(Enztalbote)
Amtsblatt für W^^bad. Chronik und Anzeigenblatt
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Nummer 64 Fernruf 179 Wildbad, Mittwoch, den 18. März 1925 Fernruf 179 6V. Jahrgang
! Ehret die Ahnen!
Viele Deutsche ahmen immer noch das Ausland auf Schritt und Tritt nach. Besonders Großbritannien hat es ihnen angetan. England aber ehrt und hütet,..gerade weil es den starken Zukunstswillen hegt, mit Eifer die Vergangenheit. Temperatmentvoller noch verehrt, ja vergöttert Frankreich seine Geschichte. Beim Engländer und Franzosen kommt die instinktive Erkenntnis von der Wichtigkeit der Zusammenhänge hinzu, von der Verwurzeltheit unserer Jahrhunderte in der Urzeit. Für die englisch-französische Jugend gibt es kein Blatt der nationalen Geschichte, dessen sie sich schämt.
Die deutsche Geschichte ist an prangenden Großtaten reicher als irgend eine andere. Wie viele Male hat es nicht ausschließlich unsere politische Einfältigkeit verhindert, daß die deutsche Weltherrschaft errichtet wurde. Von den Cim- bern und Teutonen angefangen, die sich mitten im Siegeslauf von den Feinden abwandten, dann voneinander trennten und bei Aquae Sextiae 102, und Vercellae 101 v. Ehr.
getrennt von den Römern schlagen ließen, über die Staufer bis zur Marneschlacht: Es ist immer dasselbe BiD. Unsere Jugend könnte unermeßlich viel für die zukünftige Politik Deutschlands lernen, wenn ihr deutsche Geschichte eindringlich und sinnensäMg vorgetragen würde. Wir waren genau über alle Kämpfe der griechischen Stadtrepnbliken, genau über das Geschwätz auf dem römischen Forum unterrichtet: weshalb indes alle deutschen Anläufe seit dem Jahr 9 n. Ehr. Immer wieder scheitern mußten, weshalb glücklicherweise die Stein Und Bismarck durchdrangen, ehe man auch sie beseitigen konnte, das haben wir auf der Schule nicht erfahren. Die Deutschen ein unpolitisches Volk zu nennen, ist vielleicht doch falsch: sie nehmen, wie alles im Leben, so auch Re Politik sehr ernst und gewissenhaft, fassen sie gründlicher an als andere. Sofen sie überhaupt von ihr hören. Aber was mit dm Kenntnissen anfangen, wenn keine da sind? Erfährt doch das Heranwachsende Geschlecht bis ins Tüttelchen in jeder Schulklasse aufs neue, was unser historisches Unglück gewesen und was an unserem Unglück schuld gewesen ist, dann werden Anno 1933 wenigstens nicht 26 bis 51 Parteien um Reichstags-Mandate ringen und ein halbes Dutzend Parteien Reichsprästdentschaftskandidaten aufstellen können.
Der Geschichtsunterrichte' sollte in großzügigen, farbigen Bildern darstellen, was sich im einzelnen ohne grimmige Langeweile doch nicht bezwingen läßt; aus dem tausendfältigen, oft wirren Durcheinander vergangener Geschehnisse den grundlegenden Gedanken, die entscheidende Handlung herauszuholen; eine Zeitstimmung scharf zu umreißen, durch sie die bedeutende Persönlichkeit klarzumachen, namentlich auch den oft bestimmenden wirtschaftspolitischen Hintergrund wenigstens in Umrissen darzulegen — darauf, nicht auf Zahlen und tote Vollständigkeit des Materials kommt es an. Eine Anekdote hilft da oft zehnmal besser vorwärts, als lange Vorträge. Aus anschaulich ausgebrei- tster Stoffülle läßt sich dann später immer noch leicht zur systematischen Ordnung und Einordnung übergehen. Inzwischen ill der Sbülcr gewonnen, hat statt der geschichtlichen Gespenster Menschen von Fleisch und Blut, ewig junge, ewig miteinander im Streit liegende Ideen kennen gelernt und wird sich, ist er auch nur einigermaßen ein geweckter Bursche, für die eine oder die anders entscheiden. Wird von den Ideen zum Ideal gelangen.
Aus der deutschen Vergangenheit, ihrem Wollen und ibren Mißerfolgen ist gerade in Tagen des Niedergangs Trost und Stärkung zu schöpfen. Unaufhörlich sprudelt uns der Kraftborn: mögen Uneinigkeit und Zerrissenheit, Eigenbrötelei und Parteisucht dem berufenen Großen immer wieder in den Arm gefallen sein — ganz untergekriegt hat uns kein Feind, ganz untergekriegt haben nicht einmal wir uns selber. Ueberraschend schoß nach tiefstem Sturz und ;rau- samster Verwüstung allemal neue Saat in die Halme. Wir hatten dann und wann schon mehr verloren als jetzt, und doch ist es noch keinem, der über uns kam, gelungen, die Brunnen m vors'-sttte-". „Geduld, ich kenne meines Volkes Mark." Weder Engländer noch Franzosen hätten sich ein solches Verschwenderleben erlauben dürfen. Aber wie wir in diesem ungeheuren Ringen Unendliches einbüßten, so haben wir auch Unendliches gewonnen. Stets von neuem sind uns aus ihm mächtige Persönlichkeiten erwachsen. Weil wir uns nicht oft genug an der Größe -er Vorfahren messen, sind wir klein, sprechen bloß von unseren Rechten, nie von unseren Pflichten, glauben ohne Opfer und Entbehrung, ohne leidenschaftliche, gebefreudige Liebe zum Ziel gelangen zu können. Wie seltsam muß es die Parlamentarier von heute überlaufen und wie aufschlußreich ist es, daß im Reichstag des Norddeutschen Bundes, den der eiserne Riese überschattete, jede Partei schier überreich an erlauchten, noch hellte unvergessenen Köpfen war. Bebel, Bennigsen, Gneist, Miguel, Moltke, Reichensperger, Schulze-Delitzsch, Stumm, Sybel, Twesten, Vincke, Waldeck, Windtborstl Wahrlich, von allen Volksgenossen sollten zuerst die Volksvertreter aus -er deutschen Vergangenheit zu lernen trachten. _ _
Tagesspiegel
Die würkt. Eisenbahner haben den Schiedsspruch abgelehnt.
In Kassel wurden 5000 Metallarbeiter, die den für verbindlich erklärten Schiedfpruch ablehnten, entlassen. Im Lauf der Woche sollen weitere 4500 Arbeiter gekündigt werden.
Die Industrie in Schweden hat 130 000 streikende Arbeiter ansgesperrk. Die Arbeiter haben die vorgefchlagene Herabsetzung der Löhne, die die höchsten der Welk seien und die schwedische Wettbewerbsfähigkeit lahmlegen sollen, abgelehnt. Auch der bisher streng durchgeführke Achtstundentag soll abgebaut werden.
Der amerikanische Senat hak die von Coolidge vollzogene abermalige Ernennung Warrens zum Generalstaatsanwalt zum zweiten Wal abgelehnt. Der Senat wird die Ablehnung so lange forksehen, bis Loolidge nachgibl und einen Wann vorschlägt.
Die Besprechung der britischen Admirale in Singapur über die Befestigung des Hafens ist beendet, lieber das Ergebnis wird Stillschweigen bewahrt.
„Kein Volk hat besseren Grund als wir, das Andenken se'n-r Hort kämpfenden Väter in Ehren zu holten," schrieb der Verfasser, der Deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert. Gerade weil er »mit allen Sinnen der neuen Zeit angewandt war, legts er Entscheidendes Gewicht auf die Zusammen- bänge und Verbindungen mit der Vergangenheit. Unsere Politiker, unsere Staatsmänner müssen, wenn sie diesen Namen verdienen wollen, ihm nacheisern. Alle Staatskunst, die allein dem Tage lebt und ihre Antriebe allein aus ibm zieht, bängt in der Luft, ..Verzweiflung ist ihr Ende". Nicht in Erinnerung schwelgende, ans Erinnerungen tatenlos aus- rnhende Romantik tut uns not, das Heute und seine bunten Neugestaltungen erfordern die ganze Schaffenskraft des ganzen Mannes, "her uur auf die alten Grundmauern läßt sich Neues türmen.
Neue Nachrichten
Schwierigkeiten in der preußischen Regierungsbildung
Berlin, 17. März. Ministerpräsident Dr. Marx verhandelte heute ergebnislos mit der Wirtschaftspartei, der Deutschen Volkspartei und den Deutschnationalen über die Regierungsbildung. Die Fraktionsvertreter lehnten die Unterstützung des Kabinetts Marx ab, da er Präsidentschaftskandidat sei. Dr. Marx bat die Fraktionen, ihm im Lauf des Nachmittags ihre endgültige Entscheidung mitzuteilen. Die Fraktionen des Zentrums, der Demokraten und Sozialdemokraten hatten nachmittags eine gemeinsame Besprechung. Der Aeltestenrat des Landtags ist für 5 Uhr nachmittags einberufen. — In Abgeordnetenkreisen hält man es für nicht unmöglich, daß Dr. Marx das Präsidium wieder abgibt.
Ein Antrag für den Dölkerbnndsemtrikt
Berlin, 17. März. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion wird in einer Großen Anfrage beantragen, daß Deutschland beim Völkerbundsrat sofort den Antrag auf Aufnahme in den Völkerbund stelle. In der Wahlagitation für die Präsidentenwahl soll der Völkerbundseintritt von der Sozialdemokratie besonders betont werden.
Der Eisenbahncrskreik
Berlin, 17. März. Nach amtlicher Mitteilung stehen heute noch 10 404 Eisenbahnarbeiter im Streik, 700 weniger als gestern. Langsam kommt oie Rückkehr zur Arbeit in Gang. Kein Eisenbahnzug hat ausfallen müssen.
Die Betriebsräte der Groß-Berliner Verkehrsanstalten machten einen Unterstützungsstreik davon abhängig, daß auch die Beamtenschaft die weiters Lohnbewegung niit- mache.
Der Derwaltungsrat der Reichsbahngesellschaft wird heute abend zu dem Schiedsspruch Stellung nehmen. Cs g.lt als sicher, daß der Spruch vom Reichsarbeitsminister für verbindlich erklärt wird. Satzungsgemäß müssen aber die beiden Parteien vorher noch einmal verhandeln.
Reue Lohnkampfe in der Schwerindustrie?
Berlin, 17. März. Die deutschen Mekallarbeiterrerbände haben die Arbeitsverträge der Hochofen- und Kokereiarbeiter allgemein auf 1. April gekündigt. Die Kündigungen werden vsraussichkl-ch zu neuen und schweren Lohnkämpfen in der Schwerindustrie führen.
Der Barmatskandal
Berlin. 16. März. Vom Untersuchungsausschuß des
preußischen Landtags wird Ministerialrat Egbring, früher unter Hermes im Ernährmigsmnisterium, vernommen. Egbring sagt, Abg. Heilmann habe sich wiederholt heftig beklagt, daß sein Freund Barmat, seit Hermes Ernährungsminister sei, von diesem Minister nicht empfangen werde und daß ihm die Geschäfte ganz abgeschnitten seien. Im Ministerium seien eben jetzt lauter Agrarier und Reaktionäre; die Reichsfettstelle wolle man abbauen, weil hier Sozialdemokraten und Juden die Leitung in der Hand haben. Da vorauszusehen gewesen sei, sagt Egbring, daß Heilmann in seinen Blättern wieder einen scharfen Krieg gegen den Ernährungsminister betreiben werde, der die damalige politische Spannung noch verschärfen würde, habe er (Egbring) dem Minister Hermes empfohlen, Heilmann zu empfangen. Die Angriffe gegen Hermes seien aber doch erfolgt. Zeuge Aufhäuser erwidert auf eine Frage: „Damals wurden wohl überhaupt keine Geschäfte abgewickelt, wo nicht irgendjemand etwas bekam".
Abgelehnke Hafkenklassung ^
Wünchen, 17. März. Der bayerische Landtag hat den kommunistischen Antrag auf Haftentlassung der in Stuttgart verhafteten Abgeordneten Schlaffer und Götz abgelehnt.
Aeitungsverbok
Wannheim, 17. März. Wie die Polizeidirektion mitteilt, wurden laut Erlaß des Ministeriums des Innern gestern die „Mannheimer Arbeiterzeitung", die „Oberbadische Arbeiterzeitung" und die „Arbeiterzeitung für Pfalz und Rhein- bessen" (die beiden letzten sind Kopfblätter der Mannheimer A'beiterzeitung) vom 17. März bis einschließlich 21. März 1925 verboten.
Venesch Generalsekretär -es Völkerbunds?
Zürich, 17. März. Das Berliner Tageblatt meldet, der gegenwärtige Generalsekretär des Völkerbunds, Sir Eric Drummond, werde nächstes Jahr zurücktreten und durch den tschechoslowakischen Minister des Aeußeren, Benesch, ersetzt werden.
Die englisch-französischen Weinungsverschiedenheiken Paris. 17. März. Ueber die gestrige Besprechung Chamberlains mit Herriot wurden keine zuverlässigen Mitteilungen gemacht. Es scheint, daß von beiden Seiten vermieden wurde, auf die Fragen der Militärüberwachung und der Räumung des Kölner Gebiets einzugehen, woraus geschlossen wird, daß hierüber die beiderseitigen Meinungen noch weit auseinandergehen.
Die kriegerische Demokratie in Frankreich Paris, 17. März. Die Fraktionen der Republikanischen und der Demokratischen Union der französischen Kammer nahmen eine Entschließung an, die gegen jede Aenderung der deutsch-polnischen Grenzen Einspruch erhebt und die Unterstützung des polnischen Widerstandes gegen dahingehende deutsche Forderungen nötigenfalls mit Waffengewalt verlangt. In einen Sicherheitsvertrag müssen auch Polen und die Tschechoslowakei eingeschlossen werden.
P--ris, 17. März. Der .Petit Parisien" läßt sich von seinem Berliner Berichterstatter melden, die gegenwärtige deutsche Politik gehe darauf hinaus, eine Abänderung der im Vertrag von Versailles gemachten Grenzen womöglich mit Hilfe Englands durchzusetzen. Drei Möglichkeiten seien ins Auge gefaßt. Einmal würde Deutschland einen Sicherheiksverkrag mit Frankreich und Belgien abschließen und die Gebietsabtretungen gegen Westen anerkennen, wogegen Danzig und der sogenannte polnische Korridor an Deutschland zurückgegeben werden müßten. Sollte dieser Plan scheitern, so würde Stresemann auch den Gebieksverlust gegen Polen und die Tscheche! anerkennen, es müßte aber das Verbot des Anschlusses Oesterreichs aufgehoben werden. Wenn auch dies nicht zu erlangen wäre, so würde Deutschland alle seine K o - lonien zurückverlangen. Deutschland stemme sich den Artikeln 16 und 17 der Völkerbundssatzung (Zwangsbeteiligung an einem Völkerbundskrieg und Durchmarsch fremder Trug- ^n) deshalb entgegen, weil geheime Abmachungen mit Rußland es chm verbieten, an kriegerischen.Ankernehmungen der Machte gegen Rußland sich zu beteiligen. Bis- Gl es Stresemann gelungen, das englische und das russische Eisen zugleich im Feuer zu halten, aber bald werde le Zeit kommen, wo er zwischen beiden wählen müsse. Die Strömungen in Deutschland, die für eine Annäherung an 2 ngia n d seien, seien größer und mächtiger als diejenigen, die für eine Verbindung mit Rußland seien.
Der schlaue Benesch
Paris. 17. März. „Petit Hau mal" meldet, Ser tschechische