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(Enztalbote)

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Nummer 59

Fernruf 179

Wildbad, Donnerstag, den 12. März 1925

Fernruf 179

. Jahrgang

Der Elsenbahnerstreik

Morgen die entscheidenden Verhandlungen

Unser Berliner er-Mitarbeiter schreibt uns:

Am Mittwoch finden die enscheidenden Verhandlungen zwischen der Leitung der Reichsbahngesellschaft und den streikenden Güterbodenarbeitern statt. Was hat der neu cmsgebrochene Eisenbahnerstreik zu bedeuten? Nur ein er- ! fichrener Beobachter wird auf den GRerabsertigungsstellen

! Adr Bahnhöfe erkennen, daß im Betrieb der Deutschen

Reichsbahn eine empfindliche Störung eingetreten ist. In Berlin z. B. stehen weder Streikposten herum, noch ist ein größeres Polizeiaufgebot zu bemerken. Lediglich die Güter­arbeiter haben ihre Arbeitsstellen verlassen und harren in den Streiklokalen, wo die Agitatoren der linksradikalen Verbände ihre Reden halten, oder zu Hause auf das Ende,

^ das kommen wird.

i Der dem Streikkampf Fernerstehende darf nicht über-

> sehen, daß sich der Eilgüterverkehr mit Hilfe der nicht am Streik beteiligten Arbeiter und Beamten bisher reibungs-

^ los abgewickelt hat. Auch der Wagenladungsoerkehr hat noch keine Störung erlitten, da die Güterzüge eintreffen und die Waggons von den Spediteuren und kaufmännischen i Firmen entladen werden. In den Betriebswerkstätten, in

! Lenen die Lokomotiven gesäubert, bekohlt und geschmiert

werden, dröhnt überall noch das laute Lied der Arbeit. Nur ! der Fracht-Stückgutoerkehr ist - gesperrt. Infolgedessen l sammeln sich in den Lagerräumen der Speditionen große Mengen von Stückgütern an, die nicht weiter befördert werden. Milch und Lebensmittel gehören zu den Eilgütern. Dauert aber der Streik der Güterbodenarbeiter lange, so drückt die allgemeine Stockung auch auf die Eilsendungen.

§ Das ist für die »Lebensmittel im Augenblick bei kalter W itte­rung keine Gefahr. Aber es Rmn beim Ansteigen der Tem­peratur zur Gefahr werden. Der Nationaloerband deutscher Berussuerbönde hat mit Recht in seinem Rundschreiben darcrrrf hingewiesen, daß der Eisenbahnerstreik unter Um­ständen für das ganze deutsche Volk neues Elend und neue Teuerung und neue Inflation mit sich bringen kann.

Wie ist es zu dem Konflikt gekommen? Man muß beim Streik wie beim Krieg unterscheiden zwischen dem äußeren Anlaß und den tieferen Ursachen. Der Anlaß war, wenig­stens in Berlin, die Beisetzung des Reichspräsidenten Ebert. Die Arbeiter, auch die Werkstättenarbeiter, hotten j zur Ehrung des Begräbnisses eine Betriebspause von fünf Minuten eingelegt. Die Reichsbahngesellschaft konnte sich ! aus Sicherheitsgründen der Trauerpause offiziell nicht an­schließen, und untergeordnete Stellen hoben den Arbeitern sozusagenzur Strafe" für die fünf Minuten einen Halben- stundenlohn abgezogen. Das machte böses Blut. Die General­direktion befahl Nachzahlung der Abzüge. Aber es war schon zu spät. Der Unwille brach bereits los.

Die tieferen Ursachen des Streiks: Die Reichsbahn ist auf Befehl der Entente ein Goldmännlein geworden, das ungeheure Enffchödigungsverpslichtungen abzutragen hat. Statt die Erzeugung zu steigern und den Betrieb zu er­weitern, ist die Reichsbahn zu einem immer schärferen Ab­ba u uvergegangen. Sie verlangt von dem eingeschränkten Personal höhere Arbeitsleistung, längere Arbeitszeit und stemmt stch gegen die non den Arbeitern verlangte Erhöhung der Lohne um drei Pfennig für die Stunde. Das mußte bei den letzten Tarifkündigungen zum 1. Avril -u schürfen Auseinandersetzungen führen, bei denen der All gemeine Eisenbahnerverband immer stärker in den Vordergrund trat Der Generaldirektor will .zunächst über eine Erhöhung der Ortslohnzulagen ab 1. März verhandeln. Die Gewerkschaften bestehen aus der Forderung einer allgemeinen Lohnerhöhung . ab 1. März. Generaldirektor Oeser schlägt eine gemein-

! sch östliche Kommission zur Beratungetwa bestehender

^ Härten in der Dienstdauer" vor. Die Gewerkschaften ver-

! langen Abschaffung des Akkordsystems und Wiedereinfüh-

j rung der achtstündigen Arbeitszeit.

So stehen sich die sozialen Parteien der Arbeit in der ; Reichsbahn entschlossen gegenüber. Die Unterbeamten

^ weigern sich auf den meisten Bahnhöfen, den Dienst der

i Güterarbeiter zu tun. Die Reichsgewerkschaft deutscher

> Eisenbahnbeamten will abwarten, steht oberin vollster Symvathie an der Seite der streikenden Verbände". Das

^ Wohl der deutschen Wirtschaft fordert, daß die Kämpfenden sich morgen so rasch wie möglich einigen. Ein Bahnstreik 1 im ganzen Reich wäre eine Katastrophe für alle Stände

! und Gewerbe, für die politische Lage und für jede private

i Existenz. _

Neue Nachrichten

Die Kandrdakenfrage für die Aeichspräsidenkenwahl Berlin. 11. März. Der Vorsitzende des Mahl-Ausschusses -er Rechtsparteien, Skaaksminister a. D. v o n L ö b e l l, lud di« Zentrums- und die Demokratische Partei ein, Vertreter mit weitgehenden Vollmachten zu der heutigen Sitzm.q des Ausschusses zu entsenden, um über die Mögl'ck>' ge­

meinsamen dörgerlichen Kandidatur, für die Dr. Simons

Tagesspiegel

Der Reichspräsident-Stellvertreter Dr. Simons ^vird am Mittwoch sein Amt ankreken und vom Reichskanzler Dr. Luther vereidigt werden. Simons bezieht Wohnung >m Reichspräsidentenpalais.

Die die »B A." erfahrt, ist für die Beerdigungskosten Eberls vom Reichstag eine Million Mark bewilligt worden.

Der Gesetzentwurf über die Aufwertung soll Mitte näch­ster Woche den gesetzgebenden Körperschaften zugehen. Der Reichsfinanzminister hakte gestern eine Besprechung mit Ver­tretern der Berliner Großbanken.

Das Kriegsgericht von Brabant verurteilte den deutschen kommadcur des Reserve - Infanterieregiments Nr. 48 Oberst von Bieberstein, in Abwesenheit zu 20 Jahren Zucht­haus. Es wurden ihm Vergehen zur Last gelegt» die von den ihm unterstellten Truppen in der Umgebung von Brüssel begangen worden seien, insbesondere die Tötung von acht Personen.

Der Senat in Washington lehnte die Ernennung Warrens znm Generalstaatsanwait durch Loolidge mit 40 gegen 4V Stimmen ab. Dies bedeutet eine schwere Niederlage Eoo- ildges.

jedoch nicht in (frage kommt, zu verhandeln. Der Reichspar­teiausschuß des Zentrums hat gestern die Kandidatur M a rM ausgestellt und Dr. Mar,x soll angenommen haben. Sollte die Kandidatur Marx vom Zentrum aufrechterhalken werden, so käme eine gemeinsame bürgerliche Kandidatur nicht mehr in Frage, da die Rechtsparteien und Gruppen die Kandidatur Marx ablehnen. Die Sozialdemokratische Partei wird im zweiten Wahlgang für Marx stimmen.

Die Präsidentenwahl in Preußen

Berlin. 11. Mürz. Bei der gestrigen Wahl des preußi­schen Ministerpräsidenten durch' den'Landtag unterlief ein peinlicher Mißgriff. Es stellte sich heraus, daß für Dr. Marx 10 Stimmen geza. t worden waren, die auf den Kandidaten der Rechtsparteien abgegeben worden waren. Das Ergebnis der Wahl ändert sich demnach wie folgt: Dr- Marx 222, Dr. von Richter (D. Vp.) 151, P i eck (Komm.) 22, Ladendorff (Mirtsch. Vgg.) 16, Körner (Deutschvötk. Freiheitspartei) 11. Insgesamt wurden 443 Stimmen abge­geben, Dr. Marx hat also gerade noch die absolute Mehrheit erreicht; wenn cr eine Stimme weniger erhalten hätte, so wäre eine zweite Wahl notwendig gewesen.

Die Kabinettsbildung steht vor großen Schwierigkeiten. Von den kommunistischen Abgeordneten befinden sich noch einige im Gefängnis, bei einer Gesamtzahl von 450 Abge­ordneten würde also die Opposition in der Mehrheit sein, wenn einige Kommunisten aus der Haft entlassen würden. Ob ein Parteikabinett die nächste Vertrauensabstimmung übersiehen würde, namentlich wenn Severings ins Kabi­nett ausgenommen würde, erscheint fraglich, im Zentrum selbst ist daher die Frage aufgeworfen worden, ob nicht vor­erst wenigstens ein Beamtenkabinett gebildet wer­den solle. Von anderer Seite tritt man für die A u f l ö s u n g des Landtags ein; von langer Dauer könne das Kabi­nett ja doch nicht sein, und Dr. Marx würde sich, wie die Germania" schreibt, in einen Zermürbungskampf hinejn- gestellt sehen.

Wie verlautet, wird Dr. Marx am Donnerstag im wesent­lichen mit dem gleichen Kabinett vor den Landtag treten, wie das letzte war, vielleicht wird für Severing ein anderer Sozialdemokrat berufen.

Im Aeltestenrat des Landtags kam es zu erregten Auf- ^ltten weil die Rechtsparteien der Koalition vorwarfen, sie beabsichtige, die bereits mehrfach gestürzte Regierungskoa- Zentrum, Demokraten und Sozialdemokraten) mit Rücksicht auf die Reichspräsidentenwahl des Dr. Marx bis zum Abschluß der Wahl, Ende Mai, in Preußen zu re­gieren, um die Wahl beeinflussen zu können.

Der Eisenbahnerstreik

Berlin, 11. März. Nacb amtlicher Mitteilung streiken im ganzen Gebiet der Reichsbahngesellschafk zurzeit 7700 Mann, das sind 1,84 v. H. Im allgemeinen ist die Lage un­verändert. Die Weigerung der Bmmtenverbände. den Streik zu unterstützen, hak die weitere Ausdehnung verhindert. In Berlin wurden 18 Bufreizer sofort aus den Werkstätten ent­lassen. Die Betriebsräte erklärten, die Streikunterstützung sei ohne die Mitwirkung der Beamten-Verbände zwecklos.

ZnHof (Bayern) haben etwa 300 Eisenbahnarbeiker die Arbeit niedergelegt, auch auf andere Orte Oberfrankens hak der Streik übergegriffen.

Die Eisenbahndirektivn Nürnberg hat durch Anschlag di» Arbeiter auf die Folgen der Arbeitsverweigerung auf­merksam gemacht.

Deutsche Erfolge im gersublcn Nordsckleswig

Hamburg. IR März. Bei der Stadtverorünetenwahl in

Sonderburg entfielen 852 Stimmen aus die deutsche Liste. Das bedeutet einen Zuwachs von 240 Stimmen. Gewählt wurden 5 Deutsche. Bei der Stadtverordnetenwahl in Hoyer wurden gewählt 8 Deutsche, 1 deutscher Sozialdemokrat und 2 Dänen; die Deutschen gewannen 2 Mandate.

Landlaasauflösung in Hessen?

Darmstadk, 11. März. Der zugleich mit dem Reichstag am 7. Dezember v. I. gewählte hessische Landtag hat bis heute noch keine Regierung zustandegebracht. Der Landes­ausschuß der Deutschen Volkspartei hat nun im Verein mit den Deutschnationalen, dem Bauernbund und anderen Ver­bänden eine Entschließung angenommen, die den Antrag auf ein Volksbegehren für die Auflösung des Landtags stellt.

Parkeiauskritt

Merseburg, 11. März. Die kommunistischen Abgeordneten Fiedler- Magdeburg und Dornbluth - Weihenfels sind aus der Kommunistischen Partei ausgetreten, sie haben aber ihre Mandate zum preußischen Landtag nicht nieder­gelegt. Weitere Austritte stehen bevor.

Erfolgreiche Gerichksklage der Saarbeamksn

Saarbrücken. 11. März- Die verbändlerische Saarkom­mission hatte den Beamten im Saargebiet, die sie vom Reich übernommen hatte, die Besoldung sofort in französischen Franken ausbezahlt. Bei der fortschreitenden Entwertung des Franken waren aber die Bezüge gegenüber den im Reich bezahlten Besoldungen immer mehr zurückgegangen. Die Beschwerden bei der Saarkommission blieben unberück­sichtigt. Die Beamten haben nun ihre Forderungen beim Landgericht in Saarbrücken eingeklagt und das Gericht hat festgestellt, daß die Saarkommission nicht nur verpflichtet sei, die Gehälter in Franken in derjenigen Höhe zu bezahlen, die den in Deutschland bezahlten Gehältern mit börsen­mäßiger Umrechnung des Kurses entspricht, sondern daß auch die besonderen Teueru-ngsoerhäitnisse im Saarqebiet.zu berücksichtigen sind.

»Allgemeiner" oder begrenzter Sicherheitsvertrag?

Paris. 11. März. Herriot beries m vergangener Nacht die französischen Vertreter auf der letzten Völkerbunds- tagung im September v. I., auf der das Genfer Pro- tokoll beschlossen worden war, nämlich die Abgeordneten Loucheur und Boncour, den Senator de Jouvenel und den Geschäftsführer der Eewerkschastskommission Iouhaux .zu einer Besprechung zu sich. Alle waren dafür, daß Frankreich an dem Genfer Protokoll schon aus innerpolitischen Gründen festhalten müsse. Der Vertreter auf der gegenwärtigen Ta­gung des Völkerbundsrats, Briand, solle angewiesen wer­den, das Protokoll in Genf gegen Chauberlain zu verteidi­gen; Frankreich sei allerdings bereit, bis zur nächsten Voll­versammlung des Völkerbundsrots etwaige Abänderungs- anträge Englands zu prüfen. Während Mac Donald einen allgemeinen Sicherheitsvertrag gewünscht und Frank­reich diesem Wunsch Rechnung gertragen habe, obwohl es zuvor Einzeloerträge mit Belgien, Polen, Tschechoslowakei usw. abgeschlossen hatte, trete Chamberlain für begrenzte Verträge mit Einschluß Deutschlands ein (England, Frank­reich, Italien, Deutschland und Belgien). Dieses englische Schwanken" könne Frankreich nicht mitmachen, es müsse daher grundsätzlich am Genfer Protokoll festhalten, da» auch Polen, die Tschechoslowakei usw. in den Ächerheitsvertrag einbeziehe.

Die Beschlüsse wurden heute dem Minifierrat vorgelegt, worauf an Briaiid in Genf eine entsprechende Weisung cch«- ging.

Poincarä der Kriegsmacher

Paris. 11. März. Senator Humbert, der kürzlich ein Buch über die Kriegstreibereien Poincares veröffentlichte, ließ heute eine halbe Million Flugblätter in Paris vertei- len. worin er Poincare beschuldigt, daß er den Krieg herausbeschworen und im geheimen ungeheure Summen für die Rüstungen ausgegeben habe.

Von der Tagung des Völkerbundsrats ^

Genf. 11. März. Die Beratungen des Völkerbundsrats sind streng vertraulich. Was darüber gemeldet wird, sind meist Vermutungen der zahlreichen Berichterstatter. Es wird aber von verschiedenen Seiten behauptet, daß zwischen Chamberlain (England) und Briand (Frankreich) eine starke Meinungsverschiedenheit u. a. über die Ueber- wachung nach der Räumung, die nach französischer For­derung dauernd sein solle, bestehe. Der polnische Außen­minister Skrzynski, der bei einem Abendessen sich Cham­berlain zu einem politischen Gespräch in zudringlicher Weise zu nähern versuchte, sei von Chamberlain auffallend schroff abgewiesen worden.

Die Kurden geschlagen

Konstanlinopel. 11. März. Bei Diarbekr fand ein Gefecht mit den Kurden statt, in dem diese geschlagen wurden. Beli gesangenen Kurden wurden Schriftstücke gefunde n, aus