(Enztalbote)

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ILM

Nummer 66 Fernruf 179 Wildbad, Freitag, den 26. März 192» Fernruf 179 66. Jahrgang

Ein Ultimatum

Chamberlain, Herriot und der Völkerbund

Ist Chamberlain nach seinem GenferSieg" in Paris uingefallen? Die diplomatischen Verlautbarungen sind wie die Schlachtberichte im Krieg. Sie verschweigen die eigenen Verluste und verschleiern das Unangenehme. Wir glauben aber doch nicht, daß in der weiteren Zusammenkunft Herriots mit Chamberlain das übliche englische Unglück passiert ist. Sonst würde sich die Pariser Presse liebenswürdiger ein- stellen, als sie es jetzt tut.

Auch Herriot selbst, von Fragern bestürmt, äußerte sich recht kratzbürstig. Ms man ihm erzählte, Chamberlain habe gesagt:Wir haben aus dem Grab des Genfer Proto­kolls ein paar Tränen vergossen", meinte Herriot: Wir haben durchaus keine Tränen fallen lassen; die Prüfung des Pro­tokolls ist aus die Septembersitzung des Völkerbundrats ver­tagt und keineswegsbegraben"; der Sicherheitsvertrag, zu dem wir gelangen werden, wird ebenfalls ein Protokoll dar-» stellen und auf denselben Grundsätzen beruhen wie das Gen­fer Protokoll und vielleicht auf dasselbe hinauskommen. Herriot hegt also die Zuversicht, daß der französische Stand­punkt in der Sicherheitsfrage schließlich doch durchdringen werde oder er stellt sich wenigstens so. Aber im innersten Busen brennt der Zweifel.Matin" hat wohl recht, wenn . er -das Benehmen der Minister nach ihrer Unteredung dahin deutet, daßnoch nichts abgemacht und nichts festgelegt fei."

Freilich, in der Frag« des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund scheint ^eine Verständigung zwischen den Haupt- - verbündeten getroffen worden zu sein, und wenn nicht alle Zeichen trügen, läuft die neueste Cntentepolitik darauf hin­aus, dem Deutschen Reich ein Ultimatum zu stellen, dahin lautend: Die deutschen Sicherheitsvorschläge werden erst dann beraten, wenn Deutschland in den Völkerbund ge­gangen ist. Damit gewinnt das Asyl der Völkerbunds-Mit­gliedschaft eine verzweifelte Aehnlichkeit mit einem Netz, das man Deutschland über den Kopf wirft, um es dem Mehr­heitswillen der Verbandsstaaten erst recht gefügig zu ma­chen. Wie weit ist in diesem Punkt die diplomatische Lage gediehen?

Die Antwort des Völkerbundsrats auf Ne deutsche Note vmn 2. Dezember 1924 liegt auf den Schreibtischen des Ber­liner Auswärtigen Amts und wurde schon am Mittwoch im Kabinettsrat besprochen. Welches Gutachten soll die Reichs­regierung'im Reichstagsausschuß für Auswärtiges abgeben? Die von Deutschland geforderte Gleichberechtigung im Völ­kerbund ist in der Genfer Antwortnote zwar nicht mit aus­drücklichen Worten, aber doch sozusagen durch die Blume zu­gestanden. Ebenso der ständige Ratfitz. Wie ist es jedoch mit der militärischen Beteiligung Deutschlands bei Völkerbunds- Kriegen? Die Note des Rats will hier kein Zugeständnis machen. Sie stellt den Grundsatz auf:Gleiche Rechte, gleiche Pflichten", und übersieht dabei, daß man der Schweiz, die in ähnlicher Lage wie Deutschland ist, be­reits eine Ausnahmestellung gewährt hat. Nur ein unge­nügender Trost wird Deutschland mitgegeben, indem es in der Note heißt, die deutsche Regirung hätte ja im Völker­bund Gelegenheit selbst zu sagen, bis zu welchem Punkt sie imstande sei, den Empfehlungen des Rats zu entsprechen. Das heißt, in der Note ist mehr als eine Unklarheit gewesen. Das war ein verdächtigesAusweichen. Die Reichs­regierung und der Reichstag müssen jetzt mit aller Schärfe den Begriff der deutschen Neutralität ausarbeiten, wie er für die Eintrittsform in den Völkerbund uner­schütterliche Bedingung werden muß. Der Artikel 16 der Völkerbundssatzung ist für das heutige wehrlose Deutschland eine Falle, in der es Hals und Kragen ver­lieren könnte.

Und wie steht es mit dem Artikel 19? Auf Grund dieses Artikels kann Deutschland die Milderung seiner Ost gren­zen im Völkerbund beantragen. Immer wieder aber wird uns aescat, der Eintritt Deutschlands in den Völkerbund sei für Deutschland die endgültige Bindung-hinsichtlich aller im Versailler Vertrag und in den Beschlüssen der Botschafter­konferenz chestgelegten Grenzen. . . Hier liegt ein unheim­licher Widerspruch verborgen, der geklärt und gelöst werden muß. Was Chamberlain und Herriot bei ihrer zwei­ten Zusammenkunft in Paris vereinbart haben mögen, ist für Deutschland nicht maßgebend. Aus dem Reichstag her­aus wird der Verband und die ganze Welt hoffentlich die Bedingungen vornehmen, die Deutschland für seinen Ein­tritt in den Völkerbund stellen muß.er.

Neue Nachrichten

Die preußische Kabinettskrise Berlin, 19. März. Die Abgabe der Regierungserklärung im Landtag, die am Freitag stattfinden sollte, ist wieder ver­schoben worden. Der Aeltestenrat wird am Freitag die Frist für die Neuwahl des Ministerpräsidenten fest- setzey, die nötig geworden ist, nachdem Dr. Marx das

Tagesspiegel

Der Reichsarbeiksminister hak den Schiedsspruch vom 13. Marz im Eisenbahnersireik für verbindlich erklärt. Da­nach sind alle Streikenden wieder einzustellen.

Auf Wunsch des Außenministers Stresemann wurde die Besprechung des Haushalts des Außenministeriums im Reichstag am Donnerstag von der Tagesordnung abgesehk. Dabei wäre die Völkerbundsfrage zur Besprechung ge­kommen.

Vom Reichskagsausschuß ist für Hypotheken ufw. eine Auswertung von 25 statt 15 Prozent in Aussicht genommen.

Dr. Marx hat auf die Kabinettsbildung in Preußen ver­zichtet.

Im preußischen Landtag wird die Bildung eines Be- amtenkabinclts erwogen.

Die deutsch-belgischen handelsverkragsverhandlungen sind am Mittwoch in Berlin zum Abschluß gekommen. Zu­nächst muß die Zustimmung der Regierungen eingeholt werden.

Der französische Botschafter de Magerie hakte gestern eine Besprechung mit Stresemann und dem stellvertretenden Reichspräsidenten über die Völkerbundsfrage. Eine schnelle Antwort soll nicht mehr in Frage kommen.

Der Gesundheitszustand Lord Eurzons. der sich be­kanntlich einer Operation hatte unterziehen müssen, hak sich bedenklich verschlechtert.

Verschiedene englische Minister werden in die Domi- nions reisen um mit den Regierungsverkrekern in persön­lichen Gedankenaustausch zu treten.

Ministerpräsidium heute niedergetegt und den Auftrag zur Kabinettsbildung dem Landtag zurückgegeben hat. Die Möglichkeit der Landtagsauflösung wird erneut besprochen.

Kandidatur Ludendorff

Berlin, 19. März. Die Nationalsozialistische Arbeiter­partei unter Führung Hitlers hat im Verein mit den völki­schen Verbänden die Kandidatur des Generals Luden­dorff für die Reichspräsidentenwahl ausgestellt.

Die Geschäfksergebnisse der Reichsbahn

Berlin, 19. März. Dem Reichstag ist der Bericht der Neichseisenbahngesellschaft für das letzte Vierteljahr 1924 zugegangen. Seit Beginn des Geschäftsjahrs, also vom 1. Oktober bis Ende Dezember 1924, stellen sich die Ein­nahmen der Reichsbahn im Personenverkehr auf 276 552 000 Mark, im Güterverkehr auf 643 187 000 und aus son­stigen Quellen auf 55 313 000 zusammen auf 973 052 000 Mar. Wie der Bericht sagt, entsprechen die Einnahmen den Schätzungen des Voranschlags. Am 1. März hat die Reichsbahn ihren Anteil an der Kriegsentschädigung im Betrag von 100 Millionen Mark an die Daweskasse abge­liefert.

Der Eisenbahnerstreik

Berlin, 19. März. Auf Einladung des Reichsarbeits­ministers fanden gestern nachmittag weitere Verhandlungen mit der Bahnverwaltung und den Vertretern der Streiken­den statt.

Ueberfall

Berlin, 19. März. In vergangener Nacht wurde eine Anzahl Personen, die von einer deutschnationalen Versamm­lung heimkehrten, vor dem Versammlungslokal von Kom­munisten überfallen. In der sich entwickelnden Schlägerei wurden zwei Deutschnationale schwer verletzt.

Der Barmatskandal

Berlin, 19. März. Vom Untersuchungsausschuß des Landtags wurde gestern der frühere Reichsminister Robert Schmidt vernommen. Der Zeuge sagte, er wolle nicht behaupten, daß er vor Barniat nicht gewarnt worden sei. Es seien Leute aus Holland dagewesen, wo Barmat von den Geschäftsleuten boykottiert war. Die Bestellung von 15 000 Kisten Speck usw. habe nicht er angeordnet, er habe ihr aber zugestimmt. Die Verhandlungen mit Varmat seien meist von seinem Untergebenen, Direktor Pritschow vom Diktatur-Ausschuß, geführt worden. Pritschow gibt an, die Bestellungen bei Barmat haben etwa 20 Millionen holl- Gulden (33)4 Millionen Goldmark) betragen. Zeuge Schwon bekundet, die Lieferscheine, auf Grund deren Bar­mat die Zahlungen des Reichs in Empfang nahm, seien gar keine nach kaufmännischem Brauch gültigen Lieferscheine gewesen. Der Vorsitzende bemerkt, aus die Lieferscheine Bar­mats hätte kein Pfennig ausbezahlt werden dürfen. Zeuge Regierungsrat Weyermann erklärt, Barmat habe ihm einen solchen Lieferschein übergeben, der vom

Reichseinkaufstellen ganz unbekannten Händler plötzlich so sei. Es sei allgemein ausgefallen, daß einem bis dahin den Reichseinkaufsstellen ganz unbekannter Händler plötzlich so bedeutende Lieferungen übertragen wurden.

Der völkische Rcchksblock aufgelöst

München, 18. März. Der völkische Rechtsblock hat sich aufgelöst, nachdem die Nationalsozialistische Arbeiterpartei voi? Hitler wieder ins Leben gerufen worden ist.

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Die Pistole vor die Brust

Paris, 19. März. In den Blättern wird für den Ge­danken Stimmung gemacht, daß entweder England das Genfer Protokoll annehmen und Deutschland in den Völker­bund eintreten, oder Frankreich in Danzig, Mainz, Koblenz und Köln bleiben müsse. Frankreich könne Zugeständnisse Polens an Deutschland im Osten nicht dulden, selbst wenn Polen es wollte. Die wahre Absicht Frankreichs kommt immer deutlicher zutage.

Nach Blättermeldungen soll der polnisch-französische Generalstab den Plan für einen Handstreich gegen Danzig bereits ausgearbeftet haben. Die Verzögerung der Ausführung soll nach deinDaily Telegraph" -lediglich dem Auftauchen bolschewistischer Truppen an der polnischen Grenze zuzuschreiben sein. Rußland werde die Machtaus­dehnung Polens -nicht dulden.

Mussolinis Mittelmeerpläne

Paris. 19. März. DieChicago Tribüne" berichtet aus London, das Eingreifen der italienischen Regierung in der Sicherheitsfrage habe neue Verwicklungen hervorgerufen. Mussolini habe der englischen Regierung ein Mittelmeer­bündnis mit Ausschluß Frankreichs angeboten. Italien mit seiner wachsenden Bevölkerung habe das Recht, ein Ein­flußgebiet in Nordafrika zu erhalten, das in richtigem Ver­hältnis zur Entwicklung Italiens stehe. Die italienischen und englischen Interessen am Mittstmeer stehen miteinander im Einklang. Chamberlain soll geantwortet haben, er könne keinerlei Abmachungen treffen, an denen Frankreich nicht teilnehme. Er habe infolgedessen den Vorschlag Mussosslinis der französischen Regierung übermittelt.

Unvollständige Veröffentlichung des Ueberwachungs- Berichks ^

London, 19. März. DieTimes" meldet, zwischen Her­riot und Chamberlain sei am letzten Montag in Paris verabredet worden, daß vom Bericht der Ueberwachungs- kommission nur jene Teile veröffentlicht werden sollen, die sich aus wichtige Punkte beziehen. Was verschwiegen werden soll, bezieht sich wohl hauptsächlich auf die Fabrik­spionage, die von England nicht minder eifrig betrieben wird als von Frankreich.

Das Blatt will ferner erfahren haben, daß von deutscher Seite versucht worden sei, über die Grenzregelung mit Polen Verhandlungen einzuleiten, Polen habe aber rundweg erklärt, eine Abänderung der im Vertrag von Ver­sailles festgesetzten Grenzen zu ungunsten Polens sei überhaupt von jeder Erörterung ausgeschlossen.

Bruch Litauens mit dem Vatikan

kowno, 19. März. Die litauische -Regierung hat gleich­zeitig mit der Absendung einer Protestnote an den Vatikan ihren Vertreter beim apostolischen Stuhl abberufen und die Konkordatverhandlungen abgebrochen. Die Veranlassung dazu bot das Konkordat Polens mit dem Vatikan und die Bestimmung, daß Wilna unter die Oberhoheit eines pol­nischen Bistums gestellt wird.

Hamburger Senakswahl

Hamburg, 19. März. In der gestrigen Sitzung der Bürgerschaft wurde der neue Senat gewählt und zwar 4 Deutsche Volkspartei, 4 Demokraten und 7 Sozialdemokra­ten. Die kommunistischen Bürgerschaftsmitglieder riefen in der Sitzung solche Auftritte hervor, daß der Vorsitzende vor der Abstimmung sie alle gewaltsam abführen lassen mutzte. Sie werden auf 4 Wochen von den Sitzungen ausgeschlossen.

Deutscher Reichstag

Der Rokhaushalk

.. . Berlin, 19. März.

Die Sitzung beginnt 12.20 Uhr. Die Genehmigung der Vernehmung des Abg. Scheidemann (Soz.) als Zeuge vor dem Schwurgericht in Weimar wird versagt. Die Geneh­migung der Vernehmung der Abg. Stampfer und Braun (Soz.) im Rothardtprozeß in Magdeburg wird erteilt.

Abg. B e l l (Z.) bemerkt: Die Zahl der zu vernehmenden Reichstagabgeordneten sei in letzter Zeit so stark gewachsen. Es wäre ein unmöglicher Zustand, daß viele Abgeordnete auf diese Weise an wichtigen Abstimmungen nicht teilnehmen können. In Zukunft werde die Genehmigung nur noch bei außerordentlich wichtigen Angelegenheiten erteilt werden.