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Nummer 67 Fernruf 179 Wildbad, Samstag, den 21. März 1925 Fernruf 179 6V. Jahrgang
Politische Wochenschau
Cs gehört nicht zu den angenehmsten Obliegenheiten des Zeitungsmannes von Geschmack, sich mit Wahlangelegenheiten beschäftigen zu müssen. Das gilt schon für die heutigen Parlamentswahlen, obwohl da die Abgeordneten nicht mehr als Personen, sondern nur noch Parteilisten gewählt werden und sich der Wahlkampf demgemäß immerhin auf überpersönlichem Gebiet abspielt. Die Wahl des Reichspräsidenten ist aber überwiegend eine Personenfrage, und daran ändert es wenig, wenn die bevorsiehnde Wahl hoch mehr zu einer Parteisache geworden ist, als wünschenswert wäre, Deutschland besitzt heute leider keinen Politiker, der dem ganzen Volk über die Parteien hinweg zwingend als das gegebene Reichsoberhaupt erscheinen könnte. So mußten sich di? Parteien auch dieser Wahl annehmen. Die Art, wie das geschehen ist, hat gezeigt, daß wir von einer Gesundung unseres Parteiwesens noch weit entfernt sind. Derselbe Parteihader, den wir von den Parlamentskrifen her kennen, bleibt uns auch bei der Präsidentenwahl nicht erspart. Nicht weniger als acht Kandidaten sind aufgestellt worden, weil sich die Parteien auf eine Einheitskandidatur nicht einigen konnten, trotzdem der erste Anlauf nicht ungünstig schien. Wir haben jetzt, nach ihrer zeitlichen Aufstellung aufgezählt, eine Kandidatur der Rechtsparteien und der wirtschaftlichen Gruppen, Dr. Jarres, zweitens eine Kandidatur der Kommunisten, Thälmann, drittens eine Kandidatur der Sozialdemokraten, Otto Braun, vrer- tns eine solche des Zentrums, Dr. Marx, fünftens die Kandidatur der Demokraten, Hellpach, sechstens die Kandidatur der Bayerischen Volkspartei, Dr. Held, siebentens die des Bayerischen Bauernbundes und der Deutsch-Hannoveraner, Dr- Fehr und zuletzt stellen die Nationalsozialistische Arbeiterpartei und die Deutschoölkischen die Kandidatur Ludendorff auf. Acht Kandidaten, das ist ein bißchen viel für neun Reichtstagsparteien.
Die Einheitskandidtur des Reichswehrministers Dr. Geßler, der der Demokratischen Partei angehört, schien wie gesagt, keine schlechten Aussichten zu haben, sie ist aber an dem Eingreifen des Reichsministers Strese- mann gescheitert. Die Zentrumspartei erkundigte sich bei Stresemann, was wohl das Ausland zu der Kandidatur des Reichswchrministers sagen würde. Stresemann beeilte sich, zu erklären, diese Kandidatur würde sicher im Ausland Verdächtigungen ausgesetzt sein. Die Auskunft ist für eine deutschen Reichsminister und Vorsitzenden einer nationalen Partei, der Deutschen Volkspartei, reichlich befremdend, denn die Präsidentenwahl ist schließlich doch eine rein innerdeutsche Angelegenheit. Einige wollen wissen, Stresemann fei dem Kollegen Geßler persönlich noch nie gewogen gewesen. Jedenfalls hat das Eingreifen Stresomanns in seiner eigenen Partei peinlich überrascht und ein angesehenes Mitglied der Reichstagsfraktion, Frau Abgeordnete von Oheimb ist darauf aus der Partei ausgetreten. Das Zentrum löste sich nun aber von der Kandidatur Geßler los und stellte Dr. Marx als eigenen Anwärter auf. Das war das Signal zur Abbröckelung. Die Bayerische Volkspartei folgte; die Wirtschaftliche Vereinigung, die sich aus der eigentlichen Wirtschaftspartei des deutschen Mittelstands, dem Bayerischen Bauernbund und den Deutsch-Hannoveranern zusammenfetzt, spaltete sich: die Wirtschaftspartei blieb mit Len Rechtsparteien und den übrigen Wirtschaftsgruppen bei der Sammelkandidatur Jarres, Bayerischer Bauernbund und Hannoveraner stellte den früheren Reichsernährungsminister Dr. Fe h r (B-Bd.) auf, und auch die Nationalsozialisten splitterten ab. Der einen überparteilichen Kandidatur Jarres stehen also sieben reine Parteikandidaturen gegenüber. Es ist somit ganz ausgeschlossen, daß der neue Reichspräsident schon aus der Wahl am 29. April hervorgehen könnte, die zweite Wahl am 26. April ist unvermeidlich geworden. Aber das wäre noch das Wenigste. Ein von allen Parteien gemeinsam aufgestellter, also überparteilicher Anwärter würde als Reichspräsident eine ganz andere Stellung einnehmen als der Anwärter einer einzelnen Partei oder einer bestimmten Richtung, denn dieser wird auch in dem obersten Reichsamt immer eine umstrittene Persönlichkeit sein. Reichspräsident Ebert mußte 143 Prozesse wegen Beleidigung führen; wie viele Prozesse wären es erst geworden, wenn er, im Besitz eines lebhafteren Temperaments, sich eine minder große Zurückhaltung im amtlichen und außeramtlichen Auftreten auferlegt hätte! Die Rücksicht auf die persönliche Stellung des Reichspräsidenten, die dem Parteigetriebe möglichst entrückt sein sollte, ist es nicht zum wenigsten, was «ine gemeinsame Kandidatur empfehlenswert erscheinen läßt.
Wie sich dis Verhältnisse für die zweite Wahl gestalten werden, ist noch nicht vorauszusehen. Das Wahlgesetz vom 25- Februar 1924 gestattet, daß im zweiten Wahlgang neue Anwärter aufgestellt werden. Sicher scheint aber zu sein, daß für den 26. April die Namen Jarres und Marx Wieder erscheinen werden. Wie sich aber die Parteien um
Taaessvieqel
Der Gesetzentwurf über die Aufwertung wird dem Reichstag im Lauf der nächsten Woche zugehen.
Die Reichsbahngesellschaft hak den Schiedsspruch angenommen.
Die am Eisenbahnerstreik beteiligten Gewerkschaften haben sich der Verbindlichkeikserklärung des Schiedsspruchs gefügt. Diejenigen Arbeiter» die weiter streiken, sollen keine Gewerkschaftsunterstühung mehr erhalten.
Der Wetallarbeiterstreik im Bezirk Turin ist beendet.
Lord Eurzon ist gestorben.
Der tschechische Außenminister Benesch ist wieder in Paris eingetrofsen.
Die englische und die französische Regierung sind nunmehr übereingekommen, der deutschen Reichsregierung den Bericht der Ueberwachurigskommission nicht vollständig miizuteilen.
Das finnische Kabinett Jngman (agrarisch) ist zurück- geccelLN.
Der amerikanische Vizepräsident Dawes, der in seiner ersten amtlichen Rede schon den Senat angegriffen hatte, beabsichtigt nach dem „Reuyork Herald", den Senat und seine Befugnisse gänzlich umzugestalien. Die Meldung erregt in Washington großes Aufsehen.
diese Namen gruppieren werden — die Kommunisten werden natürlich an ihrem Anwärter Thälmann festhalten — darüber kann man nur Vermutungen aufstellen: vielleicht wird sich die sogenannte Weimarer Koalition d. h. Zentrum, Demokraten und Sozialdemokraten wieder auf der Seite Marxens vereinigen. Dahin gehende Vereinbarungen sollen nach dem nicht nachprüfbaren Bericht einer Berliner Korrespondenz getroffen oder vorgesehen sein. Dr. Marx hat ja nun auf die M i,ni st e r p r 8 s i d e n sch a f t in Preußen verzichtet und den Auftrag zur Kabinettsbildung zurückgegeben. Mit der knappen Mehrheit von einer Stimme, die nicht einmal vorhanden ist, wenn der Landtag vollzählig beisammen ist, läßt sich eben parlamentarisch nicht regieren. Den Stein des Anstoßes, den sozialdemokratischen Innenminister Severing, konnte oder mochte Marx nicht aufgeben und unter diesen Umständen war eine Verbreiterung der Regierungsgrundlage ein Ding der Unmöglichkeit. Der Landtag hat nun zum vierten Mal in sechs Wochen einen Ministerpräsidenten zu wählen und dann geht der Tanz ums Kabinett aufs neue an. Man spricht davon, daß ein vorläufiges Beamtenkwbinett gebildet werden solle, aber da setzt gleich wieder der Streit um das Innenministerium ein, und am Ende wird doch nichts anderes übrig bleiben» als den Landtag aufzulöfen und die Wähler sprechen zu lassen. Für die Reichspräsidentenwahl aber hat Dr. Marx freiere Hand bekommen; vielleicht wäre es für ihn und für die Klärung der Verhältnisse, wenn er schon die Anwartschaft auf die Reichspräsidentschaft aufrechterhalten wollte, vorteilhafter gewesen, wenn er sich zu dem Schritt früher entschlossen hätte, der doch nicht zu umgehen war.
Die 33. Tagung des Völkerbundsrats in Genf ist rascher zu Ende gegangen, als man erwartet hatte. Der Grund liegt in der unerwarteten Schärfe, mit der die neue englische Regierung durch den Mund des Außenministers Chamberlain das sogenannte Genfer Protokoll abgelehnt hat. Es soll eine Auslegung und Erweiterung der Artikel 16 und 17 der Völkerbundssatzung sein und zugleich in diese den S ch i e d s g e r i ch t s g e da n ke n einstigen. Wenn ein Krieg auszubrechen drohte, sollte der Völkerbund die Beteiligten vor ein Schiedsgericht laden, das den Schuldigen festzustellen hätte; gegen dm als-Schuldigen erklärten Staat oder gegen den, der sich dem Gericht nicht stellte, sollten die bei Frankreich so beliebten Sanktionen in Kraft treten. England hatte vor allem zwei Bedenken: Es könnte der Fall eintreten, daß England gegen Amerika eingreifen müßte, wenn dieses etwa in einem Streit mit Japan oder einem südamerikanischen Staat ins Unrecht gesetzt würde; oder aber, eine englische Kolonie könnte aus demselben Grund durch Schiedsgericht verurteilt werden. England will aber unbedingt Herr im eigenen Haufe bleiben, ob es recht oder unrecht hat. Erst dann kommt der Völkerbund. Deshalb vertritt es gegenüber dom allgemeinen Protokoll das System der engbegrenzten örtlichen Sicherheitsverträge, in denen man die Möglichkeiten und Verpflichtungen genau übersieht, im besonderen den Westvertrag zwischen England, Frankreich und Belgien zur Verteidigung der im Vertrag von Versailles geschaffenen Grenzen. Und es ist besonders befriedigt, weil der freiwillige Beitritt Deutschlands diesem Vertrag die Spitze gegen Deutsch, land nimmt. Da die Durchsetzung dieses Bündnisgedankens in Genf aber nicht beschlossen werden konnte, war der Hauptpunkt rasch erledigt.
Alles übrige ging schnell. Man erteilte Oesterreich eine
Rüge, weil es die „Gesundungsbeschlüsse" nicht restlos durchgeführt habe. Den Postkastenstreit zwischen Danzig und den Polen verwies man an ein Schiedsgericht. Der Franzose Rauft wurde trotz des Widerspruchs der Saarbevölkerung für ein weiteres Jahr als Vorsitzender der Saarkommission bestätigt, weil man in einer „Nebensache" Frankreich nicht vor den Kopf stoßen wollte. Auch die von Frankreich verlangten Nachforschungsausschüsse, die im besetzten Gebiet ihren „Diplomatensitz" haben sollen, wurden genehmigt.
So blieb nur noch Deutschland. Man bestätigte auf Grund der deutschen Note vom 12. Dezember 1924 mit Befriedigung die Bereitwilligkeit Deutschlands zum Eintritt in den Völkerbund, die Gewährung einer „Sonderstellung" sei jedoch unzulässig. In Genf war das Bemühen unverkennbar, Deutschland in den Völkerbund hineinzuziehen. Die Gründe sind natürlich verschieden. Frankreich verlangt den Eintritt, damit Deutschland noch mehr gebunden werde; es sprach aus, Wer den Sicherheitsvertrag könne nicht verhandelt werden, ehe Deutschland nicht im Völkerbund sei. Italien wünscht den Beitritt, damit, wie der faszistische Vertreter Resso del Carling ganz offen erklärte, Deutschland gegen die englischfranzösische Uebermacht ein natürliches Gegengewicht bilde, das es Italien ermögliche, sich mit größerer Freiheit zu bewegen. Das ganze Geheimnis der italienischen Politik bestehe darin, Deutschland wieder so weit in Wert zu setzen, um ein richtiges Gleichgewicht wiederherzustellen, aber ohne daß Deutschland zu einem derartigen Grad der MkWk gelange, daß es eine Gefahr für Italien werde.
Der Völkerbundsrat hat sich mächtig beeilt, die von dem Spanier Leon de Ouinones aalglatt verfaßte, die Hauptpunkte aber, wie z. V. den von "Deutschland beanspruchten vollberechtigten und dauernden Sitz im Rat, mit unklaren Wendungen übergehende Einladung zum Beitritt bekannt werden zu lassen. Ob wir die Einladung in dieser Form annehmen und den ganz unbestimmt gehaltenen Zusicherungen Glauben schenken können, ist aber mehr als fraglich, wenn wir die sonstige Haltung des Völkerbunds gegen Deutschland in Betracht ziehen. Gerade die Ostfragen stehen im Augenblick im Vordergrund des Interesses. Die Polen erklären nicht nur, daß sie die vernunftwidrigen, unnatürlichen Grenzen gegen Deutschland, wie sie durch den Vertrag von Versailles geschaffen wurden, unter keinen Umständen ändern lassen wollen, sondern sie machen schon gar kein Hehl mehr daraus, daß sie Danzig und ganz Ostpreußen durch Ueberrumpelung in ihre Macht bringen wollen. Der französischen Unterstützung wissen sie sich sicher. Und wenn die Schurkerei bis jetzt noch nicht ausgeführt wurde, so ist dies nach englischem Zeugnis nur der polnischen Furcht vor den Russen zuzuschreiben. Wäre Deutschland Völkerbundsmitglied, so könnte und würde es ibm passieren, daß es zur Hilfeleistung für seinen eigenen Gebietsräuber gegen seinen natürlichen russischen Bundesgenossen vom Völkerbund kommandiert würde. Einen anderen Sinn könnten die berüchtigten Artikel 16 und 17 der Völkerbundssakung für Deutschland praktisch ja gar nicht haben. Die Reichsrecsierung und der Reichstag — dieser hat in der vorliegenden deutschen Lebensfrage hoffentlich auch ein Wort mitzusprechen — müßten von allen guten Geistern verlassen sein, wenn der Eintritt in den Völkerbund, etwa dem Verlangen Frankreichs entsprechend, vorbehaltlos vollzogen würde, während der Schweiz seinerzeit die in Betracht kommenden Vorbehalte vom Völkerbund anstandslos zugestanden worden sind. D!-> Reichsregierung wird ferner nicht an der Tatsache vorübergehen können, daß Frankreich den Eintritt Deutschlands mit den Fragen der Sicherheit und der Räumung des Kölner Gebiets zu verknüpfen sucht und dadurch die Grundlage für neue Verwicklungen zu schaffen droht. „,
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Neue Nachrichten
Die Wahlliste
Berlin, 20. März. Für den amtlichen Wahlzettel zur Reichspräsidentenwahl des ersten Wahlgangs sind folgende Namen angemeldet worden: 1. Otto Braun, preuß. Ministerpräsident a. D., Berlin, 2. Heinrich Held, bayerischer Ministerpräsident, München, 3. Willy Hellpach, badischer Staatspräsident, Karlsruhe, 4. Karl Jarres, Reichsmini- ster a. D. und Oberbürgermeister von Duisburg, 5. Erich Ludendorff, General der Infanterie a. D., München, 6. Wilhelm Marx, Reichskanzler a. D.» Berlin, 7. Ernst Thälmann, Transportarbeiter und Mitglied des Reichstags, Berlin. — Die Kandidatin- Fehr ist demnach nicht angemeldet worden.
Die preußische Regierungskrise
Berlin, 20. März. Die gestrigen Verhandlungen der Fraktionsvertreter des preußischen Landtags über die Wahl des Ministerpräsidenten für ein Beamtenkubinett blieben