Wichtigem-unterscheidet. Kurz, man scheut sich, den Bericht zu veröffentlichen, weil man sich mit demselben vor aller Welt blamieren würde.

Einiaes aber kann man jetzt schon wenigstens mittelbar und folgerungsweise, ahnen, nämlich aus den Forderungen derE n t w a f f n u n g s n o t e", die in der Pfingstwoche in Berlin übergeben werden soll. DerDaily Tele­graph" in London teilt aus dieser Note 9 Forderungen mit. Hiernach gäbe es Sektionen im Reichswehrmini­sterium, welche mit ihren vielen und allzuvielen Stabs­offizieren die Geschäfte des ehemaligen, bekanntlich durch den Versailler Vertrag verbotenen Großen General­stabs insgeheim besorgten. Es würden mehr Mannschaf- sim, namentlich auch an Irregulären eingestellt, als zuWsig sei. Es gäbe viele geheimen militärischen Organisationen und die anderen Universitäts- und Jugendvereine würden von Offizieren und Unteroffizieren regelrecht militärisch ausgebildet. Noch seien nicht alle Dokumente, die sich auf Mobilisierung und militärische Operationen beziehen, restlos ausgeliesert. Die Sicher­heitspolizei sei militarisiert und zentralisiert. Die «estungsgeschütze seien beweglich, statt fest eingebaut. Noch seien Maschinen in Fabriken, besonders bei Krupp und in Spandau, die nicht auf reine Friedenszwecke eingestellt seien und a. m.

Das sind etwa unsereVerfehlungen". Und um dieser Bagatelle willen verweigern die Verbündeten die vertrags­mäßige Freigabe der Kölner Zone und ziehen uns fünf Monate an der Nase herum. Minister Stresemann hatte recht: Es ist schwer, keine Satire darüber zu schreiben.

I I.

Neue Nachrichten

Mitzkrauensankrag gegen den Reichsrvehrminisker Berlin, 2. Juni. In Reichstagskreisen verlautet, daß dis Kommunisten und die Deutschvölkischen für den sozialdemo­kratischen Mißtrauensantrag gegen den Reichswehrminifter Dr. Gehler stimmen werden.

' Wirtschaftslage und Dawesplan

Berlin, 2. Juni. Einem Vertreter des MailänderEor- ckiere della Sera" gegenüber äußerte sich der Generalagent

Tagesspiegel

Das Reichskabinett wird sofort nach Eingang der Enk- waffnungsnote zu einer Beratung zusammentreken. Der PariserTemps" und die Londoner «Times" melden gleich­zeitig, es gebe für die deutsche Regierung keine lange Er­wägung und Verhandlung, sondern nur ein einfaches 3a oder Nein. Innerhalb der nächsten 14 Tage soll nach HavaS auch die Sicherheilsnoke nach Berlin abgehen.

Rach einer Londoner Meldung hak Lhamberlain Frank­reich ein 3 »jähriges Sicherheitsbündnis angeboten, das Eng­land verpflichtete, den Franzosen mit Waffen beizustehen, wenn sie innerhalb dieser Frist von Deutschland angegriffen würden. Zn einem deutsch-polnischen Kampf könne England nur den Friedensvermittler spielen. Wenn Frankreich seinen Verbündeten im Osten zu Hilfe eilen mühte, so würde es berechtigt sein, durch dasentmilitarisierte" Rheinland gegen Deutschland zu marschieren, deutsche Truppen dürfen jedoch dieses Gebiet nicht betreten.

Londoner Blätter stellen mit Befriedigung fest, daß die Einigkeit zwischen England und Frankreich wiederher­gestellt sei.

Die französischen Kriegsberichte aus Marokko melden weitere Angriffe der Rifkabylen, die von den Franzosen mit der bekannten Tapferkeit zurückgeschlagen woroen seien. An der Front sollen nach der Pariserhumanste" 150 000 Franzosen mit 40 Panzerautos, 85 Artilleriekanks und einer großen Artillerie stehen. And dazu brauchen sie noch die spanische Hilfe!

In Washington wird behauptet, Präsident Coolidge wolle die Kriegsschuldenfrage womöglich ohne das Parla­ment erledigen, da es hiezu unfähig fei und scharfmachende Reden die Angelegenheit verderben könnten.

Parker Gilbert, wenn die Durchführung des Dawespians gefährdet sein sollte, dann würde es nicht an der Reichs­regierung liegen, sondern an dem Rückgang der deutschen Wirtschaft.

Grundsteinlegung für ein Schlageker-Denkmal Schönau im Wiesental, 2. Juni. Hier, in der Heimat- gemeinde des im Zusammenhang mit dem Auhreinbruch am 26. 5. 1923 von den Franzosen in Düsseldorf standrecht­lich erschossenen Albert Leo Schlageter fand gestern auf dem Löhberg die Grundsteinlegung für ein Schlageker-Denkmal statt, das von den vaterländischen Verbänden gestiftet wor­den ist. Der Feier wohnten über 5000 Angehörige vater­ländischer Verbände aus allen Testen des Reichs bei.

Doumergue und Painlevtz im Elsaß

Ltraßburg i. E., 2. Juni. Staatspräsident Doumer­gue machte in Begleitung des Erstministers Painlevl und anderer Minister einen Besuch in Elsaß-Loth­ringen. Bei einem Festmahl im Straßburger Rathaus sagte Doumergue in einer Rede, man würde es Frankreich mit Recht zum Vorwurf machen, wenn es sich nicht sehr vor­sichtig zeigte, solange es keine ernsten Bürgschaften für sein« Sicherheit habe, auf die es immer noch warte. ^

Painleve sprach auf einem vom Generalrat des Departements Niederrhein" gegebenen Essen: 54 Jahr sei Elsaß-Lothringen ein-em übermächtigen Reich anaegliedert gewesen, das ihm Manchmal brutale, aber praktische Ver­waltungsmaßregeln aufgezwungen habe. Aber das Herz des Landes habe die Wiedervereinigung mit Frankreich verlangt. Die französische Regierung werde einen beratenden Ausschuß aus allen Parteien des Landes einsetzen, der bei allen das Land betreffenden Angelegenheiten gehört werden solle. Nie­mals habe Frankreich der Welt den Schrecken eines Kriegs aufgezwungen (I), es wolle nur ein guter Arbeiter für einen guten Frieden sein, damit es keine Unterdrücker und keine Unterdrückte mehr gebe. Die deutsch-französische Grenz­linie solle keine stetig bedrohte bleiben.

Die Pariser Blätter der Rechten spenden der Rede Pain- lev^s großen Beifall.

Erzbischof Ruch von Straßburg hak nach dem .In- kransigeant" wohl dem Empfang des Präsidenten Dou­mergue angewohnt, dann aber den Präsidenten nicht bei sich empfangen. Die Verweigerung des Empfangs ist wohl nicht darauf zurückzuführen, daß Doumergue Pro­testant ist, sondern - auf den bekannten Schulstreit und die Frage der vatikanischen Botschaft.

Die Enkwaffnungsforderungen

Paris, 2. Juni. Die Blätter wissen aus der Note des Botschafterraks, die am Mittwoch in Berlin übergeben werden soll, folgende Bedingungen zu melden:

1. Auflösung des großen Generalskabes; 2. Umwandlung der Fabriken, die wahrscheinlich Kriegsmaterial erzeugten, in Fabriken für Friedenswerke; 3. Umstellung der Polizei,

damit diese ihren militärischen Charakter verliere: 4. Ein­stellung der Ausbildung von Freiwilligen in der Reichswehr und in den unregelmäßigen Organisationen; 5. Beschluß­fassung neuer Gesetze durch den Deutschen Reichstag, die gestatten würden, die Abrüstungsbestimmungen des Verfall-, ler Vertrags durchzuführen.

Erst nach Erfüllung dieser Bedingungen soll das Kölner Gebiet, geräumt werden. .-1

Deutschland nachgiebig bis zum Aeußersien

London, 2. Juni. DerDaily Telegraph" meldet aus Berlin, die Reichsregierung werde die Entwaffnungsbean­standungen zum Teil ohne weiteres annehmen, wie die Auf­lösung des sogenannten Generalstabs und die vorüber­gehende Einstellung von Zeitfreiwilligen in die Reichswehr. Bei anderen Punkten, die gar nicht vorhanden seien, hoffe sie durch Verhandlungen eine Aenderung und Verständi­gung herbeiführen zu können. Die Entmilitarisierung der grünen Polizei und deren Unterbringung in Privatquartiere wie die Zerstörung der Kruppwerke u. a. sei aber unmöglich, wenn das Reich nicht.in Fällen von Unruhen und Aufstän­den in die größte Gefahr kommen sollte.

Baldwin über die Teuerung in England

London, 2. Juni. Vor dem Schloß des Herzogs von Portland hielt gestern Erstminister Baldwin an eine Menschenmenge, die auf 50 000 (!) Personen geschätzt wurde, eine Ansprache über die soziale Versicherung und den Kampf der Regierung gegen die Lebensmittelteuerung. Wenn die Teurung nicht mit andern Mitteln zu bekämpfen sein sollte, so werde der neue einzusetzende Ernährungsrat vom Parla­ment mit außerordentlichen Vollmachten auszustatten sein. ^

Indien geht vor Polen

Paris, 2. Juni. Senator de Iouvenel, der kürzlich in einem Sonderauftrag nach London gesandt worden war, teilt imMatin" über feine Reise mit, er habe den Eng­ländern nachzuweifen versucht, daß Frankreich 1919 nur deshalb auf den Rat des Marschalls Fo ch, das ganze linke Rheinufer Frankreich einzuverleiben, verzichtet habe, weil England (Lloyd George) ihm ein Bündnis gegen Deutsch­land zugesagt habe, das es jetzt ablehne, weil es sich viel mehr um den Weg nach Indien kümmere als um Polen.

Die Spanier kommen den Franzosen zu Hilfe

Madrid, 2. Juni. General Primo de Rivera sagte in einer Ansprache an das Offizierkorps in Valencia, jetzt sei der Augenblick gekommen, mit der marokkanischen Frage zu Ende zu kommen. Es bestehe die Aussicht, daß in kurzer Zeit die ganze marokkanische Nordküste im sicheren Besitz Spaniens sein werde. Die Regierung werde vom Land Opfer fordern.

Anruhen in Schanghai

London, 2. Juni. In Schanghai sind wieder schwere Unruhen ausgebrochen, die durch den Streik der durch rus­sische Kommunisten aufgereizten japanischen Baumwoll- arbeiter verursacht worden sind. Am 30. und 31. Mai, so­wie am 1. Juni kam es zu blutigen Zusammenstößen. Die Polizei hat Freiwillige zu Pferde aufgeboten und Panzer­autos in den Dienst gestellt. Kriegsschiffe zum Schutz der Fremden werden erwartet. Auch die chinesischen Arbeiter haben den Streik erklärt. In den Straßenkämpfen gab es, soviel bis jetzt bekannt, 18 Tote und 60 Verwundete. Eu­ropäer wurden nicht verletzt. Eine Versammlung chinesischer Studenten und Arbeiter verlangte den Boykott fremder Banken^ Annahmeverweigerung fremder Banknoten, Usber- gabe der Polizeiverwaltung an die Chinesen, Zurückziehung der fremden Kriegsschiffe aus .Hang-How, Entschädigung der Toten und Verletzten. Mehrere Kommunisten aus Ruß­land wurden verhaftet.

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Stuttgart, 2. Juni. Verdächtigungen des Staatspräsidenten. Von zuständiger Seite wird uns geschrieben: In einem Teil der Presse wird die Be­hauptung verbreitet, Staatspräsident Bazille nehme in der Aufwertungsfrage und in der Frage des deutsch-spani­schen Handelsvertrags eine zwiespältige Haltung ein. Diese Verdächtigungen entsprechen nicht der Wahrheit. Staats­präsident Bazille hat in der Aufwertungsfrage das bekannte Kompromiß bekämpft und stimmt chm weder in seiner Ei­genschaft als Staatspräsident noch als Reichstagsabgeord­neter zu. Ebenso hat er dem deutsch-spanischen Handels­vertrag in keiner Form zugestimmt. Die Behauptung der Schwäb. Tagwacht", er habe für den Paragraph 1 ge­stimmt, ist unwahr. . ' >!

Angesteklkenversicherung. Am Dienstag, 26. Mai, fand hier eine Bezirkstagung der Württ. Ortsausschüsse der Auge-, stelltenversicherung statt. Präsident Dr. von Olshausen vom Direktorium der ReichsversiKerungtzairstalt behandelt « .Li«

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