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Fernruf 179
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Die Technik der Präsidentenwahl
Von einem Juristen
Bis zur Neuwahl eines Reichspräsidenten sind nicht viel mehr als zwei Wochen hin. Die Behörden haben sich beeilt. Zuständig sind für die Einzelstaaten die Innenminister, die den Regierungspräsidenten einheitliche Weisungen zu geben haben, und für das Reich das Bureau des Reichswahlleiters. Die einzige gesetzliche Grundlage für die Wahlen des 29. März und für den etwa notwendig werdenden zweiten Wahlgang am 26. April ist neben den Verfassungsbestimmungen des Artikels 41 das am 4. Mai 1920 erlassene „Gesetz über die Wahl des Reichspräsidenten". Nach 8 1 dieses Gesetzes ist wahlberechtigt, wer das Wahlrecht zum Reichstag hat. Das sind im ganzen Reich ungefähr vierzig Millionen. Das Reich ist in 35 Wahlkreise eingekeilt. Jeder Wahlkreis sammelt nach geschehener Wahl die Ergebnisse seiner Stimmbezirke und sendet sie an den Reichswahlleiter in Berlin so schnell wie möglich ein. Mit der Schnelligkeit wird es diesmal wohl etwas hapern. Es ist ja die erste Reichspräsidentenwahl durch das Volk. Erfahrungen besitzen wir nicht. Man hat nur das Vorbild und die Maschinerie der Reichstagswahl. Auch heißt es im Präsidentenwahlgesetz (Z 8), daß die Vorschriften einer Reihe von Paragraphen des Reichstagswahlgesetzes „sinngemäß" gelten. Aber es bestehen doch auch große Unterschiede.
Der Stimmzettel wird ganz anders aussehen wie bei den Reichstagswahlen. 8 3 des Präsidentenwahlgesetzes sagt: „Der Stimmzettel muß den, dem der Wähler seine Stimme geben will, bezeichnen und darf keine weiteren Angaben enthalten". Der Wähler ist also in der Auswahl völlig unbeschränkt. Es gibt keine Gebundenheit an Wahlvorschläge. Wenn neben den Hauptnamen, die von den starken Gruppen und Parteien genannt werden, auch nur wenige eigenbröd- > lerische Sonderkandidaturen mitlaufen, so entsteht ein Durcheinander und eine Zählarbeit, die tagelang, vielleicht wochenlang dauern wird. Amtliche Stimmmzsttel wie bei der Reichstagswahl werden weder am 29. März noch am 26. April ausgegeben. Jeder' Wühler kann seinen Kandidaten auf seinen Zettel schreiben. Die Parteien werden ihm dieses Geschäft natürlich durch vorgedruckte Zettel zu erleichtern suchen. Man wird das Bild erleben, an das man sich von früheren Reichstagswahlen her erinnert: Vor jedeist Wahllokal stehen die Zettelverteiler. Jeder preist dem eintretenden Wähler einen anderen Kandidaten an und sucht ihn in letzter Minute zu beeinflussen.
Trotzdem wird es bindende Bestimmungen über die Wahlzelle! geben, vor allem über Größe und Farbe. Die Zettel dürfen nicht größer und nicht kleiner sein als 9X12 Zentimeter. Sie müssen aus weißem oder weißlichem Papier hergestellt werden. Für die Inschrift wird vorgeschrieben sein, daß der Kandidat möglichst genau bezeichnet sein muß, um jeden Irrtum zu vermeiden. Man hüte sich aber vor unnötigen Angaben, sie können unter Umständen die Stimme ungültig machen.
Wer entscheidet über Fehler und Irrkümer? Die Zählung der von den Wahlkreisen eingesandten Urergebnisse besorgt in Berlin der Wahlausschuß. Er besteht aus dem Wahlleiter als Vorsitzenden und vier Beisitzern, die dieser aus den Wählern beruft. Der Wahlausschuß beschließt mit Stimmenmehrheit über das Wahlergebnis im ganzen Reich*Dieses Wahlergebnis wird aber noch einmal geprüft, nämlich durch das für den Reichstag gebildete Wahlprüfungsgericht. Der Reichstag, dem man seinerzeit in Weimar das Recht, den Reichspräsidenten zu wählen, genommen hat, um es dem ganzen Volk zu übertragen, ist somit zuletzt doch wieder zu einer gewissen Mitwirkung berufen. Diese Mitwirkung kann von großer Tragweite sein. Wird nämlich die Präsidentenwahl von dem Wahlprüfungsgericht für ungültig erklärt, so findet eine neue Wahl statt. Die Ungültigkeitserklärung kann sich aber auf den zweiten Mahlgang beschränken, so daß man nicht etwa wieder ganz von vorn anfangen muß. Hoffentlich hat der Name des künftigen Reichspräsidenten nicht alle die schweren Prüfungen zu bestehen. er.
Die Entschädigurigszahlungen im Februar
Das Bureau des Generalagenten für Entschädigungszahlungen veröffentlicht den Ausweis für den Februar. Eingänge: 1. Ertrag der Ausländsanleihe 84,491 Millionen Mk., 2. Zinszahlung der Reichsbahn für die Entschädigungs- gutscheine für sechs Monate 100 Millionen, 3. Rückzahlungen Belgiens und Luxemburgs für Kohlentransporte 771,785 Mk., 4. Kursdifferenzen und Bankzinsen 100 390 Mk., zusammen 185,36 Millionen Mk. — Zahlungen: 1. Zahlungen an oder für Großbritannien 21,74 Millionen, Frankreich 36 Millionen, Italien 4,71 Millionen, Belgien 6,31 Milk, Japan 0,63 Will., Südslawien 3 Milk, Portugal 0,378 Milk, Rumänien 0,479 Milk, Griechenland 0,233 Milk, 2. für Kohlentransporte an Belgien und Luxemburg, die- zu vergüten sind, 0,472 Milk, 3. für Aufwendungen der Entschädigungskommisston 0,86 Milk, der Rheinlandkommission 0,48 Milk, 4. für Verzinsung der Ausländsanleihe 7,3 Milk,
Wildbad, Freitag, den 13. März 1925
Tagessyieqe l
Der Reichsrak hak dem Ankrag verschiedener Länder auf Verlängerung des Rotfinanzans-steichs bis 30. September 192S zugestimmk, während die Reichsregierung den Notaus- gieich nur bis 1. April 1825 gelten lassen wollte.
Der Reichstag hat den Gesetzentwurf über die Volksund Berufszählung im Juni angenommen. Die Handwerksbetriebe und die Bildung von Konzernen, sollen besonders festgestellk werden. Reichsfinanzminister v. Schlieben teilte mit, daß für die Auswertung der Invalidenrenten 115 Millionen Mark vorgesehen seien. Rach der Inflation sei die Invalidenversicherung wieder ins Leben getreten und viele Millionen Goldmark seien seitdem wieder an Renten ausbezahlt wordfn.
Die Belgier haben die kriminalüberwachung der Eisen- bahniüge im besetzten Rutzraebiek gestern an die deutschen Behörden zurückaegeben. Belgische Posten bleiben noch in den haupkbahnhsfen.
Laut Daily Telegraph soll der Völkerbundsrak beschloben l oben, daß Deutschland einen ständigen Sitz im Rat bekommen solle, wenn es dem Völkerbund beitrete.
Im englischen Oberhaus keilte Lord Salisbury mit, im Jahr 192N werde England 600 Kampfflugzeuge besitzen. Frankreich werde dann immer noch eine große Ueberlegen- heit haben, aber die britische Lufkmacht werde zur Verteidigung des Landes ausreichen.
Im englischen kabinektsrat widersetzke sich Schatzkanzlec Churchill entschieden den weiteren Forderungen des ersten Lords der Admiralität Vridgeman auf weitere Schiffsbauken und wurde dabei von den übrigen kabinctksmitgliedern unterstützt. Churchill erklärte, in den nächsten Jahren müssen die Steuern vermindert, nicht vermehrt werden.
Wie aus konstankmovelt verlautet, sieht die türkische Regierung die Lage im kurdischen Aufstandsgebiek als ernst an.
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Fernruf 179
60. Jahrgang
5. Berwaltungskosten des Bureaus für Entschädigungszahlungen 0,292 Milk, zusammen 82,34 Milk Mk.
Von den Februareinnahmen sind also 103 Millionen Mk. noch nicht verausgabt, und mit Einschluß des früheren beträgt das Guthaben des Generalagenten bei der Reichsbank am 28. Februar 116,21 Will. Mk. Die bisherigen Leistungen Deutschlands unter dem Dawesschen Plan erhöhen sich auf rund 580 Millionen Reichsmark seit 1. September 1924.
An Besatzungskosten erhielten: England 0,84 Millionen, Frankreich 2,45 Milk, Belgien 0,2 Will. Mk., im ganzen 3,5 Will. Mk. Dazu kommen noch die Kosten für Requisitionen, Schadenersatzleistungen und Lieferungen auf Grund des Rheinlandabkommens mit 1 937 000 (England), 8 165 000 (Frankreich), 1 418 000 (Belgien), zusammen also 11520 000 Mark, so daß die Rheinlandbesetzung im ganzen 15 018 022 Mark im Februar gekostet hat.
Die Ausfuhrabgabe erbrachte für England 18,6 Millionen, für Frankreich 2,52 Millionen Mark.
Die Kosten für Besetzung und Requisitionen sind in den Hauptzahlen inbegriffen.
Deutscher Reichstag
Haushalt des Justizministeriums '
Berlin, 12. März. -
34. Sitzung. Abg. Schulte wendet sich gegen die Erleichterung der Ehescheidung und der Abtreibung. Im Jahr 1924 seien etwa eine halbe Million Fälle der Abtreibung gerichtlich bekannt geworden. Wenn das so weitergehe, werlin ks")^ ^"Eunftshoffnungen zunichte werden. (Widerspruch
Abg. Dr. Kahl (D. V.): Es müsse alles getan werden, um das er,chütterte Ansehen des Rechts im Volk wiederherzustellen. Wenn der sogenannte „Republikanische Richterbund" fortwährend Republikaner und Monar- chisten einader gegenüberstelle. so sei das ein nationales Rn- gluck und vergifte das öffentliche Leben. Bei der Amnestie sei größte Zurückhaltung geboten; die Begnadigung von Verbrechern würde das natürliche Rechksgefühl irre machen und das Verbrechen fördern. Die Scheidung ein"r Ehe müsse möglich sein, wenn eine tatsächliche Zerrüttung der Ehe auch ohne persönliche Verschuldung vorliege, damit der ^widerlichen Komödie der Ehebruchsindustrie gesteuert
Reichsjustizminister Dr. Frenken wendet sich gegen Teilreformen auf dem Gebiet des Strafrechts. Der Staatsgerichtshof sei zwar nach politischen Gesichtspunkten zusam- mengesetzt, er hnbe aber seine Urteile nach bestem Wissen ge- fällt. Wenn im Tschekaprozeß ein Verteidiger hinausgewiesen worden sei, so sei biefür das Verhalten des Verteidigers verantwortlich; der Richter sei berechtigt, die Ordnung in den Verhandlungen gegen jede Störung zu schützen. Die Be
strebungen zur Erleichterung der Ehescheidung können nicht gefördert werden.
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Von der deutschnationalen Reichstagssraktion ist ein Antrag eingebracht worden, das bei den Prozessen gegen dis Kriegsbeschädigten vor dem Leipziger Reichsgericht gewonnene wertvolle Material vollständig im Jn- und Ausland bekanntzugeben.
Neue Nachrichten
' Die Vereidigung Dr. Simons
Berlin, 12. März.
Am Donnerstag, kurz nach 12 Uhr mittags, fand im großen Sitzungssaal des Reichstags die Vereidigung Dr. Simons nach einer kurzen Ansprache des Reichskagspräsiden- ten statt. Die Abgeordneten erheben sich von den Sitzen. Reichsgerichtspräsident Dr. Simons spricht folgenden Eid:
«Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohl des deutschen Volks widmen, seinen Nutzen chehren, Schaden von ihm wenden, die Verfassung und die Gesetze des Reichs wahren, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde".
„Reichstagspräsident Löbe: Mit der Leistung dieses Eides übernehmen Sie ihr hohes und schweres Amt. Niemand von uns zweifelt daran, daß Sie das Vertrauen so großer und - vieler Parteien erfüllen und Ihr Amt zum Wohl des Lande» und des deutschen Volks verwalten werden. Ich spreche Ihnen im Namen der Körperschaft, die diese Wahl getroffen/ meinen herzlichsten Glückwunsch aus.
Stellv. Reichspräsident Dr. Simons dankt für den Glückwunsch: Meine Damen und Herren! Hören Sie nun auch meinen Dank für die Ehre, die Sie mir mit Ihrer Wahl erwiesen haben. Die Ehre ist nicht sowohl meiner Person, als der Stellung zuzuschreiben, in die mich der ver- ^ storbene Reichspräsident erhob, und gerade das freut mich, denn dadurch betont das Gesetz die Bedeutung des deutschen Richtertums, dem ich mit Stolz angehöre. Aus ihm bringe ich in meinem Zwischenamt das innere Gebot der Unparteilichkeit. Von dem viel betrauerten Toten, den ich vertrete, nehme ich das Vorbild der Treu« und Würde, durch die er in seinem Amt die Achtung der Welt erwarb. Seine hohen politischen Gaben sind kein übertragbares Erbe, aber, wie ich geschworen habe, die Pflichten dieses Amtes gewissenhaft zu erfüllen, so bin ich auch entschlossen, seine Rechte mit Festigkeit zu wahren, damit ich sie unversehrt in die Hände des Mannes legen kann, den sich bald zum ersten Mal in seiner wechselvollen Geschichte das ganze deutsche Volk, so wie es staatlich geeint ist, in freier unmittelbarer Wahl zum Oberhaupt küren wird! (Lebhafter BeifaV.
Mit einem Händedruck verabschiedete sich der stellvertretende Reichspräsident von dem Reichstagspräsidenten.
Heute vormittag fand eine Besprechung der Parteiführer mit Reichskanzler Dr. Luther über die Reichspräsidentenwahl statt. Der Reichskanzler erklärte, daß er sich in die Kandidatenfrage nicht einmischen werde. Die von der Wirtschaftspartei angeregete Kandidatur Geßler wird nicht für ^ aussichtslos gehalten.
Kandidatur Geßler
Berlin, 12. März. Im Wahlausschuß Löbell der Rechtsparteien wurde gestern eine Kandidatur des Reichswehrministers Dr- Geßler für die Reichspräsidentenwahl erörtert. Dadurch war eine ganz neue Lage geschaffen. Der Reichsparteiausschuß des Zentrums, der sich bereits für die Kandidatur Marx entschieden hatte, trat am Spätnachmittag wieder zusammen und es wurde mit dem Löbell-Ausschuß vereinbart, weitere Verhandlungen am Donnerstag zu führen. Das Zentrum ist gegen die Kandidatur Jarres, würde aber die Kandidatur Geßler, gegebenenfalls im zweiten Wahlgang unterstützen, wenn die andern Parteien für Geßler als Einheitskandidaten eintreten. Wenn die Sozialdemokratie sich durch ihre eigene Kandidatur Braun ausgeschaltet habe, so sei dies ihre eigene Schuld.
Das Pariser „Petit Journal" schreibt, hoffentlich werde Stresemann die Kandidatur Geßler zu verhindern missen. Der Berliner Berichterstatter des „Echo de Paris" halt die Kandidatur Geßler für sehr aussichtsreich.
Deutschland und der Sicherheitsverkrag
, Der italienische Botschafter und der
französische Botschaftsrat hatten Besprechungen mit Außen- mmister Dr. Stresemann über den von Deutschland vorgeschlagenen Fünfmächtevertrag (Deutschland, Cstgland, Frankreich und Belgien) — Stresemann sprach sich zu Mitgliedern der Fraktion der Deutschen Bolkspartei sehr zuversichtlich über das Ergebnis aus.
Gedenket der hungernden Vögel l